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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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EuGH 18.12.2014 - C-523/13
EuGH 18.12.2014 - C-523/13 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) - 18. Dezember 2014 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung — Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer — Art. 45 AEUV — Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 — Leistungen bei Alter — Diskriminierungsverbot — Arbeitnehmer, der in einem Mitgliedstaat vor seiner Versetzung in den Ruhestand in Altersteilzeit arbeitet — Berücksichtigung für einen Anspruch auf Altersrente in einem anderen Mitgliedstaat“
Leitsatz
In der Rechtssache C-523/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundessozialgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2013, in dem Verfahren
Walter Larcher
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von W. Larcher, vertreten durch R. Buschmann,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Oktober 2014
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Larcher und der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd über die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.“
Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:
„Die Personen, für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.“
Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt diese für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die u. a. Leistungen bei Alter und Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen.
Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Anspruchs auf die Leistungen eines Systems, das kein Sondersystem im Sinne des Absatzes 2 oder 3 ist, davon abhängig, dass Versicherungs- oder Wohnzeiten zurückgelegt worden sind, berücksichtigt der zuständige Träger dieses Mitgliedstaats, soweit erforderlich, die nach den Rechtsvorschriften jedes anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten; dabei ist unwesentlich, ob diese in einem allgemeinen oder in einem Sondersystem, in einem System für Arbeitnehmer oder in einem System für Selbständige zurückgelegt worden sind. Zu diesem Zweck berücksichtigt er diese Zeiten, als ob es sich um nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften zurückgelegte Zeiten handelte.“
Nationale Rechtsvorschriften
Deutsches Recht
Die für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Bestimmungen des deutschen Rechts sind zum einen im Sechsten Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. 2004 I S. 1791, im Folgenden: SGB VI) und zum anderen im Altersteilzeitgesetz in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl. 2004 I S. 602, im Folgenden: AltTZG) enthalten.
§ 237 Abs. 1 SGB VI lautet:
„Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie
vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
das 60. Lebensjahr vollendet haben,
entweder
bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
oder
die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 [AltTZG] für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.“
§ 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 AltTZG sieht vor:
„(1) Leistungen werden für Arbeitnehmer gewährt, die
das 55. Lebensjahr vollendet haben,
nach dem 14. Februar 1996 auf Grund einer Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber, die sich zumindest auf die Zeit erstrecken muss, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, ihre Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert haben, und versicherungspflichtig beschäftigt im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sind (Altersteilzeitarbeit) und
innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben. …
(2) Sieht die Vereinbarung über die Altersteilzeitarbeit unterschiedliche wöchentliche Arbeitszeiten oder eine unterschiedliche Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit vor, ist die Voraussetzung nach Absatz 1 Nr. 2 auch erfüllt, wenn
die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu drei Jahren oder bei Regelung in einem Tarifvertrag, auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung oder in einer Regelung der Kirchen und der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu sechs Jahren die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschreitet und der Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch ist und
das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit sowie der Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [AltTZG] fortlaufend gezahlt werden.“
§ 3 Abs. 1 AltTZG bestimmt:
„Der Anspruch auf die Leistungen nach § 4 setzt voraus, dass
der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages …
das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit um mindestens 20 vom Hundert dieses Arbeitsentgelts, jedoch auf mindestens 70 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 (Mindestnettobetrag), aufgestockt hat und
für den Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens in Höhe des Beitrags entrichtet hat, der auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 vom Hundert des bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 [AltTZG] und dem Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit entfällt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze, sowie
der Arbeitgeber aus Anlass des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit
einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss der Ausbildung auf dem freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz versicherungspflichtig im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt; bei Arbeitgebern, die in der Regel nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigen, wird unwiderleglich vermutet, dass der Arbeitnehmer auf dem freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatz beschäftigt wird, oder
einen Auszubildenden versicherungspflichtig im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beschäftigt, wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt
…“
§ 4 AltTZG sieht vor, dass die nationale Arbeitsverwaltung dem Arbeitgeber einen öffentlichen Zuschuss für die finanziellen Belastungen zahlt, die ihm wegen der Altersteilzeitarbeit eines Arbeitnehmers entstanden sind. Der Anspruch auf Altersrente nach Altersteilzeitarbeit gemäß § 237 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b SGB VI setzte jedoch nicht voraus, dass die Bundesanstalt für Arbeit dem betreffenden Arbeitgeber diesen Zuschuss auch zahlt oder überhaupt Förderleistungen erbringt. Voraussetzung für die Zahlung des Zuschusses war, dass der frei gewordene Arbeitsplatz durch einen beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer oder einen Arbeitnehmer nach Abschluss seiner Ausbildung wiederbesetzt wurde und der Arbeitgeber dem in Altersteilzeit arbeitenden Arbeitnehmer einen Aufstockungsbetrag zum Arbeitsentgelt zahlte. Für die Zahlung dieses Aufstockungsbetrags kam es nicht darauf an, dass der durch die Altersteilzeit frei gewordene Arbeitsplatz tatsächlich wiederbesetzt wurde.
Österreichisches Recht
Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge sind die Bestimmungen des österreichischen Rechts, die in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum die Altersteilzeitarbeit regelten, im Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 in der Fassung des Gesetzes vom 30. Dezember 2003 (BGBl. I Nr. 128/2003, im Folgenden: AlVG) enthalten. So können nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 AlVG ältere Arbeitnehmer, und zwar männliche Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr, eine Altersteilzeitarbeit in Anspruch nehmen, wenn sie in den letzten 25 Jahren mindestens 15 Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen waren.
Nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 AlVG muss die Altersteilzeitarbeit Gegenstand einer vertraglichen Vereinbarung sein, die eine Verringerung der Arbeitszeit auf 40 % bis 60 % der Normalarbeitszeit vorsieht. Nach § 27 Abs. 5 AlVG können die Arbeitsstunden während der Dauer der Altersteilzeitarbeit gleichmäßig verteilt sein, müssen dies aber nicht.
Der Arbeitgeber zahlt dem in Altersteilzeitarbeit beschäftigten Arbeitnehmer einen Lohnausgleich in Höhe von mindestens 50 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem im letzten Jahr vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt. Mit diesem Lohnausgleich erhält der Arbeitnehmer etwa bei einer Herabsetzung auf 50 % der Arbeitszeit vom Arbeitgeber 75 % des bisherigen Arbeitsentgelts.
Nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a und b AlVG ist die Bemessungsgrundlage für die vom Arbeitgeber zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge die gleiche wie die, die vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit galt. Nach § 27 Abs. 1 und 4 AlVG muss das vom Arbeitsmarktservice zu zahlende Altersteilzeitgeld 50 % der zusätzlichen Belastungen des Arbeitgebers ausgleichen. Dieser Ausgleich kann 100 % erreichen, wenn eine zuvor arbeitslose Person eingestellt oder ein zusätzlicher Lehrling ausgebildet wird.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Herr Larcher, der am 19. Mai 1946 geboren wurde und die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wohnt in Österreich. Er war länger als 29 Jahre in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Am 1. Dezember 2000 begann er in Österreich eine versicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung. Ab 1. März 2004 wurde ihm aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung eine Herabsetzung seiner wöchentlichen Normalarbeitszeit von bisher 38,5 Stunden auf 15,4 Stunden gewährt. Diese 15,4 Stunden entsprachen 40 % seiner bisherigen wöchentlichen Normalarbeitszeit. Die Arbeitsstunden waren auf vier Tage pro Woche verteilt. Am 30. September 2006 beendete Herr Larcher das Altersteilzeitarbeitsverhältnis. Ab 4. Oktober 2006 war er nur noch geringfügig im Sinne des Sozialversicherungsrechts beschäftigt.
Während der Altersteilzeitarbeit von Herrn Larcher zahlte ihm sein Arbeitgeber einen Lohnausgleich in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen dem der verkürzten Arbeitszeit entsprechenden verringerten Bruttomonatslohn und dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitszeit vor ihrer Herabsetzung entsprach, und entrichtete weiter Beiträge an die österreichische Pensionsversicherung auf der vor Herabsetzung der Normalarbeitszeit geltenden Beitragsbemessungsgrundlage. Der österreichische Arbeitsmarktservice gewährte diesem Arbeitgeber ein Altersteilzeitgeld, um die finanziellen Belastungen auszugleichen, die ihm wegen der Altersteilzeit von Herrn Larcher entstanden waren.
Seit dem 1. Oktober 2006 bezieht Herr Larcher eine österreichische „vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer“ in Höhe von 370,25 Euro. Daneben bezieht er seit dem 1. Juni 2009 eine deutsche „Altersrente für langjährig Versicherte“ in Höhe von 696,81 Euro. Diese Ruhegehälter sind nicht Gegenstand des Ausgangsverfahrens.
Im Februar 2006 beantragte Herr Larcher bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Altersteilzeitarbeit von Herrn Larcher nicht nach deutschen Rechtsvorschriften durchgeführt worden sei. Nach Zurückweisung seines Widerspruchs wandte sich Herr Larcher an die deutschen Gerichte. Sowohl seine Klage als auch seine Berufung blieben erfolglos.
Das Bayerische Landessozialgericht als Berufungsgericht stellte insbesondere darauf ab, dass die beantragte Altersrente deshalb nicht geschuldet sei, weil Herr Larcher seine Arbeitszeit im Rahmen der in Österreich in Anspruch genommenen Altersteilzeitregelung nicht, wie nach dem AltTZG vorgeschrieben, auf 50 %, sondern auf 40 % der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert habe.
Auch die Anwendung der unionsrechtlichen Bestimmungen könne nicht zu einem für Herrn Larcher günstigen Ergebnis führen. So könne die Altersteilzeitarbeit, die ihm in Österreich zugebilligt worden sei, nicht nach Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 berücksichtigt werden, weil es im vorliegenden Fall nicht um die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, sondern um die Berücksichtigung der Altersteilzeitarbeit als Voraussetzung für einen Rentenanspruch gehe. Es liege auch keine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung vor, wie sie in dem Fall in Rede gestanden habe, der der Rechtssache, in der das Urteil Öztürk (C-373/02, EU:C:2004:232) ergangen sei, zugrunde gelegen habe. Nach österreichischem Recht hätte Herr Larcher nämlich seine Arbeitszeit während der Altersteilzeitarbeit in einem Rahmen von 40 % bis 60 % reduzieren können. Er hätte sich also für eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf lediglich 50 % der Normalarbeitszeit entscheiden können, womit er die im deutschen Recht aufgestellten Voraussetzungen beachtet hätte. Eine Erschwernis in der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit liege daher nicht vor.
Mit seiner Revision zum Bundessozialgericht rügt Herr Larcher, das Berufungsgericht habe gegen § 237 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b SGB VI verstoßen, indem es diesen unionsrechtswidrig ausgelegt habe. Diese Bestimmung verlange nach unionsrechtskonformer Auslegung lediglich, dass die Altersteilzeitarbeit nach dem jeweiligen Recht des betreffenden Mitgliedstaats durchgeführt worden sei. Die vorgenommene Auslegung verstoße gegen das Verbot einer Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit und gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gerade im Urteil Öztürk (EU:C:2004:232) liege eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung vor. Im Ausgangsverfahren sei Art. 5 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1) anzuwenden. Deshalb sei die nach österreichischem Recht durchgeführte Altersteilzeitarbeit derjenigen nach deutschem Recht gleichzustellen.
Das vorlegende Gericht führt aus, der Gerichtshof habe bisher noch nicht über die Frage der Berücksichtigung von Altersteilzeitarbeit als Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente in Fällen entschieden, in denen die Altersteilzeit in anderen Mitgliedstaaten als dem zurückgelegt worden sei, in dem der Rentenantrag gestellt worden sei, und die im Ausgangsverfahren aufgeworfenen Fragen könnten nicht allein auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantwortet werden. Auch könne das Ausgangsverfahren entgegen der Ansicht von Herrn Larcher nicht unter alleiniger Heranziehung des Urteils Öztürk (EU:C:2004:232) entschieden werden.
Die Erfahrung zeige, dass in der Praxis die meisten Arbeitnehmer bis zum Beginn ihrer Altersrente nur in einem Mitgliedstaat beschäftigt gewesen seien, so dass sie die Voraussetzungen für die Gewährung einer innerstaatlichen Altersrente nach Altersteilzeitarbeit leichter erfüllten als ein Arbeitnehmer wie Herr Larcher, der in verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigt gewesen sei. Nehme ein Arbeitnehmer eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat an, werde er wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Geltendmachung seiner Rentenansprüche wegen der Unterschiede in den auf ihn anwendbaren Rechtsvorschriften gegenüber denjenigen Rentnern benachteiligt, deren Laufbahn an einen einzigen Mitgliedstaat geknüpft sei. Denn die Vorschriften über die Altersteilzeitarbeit könnten inhaltlich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich ausfallen, und es sei eher unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen einer bestimmten Regelung der Altersteilzeitarbeit genau denjenigen entsprächen, die in einem anderen Mitgliedstaat für die Gewährung einer Altersrente festgelegt worden seien.
Die Art. 45 AEUV bis 48 AEUV und die Verordnung Nr. 1408/71 sollten aber verhindern, dass Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten und in mehreren Mitgliedstaaten beschäftigt gewesen seien, ohne objektiven Grund schlechter gestellt würden als Arbeitnehmer, die ihre gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hätten. Ein solches Hindernis für die Ausübung der Freizügigkeit könnte aber im Ausgangsverfahren vorliegen, da Herr Larcher, der seine berufliche Laufbahn in seinem Herkunftsland beende, zwar in den Genuss von Altersteilzeitarbeit nach den in diesem Mitgliedstaat anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen komme, ihm jedoch die Gewährung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in einem anderen Mitgliedstaat verweigert werde, in dem er den größten Teil seiner beruflichen Laufbahn zurückgelegt habe.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts folgt aus der Prüfung der Frage, ob eine solche unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sei, eine zweite Frage. Diese – methodische – Frage beziehe sich darauf, welche Kriterien beim Vergleich zweier nationaler Regelungen der Altersteilzeitarbeit zu berücksichtigen seien. So neigt das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren dazu, insbesondere zu prüfen, ob das österreichische System der Altersteilzeitarbeit in Funktion und Struktur mit dem in Deutschland geltenden System der Altersteilzeitarbeit vergleichbar ist.
Unter diesen Voraussetzungen hat das Bundessozialgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Steht der in Art. 39 Abs. 2 EG (jetzt Art. 45 Abs. 2 AEUV), Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 verankerte Gleichheitssatz einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit voraussetzt, dass die Altersteilzeitarbeit nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, nicht jedoch denen eines anderen Mitgliedstaats, ausgeübt wurde?
Falls ja, welche Anforderungen stellt der Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 39 Abs. 2 EG, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 an die Gleichstellung der nach den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats absolvierten Altersteilzeitarbeit als Voraussetzung des nationalen Altersrentenanspruchs:
Bedarf es einer vergleichenden Prüfung der Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit?
Falls ja, reicht es aus, wenn die Altersteilzeitarbeit in ihrer Funktion und Struktur in beiden Mitgliedsaaten im Kern gleich ausgestaltet ist?
Oder müssen die Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit in beiden Mitgliedstaaten identisch ausgestaltet sein?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Hinsichtlich der Beantwortung der ersten Frage ist darauf hinzuweisen, dass im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer das in Art. 45 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot in Bezug auf die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 konkretisiert worden ist.
Da unbestritten ist, dass Leistungen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, sind die Fragen des vorlegenden Gerichts im Hinblick auf diese Verordnung, insbesondere deren Art. 3 Abs. 1, zu prüfen.
Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, soll Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gemäß Art. 45 AEUV zugunsten der Personen, für die die Verordnung gilt, die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit dadurch sicherstellen, dass er alle Diskriminierungen beseitigt, die sich insoweit aus den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben (vgl. u. a. Urteile Mora Romero, C-131/96, EU:C:1997:317, Rn. 29, Borawitz, C-124/99, EU:C:2000:485, Rn. 23, und Celozzi, C-332/05, EU:C:2007:35, Rn. 22).
Weiter entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der nach den Systemen der sozialen Sicherheit leistungsberechtigten Personen, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung verbietet, die durch Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (Urteil Celozzi, EU:C:2007:35, Rn. 23).
Der Gerichtshof hat demgemäß entschieden, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen ist, wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt (vgl. in diesem Sinne Urteile O’Flynn, C-237/94, EU:C:1996:206, Rn. 20, Meints, C-57/96, EU:C:1997:564, Rn. 45, Borawitz, EU:C:2000:485, Rn. 27, und Celozzi, EU:C:2007:35, Rn. 26).
In diesem Zusammenhang bedarf es nicht der Feststellung, dass die fragliche Vorschrift in der Praxis einen wesentlich größeren Anteil der Wanderarbeitnehmer betrifft. Es genügt die Feststellung, dass sie geeignet ist, eine solche Wirkung hervorzurufen (vgl. in diesem Sinne Urteile O’Flynn, EU:C:1996:206, Rn. 21, Öztürk, EU:C:2004:232, Rn. 57, und Celozzi, EU:C:2007:35, Rn. 27).
Im vorliegenden Fall sind die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Bestimmungen unstreitig unabhängig von der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar und enthalten keine Bestimmung über einen zwingenden Aufenthalt im Inland. Diese Bestimmungen legen somit für sich genommen keine offenkundig unterschiedliche Behandlung zwischen inländischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmern aus einem anderen Mitgliedstaat fest.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 40 bis 43 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, ist jedoch festzustellen, dass diese Bestimmungen dadurch, dass sie vorschreiben, dass der Arbeitnehmer, der eine Altersrente nach Altersteilzeitarbeit beziehen möchte, ausschließlich nach Maßgabe des deutschen Rechts in Altersteilzeit gearbeitet haben darf, geeignet sind, Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, besonders zu benachteiligen.
Zum einen versetzen solche Rechtsvorschriften nämlich einen Wanderarbeitnehmer wie den im Ausgangsverfahren betroffenen, der, nachdem er den größten Teil seiner beruflichen Laufbahn in einem Mitgliedstaat zurückgelegt hat, eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, wo ihm Altersteilzeitarbeit gewährt wird, wegen dieses Umstands in eine weniger günstige Lage als einen Arbeitnehmer, der seine ganze berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat und dem die Altersteilzeitarbeit dort gewährt wird.
Zum anderen sind solche Rechtsvorschriften, wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geeignet, in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Arbeitgeber davon abzuhalten, im Rahmen ihrer nationalen Regelung der Altersteilzeitarbeit, die sich von der entsprechenden deutschen Regelung unterscheidet, eine Person einzustellen, die einen Großteil ihrer beruflichen Laufbahn in Deutschland zurückgelegt hat.
Unter diesen Umständen ist weiter zu prüfen, ob solche nationale Rechtsvorschriften gleichwohl gerechtfertigt sein können. Dazu hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass nationale Maßnahmen der im Ausgangsverfahren fraglichen Art nur dann zugelassen werden können, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil van den Booren, C-127/11, EU:C:2013:140, Rn. 45).
Wie das vorlegende Gericht betont, bezwecken die fraglichen Rechtsvorschriften zum einen, den Arbeitnehmern, die einen entsprechenden Antrag stellen, einen Übergang in den Ruhestand unter bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten, und zum anderen, die Einstellung von Arbeitslosen oder Auszubildenden zu fördern.
Zwar können, wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge festgestellt hat, diese beiden – hier miteinander untrennbar verbundenen – Zwecke als legitime Ziele der Sozialpolitik angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Palacios de la Villa, C-411/05, EU:C:2007:604, Rn. 64, und Caves Krier Frères, C-379/11, EU:C:2012:798, Rn. 50 und 51), doch ist darüber hinaus zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Maßnahmen auch geeignet sind, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist.
Dass diese Maßnahmen geeignet sind, die Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele zu gewährleisten, lässt sich nicht bestreiten. Dagegen ist festzustellen, dass sie über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wenn sie verlangen, dass die Altersteilzeitarbeit ausschließlich nach deutschem Recht durchgeführt wurde, und sie somit die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit an Arbeitnehmer ausschließen, die nach in einem anderen Mitgliedstaat geltenden Vorschriften in den Genuss einer Altersteilzeitarbeit gekommen sind.
Wie nämlich die deutsche Regierung selbst in ihren schriftlichen Erklärungen einräumt, läuft der kategorische Ausschluss der Berücksichtigung einer in einem anderen Mitgliedstaat absolvierten Altersteilzeitarbeit für den Erwerb der deutschen Altersrente darauf hinaus, dass dabei unberücksichtigt bleibt, dass die Regelung der Altersteilzeitarbeit dieses anderen Mitgliedstaats möglicherweise die gleichen oder ähnliche Ziele wie das deutsche Recht verfolgt und den gleichen oder ähnlichen Modalitäten unterliegt wie den im deutschen Recht vorgesehenen, so dass die Anwendung dieser Regelung so geartet ist, dass mit ihr das oder die betreffenden legitimen Ziele in gleicher Weise verwirklicht werden.
Daraus folgt, dass Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, wenn diese in der vom vorlegenden Gericht insbesondere in der Formulierung der ersten Frage beschriebenen Art und Weise ausgelegt und angewandt werden.
Zu beachten ist jedoch, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts dieses Recht so weit wie möglich in einer dem Unionsrecht entsprechenden Weise auszulegen haben, um im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, wenn sie über bei ihnen anhängige Rechtsstreitigkeiten entscheiden (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteil Pfeiffer u. a., C-397/01 bis C-403/01, EU:C:2004:584, Rn. 113 und 114).
Wenn es also, wie das vorlegende Gericht betont, möglich ist, die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Bestimmungen dahin auszulegen, dass sie einer Zahlung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit in Fällen, in denen die Altersteilzeitarbeit nach Maßgabe der Bestimmungen eines anderen Mitgliedstaats erfolgt ist, nicht entgegenstehen, gebietet der Grundsatz einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts den nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichten, sich nach dieser Auslegung zu richten.
Aufgrund dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit voraussetzt, dass die Altersteilzeitarbeit ausschließlich nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ausgeübt wurde.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung dahin auszulegen ist, dass in einem Mitgliedstaat für die Anerkennung einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats absolvierten Altersteilzeitarbeit eine vergleichende Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung der in den beiden Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen zur Altersteilzeitarbeit vorzunehmen ist, und, wenn dies der Fall ist, in welchem Maße diese beiden Regelungen übereinstimmen müssen.
Im Hinblick auf die Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Verordnung Nr. 1408/71 getroffene Regelung nur eine Koordinierungsregelung ist, die sich u. a. mit der Bestimmung der Rechtsvorschriften befasst, die auf Arbeitnehmer und Selbständige anzuwenden sind, die unter verschiedenen Umständen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, und dass einem solchen System immanent ist, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente je nach den Mitgliedstaaten unterschiedlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Tomaszewska, C-440/09, EU:C:2011:114, Rn. 25 und 26).
Bei der Festlegung dieser Voraussetzungen haben die Mitgliedstaaten jedoch die Gleichbehandlung aller in ihrem Gebiet erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen bestmöglich zu gewährleisten und Nachteile für diejenigen, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen, abzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile Piatkowski, C-493/04, EU:C:2006:167, Rn. 19, Nikula, C-50/05, EU:C:2006:493, Rn. 20, und Derouin, C-103/06, EU:C:2008:185, Rn. 20).
Auch wenn es einem Mitgliedstaat, wie sich aus den Rn. 41 bis 43 des vorliegenden Urteils ergibt, nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 untersagt ist, die Berücksichtigung einer Altersteilzeitarbeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats durchgeführt wurde, für die Gewährung einer Altersrente im eigenen Hoheitsgebiet systematisch zu verweigern, ist er deswegen noch nicht verpflichtet, eine solche Altersteilzeitarbeit ohne Weiteres als derjenigen Altersteilzeitarbeit gleichwertig anzuerkennen, die in seinen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
Eine Auslegung, nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet wären, eine solche systematische Gleichstellung vorzunehmen, würde nämlich letztlich den Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet des sozialen Schutzes nehmen.
Daher haben die nationalen Behörden die beiden Vorruhestandsregelungen einer vergleichenden Prüfung zu unterziehen.
Da diese Prüfung durch die Behörden eines Mitgliedstaats es in erster Linie ermöglichen soll, zu beurteilen, ob mit den Voraussetzungen der in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Altersteilzeitarbeit die im ersten Mitgliedstaat mit der Altersteilzeitarbeit verfolgten legitimen Ziele erreicht werden können, ist es diesen Behörden versagt, eine Identität der Voraussetzungen zu verlangen.
Zum einen ist nämlich nicht auszuschließen, dass ein und derselbe Zweck mit unterschiedlichen Mitteln erreicht wird und dass die Voraussetzungen der Maßnahmen der Altersteilzeitarbeit somit voneinander abweichen.
Zum anderen liefe eine Identität dieser Voraussetzungen in der Praxis darauf hinaus, dass der fraglichen Prüfung ihre praktische Wirksamkeit genommen würde, da eine völlige Identität von Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten wenig wahrscheinlich ist.
Zu betonen ist, dass diese Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 die einzige ist, die es sowohl ermöglicht, den Grundsatz zu beachten, dass die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialleistungen festzulegen, als auch, die Gleichbehandlung aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschäftigten Arbeitnehmer zu gewährleisten und dabei nicht diejenigen unter ihnen zu benachteiligen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen oder gemacht haben.
Was speziell die Beurteilung der Ähnlichkeit der unterschiedlichen Voraussetzungen der Regelungen der Altersteilzeitarbeit zweier Mitgliedstaaten angeht, ist zu beachten, dass diese Beurteilung in jedem Einzelfall vorzunehmen ist und dass geringfügige Unterschiede, die keinen erheblichen Einfluss auf die Erreichung der verfolgten Ziele haben, nicht berücksichtigt werden dürfen, um einer Altersteilzeitarbeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats durchgeführt worden ist, die Anerkennung als der Altersteilzeitarbeit nach innerstaatlichem Recht gleichwertig zu versagen.
Hervorzuheben ist, dass im Ausgangsverfahren mit den beiden dort in Rede stehenden Regelungen der Altersteilzeitarbeit die gleichen Ziele verfolgt werden, nämlich den Arbeitnehmern einen reibungslosen Übergang in den Ruhestand zu sichern und die Einstellung von Arbeitslosen oder Auszubildenden zu fördern, und dass die Voraussetzungen dieser Regelungen sehr ähnlich sind, ist doch in der deutschen Regelung eine Arbeitszeitverkürzung um 50 % und in der österreichischen Regelung eine solche um 40 % bis 60 % vorgesehen. Eine Differenz von 10 % beim Arbeitszeitumfang ist nicht bedeutend genug, um die Erreichung der mit dem AltTZG verfolgten Ziele der Sozialpolitik in Frage zu stellen.
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung dahin auszulegen ist, dass in einem Mitgliedstaat für die Anerkennung einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats absolvierten Altersteilzeitarbeit eine vergleichende Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung der in den beiden Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen zur Altersteilzeitarbeit vorzunehmen ist, um in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob die festgestellten Unterschiede geeignet sind, die Erreichung der mit den betreffenden Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats verfolgten legitimen Ziele in Frage zu stellen.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006, verankert ist, steht einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der die Gewährung einer Altersrente nach Altersteilzeitarbeit voraussetzt, dass die Altersteilzeitarbeit ausschließlich nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ausgeübt wurde.
Der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung Nr. 1992/2006, verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung ist dahin auszulegen, dass in einem Mitgliedstaat für die Anerkennung einer nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats absolvierten Altersteilzeitarbeit eine vergleichende Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung der in den beiden Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen zur Altersteilzeitarbeit vorzunehmen ist, um in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob die festgestellten Unterschiede geeignet sind, die Erreichung der mit den betreffenden Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats verfolgten legitimen Ziele in Frage zu stellen.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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