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EuGH 11.07.2013 - C-521/11
EuGH 11.07.2013 - C-521/11 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) - 11. Juli 2013 ( *1) - „Rechtsangleichung — Geistiges Eigentum — Urheberrecht und verwandte Schutzrechte — Ausschließliches Vervielfältigungsrecht — Richtlinie 2001/29/EG — Art. 5 Abs. 2 Buchst. b — Gerechter Ausgleich — Unterschiedslose Anwendung, aber mit etwaigem Anspruch auf Erstattung der zur Finanzierung des Ausgleichs bestimmten Abgabe für Privatkopien — Ausschüttung der erzielten Erlöse teilweise an die Rechtsinhaber und teilweise an soziale oder kulturelle Einrichtungen — Doppelte Zahlung der Abgabe für Privatkopien im Rahmen eines grenzüberschreitenden Geschäfts“
Leitsatz
In der Rechtssache C-521/11
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 2011, in dem Verfahren
Amazon.com International Sales Inc.,
Amazon EU Sàrl,
Amazon.de GmbH,
Amazon.com GmbH in Liquidation,
Amazon Logistik GmbH
gegen
Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Amazon.com International Sales Inc., der Amazon EU Sàrl, der Amazon.de GmbH, der Amazon.com GmbH und der Amazon Logistik GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte G. Kucsko und U. Börger sowie durch B. Van Asbroeck, avocat,
der Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Walter und durch U. Sedlaczek,
der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und S. Menez als Bevollmächtigte,
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Szpunar und M. Drwięcki als Bevollmächtigte,
der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und F. Bulst als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. März 2013
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Amazon.com International Sales Inc., der Amazon EU Sàrl, der Amazon.de GmbH, der Amazon.com GmbH in Liquidation und der Amazon Logistik GmbH (im Folgenden zusammen: Amazon) einerseits und der Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH (im Folgenden: Austro-Mechana) andererseits wegen eines Antrags, mit dem Letztere nach österreichischem Recht die Zahlung der aufgrund des Inverkehrbringens von Trägermaterial geschuldeten Vergütung begehrt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 10, 11 und 35 der Richtlinie 2001/29 lauten:
Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z. B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.
Eine rigorose und wirksame Regelung zum Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte ist eines der wichtigsten Instrumente, um die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren.
…
In bestimmten Fällen von Ausnahmen oder Beschränkungen sollten Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, damit ihnen die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird. Bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses gerechten Ausgleichs sollten die besonderen Umstände eines jeden Falls berücksichtigt werden. Für die Bewertung dieser Umstände könnte der sich aus der betreffenden Handlung für die Rechtsinhaber ergebende etwaige Schaden als brauchbares Kriterium herangezogen werden. In Fällen, in denen Rechtsinhaber bereits Zahlungen in anderer Form erhalten haben, z. B. als Teil einer Lizenzgebühr, kann gegebenenfalls keine spezifische oder getrennte Zahlung fällig sein. Hinsichtlich der Höhe des gerechten Ausgleichs sollte der Grad des Einsatzes technischer Schutzmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie in vollem Umfang berücksichtigt werden. In bestimmten Situationen, in denen dem Rechtsinhaber nur ein geringfügiger Nachteil entstünde, kann sich gegebenenfalls keine Zahlungsverpflichtung ergeben.“
Art. 2 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:
für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,
für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen,
für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,
für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme,
für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.“
Art. 5 („Ausnahmen und Beschränkungen“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 2:
„Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:
…
in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob technische Maßnahmen gemäß Artikel 6 auf das betreffende Werk oder den betreffenden Schutzgegenstand angewendet wurden;
…“
Österreichisches Recht
In § 42 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. April 1936 (BGBl 111/1936) in der durch die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 (BGBl I 32/2003) geänderten Fassung (im Folgenden: UrhG) heißt es:
„(1) Jedermann darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf Papier oder einem ähnlichen Träger zum eigenen Gebrauch herstellen.
…
(4) Jede natürliche Person darf von einem Werk einzelne Vervielfältigungsstücke auf anderen als den in Abs. 1 genannten Trägern zum privaten Gebrauch und weder für unmittelbare noch mittelbare kommerzielle Zwecke herstellen.
…“
§ 42b UrhG bestimmt:
„(1) Ist von einem Werk, das durch Rundfunk gesendet, der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden ist, seiner Art nach zu erwarten, dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, so hat der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), wenn Trägermaterial im Inland gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr kommt; als Trägermaterial gelten unbespielte Bild- oder Schallträger, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, oder andere Bild- oder Schallträger, die hiefür bestimmt sind.
…
(3) Folgende Personen haben die Vergütung zu leisten:
die Leerkassetten- beziehungsweise Gerätevergütung derjenige, der das Trägermaterial beziehungsweise das Vervielfältigungsgerät im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt; …
…
(5) Vergütungsansprüche nach den Abs. 1 und 2 können nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden.
(6) Die Verwertungsgesellschaft hat die angemessene Vergütung zurückzuzahlen
an denjenigen, der Trägermaterial oder ein Vervielfältigungsgerät vor der Veräußerung an den Letztverbraucher in das Ausland ausführt;
an denjenigen, der Trägermaterial für eine Vervielfältigung auf Grund der Einwilligung des Berechtigten benutzt; Glaubhaftmachung genügt.“
§ 13 des Verwertungsgesellschaftengesetzes vom 13. Jänner 2006 (BGBl I 9/2006) bestimmt:
„(1) Verwertungsgesellschaften können für ihre Bezugsberechtigten und deren Angehörige sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen schaffen.
(2) Verwertungsgesellschaften, die Ansprüche auf Leerkassettenvergütung geltend machen, haben sozialen und kulturellen Zwecken dienende Einrichtungen zu schaffen und diesen 50 % der Gesamteinnahmen aus dieser Vergütung abzüglich der darauf entfallenden Verwaltungskosten zuzuführen …
(3) Die Verwertungsgesellschaften haben für Zuwendungen aus ihren sozialen und kulturellen Einrichtungen feste Regeln aufzustellen.
(4) Mit Beziehung auf die den sozialen und kulturellen Einrichtungen aus der Leerkassettenvergütung zugeführten Mittel kann der Bundeskanzler durch Verordnung bestimmen, auf welche Umstände die nach Abs. 3 aufzustellenden Regeln Bedacht nehmen müssen. Durch eine solche Verordnung ist insbesondere sicherzustellen, dass
zwischen den Zuwendungen an die sozialen Einrichtungen einerseits und an die kulturellen Einrichtungen andererseits ein ausgewogenes Verhältnis besteht;
im Bereich der sozialen Einrichtungen in erster Linie einzelnen Bezugsberechtigten Unterstützung in Notlagen gewährt werden kann;
durch die Zuwendungen im Bereich der kulturellen Einrichtungen die Interessen der Bezugsberechtigten gefördert werden.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Austro-Mechana ist eine Gesellschaft zur Verwertung von Urheberrechten, die die Rechte der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung der Vergütung für Trägermaterial gemäß § 42b Abs. 1 UrhG wahrnimmt.
Amazon ist ein internationaler Konzern, der über das Internet Waren verkauft, darunter das in der genannten Vorschrift angeführte Trägermaterial.
Mit der Ausführung von Bestellungen, die in Österreich ansässige Kunden durch den Abschluss von Verträgen zunächst mit der Amazon.com International Sales Inc. mit Sitz in den Vereinigten Staaten und später, ab Mai 2006, mit der Amazon EU Sàrl mit Sitz in Luxemburg über das Internet aufgegeben hatten, brachte Amazon in Österreich gemäß § 42b Abs. 1 UrhG Trägermaterial in den Verkehr.
Austro-Mechana verklagte Amazon vor dem Handelsgericht Wien gesamtschuldnerisch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung nach § 42b Abs. 1 UrhG für das in den Jahren 2002 bis 2004 in Österreich in den Verkehr gebrachte Trägermaterial.
Für das im ersten Halbjahr 2004 in den Verkehr gebrachte Trägermaterial fordert Austro-Mechana eine Vergütung in Höhe von 1856275 Euro. Hinsichtlich des restlichen von ihrer Zahlungsklage erfassten Zeitraums hat Austro-Mechana beantragt, Amazon zu verpflichten, ihr insoweit Rechnung zu legen, als es zur Bezifferung ihrer Forderung notwendig sei.
Das Handelsgericht Wien hat dem Verpflichtungsantrag mit Teilurteil stattgegeben und die Entscheidung über den Zahlungsantrag vorbehalten. Nachdem dieses Teilurteil in der Berufungsinstanz bestätigt worden war, hat Amazon den Obersten Gerichtshof als Revisionsgericht angerufen.
Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Liegt ein „gerechter Ausgleich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vor, wenn
die Berechtigten im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 einen ausschließlich durch eine Verwertungsgesellschaft geltend zu machenden Anspruch auf eine angemessene Vergütung gegen denjenigen haben, der Trägermaterial, das zur Vervielfältigung ihrer Werke geeignet ist, im Inland als Erster gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringt,
dieser Anspruch nicht davon abhängt, ob das Inverkehrbringen an Zwischenhändler, an natürliche oder juristische Personen zur Nutzung für nicht private Zwecke oder an natürliche Personen zur Nutzung für private Zwecke erfolgt,
wohl aber derjenige, der das Trägermaterial zur Vervielfältigung aufgrund einer Einwilligung des Berechtigten nutzt oder vor der Veräußerung an den Letztverbraucher wieder ausführt, gegen die Verwertungsgesellschaft einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung hat?
Wenn Frage 1 verneint wird:
Läge ein „gerechter Ausgleich“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vor, wenn der in Frage 1 a bezeichnete Anspruch nur bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen besteht, die das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen?
Wenn Frage 2 a bejaht wird:
Ist bei einem Inverkehrbringen an natürliche Personen bis zur Bescheinigung des Gegenteils anzunehmen, dass sie das Trägermaterial zur Vervielfältigung für private Zwecke nutzen werden?
Wenn Frage 1 oder Frage 2 a bejaht wird:
Folgt aus Art. 5 der Richtlinie 2001/29 oder anderen Bestimmungen des Unionsrechts, dass der von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machende Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs nicht besteht, wenn die Verwertungsgesellschaft gesetzlich verpflichtet ist, die Hälfte des Erlöses nicht an die Bezugsberechtigten auszuzahlen, sondern sozialen und kulturellen Einrichtungen zu widmen?
Wenn Frage 1 oder Frage 2 a bejaht wird:
Steht Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 oder eine andere Bestimmung des Unionsrechts dem von einer Verwertungsgesellschaft geltend zu machenden Anspruch auf Leistung eines gerechten Ausgleichs entgegen, wenn bereits in einem anderen Mitgliedstaat – wenngleich möglicherweise auf einer unionsrechtswidrigen Grundlage – eine angemessene Vergütung für das Inverkehrbringen des Trägermaterials gezahlt wurde?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der eine Abgabe für Privatkopien unterschiedslos beim ersten gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von Trägermaterial, das zur Vervielfältigung geeignet ist, in seinem Hoheitsgebiet angewandt wird und die zugleich einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Abgaben vorsieht, falls die Endnutzung des Trägermaterials nicht von dem in dieser Vorschrift geregelten Fall erfasst wird.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 der Richtlinie für die Inhaber der in dieser Bestimmung genannten Rechte das ausschließliche Recht vorsehen, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung ihrer Werke, der Aufzeichnungen ihrer Darbietungen, ihrer Tonträger, das Original und die Vervielfältigungsstücke ihrer Filme sowie der Aufzeichnungen ihrer Sendungen auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.
Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie können die Mitgliedstaaten jedoch eine Ausnahme oder eine Beschränkung in Bezug auf das ausschließliche Vervielfältigungsrecht vorsehen, wenn es sich um Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke handelt; dies ist die sogenannte „Privatkopieausnahme“.
Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten, die sich für die Aufnahme der Privatkopieausnahme in ihr innerstaatliches Recht entscheiden, nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b verpflichtet sind, die Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ an die Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts vorzusehen (vgl. Urteile vom 21. Oktober 2010, Padawan, C-467/08, Slg. 2010, I-10055, Randnr. 30, und vom 16. Juni 2011, Stichting de Thuiskopie, C-462/09, Slg. 2011, I-5331, Randnr. 22).
Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die Mitgliedstaaten, da die Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 diese Frage nicht ausdrücklich regeln, bei der Bestimmung der Person, die den gerechten Ausgleich zu zahlen hat, über ein weites Ermessen verfügen (vgl. Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 23). Dasselbe gilt für die Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses Ausgleichs.
In Ermangelung hinreichend genauer unionsrechtlicher Kriterien in einer Richtlinie, anhand deren die sich aus ihr ergebenden Verpflichtungen bestimmt werden könnten, ist es nämlich Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet die sachnächsten Kriterien festzulegen, um innerhalb der durch das Unionsrecht und insbesondere durch die betreffende Richtlinie gezogenen Grenzen deren Beachtung zu gewährleisten (vgl., in Bezug auf die Ausnahme vom ausschließlichen öffentlichen Verleihrecht gemäß der Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums [ABl. L 346, S. 61], Urteil vom 26. Oktober 2006, Kommission/Spanien, C-36/05, Slg. 2006, I-10313, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach dem 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 sollten bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der etwaigen Höhe dieses gerechten Ausgleichs die besonderen Umstände eines jeden Falls berücksichtigt werden.
In Bezug auf die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b dieser Richtlinie geregelte Ausnahme für Privatkopien hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass der Verursacher des dem Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts entstandenen Schadens die Person ist, die ohne vorherige Genehmigung des Rechtsinhabers eine solche Vervielfältigung eines geschützten Werks für ihren privaten Gebrauch vornimmt, so dass grundsätzlich diese Person verpflichtet ist, den mit der Vervielfältigung verbundenen Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert, der an den betroffenen Rechtsinhaber gezahlt wird (Urteile Padawan, Randnr. 45, und Stichting de Thuiskopie, Randnr. 26).
Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass es angesichts der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den Inhabern eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts den ihnen entstandenen Schaden zu ersetzen, den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine „Abgabe für Privatkopien“ einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und diese Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder ihnen eine Vervielfältigungsdienstleistung erbringen. Im Rahmen einer solchen Regelung haben die über diese Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung verfügenden Personen die Abgabe für Privatkopien zu leisten (Urteile Padawan, Randnr. 46, und Stichting de Thuiskopie, Randnr. 27).
Der Gerichtshof hat zudem klargestellt, dass, da es diese Regelung den Schuldnern der Abgabe für Privatkopien erlaubt, deren Betrag in den Preis für die Überlassung dieser Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung oder in den Preis für die erbrachte Vervielfältigungsleistung einfließen zu lassen, die Belastung durch die Abgabe letztlich vom privaten Nutzer getragen wird, der diesen Preis zahlt, und zwar entsprechend dem „angemessenen Ausgleich“, der zwischen den Interessen der Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts und denen der Nutzer von Schutzgegenständen herbeizuführen ist (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 28).
Im vorliegenden Fall werden bei der durch § 42b UrhG zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 geschaffenen Regelung diejenigen Personen mit der Abgabe für Privatkopien belastet, die zur Vervielfältigung geeignetes Trägermaterial gewerbsmäßig und entgeltlich in Verkehr bringen.
Wie bereits in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt, erlaubt eine solche Regelung den Schuldnern der Abgabe grundsätzlich, deren Betrag in den Verkaufspreis des Trägermaterials einfließen zu lassen, so dass die Belastung durch die Abgabe, im Einklang mit dem Erfordernis des „angemessenen Ausgleichs“, letztlich von dem diesen Preis zahlenden privaten Nutzer getragen wird, sofern es sich bei ihm um den Endempfänger handelt.
Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass eine Regelung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs wie die in den Randnrn. 24 und 25 des vorliegenden Urteils dargestellte nur dann mit den Anforderungen dieses „angemessenen Ausgleichs“ vereinbar ist, wenn die fraglichen Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung dazu genutzt werden können, Privatkopien anzufertigen, und daher dem Urheber des geschützten Werks durch sie ein Schaden entstehen kann. Es besteht also unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf diese Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung und deren Verwendung zur Anfertigung von Privatkopien, so dass die unterschiedslose Anwendung dieser Abgabe auf alle Arten von Anlagen, Geräten und Medien zur digitalen Vervielfältigung, auch wenn sie von anderen als natürlichen Personen zu eindeutig anderen Zwecken als der Anfertigung von Privatkopien erworben werden, nicht im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 steht (Urteil Padawan, Randnrn. 52 und 53).
Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung läuft aber auf eine unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf zur Vervielfältigung geeignetes Trägermaterial hinaus, auch wenn seine Endnutzung nicht von dem in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 geregelten Fall erfasst wird.
Somit stellt sich die Frage, ob unter diesen Umständen ein Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Abgabe die Herbeiführung des „angemessenen Ausgleichs“ ermöglicht, der im Einklang mit den Anforderungen der Richtlinie 2001/29 zwischen den Interessen der Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts und denen der Nutzer von Schutzgegenständen herbeizuführen ist.
Hierzu ist festzustellen, dass eine Regelung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs, die in der unterschiedslosen Anwendung einer Abgabe für Privatkopien auf das gewerbsmäßige und entgeltliche Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial besteht und die zugleich einen Rückerstattungsanspruch vorsieht – sofern dieser Anspruch wirksam ist und keine übermäßige Erschwernis bei der Erstattung der gezahlten Abgabe mit sich bringt –, mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 im Einklang stehen kann, wenn die in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils angeführten praktischen Schwierigkeiten oder andere vergleichbare Schwierigkeiten eine solche Anwendung rechtfertigen.
Hat nämlich ein Mitgliedstaat die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt, ist er verpflichtet, im Einklang mit seiner territorialen Zuständigkeit eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des Schadens zu gewährleisten, der den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts aufgrund der Vervielfältigung geschützter Werke durch Endnutzer entstanden ist, die im Hoheitsgebiet dieses Staates wohnen (vgl. in diesem Sinne Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 36). Wenn eine solche Erhebung Schwierigkeiten bereitet, ist der betreffende Mitgliedstaat daher auch verpflichtet, diese unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu überwinden.
Liegen jedoch keine oder keine hinreichenden praktischen Schwierigkeiten vor, fehlt es am notwendigen Zusammenhang zwischen der Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf Trägermaterial einerseits und dessen Verwendung zur Anfertigung von Privatkopien andererseits, so dass die unterschiedslose Anwendung dieser Abgabe nicht gerechtfertigt ist und dem „angemessenen Ausgleich“, der zwischen den Interessen der genannten Rechtsinhaber und denen der Nutzer von Schutzgegenständen herbeizuführen ist, nicht entspricht.
Es ist Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jeder nationalen Regelung und der durch die Richtlinie 2001/29 vorgegebenen Grenzen zu prüfen, ob praktische Schwierigkeiten eine solche Regelung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs rechtfertigen und, bejahendenfalls, ob der Anspruch auf Rückerstattung etwaiger Abgaben, die in nicht von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 erfassten Fällen gezahlt wurden, wirksam ist und keine übermäßige Erschwernis bei der Erstattung dieser Abgaben mit sich bringt.
Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht erstens zu prüfen, ob mit der unterschiedslosen Anwendung der Abgabe für Privatkopien wegen des gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringens von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial hinreichenden praktischen Schwierigkeiten in allen Fällen begegnet wird. In diesem Zusammenhang sind der Umfang, die Wirksamkeit, die Verfügbarkeit, die Bekanntheit und die Einfachheit der Nutzung der von Austro-Mechana in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung angeführten Vorabfreistellung zu berücksichtigen.
Zweitens hat das vorlegende Gericht auch zu prüfen, dass der Umfang, die Wirksamkeit, die Verfügbarkeit, die Bekanntheit und die Einfachheit der Nutzung des Rückerstattungsanspruchs es erlauben, etwaige durch die betreffende Regelung geschaffene Ungleichgewichte auszugleichen, um festgestellten praktischen Schwierigkeiten zu begegnen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich die Erstattungsfälle, wie das vorlegende Gericht selbst hervorhebt, nicht auf die ausdrücklich in § 42b Abs. 6 UrhG angeführten Fälle beschränken.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, nach der eine Abgabe für Privatkopien unterschiedslos beim ersten gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial in seinem Hoheitsgebiet angewandt wird und die zugleich einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Abgaben vorsieht, falls die Endnutzung des Trägermaterials nicht von dem in dieser Vorschrift geregelten Fall erfasst wird, nicht entgegensteht, wenn, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jeder nationalen Regelung und der durch die Richtlinie vorgegebenen Grenzen zu prüfen hat, praktische Schwierigkeiten eine solche Regelung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs rechtfertigen und wenn der Rückerstattungsanspruch wirksam ist und keine übermäßige Erschwernis bei der Erstattung der gezahlten Abgabe mit sich bringt.
Zur zweiten Frage
Die zweite Frage ist, da sie mit der ersten korreliert und deren Beantwortung von der Beurteilung durch das vorlegende Gericht abhängt, ebenfalls zu beantworten.
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er einen Mitgliedstaat daran hindert, im Rahmen eines Systems zur Finanzierung des in dieser Vorschrift vorgesehenen gerechten Ausgleichs durch eine Abgabe für Privatkopien zulasten von Personen, die zur Vervielfältigung geeignetes Trägermaterial als Erste in seinem Hoheitsgebiet gewerbsmäßig und entgeltlich in Verkehr bringen, eine widerlegbare Vermutung für den privaten Gebrauch dieses Trägermaterials im Fall seines Inverkehrbringens an natürliche Personen aufzustellen.
Hierzu ist festzustellen, dass den Mitgliedstaaten im Rahmen des weiten Ermessens, über das sie bei der Festlegung der Form, der Einzelheiten und der möglichen Höhe des genannten Ausgleichs verfügen, die Aufstellung von Vermutungen freisteht, insbesondere, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wenn die wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des Schadens, der den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts in ihrem Hoheitsgebiet entstanden ist, Schwierigkeiten bereitet.
In Bezug auf Finanzierungsregelungen, die mit der durch § 42b UrhG geschaffenen vergleichbar sind, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es, wenn das zur Vervielfältigung geeignete Trägermaterial natürlichen Personen zu privaten Zwecken überlassen worden ist, nicht des Nachweises bedarf, dass sie mit Hilfe dieses Materials tatsächlich Privatkopien angefertigt und somit den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts tatsächlich einen Nachteil zugefügt haben, da bei diesen natürlichen Personen rechtmäßig vermutet wird, dass sie die Überlassung vollständig ausschöpfen, d. h., es wird davon ausgegangen, dass sie sämtliche mit dem Trägermaterial verbundenen Funktionen, einschließlich der Vervielfältigungsfunktion, nutzen (Urteil Padawan, Randnrn. 54 und 55).
Allein die Eignung des Trägermaterials zur Anfertigung von Kopien reicht nämlich aus, um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen, sofern dieses Trägermaterial natürlichen Personen als privaten Nutzern überlassen worden ist (Urteil Padawan, Randnr. 56).
Unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial ist die Aufstellung einer widerlegbaren Vermutung für eine solche Nutzung, wenn dieses Trägermaterial einer natürlichen Person überlassen wird, daher grundsätzlich gerechtfertigt und genügt dem „angemessenen Ausgleich“, der zwischen den Interessen der Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts und denen der Nutzer von Schutzgegenständen herbeizuführen ist.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jeder nationalen Regelung und der durch die Richtlinie 2001/29 vorgegebenen Grenzen zu prüfen, ob praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung des fraglichen Trägermaterials die Aufstellung einer solchen Vermutung rechtfertigen und ob jedenfalls die vorgesehene Vermutung nicht dazu führt, dass die Abgabe für Privatkopien in Fällen auferlegt wird, in denen der Endnutzer des Trägermaterials offenkundig nicht von dem in Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 geregelten Fall erfasst wird.
Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er im Rahmen einer Regelung zur Finanzierung des in dieser Vorschrift vorgesehenen gerechten Ausgleichs durch eine Abgabe für Privatkopien zulasten von Personen, die zur Vervielfältigung geeignetes Trägermaterial im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats als Erste gewerbsmäßig und entgeltlich in Verkehr bringen, diesen Mitgliedstaat nicht daran hindert, eine widerlegbare Vermutung für den privaten Gebrauch dieses Trägermaterials im Fall seines Inverkehrbringens an natürliche Personen aufzustellen, sofern praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung des fraglichen Trägermaterials die Aufstellung einer solchen Vermutung rechtfertigen und soweit die vorgesehene Vermutung nicht dazu führt, dass die Abgabe für Privatkopien in Fällen auferlegt wird, in denen der Endnutzer des Trägermaterials offenkundig nicht von dem in dieser Vorschrift geregelten Fall erfasst wird.
Zur dritten Frage
Mit seiner dritten Frage möchte das Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass dem in dieser Vorschrift geregelten Anspruch auf einen gerechten Ausgleich oder der zur Finanzierung dieses Ausgleichs bestimmten Abgabe für Privatkopien entgegenstehen kann, dass die Hälfte des Erlöses dieses Ausgleichs oder dieser Abgabe nicht unmittelbar an die Bezugsberechtigten ausgezahlt wird, sondern an zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Konzeption und die Höhe des gerechten Ausgleichs im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 an den Schaden anknüpfen, der sich für die Inhaber des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts aus der Vervielfältigung ihrer geschützten Werke ergibt, die ohne ihre Genehmigung für den privaten Gebrauch erfolgt. Aus diesem Blickwinkel ist der gerechte Ausgleich als Gegenleistung für den ihnen entstandenen Schaden zu sehen und muss somit zwingend auf der Grundlage des Kriteriums des Schadens berechnet werden, der ihnen durch die Schaffung der Ausnahme für Privatkopien entstanden ist (Urteil Padawan, Randnrn. 40 und 42).
Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass sich hinsichtlich des Anspruchs auf gerechten Ausgleich, der den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts im Rahmen der Privatkopieausnahme geschuldet wird, aus keiner Bestimmung der Richtlinie 2001/29 ergibt, dass der Unionsgesetzgeber die Möglichkeit eines Verzichts der Anspruchsberechtigten ins Auge gefasst hätte (Urteil vom 9. Februar 2012, Luksan, C-277/10, Randnr. 105).
Wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verpflichtet die Richtlinie 2001/29 die Mitgliedstaaten, die die Ausnahme für Privatkopien in ihrem innerstaatlichen Recht eingeführt haben, jedoch nicht, den Bezugsberechtigten des gerechten Ausgleichs die Barauszahlung des gesamten Ausgleichs zu garantieren, und sie verbietet es den Mitgliedstaaten auch nicht, im Rahmen des weiten Ermessens, über das sie verfügen, eine Regelung zu schaffen, nach der ein Teil dieses Ausgleichs in mittelbarer Form geleistet wird.
Insoweit stellt der Umstand, dass der gerechte Ausgleich als Gegenleistung für den den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts durch die Einführung der Ausnahme für Privatkopien entstandenen Schaden zu sehen ist und dass er somit zwingend auf der Grundlage dieses Schadens berechnet werden muss, kein Hindernis dafür dar, dass ein Teil der dem gerechten Ausgleich dienenden Erlöse den Berechtigten mittelbar über zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen ausgezahlt wird.
Wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind nämlich die Vergütungsregelungen für Privatkopien derzeit im Hinblick auf den Großteil des Trägermaterials notwendigerweise ungenau, da in der Praxis nicht festgestellt werden kann, welches Werk von welchem Nutzer mit Hilfe welchen Trägermediums vervielfältigt wurde.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass ein solches System der mittelbaren Erhebung des gerechten Ausgleichs durch die Anspruchsberechtigten einem der mit der Richtlinie 2001/29 verfolgten Ziele des angemessenen rechtlichen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums entspricht, das nach den Erwägungsgründen 10 und 11 dieser Richtlinie darin besteht, die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren, damit sie weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein können, und die Unabhängigkeit und Würde der Urheber und ausübenden Künstler zu wahren.
Folglich steht der Umstand, dass ein Teil der für den gerechten Ausgleich im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 bestimmten Erlöse für soziale und kulturelle Einrichtungen bestimmt ist, die zugunsten der Anspruchsberechtigten geschaffen wurden, als solcher nicht im Widerspruch zum Zweck dieses Ausgleichs, sofern diese sozialen und kulturellen Einrichtungen tatsächlich den Berechtigten zugutekommen und die Funktionsmodalitäten dieser Einrichtungen nicht diskriminierend sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Es stünde nämlich mit dem Zweck dieses Ausgleichs nicht im Einklang, wenn von den genannten Einrichtungen andere Personen als die Berechtigten profitieren würden oder wenn diejenigen, die nicht die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats besitzen, von ihrer Inanspruchnahme rechtlich oder tatsächlich ausgeschlossen wären.
Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass dem in dieser Vorschrift geregelten Anspruch auf einen gerechten Ausgleich oder der zur Finanzierung dieses Ausgleichs bestimmten Abgabe für Privatkopien nicht entgegenstehen kann, dass die Hälfte des Erlöses dieses Ausgleichs oder dieser Abgabe nicht unmittelbar an die Bezugsberechtigten ausgezahlt wird, sondern an zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen, sofern diese sozialen und kulturellen Einrichtungen tatsächlich den Berechtigten zugutekommen und die Funktionsmodalitäten dieser Einrichtungen nicht diskriminierend sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Zur vierten Frage
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass der von einem Mitgliedstaat aufgestellten Pflicht, beim gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial eine Abgabe für Privatkopien zu entrichten, die zur Finanzierung des in dieser Vorschrift geregelten gerechten Ausgleichs bestimmt ist, entgegenstehen kann, dass eine entsprechende Abgabe bereits in einem anderen Mitgliedstaat entrichtet worden ist.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dem Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, eine Ergebnispflicht in dem Sinne auferlegt, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts den ihnen entstandenen Schaden insbesondere dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 34).
Da grundsätzlich die Endnutzer, die zum privaten Gebrauch die Vervielfältigung eines geschützten Werks vornehmen, ohne die vorherige Genehmigung des Inhabers des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts einzuholen, und die ihm daher einen Schaden verursachen, diesen zu ersetzen haben, kann angenommen werden, dass der zu ersetzende Schaden im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats entstanden ist, in dem diese Endnutzer wohnen (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 35).
Folglich ist ein Mitgliedstaat, wenn er die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat und wenn die Endnutzer, die zum privaten Gebrauch die Vervielfältigung eines geschützten Werks vornehmen, in seinem Hoheitsgebiet wohnen, verpflichtet, entsprechend seiner territorialen Zuständigkeit eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts im Hoheitsgebiet dieses Staates entstandenen Schadens zu gewährleisten (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 36).
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat gewählte Erhebungsregelung ihn nicht von der Ergebnispflicht befreien kann, den geschädigten Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts die tatsächliche Zahlung eines gerechten Ausgleichs als Ersatz des in seinem Hoheitsgebiet entstandenen Schadens zu gewährleisten (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 39).
Dabei ist es ohne Einfluss auf diese Verpflichtung, dass bei Versandkäufen der gewerbliche Verkäufer, der den im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Käufern als Endnutzern Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellt, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist (Urteil Stichting de Thuiskopie, Randnr. 40).
In Anbetracht des Umstands, dass der gerechte Ausgleich, wie in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils ausgeführt, als Gegenleistung für den den Inhabern des ausschließlichen Vervielfältigungsrechts durch die Schaffung der Ausnahme für Privatkopien entstandenen Schaden zu sehen ist und somit zwingend auf der Grundlage des Kriteriums dieses Schadens berechnet werden muss, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die Verbringung von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial von einem Mitgliedstaat in einen anderen den den Rechtsinhabern entstehenden Schaden vergrößern kann.
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 sieht nämlich einen gerechten Ausgleich nicht für das Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial vor, sondern für die auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke vorgenommene Vervielfältigung selbst. Eine solche Vervielfältigung erfolgt jedoch nicht aufgrund der Verbringung von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial von einem Mitgliedstaat in einen anderen.
In Anbetracht dessen, dass der Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat und in dem die Endnutzer, die zum privaten Gebrauch die Vervielfältigung eines geschützten Werks vornehmen, wohnen, entsprechend seiner territorialen Zuständigkeit eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs als Ersatz des Schadens gewährleisten muss, der den Berechtigten entstanden ist, kann der Umstand, dass eine zur Finanzierung dieses Ausgleichs bestimmte Abgabe bereits in einem anderen Mitgliedstaat entrichtet worden ist, nicht angeführt werden, um die Zahlung dieses Ausgleichs oder der zu seiner Finanzierung bestimmten Abgabe im erstgenannten Mitgliedstaat abzuwenden.
Wer diese Abgabe zuvor in einem territorial nicht zuständigen Mitgliedstaat entrichtet hat, kann allerdings von diesem Staat nach seinem nationalen Recht die Erstattung der Abgabe verlangen.
Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass der von einem Mitgliedstaat aufgestellten Pflicht, beim gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial eine Abgabe für Privatkopien zu entrichten, die zur Finanzierung des in dieser Vorschrift geregelten gerechten Ausgleichs bestimmt ist, nicht entgegenstehen kann, dass eine entsprechende Abgabe bereits in einem anderen Mitgliedstaat entrichtet worden ist.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, nach der eine Abgabe für Privatkopien unterschiedslos beim ersten gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial in seinem Hoheitsgebiet angewandt wird und die zugleich einen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Abgaben vorsieht, falls die Endnutzung des Trägermaterials nicht von dem in dieser Vorschrift geregelten Fall erfasst wird, nicht entgegensteht, wenn, was das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jeder nationalen Regelung und der durch die Richtlinie vorgegebenen Grenzen zu prüfen hat, praktische Schwierigkeiten eine solche Regelung zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs rechtfertigen und wenn der Rückerstattungsanspruch wirksam ist und keine übermäßige Erschwernis bei der Erstattung der gezahlten Abgabe mit sich bringt.
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er im Rahmen einer Regelung zur Finanzierung des in dieser Vorschrift vorgesehenen gerechten Ausgleichs durch eine Abgabe für Privatkopien zulasten von Personen, die zur Vervielfältigung geeignetes Trägermaterial im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats als Erste gewerbsmäßig und entgeltlich in Verkehr bringen, diesen Mitgliedstaat nicht daran hindert, eine widerlegbare Vermutung für den privaten Gebrauch dieses Trägermaterials im Fall seines Inverkehrbringens an natürliche Personen aufzustellen, sofern praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung des privaten Zwecks der Nutzung des fraglichen Trägermaterials die Aufstellung einer solchen Vermutung rechtfertigen und soweit die vorgesehene Vermutung nicht dazu führt, dass die Abgabe für Privatkopien in Fällen auferlegt wird, in denen der Endnutzer des Trägermaterials offenkundig nicht von dem in dieser Vorschrift geregelten Fall erfasst wird.
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass dem in dieser Vorschrift geregelten Anspruch auf einen gerechten Ausgleich oder der zur Finanzierung dieses Ausgleichs bestimmten Abgabe für Privatkopien nicht entgegenstehen kann, dass die Hälfte des Erlöses dieses Ausgleichs oder dieser Abgabe nicht unmittelbar an die Bezugsberechtigten ausgezahlt wird, sondern an zu ihren Gunsten geschaffene soziale und kulturelle Einrichtungen, sofern diese sozialen und kulturellen Einrichtungen tatsächlich den Berechtigten zugutekommen und die Funktionsmodalitäten dieser Einrichtungen nicht diskriminierend sind, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass der von einem Mitgliedstaat aufgestellten Pflicht, beim gewerbsmäßigen und entgeltlichen Inverkehrbringen von zur Vervielfältigung geeignetem Trägermaterial eine Abgabe für Privatkopien zu entrichten, die zur Finanzierung des in dieser Vorschrift geregelten gerechten Ausgleichs bestimmt ist, nicht entgegenstehen kann, dass eine entsprechende Abgabe bereits in einem anderen Mitgliedstaat entrichtet worden ist.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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