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EuGH 21.02.2013 - C-104/12
EuGH 21.02.2013 - C-104/12 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) - 21. Februar 2013 ( *1) - „Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie — Art. 17 Abs. 2 Buchst. a — Recht auf Vorsteuerabzug — Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem Eingangs- und einem Ausgangsumsatz — Kriterium für die Bestimmung dieses Zusammenhangs — Anwaltsleistungen, die im Rahmen eines gegen den Geschäftsführer und Hauptgesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gerichteten persönlichen Strafverfahrens wegen Bestechung erbracht wurden“
Leitsatz
In der Rechtssache C-104/12
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Februar 2012, in dem Verfahren
Finanzamt Köln-Nord
gegen
Wolfram Becker
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und J.-J. Kasel (Berichterstatter),
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Soulay als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 (ABl. L 15, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Köln-Nord (im Folgenden: Finanzamt) und Herrn Becker wegen dessen Recht auf Abzug der Vorsteuer, die von ihm für Anwaltsgebühren im Zusammenhang mit einem gegen ihn als Geschäftsführer und Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durchgeführten Strafverfahren entrichtet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet in der Fassung ihres Art. 28f:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.
Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige
über die nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a) abziehbare Steuer eine nach Artikel 22 Absatz 3 ausgestellte Rechnung besitzen“.
Nach Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie in der Fassung ihres Art. 28h müssen nach den Bestimmungen dieser Richtlinie ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und seines Kunden enthalten.
Deutsches Recht
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (BGBl. 2005 I S. 386, im Folgenden: UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Zu der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeit war Herr Becker Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der A-GmbH (im Folgenden: A), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts. Herr Becker und X waren Geschäftsführer von A, deren Gesellschaftszweck darin bestand, mehrwertsteuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt zu erbringen. P, der Prokurist von A, wurde später ebenfalls Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Zwischen Herrn Becker und A wurde ein Organschaftsvertrag im Sinne des UStG geschlossen. Infolgedessen wurden Herr Becker und A als ein Steuerpflichtiger behandelt, wobei Herrn Becker als „Organträger“ die steuerrechtlichen Verpflichtungen des aus seinem Einzelunternehmen und A bestehenden Gesamtunternehmens trafen.
Nachdem A einen Bauauftrag erhalten und diesen gegen Entgelt steuerpflichtig ausgeführt hatte, eröffnete die zuständige Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Herrn Becker und P. Es bestand nämlich der Verdacht, A habe vor der Vergabe dieses Auftrags vertrauliche Informationen über die von konkurrierenden Unternehmen abgegebenen Angebote erhalten und deshalb das günstigste Angebot abgeben können. Sie soll für die Erlangung dieser Informationen Zuwendungen geleistet haben, die in Bezug auf Herrn Becker und P strafrechtlich als „Bestechung“ oder Beihilfe zu würdigen seien und für den Zuwendungsempfänger als „Bestechlichkeit“.
Die gegen Herrn Becker und gegen P eröffneten Strafverfahren wurden gemäß den Bestimmungen der deutschen Strafprozessordnung gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt.
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden Herr Becker durch einen Rechtsanwalt und P durch eine Rechtsanwältin vertreten. Nach den mit ihnen getroffenen Honorarvereinbarungen waren Mandanten des Rechtsanwalts von Herrn Becker dieser als Beschuldigter und A, während Mandanten der Rechtsanwältin von P dieser als Beschuldigter und ebenfalls A waren. Beide Vereinbarungen wurden auf Seiten der Mandanten nur für A, vertreten durch Herrn Becker und P als Geschäftsführer, unterschrieben und mit dem Firmenstempel von A versehen.
Die Rechtsanwälte adressierten ihre Rechnungen an A. Aus diesen Rechnungen nahm Herr Becker – als „Organträger“ von A – im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.
Wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, war das Finanzamt der Ansicht, dass die fragliche Mehrwertsteuer nicht abziehbar sei, und erließ daher einen Änderungsbescheid gegen Herrn Becker. Nachdem der von Herrn Becker beim Finanzamt eingelegte Einspruch zurückgewiesen worden war, erhob er Klage beim Finanzgericht Köln, das ihr stattgab.
Der mit der vom Finanzamt dagegen eingelegten Revision befasste Bundesfinanzhof verweist in seiner Vorlageentscheidung darauf, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Eingangs- und Ausgangsumsätzen voraussetze. Das Finanzamt äußert jedoch Zweifel in Bezug auf die Frage, ob für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs der objektive Inhalt der bezogenen Leistung oder der Entstehungsgrund für ihren Bezug maßgeblich ist.
Zum einen gehe nämlich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es für das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs auf die objektiven Umstände (Urteil vom 8. Juni 2000, Midland Bank, C-98/98, Slg. 2000, I-4177, Randnr. 32) und die objektive Natur des betreffenden Umsatzes (Urteil vom 6. April 1995, BLP Group, C-4/94, Slg. 1995, I-983, Randnr. 24) ankomme. Im vorliegenden Fall sei aber, wenn man auf die objektive Natur der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwaltsdienstleistungen abstelle, festzustellen, dass sie direkt und unmittelbar dazu dienten, die privaten Interessen der beiden Beschuldigten zu schützen. Im Übrigen hätten sich die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen diese persönlich und nicht gegen A gerichtet, obwohl solche Maßnahmen auch gegen Letztere rechtlich möglich gewesen wären.
Zum anderen habe der Gerichtshof entschieden, dass auch zu beachten sei, ob die bezogene Leistung ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in den der Steuer unterliegenden Tätigkeiten des Steuerpflichtigen habe (Urteil vom 8. Februar 2007, Investrand, C-435/05, Slg. 2007, I-1315, Randnr. 33). So verhalte es sich im Ausgangsverfahren, denn die beiden Rechtsanwälte hätten die in Rede stehenden Leistungen nicht erbracht, wenn A keine zu einem Umsatz führende und damit steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte. Daher könnte angenommen werden, dass diese Leistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen stünden. In einer solchen Situation wäre Herr Becker als Organträger von A zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Aufgrund dieser Erwägungen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Bestimmt sich der von der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung des Begriffs „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie als maßgeblich erachtete direkte und unmittelbare Zusammenhang
nach dem objektiven Inhalt der vom Steuerpflichtigen bezogenen Leistung (hier: Tätigkeit eines Strafverteidigers, damit eine natürliche Person nicht strafrechtlich verurteilt wird) oder
nach dem Entstehungsgrund der bezogenen Leistung (hier: wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen, bei der angeblich eine Straftat durch eine natürliche Person begangen wurde)?
Falls es auf den Entstehungsgrund ankommt: Ist ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung zusammen mit einem Angestellten in Auftrag gibt, gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie zum vollen oder nur zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt, und welche Anforderungen bestehen bei Bezug einer Leistung durch mehrere Empfänger an die Rechnungserteilung gemäß Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Zur Beantwortung der ersten Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, die Berechtigung des Steuerpflichtigen zum Vorsteuerabzug grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, voraussetzt, damit der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann (vgl. Urteile Midland Bank, Randnr. 24, vom 22. Februar 2001, Abbey National, C-408/98, Slg. 2001, I-1361, Randnr. 26, und Investrand, Randnr. 23). Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten Mehrwertsteuer ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (vgl. Urteile Midland Bank, Randnr. 30, und Abbey National, Randnr. 28).
Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen anerkannt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und ‐ als solche ‐ Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. in diesem Sinne insbesondere Urteile Midland Bank, Randnr. 31, und vom 26. Mai 2005, Kretztechnik, C-465/03, Slg. 2005, I-4357, Randnr. 36).
Sodann hat der Gerichtshof zur Art des „direkten und unmittelbaren Zusammenhangs“, der zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen vorliegen muss, ausgeführt, dass der Versuch, insoweit präziser formulieren zu wollen, vergeblich ist. Angesichts der Verschiedenheit der gewerblichen und beruflichen Umsätze wäre es nämlich unmöglich, die für die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer erforderliche Beziehung zwischen den jeweiligen Eingangs- und Ausgangsumsätzen für alle denkbaren Fälle genauer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 25).
Schließlich haben nach der Rechtsprechung die Finanzverwaltungen und die nationalen Gerichte im Rahmen der ihnen obliegenden Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 25), und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen.
Die Verpflichtung, nur den objektiven Inhalt des betreffenden Umsatzes zu berücksichtigen, entspricht nämlich am besten dem mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verbundenen Zweck, der darin besteht, die Rechtssicherheit zu gewährleisten und die mit der Anwendung der Mehrwertsteuer verbundenen Maßnahmen zu erleichtern (vgl. in diesem Sinne Urteile BLP Group, Randnr. 24, vom 9. Oktober 2001, Cantor Fitzgerald International, C-108/99, Slg. 2001, I-7257, Randnr. 33, und vom 29. Oktober 2009, SKF, C-29/08, Slg. 2009, I-10413, Randnr. 47).
Wie der Gerichtshof ferner entschieden hat, ist die Feststellung, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den verwendeten Gegenständen oder Dienstleistungen und einem Ausgangsumsatz oder ausnahmsweise einem Eingangsumsatz besteht, auch anhand ihres objektiven Inhalts zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil Midland Bank, Randnr. 32, und entsprechend, in Bezug auf die Umstände, die zum Nachweis der erklärten Absicht eines Steuerpflichtigen, einen bestimmten Gegenstand für einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz zu verwenden, zu berücksichtigen sind, Urteil vom 14. Februar 1985, Rompelman, 268/83, Slg. 1985, 655, Randnr. 24).
Die Auslegung, wonach für die Feststellung, ob ein „direkter und unmittelbarer Zusammenhang“ zwischen einem bestimmten Umsatz und der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeit im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung vorliegt, objektive Umstände bei den bezogenen Gegenständen oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 33 bis 36 seines Urteils Investrand im Kern ausgeführt hat, dass dann, wenn die Verfolgung der steuerpflichtigen Tätigkeit nicht den ausschließlichen Entstehungsgrund für die Tätigung bestimmter Kosten und Ausgaben darstellt, diese nicht als in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehend angesehen werden können.
Wie nämlich aus den Randnrn. 25 bis 34 des genannten Urteils hervorgeht, kam der Gerichtshof dort unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen die Umsätze in der Rechtssache, die Gegenstand dieses Urteils war, getätigt worden waren, und insbesondere der sich aus den ihm vorliegenden Akten ergebenden Tatsachen zum einen zu dem Schluss, dass die Investrand BV keinen speziellen mehrwertsteuerpflichtigen Ausgangsumsatz getätigt hatte, der die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ausgaben verursacht hatte. Zum anderen konnten diese Ausgaben, da die Investrand BV nicht dargetan hatte, dass sie sie nicht getätigt hätte, wenn sie keine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte, nach Ansicht des Gerichtshofs nicht als für die Zwecke der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeiten entstanden betrachtet werden.
Nur weil der Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung den objektiven Inhalt der fraglichen Umsätze berücksichtigte, konnte er in Randnr. 34 des Urteils Investrand feststellen, dass die Situation der Investrand BV mit derjenigen eines privaten Anteilseigners vergleichbar war, und zu dem Ergebnis kommen, dass diese Umsätze nicht als in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fallend betrachtet werden konnten.
Insoweit ist hinzuzufügen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Investrand nicht ausgeschlossen hat, dass die fraglichen Umsätze in Anbetracht ihres Inhalts in einem anderen Fall mit einer steuerpflichtigen Tätigkeit hätten verknüpft werden können. Der Gerichtshof hat nur, wie sich im Kern aus Randnr. 33 des genannten Urteils ergibt, festgestellt, dass die Investrand BV die fraglichen Ausgaben auch dann getätigt hätte, wenn sie keine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hätte, so dass sie nicht als aufgrund der steuerpflichtigen Tätigkeiten dieses Unternehmens entstanden betrachtet werden konnten.
Daher schließt, wie die deutsche Regierung geltend gemacht hat, der Umstand, dass die Feststellung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Dienstleistung und der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeit anhand des objektiven Inhalts dieser Dienstleistung vorgenommen werden muss, nicht aus, dass auch der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes berücksichtigt werden kann, da dieser als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist. Steht fest, dass ein Umsatz nicht für die Zwecke der der Steuer unterliegenden Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen getätigt wurde, kann daher nicht von einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen ihm und diesen Tätigkeiten im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgegangen werden, selbst wenn dieser Umsatz auch in Anbetracht seines objektiven Inhalts mehrwertsteuerpflichtig ist.
Im vorliegenden Fall dienten erstens die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Anwaltsdienstleistungen nach den Angaben des vorlegenden Gerichts direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der beiden Beschuldigten, die wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegender Zuwiderhandlungen strafrechtlich verfolgt wurden. Wie im Übrigen bereits in Randnr. 16 des vorliegenden Urteils klargestellt worden ist, waren die Strafverfolgungsmaßnahmen nur gegen sie persönlich und nicht gegen A gerichtet, obwohl solche Maßnahmen auch gegen Letztere rechtlich möglich gewesen wären. Das vorlegende Gericht schließt daraus zutreffend, dass die Ausgaben für diese Dienstleistungen in Anbetracht ihres objektiven Inhalts nicht als für die Zwecke der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeiten von A getätigt betrachtet werden könnten.
Zweitens führt das vorlegende Gericht aus, dass ein Kausalzusammenhang zwischen den Kosten für diese Leistungen und der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit von A bestehe, da die beiden Rechtsanwälte ihre Leistungen nicht erbracht hätten, wenn A keine zu einem Umsatz führende und damit steuerpflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte. Es ist jedoch festzustellen, dass dieser Kausalzusammenhang keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu begründen vermag. Wie das vorlegende Gericht selbst ausführt, besteht kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Strafverfolgung und A, so dass die Leistungen als völlig außerhalb des Kontexts der steuerpflichtigen Tätigkeiten von A erbracht anzusehen sind.
Insoweit ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass das nationale Zivilrecht ein Unternehmen wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende verpflichtet, die Kosten für die Verteidigung der Interessen seiner Organe in einem Strafverfahren zu übernehmen, für die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unerheblich ist. Angesichts der durch dieses System eingeführten objektiven Mehrwertsteuerregelung ist nämlich allein das objektive Verhältnis zwischen den erbrachten Leistungen und der der Steuer unterliegenden wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen maßgebend (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, RBS Deutschland Holdings, C-277/09, Slg. 2010, I-13805, Randnr. 54), da sonst die einheitliche Anwendung des einschlägigen Unionsrechts ernstlich beeinträchtigt würde.
Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass sich für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ verwendet wurden, das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen bestimmt. Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.
Zur zweiten Frage
Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Für die Feststellung, ob Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20. Dezember 2001 geänderten Fassung „für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“ verwendet wurden, bestimmt sich das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem konkreten Umsatz und der gesamten Tätigkeit des Steuerpflichtigen nach dem objektiven Inhalt der von ihm bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen.
Im vorliegenden Fall eröffnen die Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, zu vermeiden, diesem Unternehmen keinen Anspruch auf Abzug der für die erbrachten Leistungen geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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