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BAG 20.05.2010 - 6 AZR 481/09 (A)
BAG 20.05.2010 - 6 AZR 481/09 (A) - Anderweitiges Vorabentscheidungsverfahren - Aussetzung
Normen
Art 267 AEUV, § 148 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Marburg, 26. September 2008, Az: 2 Ca 183/08, Urteil
vorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 22. April 2009, Az: 2 Sa 1689/08, Urteil
Leitsatz
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Die Aussetzung des Verfahrens ist in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO auch ohne gleichzeitiges Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union grundsätzlich zulässig, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde.
Tenor
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Die Verhandlung wird bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV im Revisionsverfahren Land Berlin ./. M (- 6 AZR 148/09 -) ausgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten ua. darüber, ob die Bemessung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen im Vergütungssystem des BAT gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt und dem im Januar 1976 geborenen Kläger für die Monate August 2007 bis Dezember 2008 Grundvergütung der Vergütungsgruppe II a BAT nach der Lebensaltersstufe „nach vollendetem 45. Lebensjahr“ zusteht.
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Der Kläger war vom 1. August 2005 bis zum 31. Dezember 2008 beim beklagten Land an der Universität Ma als Angestellter tätig, zuletzt aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007. In diesem ist ua. vereinbart, dass der Kläger ab dem 1. August 2007 bis zum 31. Dezember 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten weiterbeschäftigt wird, das Arbeitsverhältnis sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) und den sonstigen einschlägigen Tarifverträgen für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) bestimmt, soweit keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind, und der Kläger in der Vergütungsgruppe II a BAT eingruppiert ist. Das beklagte Land war mit Ablauf des 31. März 2004 aus der TdL ausgetreten.
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Der Kläger hat gemeint, die Bemessung der tariflichen Grundvergütung nach Lebensaltersstufen verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Ihm stehe Grundvergütung der höchsten Lebensaltersstufe der Vergütungsgruppe II a BAT zu. Das beklagte Land ist der Ansicht, der Kläger habe nur Anspruch auf Grundvergütung der seinem Alter entsprechenden Lebensaltersstufe.
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II. Die Verhandlung konnte in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union(AEUV) (ABl. EU Nr. C 115 vom 9. Mai 2008 S. 47) im Revisionsverfahren Land Berlin ./. M (- 6 AZR 148/09 -) ausgesetzt werden.
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1. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt ebenso wie die Entscheidung im Revisionsverfahren Land Berlin ./. M (- 6 AZR 148/09 -) von der vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu treffenden Beurteilung ab, ob die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters verstößt und eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) vom 27. November 2000 (ABl. EG Nr. L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) darstellt. Der Senat hat mit Beschluss vom 20. Mai 2010 in dem vorgenannten Revisionsverfahren dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:
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Verstößt eine tarifliche Entgeltregelung für die Angestellten im öffentlichen Dienst, die wie § 27 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT die Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen bemisst, auch unter Berücksichtigung des primärrechtlich gewährleisteten Rechts der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen (jetzt Art. 28 GRC) gegen das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG?
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Mit der Beantwortung dieser Vorlagefrage durch den EuGH wird auch für den vorliegenden Rechtsstreit geklärt, ob die Bemessung der Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen im Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters unwirksam ist.
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2. § 148 ZPO regelt die Aussetzung der Verhandlung bei Vorgreiflichkeit. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ist eine Aussetzung der Verhandlung auch bis zur Erledigung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV in einem anderen Rechtsstreit grundsätzlich zulässig.
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a) Hält ein Gericht eine Norm für verfassungswidrig, auf die es bei der Entscheidung ankommt, so muss es die Verhandlung nach Art. 100 GG aussetzen und die Entscheidung des zuständigen Verfassungsgerichts einholen. Ohne Vorlage an das Verfassungsgericht aussetzen darf ein Gericht in analoger Anwendung von § 148 ZPO dann, wenn es die Norm, wegen der bereits ein Kontrollverfahren beim Verfassungsgericht anhängig ist, nicht für verfassungswidrig hält(BGH 25. März 1998 - VIII ZR 337/97 - NJW 1998, 1957).
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b) Die Aussetzung wegen Verfassungswidrigkeit einer Norm unterscheidet sich von der Aussetzung zur Auslegung einer Norm durch den EuGH nicht grundlegend. In beiden Fällen geht es nicht um die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu Gegenständen(BGH 25. März 1998 - VIII ZR 337/97 - NJW 1998, 1957). Die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ist ebenso wie die Wirksamkeit einer Tarifvorschrift kein Rechtsverhältnis in diesem Sinne, sondern eine Rechtsfrage. Die Rechtsfrage, ob eine Regelung anzuwenden ist oder nicht, stellt sich nicht nur bei einer möglichen Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, sondern auch bei einem möglichen Verstoß gegen das primärrechtliche Verbot der Ungleichbehandlung wegen des Alters. Die entsprechende Anwendung des § 148 ZPO ist deshalb durch eine gleichartige Interessenlage gerechtfertigt. Die Vorschrift will nach einhelliger Auffassung eine doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Verfahren verhindern. Das dient der Prozesswirtschaftlichkeit und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen. Wegen dieser Vorteile nimmt das Gesetz den zeitweiligen Stillstand und die hierdurch bewirkte Verzögerung des Verfahrens in Kauf. Dieser Gesetzeszweck kommt gleichermaßen zum Tragen, wenn die Frage eines Verstoßes gegen ein Diskriminierungsverbot bereits Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH oder zur Frage der Verfassungswidrigkeit einer Norm bereits ein Kontrollverfahren beim zuständigen Verfassungsgericht anhängig ist.
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3. Ein weiteres Vorabentscheidungsverfahren mit derselben Vorlagefrage würde entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu einer Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage für den EuGH führen. Der Senat hat die Argumente und Erwägungen des Klägers, die dieser für den von ihm angenommenen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters vorgebracht hat, bei dem Vorlagebeschluss berücksichtigt. Für die Aussetzung spricht auch, dass das Verfahren dadurch nicht verzögert wird. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass zwei Vorabentscheidungsverfahren mit derselben Vorlagefrage deren Beantwortung durch den EuGH beschleunigen würden. Für die Entscheidung des Senats, den EuGH nicht im vorliegenden, sondern im Revisionsverfahren Land Berlin ./. M (- 6 AZR 148/09 -) um die Beantwortung der Vorlagefrage zu ersuchen, war maßgebend, dass die Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007 nicht tarifgebunden waren. Demgegenüber war das Land Berlin an den Tarifvertrag zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes vom 31. Juli 2003 gebunden. Dieser Tarifvertrag regelte ua., dass sich die Arbeitsverhältnisse der Angestellten mit bestimmten Maßgaben nach den Vorschriften des BAT in der Fassung vom 31. Januar 2003 und den Anlagen zum Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und der TdL richten. Da sich die Vorlagefrage auch zum primärrechtlich gewährleisteten Recht der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen (Art. 28 GRC) verhält, hat der Senat mangels Tarifbindung der Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 27. Juni 2007 von einem Vorabentscheidungsersuchen im vorliegenden Revisionsverfahren abgesehen und den EuGH im Revisionsverfahren Land Berlin ./. M (- 6 AZR 148/09 -) um die Beantwortung der Vorlagefrage ersucht.
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