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BSG 10.12.2021 - B 5 R 262/21 B
BSG 10.12.2021 - B 5 R 262/21 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - fehlende Feststellung im Protokoll, dass das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde
Normen
§ 62 SGG, § 112 Abs 2 SGG, § 121 S 1 SGG, § 122 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 ZPO, § 160 Abs 4 ZPO, § 165 S 1 ZPO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Neuruppin, 4. Dezember 2017, Az: S 7 R 51/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 19. August 2021, Az: L 2 R 40/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. August 2021 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Die Klägerin wendet sich gegen Entscheidungen des beklagten Rentenversicherungsträgers zur rückwirkenden Aufhebung der ihr bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Monate Juli 2011 bis Oktober 2012 nach § 45 SGB X und zur Erstattung der in diesem Zeitraum geleisteten Rentenzahlungen in Höhe von 11 456,34 Euro. Das LSG hat ihre Berufung gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 4.12.2017 zurückgewiesen (Urteil vom 19.8.2021). Der mit der Klage angegriffene Bescheid vom 25.6.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.1.2015 sei rechtmäßig. Die Klägerin habe eine mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt und frühestens zum 1.5.2012 aufgegeben. Erst ab diesem Zeitpunkt sei aufgrund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ihre teilweise Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung umgeschlagen. Ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe somit erst ab dem 1.11.2012. Die Klägerin könne sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Sie habe in grob fahrlässiger Weise unvollständige Angaben zu den Einnahmen aus ihrer selbstständigen Tätigkeit gemacht und zudem grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung nicht gekannt. Anhaltspunkte für Ermessensfehler der Beklagten bestünden nicht. Die Rücknahmefrist sei gewahrt.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht Verfahrensmängel geltend.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht ausreichend bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die Beschwerdebegründung der Klägerin wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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Die Klägerin rügt eine Verletzung von § 112 Abs 2 und von § 121 Satz 1 SGG, weil in der mündlichen Verhandlung vom 19.8.2021 der Vorsitzende nach Aufruf der Sache das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten nicht hinreichend erörtert habe. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sei lediglich der Sachverhalt vorgetragen, der Antrag der Klägerin aufgenommen und daraufhin die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt worden. Ein Hinweis auf eine genügende Erörterung der Streitsache finde sich in dem Protokoll nicht. Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten könne nur durch das Protokoll bewiesen werden. Nicht ausgeschlossen sei, dass die Entscheidung des LSG auf einer Verletzung der geltend gemachten Verfahrensvorschriften beruhen könne.
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Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet. Aus ihrem Vortrag ergibt sich allerdings, dass das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.8.2021 die Feststellung, das Sach- und Streitverhältnis sei mit den Beteiligten erörtert worden, nicht enthält. Es kann hier offenbleiben, ob eine entsprechende Feststellung als wesentlicher Vorgang der Verhandlung iS des § 122 SGG iVm § 160 Abs 2 ZPO stets in das Protokoll aufzunehmen ist (so Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 122 RdNr 4e; kritisch dazu Leopold in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 122 RdNr 29; speziell für den Fall einer durchgeführten Beweisaufnahme aufgrund der Regelung in § 279 Abs 3 ZPO vgl BGH Beschluss vom 23.5.2012 - IV ZR 224/10 - NJW 2012, 2354 RdNr 5; BFH Beschluss vom 18.8.2015 - III B 112/14 - BFH/NV 2015, 1595 RdNr 10; zu § 128 Abs 2 SGG vgl BSG Beschluss vom 8.2.2012 - B 5 RS 76/11 B - juris RdNr 5). Wird dies bejaht, würde ein Schweigen des Protokolls hierzu beweisen, dass diese für die Verhandlung vorgeschriebene Förmlichkeit vom Gericht nicht beachtet worden ist (vgl § 122 SGG iVm § 165 Satz 1 ZPO; zur begrenzten Aussagekraft der bloß formelhaften Wiederholung des Gesetzeswortlauts s bereits BSG Urteil vom 6.3.1991 - 13/5 RJ 68/89 - SozR 3-1500 § 62 Nr 4 S 5 f).
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Allein das Fehlen der Feststellung im Protokoll, dass das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, führt im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zwangsläufig zur Revisionszulassung wegen eines Verfahrensfehlers. § 160 Abs 2 Nr 3 SGG erfordert vielmehr einen Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dass und inwiefern dies im konkreten Fall möglich ist, muss die Beschwerdebegründung nachvollziehbar aufzeigen (vgl dazu auch BGH Beschluss vom 23.5.2012 - IV ZR 224/10 - NJW 2012, 2354 RdNr 8; BFH Beschluss vom 18.8.2015 - III B 112/14 - BFH/NV 2015, 1595 RdNr 9). Die Klägerin trägt dazu lediglich vor, die Frage, ob sie sich auf Vertrauensschutz berufen könne, sei Kernfrage der Entscheidung des LSG gewesen. Gerade hierzu habe sie sich in der mündlichen Verhandlung persönlich äußern wollen, jedoch aufgrund der Verhandlungsführung des Vorsitzenden nicht "genügend Gelegenheit" gehabt. Was genau sie vorgetragen hätte, wenn ihr in der mündlichen Verhandlung mehr Raum für eine eigene Äußerung gewährt worden wäre und inwiefern die Entscheidung des LSG dann anders hätte ausfallen können, erläutert die Klägerin jedoch nicht. Auch zeigt sie zu dieser Rüge, die letztlich eine Gehörsverletzung betrifft (vgl § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG), nicht auf, warum es ihr trotz anwaltlicher Vertretung in dem Termin nicht möglich war, auf eine "genügende Erörterung der Streitsache" hinzuwirken (vgl BSG Beschluss vom 9.11.1990 - 2 BU 183/90 - juris RdNr 4) und entsprechende Anträge auch in das Protokoll aufnehmen zu lassen (vgl § 122 SGG iVm § 160 Abs 4 ZPO). Die Relevanz des gerügten Defizits in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG bleibt damit offen.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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