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BSG 25.11.2020 - B 6 KA 36/19 B
BSG 25.11.2020 - B 6 KA 36/19 B - Vertragsärztliche Versorgung - Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung - Honorarkürzung bei Verletzung dieser Pflicht - Verfassungsmäßigkeit - Zulassungsentziehung auch bei unverschuldeter Pflichtverletzung
Normen
Art 12 Abs 1 GG, § 95 Abs 6 SGB 5, § 95d Abs 3 S 3 SGB 5
Vorinstanz
vorgehend SG Stuttgart, 13. März 2018, Az: S 20 KA 1845/16, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 20. November 2019, Az: L 5 KA 1522/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. November 2019 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5057 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der im November 1940 geborene Kläger wendet sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen 1/2015 bis 3/2015 aufgrund nicht vorgelegter Nachweise über die Erfüllung seiner Pflicht zur fachlichen Fortbildung.
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Der Kläger war seit April 1977 ununterbrochen als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zugelassen. Seine Zulassung sollte ursprünglich zum 31.12.2008 mit dem Quartal enden, in dem er das 68. Lebensjahr vollendete (§ 95 Abs 7 Satz 3 SGB V idF des GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom 14.11.2003, BGBl I 2190; im Folgenden: § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V aF). Er führte seine Praxis weiter, nachdem der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.10.2008 diese Altersgrenze aufgehoben hatte (§ 95 Abs 7 Satz 3 SGB V idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-OrgWG> vom 15.12.2008, BGBl I 2426).
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Zum Nachweis, dass er seiner Pflicht zur fachlichen Fortbildung nachgekommen ist, reichte der Kläger ein Fortbildungszertifikat der Landesärztekammer Baden-Württemberg vom 23.9.2011 bei der Beklagten ein. Die Beklagte bestätigte ihm mit Schreiben vom 8.12.2011, dass er den Nachweis der Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V fristgerecht erbracht habe. Zugleich wies sie darauf hin, dass der nächste Fortbildungszeitraum am 30.6.2014 ende. Mit Schreiben vom 27.3.2014 erinnerte die Beklagte an den Ablauf des Fünfjahreszeitraums am 30.6.2014 und wies darauf hin, dass sie noch keinen Nachweis über die Fortbildung erhalten habe. Mit weiterem Schreiben vom 31.10.2014 erinnerte die Beklagte erneut und setzte erfolglos eine Frist bis zum 28.11.2014 zur Vorlage eines Fortbildungszertifikates. Auch in dem schließlich bis zum 31.12.2014 verlängerten Zeitraum zum Nachweis der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung (Bescheid der Beklagten vom 6.11.2014) gingen keine Nachweise ein.
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Die Beklagte kürzte daraufhin das Honorar des Klägers wegen Verletzung seiner Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V für die Quartale 1/2015 bis 3/2015 um insgesamt 5056,60 Euro (1882,05 Euro für das Quartal 1/2015 - Honorarbescheid vom 15.7.2015; 1699,95 Euro für das Quartal 2/2015 - Honorarbescheid vom 15.10.2015; 1474,60 Euro für das Quartal 3/2015 - Honorarbescheid vom 15.1.2016, jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide).
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Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 13.3.2018 und des LSG vom 20.11.2019). Das LSG hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Honorarkürzungen seien zu Recht erfolgt. Der Umstand, dass der Kläger den Nachweis der Fortbildung für den ersten bis zum 30.6.2009 laufenden Fünfjahreszeitraum aufgrund einer Übergangsregelung nach der Aufhebung der Altersgrenze für Vertragsärzte (§ 7 Abs 2 der Regelung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Fortbildungsverpflichtung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten nach § 95d SGB V idF der Ergänzung vom 31.3.2009, DÄ 2009, A-844; im Folgenden: KBV-Regelung) bis zum 30.6.2011 habe nachholen können, habe nicht dazu geführt, dass sich die folgende Nachweisperiode verlängert habe. Diese sei mit dem 30.6.2014 abgelaufen. § 7 Abs 2 Satz 2 KBV-Regelung bestimme ausdrücklich in Anlehnung an die gesetzliche Regelung des § 95d Abs 3 Satz 5 SGB V aF, dass die nachgeholte Fortbildung nicht auf den folgenden Fünfjahreszeitraum angerechnet werde. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Altersdiskriminierung liege hierin nicht. Es fehle insofern bereits an einer besonderen Benachteiligung des Klägers gegenüber jüngeren Vertragsärzten, da auch diese in dem Fall, dass sie den Nachweis nicht innerhalb des vorgesehenen Fünfjahreszeitraums erbracht haben und den Nachweis nachholten, die Fortbildung in der verbleibenden Zeit des nachfolgenden Fünfjahreszeitraums zu absolvieren hätten.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Zulassungsgrund gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
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II. 1. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob sie bereits unzulässig ist, weil ihre Begründung nicht in vollem Umfang den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen entspricht, denn jedenfalls ist sie unbegründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.
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Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG Beschluss vom 16.11.1995 - 11 BAr 117/95 - SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG Beschluss vom 14.8.2000 - B 2 U 86/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7).
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Der Kläger hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig,
"ob nach bisher nicht bestehender Verpflichtung zum Nachweis der Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen wegen bevorstehenden Erreichens einer Altersgrenze bei deren gesetzlicher Aufhebung normativ festgelegt werden darf, dass während eines Zeitraums, der die Hälfte eines allen anderen normativ Verpflichteten mit gleicher Funktion zur Verfügung stehenden Fortbildungszeitraums nur unbedeutend überschreitet, ein Zertifikat über eine Erzielung einer Anzahl von Fortbildungspunkten nachgereicht werden muss, die von allen anderen vergleichbaren Verpflichteten im ungekürzten Zeitraum erworben werden müssen, wobei im Wesentlichen gleichzeitig ein neuer Fortbildungszeitraum parallel in Vollzug gesetzt wird, auf den die nachzuholende Fortbildung nicht angerechnet wird, so dass im Ergebnis von den die bisherige Altersgrenze überschritten habenden Verpflichteten in derselben Zeit das doppelte Fortbildungsvolumen im Verhältnis zu allen anderen Verpflichteten erbracht werden muss."
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Es ist bereits zweifelhaft, ob der so formulierten Frage eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl insofern auch zu den Voraussetzungen für einen fortbestehenden Klärungsbedarf bei ausgelaufenem Recht BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 84/16 B - juris RdNr 6 mwN). Ungeachtet dessen ist die von dem Kläger aufgeworfene Frage nicht weiter klärungsbedürftig. Die Frage kann auf der Grundlage der bestehenden Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung des Senats klar beantwortet werden.
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Aus dem Wortlaut des § 95d Abs 1 Satz 1 SGB V folgt, dass ein Vertragsarzt verpflichtet ist, sich fachlich fortzubilden. Diese Fortbildungsverpflichtung des Klägers war nicht etwa deswegen entfallen, weil das Ende des (ersten) Fünfjahreszeitraums für den Nachweis über die Fortbildung (1.7.2004 bis 30.6.2009) auf einen Zeitpunkt fiel, zu dem der Kläger nach der bis zum 30.9.2008 geltenden Rechtslage wegen Erreichens der Altersgrenze nicht mehr als Vertragsarzt tätig sein würde. Auch wenn der Kläger nach der früheren Rechtslage aufgrund der Altersgrenze nicht mit einer Sanktion (Honorarkürzungen, ggf Entziehung der Zulassung) rechnen musste, wenn er seiner Pflicht zur fachlichen Fortbildung nicht nachkäme, war er dennoch zur Ableistung von Fortbildungen verpflichtet. Die Fortbildungsverpflichtung ist mit dem Ziel der Sicherung der Qualität der ambulanten Behandlung der Versicherten eingeführt worden (vgl BT-Drucks 15/1525 S 109). In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Pflicht zum Nachweis der fachlichen Fortbildung und die in § 95d Abs 3 SGB V vorgesehenen Honorarkürzungen für den Fall der Verletzung dieser Pflicht mit der Berufsfreiheit aus Art 12 Abs 1 GG im Einklang stehen (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 RdNr 15 ff). Insofern hat der Senat auch deutlich zwischen der Fortbildungsverpflichtung selbst und der Nachweispflicht unterschieden, wenn er ausführt, es sei nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Interesse der praktischen Umsetzbarkeit der Regelung nicht die tatsächliche Durchführung der Fortbildung genügen lässt, sondern deren Nachweis fordert. Die mit der Pflicht zum Nachweis verbundenen zusätzlichen Belastungen der Ärzte sind verhältnismäßig gering (BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 RdNr 19; vgl auch BSG Beschluss vom 25.6.2020 - B 6 KA 1/20 B - juris RdNr 7).
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Entscheidet der Kläger sich vor dem Hintergrund fehlender Sanktionen gegen Fortbildungsmaßnahmen, bestehen keine Zweifel, dass es ihm zuzumuten ist, nicht nur die bis zum 30.6.2009 vorgeschriebene Fortbildung innerhalb der verlängerten Nachweisfrist bis zum 30.9.2011 nachzuholen, sondern auch die im sich unmittelbar anschließenden Fünfjahreszeitraum (1.7.2009 bis zum 30.6.2014) erforderlichen Fortbildungen innerhalb der verbleibenden zwei Jahre und neun Monate zu absolvieren. Hiervon ging auch der Gesetzgeber für die Grundregelung des § 95d Abs 3 Satz 5 SGB V aF (jetzt: § 95d Abs 3 Satz 4 SGB V idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983) aus, worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat (vgl BT-Drucks 15/1525 S 110: "Ein Vertragsarzt, der die Fortbildung in zwei Jahren nachholt, hat die für den folgenden Fünfjahreszeitraum abzuleistende Fortbildung dann binnen drei Jahren zu erbringen, wenn er erneute Honorarkürzungen vermeiden will."). Der Senat muss nicht entscheiden, ob sich die auf den Kläger angewandte Sonderregelung des § 7 Abs 2 KBV-Regelung auf eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage, insbesondere auf § 95d Abs 6 Satz 2 SGB V, stützen kann. Jedenfalls weicht sie von der Grundregelung nur insoweit ab, als den betroffenen Vertragsärzten ein weiteres Quartal (insgesamt bis zum 30.9.2011) zur Nachholung der Fortbildung zugebilligt wurde (Satz 1) und während des Nachholzeitraums eine Honorarkürzung nicht erfolgt (Satz 3); eine Anrechnung der nachgeholten Fortbildung auf den folgenden Fünfjahreszeitraum erfolgt jedoch ebenfalls nicht (Satz 2).
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Soweit der Kläger betont, er sei "kein Vertragsarzt, der schuldhaft pflichtwidrig seiner Fortbildungspflicht nicht genügte und deshalb wegen unterlassener Fortbildung bis zum Ablauf des Fortbildungszeitraums in 2009 die Konsequenzen durch kürzer befristetes Nachholen der unterlassenen Pflichterfüllung zu Recht zu tragen hatte", ist dies - wie oben ausgeführt - schon in der Sache zweifelhaft und führt überdies zu keiner anderen Beurteilung. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass selbst für eine auf die Verletzung der in § 95d SGB V normierten Pflichten gestützte Zulassungsentziehung nicht erforderlich ist, dass den Vertragsarzt ein Verschulden trifft; auch unverschuldete Pflichtverletzungen können zur Zulassungsentziehung führen (BSG Beschluss vom 11.2.2015 - B 6 KA 37/14 B - juris RdNr 11 mwN). Dies gilt erst recht für Honorarkürzungen nach § 95d Abs 3 Satz 3 SGB V als zwingend vorgeschaltetes milderes Mittel.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).
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3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht den (gerundeten) Honorarkürzungen in den streitbefangenen Quartalen.
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