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BVerfG 26.11.2018 - 1 BvR 1511/14
BVerfG 26.11.2018 - 1 BvR 1511/14 - Nichtannahmebeschluss: Ausnahmeregelung des § 2325 Abs 3 S 3 BGB bzgl der 10-Jahres-Frist für Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkung an Ehegatten verstößt weder gegen Art 6 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG - Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten gegenüber Schenkungen an Dritte jedenfalls gerechtfertigt - wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten als Grundlage der Ungleichbehandlung von Dritt- und Ehegattenschenkungen
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, § 2325 Abs 3 S 1 BGB, § 2325 Abs 3 S 2 BGB, § 2325 Abs 3 S 3 BGB
Vorinstanz
vorgehend KG Berlin, 25. März 2014, Az: 27 U 44/13, Urteil
vorgehend LG Berlin, 15. Februar 2013, Az: 23 O 356/11, Teilurteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB. Nach § 2325 Abs. 1 BGB kann ein Pflichtteilsberechtigter im Falle einer Schenkung des Erblassers an einen Dritten als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Für eine solche Pflichtteilsergänzung wird eine Schenkung nur innerhalb von zehn Jahren seit der Leistung des verschenkten Gegenstands berücksichtigt, wobei der Schenkungswert jährlich abgeschmolzen wird (§ 2325 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB). Bei einer Schenkung an den Ehegatten beginnt diese Frist gemäß § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht vor Auflösung der Ehe.
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Die Beschwerdeführer sind die testamentarischen Erben des Erblassers. Der Erblasser hatte seiner Ehefrau, der Beschwerdeführerin zu 1), mehr als zehn Jahre vor seinem Tod ein mit einem Mietshaus bebautes Grundstück geschenkt. Im Ausgangsverfahren wurden in Anwendung von § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB wegen möglicher Pflichtteilsergänzungsansprüche die nunmehrige Witwe des Erblassers und der gemeinsame Sohn, der Beschwerdeführer zu 2), verurteilt, einem Sohn des Erblassers aus erster Ehe Auskunft über wertbildende Faktoren des Grundstücks zu erteilen. Die entscheidenden Gerichte vertraten die Auffassung, die Vorschrift sei mit der Verfassung vereinbar.
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Hingegen sind die Beschwerdeführer der Ansicht, die Norm verletze den Schutz von Ehe und Familie, indem Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers vorgenommen worden seien, nur dann für den Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt würden, wenn der Empfänger der Ehegatte des Erblassers sei. Die Beschwerdeführerin sei als Witwe in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG, der Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist unbegründet. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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1. Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Für einen Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG verbleibt daneben kein Raum mehr, wenn nicht eine stärkere sachliche Beziehung zum allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG besteht (vgl. BVerfGE 9, 237 248 f.>; 14, 34 42>; 17, 210 224>; 67, 186 195 f.>; 75, 348 357>; 75, 382 393>).
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Art. 6 Abs. 1 GG verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (Diskriminierungsverbot, vgl. BVerfGE 28, 104 112>; 76, 1 72>; 99, 216 232>; 114, 316 333>). Insbeson-dere untersagt Art. 6 Abs. 1 GG eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen (vgl. BVerfGE 17, 210 217>; 28, 324 347>; 69, 188 205 f.>; 99, 216 232>; 114, 316 333>). Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe anknüpft (BVerfGE 99, 216 232>). Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft kann zwar zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlicher Rechtsfolgen genommen werden (vgl. BVerfGE 6, 55 76 f.>; 24, 104 109>; 28, 324 347>; 114, 316 333>). Jedoch müssen sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben. Die Berücksichtigung der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Lage der Ehegatten darf gerade bei der konkreten Maßnahme die Ehe nicht diskriminieren (vgl. BVerfGE 17, 210 217, 219 f.>; 24, 104 109>; 28, 324 347>; 114, 316 333>; stRspr). Es ist dem Gesetzgeber dabei nicht verwehrt, generalisierend-typisierende Regelungen zu treffen, sofern er den nach Art. 6 Abs. 1 GG geschuldeten besonderen Schutz beachtet (vgl. BVerfGE 78, 214 226 f.>; 82, 126 151 f.>; 87, 234 255 f.>; 99, 280 290>).
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Auch bei Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG - soweit überhaupt dafür neben Art. 6 Abs. 1 GG hier noch Raum ist - ist die Ungleichbehandlung des Ehegatten zumindest gerechtfertigt.
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2. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB bewirkt keine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Schenkungen an Ehegatten und Schenkungen an Dritte, insbesondere nichteheliche Lebensgefährten und Kinder, im Rahmen der Pflichtteilsergänzung. Dies gilt auch, soweit der beschenkte Ehegatte selbst dem Pflichtteilsergänzungsanspruch als Schuldner ausgesetzt ist. Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums (vgl. BVerfGE 134, 204 223 f. Rn 70>) davon ausgehen, dass typischerweise bei einer Schenkung an nichteheliche Lebensgefährten und Kinder keine gleichermaßen dauerhafte Erwartung der Weiternutzungsmöglichkeit besteht wie bei Ehegatten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. April 1990 - 1 BvR 171/90 -, NJW 1991, S. 217). Die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten und die aus der Ehe resultierenden gegenseitigen Ansprüche können zur Grundlage der Ungleichbehandlung von Dritt- und Ehegattenschenkungen gemacht werden.
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a) Zum einen partizipiert der Ehegatte, der durch eine Schenkung oder eine nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB ebenfalls erfasste unbenannte Zuwendung (vgl. BGHZ 116, 167 170 ff.>; BGH, Urteil vom 14. März 2018 - IV ZR 170/16 -, NJW 2018, S. 1475 1476 Rn. 14>) Vermögenspositionen überträgt, im Rahmen der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung in der Regel weiterhin an den Nutzungen (§ 100 BGB) des Vermögens. Maßstab der Unterhaltspflicht sind die ehelichen Lebensverhältnisse (vgl. § 1360a, § 1361 Abs. 1, § 1578 Abs. 1 BGB), die sich durch die bloße Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten nicht ändern und an denen die Ehegatten grundsätzlich hälftig partizipieren (vgl. BVerfGE 105, 1 12>).
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Eine vergleichbare gegenseitige Unterhaltsverpflichtung besteht zu Verwandten, das heißt insbesondere Kindern, schon nicht, weil Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern zu Unterhaltsansprüchen gegenüber Ehegatten subsidiär sind (vgl. § 1608 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch die Unterhaltsansprüche zwischen nicht miteinander verheirateten Eltern (§ 1615l BGB) enthalten keine vergleichbare Verpflichtung, knüpfen insbesondere nicht an gemeinsame Lebensverhältnisse an.
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Zum anderen besteht jedenfalls im Fall des gesetzlichen Güterstands des Zugewinnausgleichs eine wirtschaftliche Verflechtung der Vermögen der Ehegatten durch den Zugewinnausgleich nach §§ 1372 ff. BGB. Da im Wege der Schenkung oder unbenannte Zuwendung übertragenes Vermögen dem Zugewinnausgleich unterfällt (vgl. BGHZ 101, 65 69 f.>), ist die übertragene Vermögensposition dem Vermögen des übertragenden Ehegatten wirtschaftlich nicht vollständig und endgültig entzogen. Dem übertragenden Ehegatten steht gegebenenfalls im Fall der Auflösung der Ehe durch Scheidung zumindest ein auf teilweisen Ausgleich gerichteter Anspruch zu.
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b) § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB sorgt überdies für einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen dem hinterbliebenen Ehegatten und den sonstigen der Familie des Erblassers zugehörigen Pflichtteilsberechtigten und hält sich auch insoweit innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Gestaltungsspielraums (vgl. BVerfGE 67, 329 340 f.>; 112, 332 355>).
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Das Pflichtteilsrecht gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass (vgl. BVerfGE 112, 332 348>). Diese ist als tradiertes Kernelement des deutschen Erbrechts Bestandteil des institutionell verbürgten Gehalts der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 112, 332 349 f.>). Zudem sind die strukturprägenden Merkmale der Nachlassteilhabe von Kindern Ausdruck einer Familiensolidarität, die in grundsätzlich unauflösbarer Weise zwischen dem Erblasser und seinen Kindern besteht und die ihrerseits von Art. 6 Abs. 1 GG und bei nichtehelichen Kindern zudem von Art. 6 Abs. 5 GG geschützt wird. Das Pflichtteilsrecht knüpft an die familienrechtlichen Beziehungen zwischen dem Erblasser und seinen Kindern an und überträgt diese Solidarität zwischen den Generationen in den Bereich des Erbrechts. Diese Verpflichtung zur gegenseitigen umfassenden Sorge rechtfertigt es, dem Kind mit dem Pflichtteilsrecht auch über den Tod des Erblassers hinaus eine ökonomische Basis aus dem Vermögen des verstorbenen Elternteils zu sichern (vgl. BVerfGE 112, 332 352 f.>).
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Auf die Annahme, dass bei Ehegatten auch die Absicht einer Benachteiligung gesetzlicher Erben durch die Vermögensübertragung in der Regel unterstellt werden kann, kommt es damit nicht an.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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