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BVerfG 16.01.2017 - 1 BvR 861/13
BVerfG 16.01.2017 - 1 BvR 861/13 - Nichtannahmebeschluss: Zur Altersversorgung von wegen Überschreitung der beamtenrechtlichen Höchstaltersgrenze dienstvertraglich weiterbeschäftigten Hochschullehrern der ehemaligen DDR - Versagung einer beamtengleichen Versorgung - keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Höchstaltersgrenzen bzw fachgerichtliche Auslegung des Dienstvertrag - zudem keine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch Nichtvorlage an den EuGH
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 S 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 4 Abs 4 AAÜG
Vorinstanz
vorgehend BAG, 11. Dezember 2012, Az: 3 AZR 611/10, Urteil
vorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 19. Juli 2010, Az: 6 Sa 18/10, Urteil
vorgehend ArbG Erfurt, 17. Dezember 2008, Az: 4 Ca 1473/08, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte, mit denen ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf beamtengleiche Altersversorgung verneint wurde.
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Der Beschwerdeführer war seit 1965 als Hochschulprofessor an einer Hochschule der ehemaligen DDR tätig. Er wurde wie alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort im Arbeitsverhältnis beschäftigt; ein Berufungsverfahren und die Verbeamtung gab es so nicht (vgl. BVerfGE 95, 193 194 f.>). Zudem fand ein seit 1951 für Angehörige wissenschaftlicher Einrichtungen der DDR eingerichtetes besonderes Zusatzversorgungssystem Anwendung. Nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 wurden die in der DDR erworbenen Rentenansprüche übergeleitet. Rentenansprüche aus den Zusatzversorgungssystemen genossen nach § 4 Abs. 4 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) Bestandsschutz, wenn sie spätestens zum 30. Juni 1995 erworben worden waren.
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Mit der Wiedervereinigung gingen die Arbeitsverhältnisse der an den thüringischen Hochschulen beschäftigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befristet auf den Freistaat Thüringen über. Zur Prüfung der persönlichen Eignung und fachlichen Qualifikation setzte der Freistaat Kommissionen ein (vgl. Evaluationsordnung für Thüringer Hochschulen vom 6. Juni 1991 <ThürGVBl S. 130>). Dem Beschwerdeführer wurde nach positiver Evaluation der Status "Professor neuen Rechts" zuerkannt. Da der Beschwerdeführer die Altersgrenze für eine Verbeamtung von 55 Jahren überschritten hatte, schlossen der Beschwerdeführer und der Freistaat einen unbefristeten Dienstvertrag über die Tätigkeit als Professor. Vereinbart wurde monatlich "eine Vergütung in Höhe der Bezüge eines Beamten" der Besoldungsgruppe C 4. Auch wurden einzelne beamtenrechtliche Regelungskomplexe für anwendbar erklärt. Ausdrücklich wurde vereinbart, dass der Vertrag keine Übernahme in das Beamtenverhältnis begründe.
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Seit 1999 erhält der Beschwerdeführer eine gesetzliche Altersrente. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist diese deutlich geringer als die Altersversorgung von emeritierten beamteten Professorinnen und Professoren.
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Die Klage des Beschwerdeführers, den Freistaat zur Gewährung einer Zusatzversorgung in Höhe der Versorgungsbezüge eines beamteten C 4-Professors Ost zu verurteilen, blieb erfolglos. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist der Beschwerdeführer nur in den im Dienstvertrag ausdrücklich geregelten Punkten mit beamteten Professorinnen und Professoren gleichgestellt worden. Eine Gleichstellung hinsichtlich der Versorgung sehe der Dienstvertrag weder ausdrücklich noch durch eine Verweisung auf beamtenrechtliche Vorschriften vor. Dies sei mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar. Insbesondere liege keine Diskriminierung wegen des Alters vor.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Es liege eine willkürliche Rechtsanwendung des Bundesarbeitsgerichts vor, denn die unterschiedliche Versorgung von angestellten und beamteten Professorinnen und Professoren entspreche evident nicht der vertraglichen Vereinbarung. Darin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen diesen Personengruppen. Zudem verstießen die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. In diesem Zusammenhang habe das Bundesarbeitsgericht eine notwendige Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unterlassen und damit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.
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1. Die letztlich hinter der geringeren Altersversorgung dieses Beschwerdeführers stehende Einstellungshöchstaltersgrenze der Verbeamtung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich gerechtfertigt. Mit ihr verfolgt der Gesetzgeber das legitime Ziel, ein angemessenes Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu schaffen (vgl. BVerfGE 139, 19 58, Rn. 80 f.>). Einstellungshöchstaltersgrenzen können im Zusammenspiel mit den Ruhestandsgrenzen - insbesondere im Hinblick auf die steigende Lebenserwartung und die wachsenden Versorgungslasten der öffentlichen Haushalte - eine wesentliche Grundlage für die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems darstellen und damit der Sicherung des Alimentations- und des Lebenszeitprinzips dienen. Damit der Gesetzgeber den Unwägbarkeiten bei der Festlegung des Werts von Versorgungsansprüchen Rechnung tragen kann, hat er bei der Einführung und Ausgestaltung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte einen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 76.10 -, juris, Rn. 21 ff.). Nach dem Alimentationsprinzip steht die Versorgung nicht im synallagmatischen Verhältnis zu einer in Jahren bemessenen Dienstzeit, sondern ist wie die Dienstbezüge Gegenleistung dafür, dass der Beamte sein ganzes Arbeitsleben bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Dienst des Staates stellt (vgl. BVerfGE 139, 19 58, Rn. 90>). Hier würden Sinn und Zweck von Einstellungshöchstaltersgrenzen unterlaufen, wenn der Dienstherr zwar aus Altersgründen auf eine Verbeamtung verzichten darf, aber dann doch zur Gleichstellung in der Altersversorgung gezwungen wäre.
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2. Das Bundesarbeitsgericht hat die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Maßgaben nicht krass verkannt. Zwar entstehen durch das System der Überleitung für den Beschwerdeführer unverkennbar Härten. Diese zu bewältigen ist jedoch eine politische Entscheidung, keine im vorliegenden Fall auf die Auslegung des Arbeitsvertrages durchschlagende verfassungsrechtliche Verpflichtung.
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a) Ein Verstoß der Arbeitsgerichte gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich. Dies käme nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (stRspr; vgl. BVerfGE 83, 82 84>). Davon kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. BVerfGE 87, 273 278 f.>; 89, 1 13>; 96, 189 203>).
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Die angegriffenen Entscheidungen sind in ihrer Auslegung des Arbeitsvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und dem im Ausgangsverfahren beklagten Land nachvollziehbar begründet. Danach sind die ausdrücklich geschuldeten "Bezüge" mit Blick auf § 1 BBesG als Gehaltszahlungen zu verstehen, nicht aber auch als Versorgungsleistungen im Falle des Renteneintritts. Dafür lassen sich auch die übrigen ausdrücklichen Regelungen des Vertrages heranziehen, wonach eine Verbeamtung ausdrücklich ausgeschlossen wird, stattdessen aber ausgewählte beamtenrechtliche, nicht aber die versorgungsrechtlichen Regelungen für anwendbar erklärt werden. Das Bundesarbeitsgericht war schließlich nicht gehalten, die unterschiedliche Altersversorgung von Beamtinnen und Beamten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die dieselben Aufgaben wahrnehmen, in Frage zu stellen. Differenzierungen im Versorgungsrecht zwischen Beamten und im Arbeitsverhältnis Beschäftigten sind aufgrund der Besonderheiten der Alimentation im Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 139, 19 57, Rn. 79>); ein Günstigkeitsvergleich kann dabei nicht auf einzelne Gesichtspunkte beschränkt werden, sondern muss das Gesamtsystem berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 2008 - 2 BvR 1843/06 -, juris, Rn. 15 ff.). Zudem steht dem Gesetzgeber mit Blick auf Rentenansprüche und -anwartschaften ein großer Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu, der bei der Überleitung der Arbeitsverhältnisse in der DDR in solche der Bundesrepublik Deutschland sogar besonders weit ist (vgl. BVerfGE 100, 1 37 f.>; 100, 59; 100, 104 131 ff.>; 100, 138 175 ff.>).
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b) Das Bundesarbeitsgericht hat auch die verfassungsrechtlichen Maßgaben der Vertragsfreiheit bei strukturellem Verhandlungsungleichgewicht nicht verkannt. Die Vertragsfreiheit im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG als die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen auszuhandeln (vgl. BVerfGE 101, 331 347>; 117, 163 181>; 134, 204 222, Rn. 66>), findet zwar ihre Grenze, wo ein Vertrag auf der Ausnutzung einer derart gestörten Parität beruht, denn die daraus resultierende Fremdbestimmung steht im Widerspruch zum Leitbild der Privatautonomie (vgl. BVerfGE 81, 242 255>; zu Art. 2 Abs. 1 GG BVerfGE 89, 214 232>). Hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Schutz vor einer solchen Fremdbestimmung nicht Genüge getan worden wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass die sich aus der besonderen Position des Beschwerdeführers in der Überleitung des Hochschulsystems der DDR in einer Weise ausgenutzt worden wäre, der die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich Grenzen setzte. Insbesondere wurde der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausdrücklich mit den verbeamteten Professorinnen und Professoren gleichgestellt. Daher bestand für die Arbeitsgerichte auch kein Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im Arbeitsverhältnis Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander gestanden haben und deshalb die vertraglichen Regelungen zum Entgelt nach §§ 138, 242, 315 BGB unwirksam wären. Die Schlechterstellung des Beschwerdeführers im Vergleich zu durchschnittlichen Professorinnen und Professoren beruht allein darauf, dass er nicht verbeamtet wurde und damit mangels Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB VI rentenversicherungspflichtig war.
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3. Die angegriffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verletzt den Beschwerdeführer auch nicht in seinem grundrechtsgleichen Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, hier in Gestalt des Gerichtshofs der Europäischen Union. Der Umgang mit der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV ist bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken gut vertretbar (vgl. BVerfGE 82, 159 194>; 129, 78 106>; 135, 155 231 f., Rn. 179 f.>). Die Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG war nicht entscheidungserheblich, denn die unterlassene Verbeamtung war nicht Streitgegenstand. Die Auffassung, die nicht beamtengleiche Versorgung sei keine eigenständige rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung, sondern als Folge der nicht vorgenommenen Verbeamtung zu behandeln, ist im Verfahren, in dem eben nicht die Verbeamtung, sondern nur die rentenrechtliche Folge streitgegenständlich war, nicht unvertretbar. Daher geht hier die Rüge zur Vorlagepflicht ins Leere.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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