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BVerfG 02.08.2010 - 1 BvR 1746/10
BVerfG 02.08.2010 - 1 BvR 1746/10 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen bayerisches "Gesetz zum Schutz der Gesundheit" (Gesundheitsschutzgesetz - juris: GesSchG BY 2010) - Zulässigkeit eines strikten Rauchverbots in Gaststätten
Normen
Art 12 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 2 Nr 8 GesSchG BY 2010, Art 3 Abs 1 S 1 GesSchG BY 2010
Gründe
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I.
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Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft das Rauchverbot in bayerischen Gaststätten.
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1. Am 1. August 2010 ist das durch einen Volksentscheid beschlossene neue bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz -GSG) vom 23. Juli 2010 (BayGVBl S. 314) in Kraft getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes (GastG) vor (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Nr. 8 GSG).
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Das neue Gesetz entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Fassung des Gesundheitsschutzgesetzes vom 20. Dezember 2007 (BayGVBl S. 919). Die mit Wirkung zum 1. August 2009 in dieses Gesetz aufgenommenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für getränkegeprägte kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen Zeit geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten. Beibehalten hat der Gesetzgeber aber eine Änderung des Anwendungsbereichs des Gesetzes. Die ursprüngliche Fassung galt nur für Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes, "soweit sie öffentlich zugänglich sind". Dieser Halbsatz wurde 2009 gestrichen und ist auch nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden.
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2. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Raucherin und besucht mehrmals wöchentlich Gaststätten. Die Beschwerdeführerin zu 2) betreibt eine Gaststätte. Einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erzielt sie durch geschlossene Gesellschaften wie Hochzeiten, Geburtstage und Betriebsfeiern, die in abgetrennten Räumen stattfinden. Sie trägt vor, die Gastgeber dieser Gesellschaften hätten ihren Gästen in der Vergangenheit häufig das Rauchen erlaubt. Die Beschwerdeführerin zu 3), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt ein "Pilslokal", dessen Räume eine Fläche von weniger als 75 m 2 haben. Sie macht geltend, sie beschäftige nur Raucher und ihre Gäste seien "fast ausnahmslos Raucher" beziehungsweise es würden "nur rauchende Gäste eingelassen".
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3. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG.
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Die Beschwerdeführerin zu 1) macht eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip geltend. Die Beschwerdeführerin zu 2) rügt eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Die Beschwerdeführerin zu 3), die auch den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Wenn sie ihre Gaststätte nicht wie bisher fortführen könne, drohe ihr die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folge, dass der Gesetzgeber, wenn er reine Nichtrauchergaststätten zulasse, auch reine Rauchergaststätten zulassen müsse.
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Im Übrigen machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass die vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 angenommenen tatsächlichen Verhältnisse, aufgrund derer die Verhältnismäßigkeit der im damaligen Verfahren angegriffenen Rauchverbote bejaht worden sei, heute jedenfalls in Bayern nicht (mehr) bestünden. Es gebe in München 7.831 konzessionierte Gaststätten; davon seien lediglich 841 Raucherlokale. Außerdem behaupten sie, es gebe keinen Beweis dafür, dass Passivrauchen schädlich sei.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Dadurch erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt.
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1. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde schon deshalb unzulässig ist, weil sie vor der Verkündung des angegriffenen Gesetzes im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt erhoben worden ist (vgl. dazu BVerfGE 11, 339 342>; 68, 143 150>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 7. Mai 2010 - 2 BvR 987/10 -, NJW 2010, S. 1586 1587>; Beschluss des Zweiten Senats vom 9. Juni 2010 - 2 BvR 1099/10 -, WM 2010, S. 1160 1161>). Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichend substantiierter Begründung unzulässig ist.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die angegriffenen Regelungen verletzen weder die Beschwerdeführerin zu 1) als Raucherin noch die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) als Inhaberinnen von Gaststätten in ihren Grundrechten.
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Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. BVerfGE 121, 317 357 ff.>).
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Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten im Sinne von § 1 GastG, so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für reine Rauchergaststätten einlassen, zu denen Nichtraucher keinen Zutritt erhalten. Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme wären praktisch nicht zu kontrollieren und würden geradezu zur Umgehung des Verbots einladen. Auch die - nicht näher konkretisierte - Behauptung der Beschwerdeführerin zu 3), sie werde durch das Rauchverbot in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass eine stärkere Belastung von Inhabern kleiner Einraumgaststätten - bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz - angesichts der für alle Gaststätten geltenden Regelung durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt ist, so dass der Gesetzgeber sich nicht auf Ausnahmeregelungen einlassen muss, wenn er das Konzept eines strikten Rauchverbots wählt (vgl. BVerfGE 121, 317 358 f.>).
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Ein striktes Rauchverbot ist auch vor dem Hintergrund, dass es in Bayern aufgrund der bisherigen Regelungen inzwischen eine große Zahl rauchfreier Gaststätten geben soll, nicht unverhältnismäßig. Nach wie vor wird den Nichtrauchern unter den Gaststättenbesuchern dieser Schutz nicht aufgedrängt. Es ist dem Gesetzgeber unbenommen, ihnen eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Gaststätten zu ermöglichen, ohne dass sie sich dabei dem Tabakrauch aussetzen müssen. Gerade im Bereich der getränkegeprägten Kleingastronomie war eine solche Teilhabe bislang allenfalls eingeschränkt möglich. Auch ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber zugleich einen konsequenten Schutz sämtlicher Beschäftigter in der Gastronomie anstrebt (zur Gesetzgebungskompetenz vgl. BVerfGE 121, 317 347 ff.>).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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