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BFH 21.12.2021 - VII R 5/19
BFH 21.12.2021 - VII R 5/19 - Zeitpunkt der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung einer Auflassungsvormerkung zu bewilligen
Normen
§ 16 Abs 1 GrEStG 1997, § 37 AO, § 46 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 AO, § 19 GBO, § 29 GBO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. Dezember 2018, Az: 12 K 12116/16, Urteil
Leitsatz
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1. Eine Auflassungsvormerkung steht der Rückgängigmachung eines Kaufvertrags i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG dann entgegen, wenn der Erwerber dem Notar im notariellen Kaufvertrag lediglich die --unwiderrufliche-- Vollmacht erteilt hat, die Löschung einer Auflassungsvormerkung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen; denn vor Erstellung der entsprechenden Urkunde durch den Notar liegt noch keine Löschungsbewilligung in grundbuchrechtlich gebotener Form vor.
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2. Eine Abtretungsanzeige, die eingeht, bevor der abzutretende Anspruch auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG entstanden ist, ist unwirksam.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.12.2018 - 12 K 12116/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) veräußerte mit notarieller Urkunde vom 06./07.08.2014 ein in X gelegenes Grundstück an die A-Gesellschaft (Erwerberin).
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Nach Abschn. III.2. des Vertrags vereinbarten die Vertragsparteien zur Rückabwicklung Folgendes:
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"Der Käufer verpflichtet sich, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, wenn der Verkäufer von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Zu diesem Zweck wird der Notar vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, ermächtigt und beauftragt, die am Kaufgegenstand einzutragende Auflassungsvormerkung wieder löschen zu lassen und im Namen des Käufers die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen und zu beantragen und dem Grundbuchamt zum Vollzug vorzulegen, wenn (kumulativ)
a) ...
b) der Verkäufer dem Notar schriftlich mitgeteilt hat, dass er wegen ... der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kaufpreises ... vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und
c) der Käufer dem Notar auf schriftliche Anforderung hin nicht innerhalb von 10 Werktagen die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorlegt, wonach dem Verkäufer die Mitwirkung an der Löschung der Auflassungsvormerkung untersagt und/oder ihm aufgegeben wird, den Notar anzuweisen, die Löschung der Auflassungsvormerkung des Käufers nicht zu bewilligen und zu beantragen."
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Mit Bescheid vom 02.09.2014 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Erwerberin Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.552.200 € fest, die diese am 05. und 20.02.2015 zahlte. Den Kaufpreis zahlte die Erwerberin nicht.
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Mit einfachem Schreiben vom 23.03.2015 zeigte die B-Gesellschaft an, dass die Erwerberin einen möglichen Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer mit Vertrag vom 04.02.2015 an sie abgetreten habe und dieser damit ihr zustehe. Das FA forderte daraufhin eine den Formvoraussetzungen des § 46 der Abgabenordnung (AO) entsprechende Abtretungsanzeige an.
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Die Klägerin trat am 02.04.2015 vom Kaufvertrag zurück. Der Notar zeigte dies der Erwerberin mit E-Mail vom 07.04.2015 an, in der er auf Abschn. III.2. des Kaufvertrags hinwies und avisierte, nach Ablauf der im Vertrag genannten Frist die Löschung der Auflassungsvormerkung zu veranlassen.
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Am 16.04.2015 zeigte die Erwerberin dem FA per Fax den Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag und die Abtretung des Erstattungsanspruchs auf dem vom FA geforderten und am 15.04.2015 unterschriebenen Formular an. Ferner beantragte sie die Erstattung der Grunderwerbsteuer. Das Original dieses Schreibens wurde am 21.04.2015 abgesandt und ging am 23.04.2015 beim FA ein.
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Der Notar erstellte am 24.04.2015 die Löschungsbewilligung, versendete den Antrag auf Löschung der Auflassungsvormerkung am selben Tag an das Grundbuchamt und unterrichtete hiervon die Klägerin ebenfalls am selben Tag per E-Mail. Die Löschung der Auflassungsvormerkung erfolgte am 07.05.2015.
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Am 18.05.2015 erließ das Amtsgericht Y einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugunsten der Klägerin zur Einziehung über einen Betrag von knapp 840.000 € gegen die Erwerberin, der dem FA am 20.05.2015 zugestellt wurde. Diesen leitete das FA zunächst an ein anderes Finanzamt weiter, so dass er dem zuständigen Bearbeiter des FA erst am 03.06.2015 vorlag.
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Das FA hob den Grunderwerbsteuerbescheid am 22.05.2015 auf. Gegen den Erstattungsanspruch rechnete das FA mit Säumniszuschlägen in Höhe von etwa 67.000 € auf. Den Restbetrag in Höhe von rund 1.485.000 € erstattete das FA am 02.06.2015 an den Abtretungsempfänger, die B-Gesellschaft. Dies teilte das FA der Klägerin am 03.06.2015 mit.
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In der Folgezeit reduzierte die Klägerin ihre durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gepfändete Forderung auf 107.262,19 €.
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Auf Antrag der Klägerin erließ das FA am 15.02.2016 einen Abrechnungsbescheid. Das FA führte aus, der Anspruch aus § 16 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sei nach den Vereinbarungen im Kaufvertrag am 21.04.2015 entstanden, nämlich zehn Werktage nach der Rücktrittsmitteilung des Notars an die Erwerberin. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin eine gesicherte Rechtsposition zur Veräußerung des Grundstücks gehabt, da sie unbeeinflusst von der Erwerberin die Löschung der Auflassungsvormerkung habe herbeiführen können. Damit sei die am 16.04.2015 per Fax übermittelte Abtretungsanzeige zwar verfrüht erfolgt und damit unwirksam, die am 23.04.2015 erfolgte hingegen als bewusste Wiederholung der Anzeige nach § 46 Abs. 2 AO wirksam. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Klägerin sei dem FA dagegen erst am 20.05.2015 zugestellt worden. Der Erstattungsbetrag sei mithin zu Recht an die Abtretungsempfängerin gezahlt worden.
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Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG), das der Klage stattgab und den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung dahin änderte, dass ein auszuzahlender Betrag in Höhe von 107.262,19 € zugunsten der Klägerin ausgewiesen wurde. Das FG führte aus, der Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer sei erst mit Eingang der Löschungsbewilligung im Grundbuchamt nach dem 24.04.2015 entstanden.
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Eine Verpflichtung des Erwerbers, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, etwa weil der insoweit unwiderruflich bevollmächtigte Notar die Löschung der Auflassungsvormerkung bewirken müsse, reiche für § 16 Abs. 1 GrEStG nicht aus. Dabei sei unerheblich, dass der Erwerber mit Ablauf der im Kaufvertrag festgelegten Frist von zehn Werktagen alles in seiner Macht Stehende getan habe, um die Rückabwicklung zu vollziehen. Es komme vielmehr darauf an, ob der Verkäufer aus seiner Sicht seine ursprüngliche Rechtsposition wiedererlangt habe. Dies setze zumindest voraus, dass er eine Löschungsbewilligung erhalten habe. Die Erstellung einer Löschungsbewilligung durch den Erwerber reiche nicht aus. Der Veräußerer müsse diese auch in Händen halten. Zumindest müsse sie dem Grundbuchamt vorliegen. Dies sei hier vor dem 24.04.2015 nicht der Fall gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 1160 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor, entgegen der Ansicht des FG könne es für die Frage nach dem Entstehungszeitpunkt des Anspruchs auf Erstattung der gezahlten Grunderwerbsteuer nicht auf formelle Abwicklungshandlungen des Notars wie die Absendung der Löschungsbewilligung ankommen. Denn die Erwerberin habe bereits mit Abschluss des Kaufvertrags die Bewilligung zur Löschung im Falle des (wirksamen) Rücktritts der Klägerin vom Vertrag erteilt. Sie hätte die Löschung nur durch eine gerichtliche Entscheidung oder Anweisung an den Notar verhindern können. Damit sei die Bewilligung zur Löschung der Vormerkung spätestens am 21.04.2015 erteilt gewesen.
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Das FA verweist auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 09.09.2015 - II B 28/15 (BFH/NV 2015, 1668) sowie auf das Urteil des Sächsischen FG vom 17.05.2017 - 2 K 408/16 (EFG 2017, 1465). Insbesondere unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zum Billigkeitserlass und zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren sei ein nach dem 21.04.2015 liegender Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs nach § 16 Abs. 1 GrEStG nicht einsichtig.
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Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin ein Erstattungsanspruch in Höhe von 107.262,19 € zusteht und der angefochtene Abrechnungsbescheid insoweit rechtswidrig ist, da die Abtretungsanzeige vor Entstehung des Anspruchs aus § 16 Abs. 1 GrEStG beim FA eingegangen war und damit nach § 46 Abs. 2 AO verfrüht erfolgte.
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1. Gemäß § 218 Abs. 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 AO betreffen, durch Abrechnungsbescheid. Bei einem mit der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids nach § 16 Abs. 1 GrEStG entstehenden Anspruch des Steuerpflichtigen auf Rückzahlung der bereits entrichteten Grunderwerbsteuer handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen eigenständigen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 1 AO (Senatsurteil vom 15.01.2019 - VII R 23/17, BFHE 263, 305, BStBl II 2019, 329, Rz 15, m.w.N.).
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Durch einen Abrechnungsbescheid entscheidet die Behörde auch, wenn unentschieden und zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und inwieweit die Pfändung eines Erstattungsanspruchs des Steuerpflichtigen zugunsten eines Dritten wegen vorgehender Rechte weiterer Dritter bzw. anderer Pfändungsgläubiger und etwaiger Aufrechnungen durch das FA zum Erfolg geführt hat. Bescheide nach § 218 Abs. 2 AO können demnach nicht nur bei Streitigkeiten im unmittelbaren Verhältnis zwischen dem FA und dem Steuerpflichtigen (Erstattungsgläubiger), sondern auch bei Streitigkeiten über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zwischen dem FA und einem Dritten, wie z.B. dem Pfändungsgläubiger, ergehen (Senatsurteil vom 30.11.1999 - VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412). In einem solchen Bescheid kann dann zu klären sein, ob eine vor Zugang der Pfändungs- und Überweisungsverfügung erfolgte Abtretung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis --wie vorliegend ein Anspruch aus § 16 GrEStG-- wirksam war oder die gepfändete Geldforderung dem Pfändungsgläubiger nach § 835 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Einziehung oder an Zahlungs statt zum Nennwert zu überweisen ist.
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2. Nach § 46 Abs. 1 AO können Ansprüche auf Erstattung von Steuern, Haftungsbeträgen, steuerlichen Nebenleistungen und auf Steuervergütungen u.a. abgetreten werden. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde nach Entstehung des Anspruchs anzeigt. Damit ist für eine wirksame Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 1 GrEStG maßgeblich, ob dieser Anspruch vor oder nach Anzeige der Abtretung entstanden ist. Im Streitfall ist die Abtretungsanzeige vor Entstehung des Anspruchs aus § 16 Abs. 1 GrEStG beim FA eingegangen, so dass die Abtretung nicht nach § 46 Abs. 2 AO wirksam geworden ist und damit der nach Entstehung des Erstattungsanspruchs erlassene Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Klägerin vom FA zu beachten war.
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a) Nach § 16 Abs. 1 GrEStG wird eine Steuerfestsetzung auf Antrag aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang unter den in Nr. 1 oder Nr. 2 aufgestellten --im vorliegenden Fall unstreitig gegebenen-- Voraussetzungen rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist.
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b) Zur Erfüllung des Tatbestands des § 16 Abs. 1 GrEStG reicht allein die zivilrechtliche (formale) Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts nicht aus (BFH-Urteil vom 21.02.2006 - II R 60/04, BFH/NV 2006, 1700, unter II.1.a). "Rückgängig gemacht" i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG ist ein Erwerbsvorgang vielmehr erst dann, wenn sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFHE 263, 305, BStBl II 2019, 329, Rz 17; BFH-Urteil vom 01.07.2008 - II R 36/07, BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II.1.; jeweils m.w.N.).
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aa) Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG setzt demnach voraus, dass die Vertragsparteien sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich gegenseitig so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen. Eine dem Erwerber verbliebene Rechtsposition kann auch unabhängig von dem zivilrechtlich beseitigten Anspruch auf Grundstücksübereignung bestehen geblieben sein, so etwa im Zusammenhang mit einer fehlenden vollständigen Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts. Diese erfordert grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Erwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1700, unter II.1.b). Denn eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (BFH-Urteil in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II.1., m.w.N.). Diese Rechtsprechung hat das FA nicht in den Blick genommen.
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bb) Nach der BFH-Rechtsprechung entfällt die durch die Auflassungsvormerkung bestehende Beeinträchtigung, wenn der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer eine Löschungsbewilligung gemäß § 19 der Grundbuchordnung (GBO) in grundbuchrechtlich gebotener Form erteilt hat und der Veräußerer frei und ohne Einflussnahme seitens des Erwerbers über sie verfügen kann. Der Erwerber hat dann keine Rechtsposition mehr, die es ihm ermöglichte, auf die nachfolgende Veräußerung des Grundstücks einzuwirken (BFH-Urteil in BFHE 220, 555, BStBl II 2008, 882, unter II.1.). Denn vor Eintragung des Löschungsvermerks im Grundbuch ist der Berechtigte an seine Aufgabeerklärung gemäß § 875 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nur gebunden, wenn er die Erklärung dem Grundbuchamt gegenüber abgegeben oder der Erklärende dem Begünstigten eine Löschungsbewilligung in einer den Vorschriften der GBO entsprechenden Form ausgehändigt hat. Damit erlangt die Löschungsbewilligung Wirksamkeit, wenn die Ausfertigung der sie enthaltenden Urkunde mit dem Willen des Erklärenden dem Adressaten, also dem Grundbuchamt, oder demjenigen, zu dessen Gunsten auf ihrer Grundlage eine Eintragung vorgenommen werden soll, in der in § 29 GBO festgelegten Form zugeht (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts --OLG-- Celle vom 18.05.2018 - 18 W 18/18, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report --NJW-RR-- 2018, 980; Vieweg/Egger in: jurisPK-BGB, Aufl. 2020, § 875 BGB Rz 24, m.w.N.).
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cc) Eine solche Sachlage ist nicht gegeben, wenn der Erwerber dem Notar eine unwiderrufliche Vollmacht zur Bewilligung und Beantragung der Löschung einer Auflassungsvormerkung erteilt hat, gegen die innerhalb einer bestimmten Frist Einwendungen erhoben werden können.
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Die zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur unterscheiden hierbei klar zwischen der Bewilligung, die der Erwerber bereits im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags mitbeurkunden lässt (so z.B. Beschluss des OLG Celle in NJW-RR 2018, 980, m.w.N.), und der --unwiderruflichen-- Vollmachtserteilung an den Notar, die Löschung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen selbst zu bewilligen (vgl. Böttcher, Zeitschrift für Immobilienrecht --ZfIR-- 2020, 1; Bomhard/Voßwinkel, ZfIR 2009, 529). Lediglich im ersten Fall der Beurkundung der Löschungsbewilligung durch den Erwerber bereits im notariellen Kaufvertrag liegt danach eine Bewilligung entsprechend der §§ 19, 29 GBO vor. Im zweiten Fall hingegen erklärt der Notar die Löschungsbewilligung im Namen des Käufers erst durch die Eigenurkunde, nachdem die vertraglich geregelten Voraussetzungen vorliegen.
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dd) Die vom FA angeführten Entscheidungen führen zu keiner anderen Einschätzung.
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Im BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1668 ging es um den Billigkeitserlass von Säumniszuschlägen und die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Verwirkung von Säumniszuschlägen sachlich unbillig sein kann, wenn die Festsetzung der Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird. Der BFH führte dazu aus, dass dem Steuerpflichtigen mit dem wirksam erklärten Rücktritt ein Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zusteht; der Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung ist nicht Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, sondern lediglich Verfahrensvoraussetzung für dessen Realisierung. Ab der wirksamen Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag war im dortigen Fall die Einziehung der verwirkten Säumniszuschläge unbillig (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1668, Rz 6). In dieser Entscheidung war jedoch unstreitig, wann die Voraussetzung des § 16 Abs. 1 GrEStG "Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs" vorlag und damit der Rücktritt erfolgt war. Im Tatbestand des dem BFH-Beschluss zugrunde liegenden finanzgerichtlichen Urteils heißt es dazu dementsprechend lediglich, der Notar habe mitgeteilt, dass der Rücktritt vom Vertrag wirksam erklärt worden sei (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2015 - 11 K 4059/12, juris, Rz 2). Um die Aufhebung einer Auflassungsvormerkung oder andere Modalitäten der Rückgängigmachung ging es nicht. Folglich kam es lediglich auf das zeitliche Verhältnis von wirksamem Rücktritt und Antragstellung auf Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 GrEStG an, nicht aber auf die Frage, ob für eine Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 1 GrEStG die Löschung einer Auflassungsvormerkung erforderlich ist. Die Ausführungen des II. Senats des BFH können daher für die im Streitfall entscheidende Frage nicht herangezogen werden.
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Das Urteil des Sächsischen FG in EFG 2017, 1465 betraf die Frage, ob ein Grunderwerbsteuererstattungsanspruch, gegen den das dort beklagte Finanzamt aufgerechnet hatte, vor oder nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstanden war. Anders als das FA meint, ging das Sächsische FG dabei von den hier dargelegten Grundsätzen aus und führte aus, für den Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 16 GrEStG sei entscheidend, ob bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vollständig verwirklicht waren. Die Vorschrift setze sowohl die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts als auch die Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtsstellung des Veräußerers voraus (Sächsisches FG, Urteil in EFG 2017, 1465, Rz 28 f.). Damit äußerte sich das Sächsische FG gerade nicht dahingehend --und damit anders als vom FA dargelegt (BFH-Akte, Bl. 27)--, dass nur entscheidend wäre, wann der zugrunde liegende zivilrechtliche Sachverhalt, der zur Entstehung des Steueranspruchs geführt habe, verwirklicht worden sei.
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3. Nach diesen Maßstäben war der Anspruch auf Erstattung der Grunderwerbsteuer am 23.04.2015, dem Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige im Original, noch nicht entstanden, weil der Notar die Löschung der Auflassungsvormerkung erst am 24.04.2015 beantragt hatte. Damit war der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid des FA rechtsfehlerbehaftet. Das FA hätte dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Klägerin nachkommen müssen.
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a) Rechtsgrund für die Auszahlung einer an sich der Erwerberin zustehenden Steuererstattung an die Klägerin ist der von dieser erwirkte Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.05.2015. Der Beschluss ist dem FA am 20.05.2015 zugestellt worden, so dass die Pfändung als bewirkt anzusehen ist (§ 829 Abs. 3 ZPO, vgl. auch Senatsbeschluss vom 28.09.1999 - VII B 35/99, BFH/NV 2000, 305, unter 2.a). Die Klägerin ist damit u.a. berechtigt, die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung zu verlangen (§ 835 ZPO).
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b) Die Abtretung steht der Pfändung und Überweisung an die Klägerin nicht entgegen, da sie verfrüht, nämlich vor Entstehung des Erstattungsanspruchs mit vollständiger Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs erfolgt ist: Die Löschungsbewilligung existierte am Tag des Eingangs der Abtretungsanzeige beim FA deshalb noch nicht, weil der Notar im Kaufvertrag lediglich bevollmächtigt worden ist, die Löschungsbewilligung unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen, nicht hingegen enthält der Kaufvertrag --anders als das FA ausführt-- selbst die Löschungsbewilligung. Auf die im Kaufvertrag genannte Frist von zehn Werktagen, innerhalb derer der Käufer dem Notar die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die Löschung der Auflassungsvormerkung vorzulegen hatte, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Übersendung der Abtretungsanzeige im Original eine --nach dem Zugang dieser Anzeige per Fax-- Wiederholung der Abtretungsanzeige darstellt.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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