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BFH 19.10.2021 - VII R 26/20
BFH 19.10.2021 - VII R 26/20 - Entlastungsanspruch und unionsrechtlicher Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Normen
§ 24 Abs 2 EnergieStG, § 27 Abs 1 EnergieStG, § 45 EnergieStG, § 52 EnergieStG, § 55 EnergieStV, § 96 Abs 2 EnergieStV, § 38 AO, § 47 AO, § 155 Abs 5 AO, § 169 AO, § 170 Abs 1 AO, Art 14 Abs 1 Buchst c EGRL 96/2003, Art 15 Abs 1 Buchst f EGRL 96/2003
Vorinstanz
vorgehend FG Hamburg, 22. Mai 2020, Az: 4 K 85/19, Urteil
Leitsatz
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1. Die Versäumung der Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 EnergieStV steht wegen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem in § 52 Abs. 1 EnergieStG normierten und auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. c EnergieStRL beruhenden Entlastungsanspruch für die für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Gemeinschaft verwendeten Energieerzeugnisse nicht entgegen, wenn die materiellen Voraussetzungen für den Entlastungsanspruch erfüllt sind.
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2. Bei einem unversteuerten Bezug von Energieerzeugnissen entsteht der Entlastungsanspruch nach § 52 Abs. 1 EnergieStG nicht bereits mit deren Verwendung, sondern frühestens mit der Festsetzung der für das bezogene Energieerzeugnis entstandenen Energiesteuer.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 22.05.2020 - 4 K 85/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt öffentliche Seehäfen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie überwacht und unterhält die wasserseitigen Zufahrten zu den von ihr betriebenen Häfen und Schiffsliegeplätzen und setzt hierzu auch eigene Wasserfahrzeuge ein.
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Im Streitjahr 2016 setzte die Klägerin das Motorschiff "MS ..." (im Folgenden MS), einen Hopperbagger, im Wesentlichen zu Saugbagger-, Wasserinjektions- und Transportzwecken in den Hafengebieten und den dazugehörigen Zufahrten ein. Das MS verfügt über eine Hauptmaschine für die Manövriertätigkeit und über einen separaten Antrieb für das Arbeiten mit dem Saugbagger, wobei der Arbeitsbetrieb technisch nur im Fahrbetrieb möglich ist. Beide Maschinen werden aus einem Tank mit Bunkerdiesel versorgt.
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Das MS ist für den Einsatz in Häfen, auf Wasserstraßen oder auf See konzipiert. Bei seinem Betrieb wird mithilfe eines Schleppkopfes das Sediment an der Gewässersohle gelöst, durch eine Saugleitung an Bord gesaugt und im Laderaum transportiert. Daneben kann das MS auch als Wasserinjektionsgerät eingesetzt werden. Dann wird über einen mit Düsen versehenen Rohrbalken mittels einer Spülwasserpumpe Wasser in die Gewässersohle von Schleusen, Vorhäfen, Liegeplätzen oder Fahrwassern injiziert. Die dadurch wie eine Wolke aufgewirbelten Sedimente werden mit der natürlichen Strömung fortgetragen.
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Für den Betrieb des MS bezog die Klägerin im Kalenderjahr 2016 von fünf Lieferanten unversteuert unter Bezugnahme auf § 27 Abs. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) gekennzeichneten Dieselkraftstoff mit einem Schwefelgehalt von höchstens 10 mg/kg entsprechend der Unterpos. 2710 19 43 der Warennomenklatur nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1987, Nr. L 256, 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 578/2002 der Kommission (ABlEG 2002, Nr. L 97, 1) geänderten, am 01.01.2002 geltenden Fassung (im Folgenden KN). Insgesamt bebunkerte die Klägerin im Kalenderjahr 2016 für das MS ... Liter; davon verwendete sie ... Liter für Baggerarbeiten und ... Liter für das Manövrieren.
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Die Klägerin verfügte im Streitjahr nicht über eine Einzelerlaubnis zum steuerfreien Bezug von Energieerzeugnissen als Verwender gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG.
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Nach einer Steueraufsichtsmaßnahme setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) mit insgesamt fünf Bescheiden vom 21.12.2017 Energiesteuer in Höhe von ... € gegenüber der Klägerin als Gesamtschuldnerin mit den Lieferanten fest. Die Klägerin habe das streitgegenständliche Gasöl mangels des Vorliegens einer Verwendererlaubnis (§ 24 Abs. 2 EnergieStG) zu Unrecht unversteuert bezogen. Weder habe sie über eine förmliche Einzelerlaubnis verfügt noch hätten die Voraussetzungen einer allgemeinen Erlaubnis nach § 55 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (im Folgenden EnergieStV) vorgelegen.
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Einspruch und Klage gegen diese Steuerbescheide hatten keinen Erfolg (Finanzgericht --FG-- Hamburg, Urteil vom 22.05.2020 - 4 K 113/18, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2020, 281).
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Mit formularmäßigem Entlastungsantrag vom 21.12.2018, eingegangen per Post am 31.12.2018, beantragte die Klägerin für das Kalenderjahr 2016 die Entlastung von der Energiesteuer nach § 52 EnergieStG betreffend die streitbefangenen Gasölmengen (... Liter). Den Antrag lehnte das HZA mit Bescheid vom 06.02.2019 ab. Zum einen sei mit Ablauf des 31.12.2017 Festsetzungsverjährung eingetreten, zum anderen sei die Antragsfrist des § 96 Abs. 2 Satz 3 EnergieStV bereits abgelaufen gewesen.
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Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage teilweise Erfolg. Das FG gab der Klage statt, soweit Energieerzeugnisse für die Manövrierfähigkeit und den Fahrbetrieb des MS verwendet wurden, weil es sich insoweit um Schifffahrt i.S. des § 27 Abs. 1 EnergieStG handele. Dagegen sei der Antrieb der Arbeitsmaschinen auf dem Schiff nicht begünstigt.
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Nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV werde unter der Voraussetzung, dass die Steuerfestsetzung erst erfolgt, nachdem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, abweichend von Satz 3 die Steuerentlastung gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres gestellt wurde, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer festgesetzt worden ist. Nach diesen Maßgaben sei der Antrag fristgerecht gestellt worden, weil die Steuerfestsetzungen vom 21.12.2017 datierten und der Antrag am 31.12.2018 eingegangen sei. Dass Satz 4 in § 96 Abs. 2 EnergieStV zum 01.01.2018 aufgehoben worden sei, sei unerheblich, weil die Fristverlängerung durch die Steuerfestsetzung in 2017 bereits zu gewähren gewesen sei. Deshalb könne offenbleiben, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dazu führe, dass der Antragsfrist des § 96 Abs. 2 Satz 3 EnergieStV keine die Entlastung ausschließende Wirkung mehr zukommen dürfe.
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Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei auch die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen. Für Verbrauchsteuervergütungen betrage die Festsetzungsfrist gemäß § 155 Abs. 4 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ein Jahr. Sie beginne nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden sei. Der Bundesfinanzhof sei bislang davon ausgegangen, dass der Vergütungsanspruch jeweils mit der steuerbegünstigten Verwendung des Energieerzeugnisses entstehe (vgl. Senatsurteile vom 20.09.2016 - VII R 7/16, BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308; vom 26.09.2017 - VII R 26/16, BFHE 260, 280, ZfZ 2018, 22, Rz 13, und vom 10.01.2017 - VII R 26/14, BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 8). In allen entschiedenen Fällen seien versteuerte Energieerzeugnisse geliefert und verwendet worden. Im Streitfall sei allerdings unversteuerte Ware geliefert worden, die erstmals mit den Bescheiden vom 21.12.2017 besteuert worden sei. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung könne bei nachweislich unversteuert bezogener Ware und nachträglicher Besteuerung nicht bereits mit der Verwendung bejaht werden. Abzustellen sei deshalb auf die Steuerfestsetzung, so dass Festsetzungsverjährung erst mit dem 31.12.2018 eingetreten sei.
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Dagegen richtet sich die Revision des HZA.
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Der Entlastungsantrag sei nicht fristgerecht gestellt worden. Die verlängerte Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV komme im Streitfall nicht zum Tragen, weil sie zum 01.01.2018 aufgehoben worden sei. Diese Änderung gelte für alle Anträge, die nach dem 01.01.2018 eingegangen seien.
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Eine Versagung der Steuerentlastung wegen Fristversäumnis verstoße nicht gegen den unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, denn die Antragsfrist diene wie das Erlaubnisverfahren der Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung.
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Selbst wenn man eine verlängerte Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV a.F. annähme, laufe diese wegen der bei Antragseingang abgelaufenen Festsetzungsfrist ins Leere. Für den Beginn der Festsetzungsfrist komme es nach der Rechtsprechung auf den Zeitpunkt der Verwendung an (insbesondere Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308). Unter Verweis auf diese Rechtsprechung habe der Verordnungsgeber den Satz 4 in § 96 Abs. 2 EnergieStV gestrichen (vgl. Referentenentwurf vom 06.10.2017, S. 45).
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Auch aus unionsrechtlicher Sicht sei der Zeitpunkt der Verwendung maßgeblich für den Lauf der Festsetzungsfrist, weil die Energiesteuer eine verwendungsorientierte Steuer sei. Deshalb komme es für die obligatorischen und fakultativen Steuervergünstigungen in § 27 und § 52 EnergieStG auf die Verwendung der Energieerzeugnisse an. Die Festlegung angemessener Festsetzungsfristen sei unionsrechtlich nicht zu beanstanden, weil diese nicht geeignet seien, die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, selbst wenn ihr Ablauf zum endgültigen Anspruchsverlust führen sollte (vgl. Senatsurteil vom 18.08.2015 - VII R 5/14, BFH/NV 2016, 74, ZfZ 2016, 330).
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Das HZA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vorentscheidung entspricht, soweit sie mit der Revision angefochten wurde, im Ergebnis Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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1. Im Streitfall sind alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 EnergieStG erfüllt, soweit das FG der Klage stattgegeben hat.
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a) Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag gewährt für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse, die zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden sind. Gemäß Satz 2 wird die Steuerentlastung für Energieerzeugnisse der Unterpos. 2710 19 41 bis 2710 19 49 KN im Fall des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG nur gewährt, wenn diese ordnungsgemäß gekennzeichnet sind. Energieerzeugnisse der Unterpos. 2710 19 41 bis 2710 19 99 KN dürfen gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG steuerfrei verwendet werden in Wasserfahrzeugen für die Schifffahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Schifffahrt.
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b) Dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 52 EnergieStG vorliegen, soweit die Energieerzeugnisse für die Bewegung des Schiffes verwendet worden sind, ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.
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2. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin die Antragsfrist gemäß § 96 Abs. 2 EnergieStV versäumt hat oder ob § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV i.d.F. der Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 20.09.2011 (BGBl I 2011, 1890) noch auf den Streitfall anzuwenden war, obwohl diese Vorschrift mit Wirkung vom 01.01.2018 (BGBl I 2018, 84 ff.) aufgehoben worden ist.
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Nach § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV in der genannten Fassung wurde unter der Voraussetzung, dass die Steuerfestsetzung erst erfolgt, nachdem die Energieerzeugnisse verwendet worden sind, die Steuerentlastung gewährt, wenn der Antrag spätestens bis zum 31. Dezember des Jahres gestellt wurde, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer festgesetzt worden ist.
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Weil die Energiesteuer im Streitfall erst mit den Bescheiden vom 21.12.2017 festgesetzt worden ist, wäre die Antragsfrist mithin erst mit Ablauf des 31.12.2018 abgelaufen, weshalb der Antrag der Klägerin am 31.12.2018 rechtzeitig beim HZA eingegangen wäre. Auf die Anwendung des § 96 Abs. 2 Satz 4 EnergieStV kommt es im Streitfall jedoch nicht an.
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3. Jedenfalls stünde eine Versäumung der in § 96 Abs. 2 EnergieStV festgelegten Antragsfrist dem Entlastungsanspruch nach § 52 EnergieStG wegen des unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht entgegen.
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a) Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören (EuGH-Urteile Mecsek-Gabona vom 06.09.2012 - C-273/11, EU:C:2012:547, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1121, und ROZ-SWIT vom 02.06.2016 - C-418/14, EU:C:2016:400, ZfZ 2017, 73). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteil Gabalfrisa u.a. vom 21.03.2000 - C-110/98 bis C-147/98, EU:C:2000:145, Rz 52, HFR 2000, 456; EuGH-Beschluss Transport Service vom 03.03.2004 - C-395/02, EU:C:2004:118, Rz 29, HFR 2005, 370, und EuGH-Urteil Collee vom 27.09.2007 - C-146/05, EU:C:2007:549, BStBl II 2009, 78, HFR 2007, 1256).
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b) Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteile Petrotel-Lukoil vom 07.11.2019 - C-68/18, EU:C:2019:933, ZfZ 2019, 383, und Turbogas vom 27.06.2018 - C-90/17, EU:C:2018:498, ZfZ 2018, 265) verstößt es gegen Unionsrecht, wenn die Verletzung nationaler formeller Anforderungen dadurch sanktioniert wird, dass eine obligatorische Steuerbegünstigung nach der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2003, Nr. L 283, 51, i.d.F. der Richtlinie 2004/75/EG des Rates vom 29.04.2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch Zypern, ABlEU 2004, Nr. L 157, 100 --EnergieStRL--) verweigert wird. Denn die nationalen Regelungen dürfen nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um eine korrekte und einfache Anwendung solcher Befreiungen sicherzustellen und Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch zu verhindern (EuGH-Urteil Polihim-SS vom 02.06.2016 - C-355/14, EU:C:2016:403, Rz 62, ZfZ 2016, 196).
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c) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Klägerin der Entlastungsanspruch allein wegen des Versäumnisses der Antragsfrist nach § 96 Abs. 2 EnergieStV nicht verwehrt werden.
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aa) Im Streitfall handelt es sich --wie auch in den bislang vom EuGH entschiedenen Fällen-- um eine obligatorische Steuerbegünstigung.
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Die von der Klägerin geltend gemachte Steuerentlastungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG dient ausweislich der Gesetzesbegründung der Umsetzung von Art. 14 Abs. 1 Buchst. c EnergieStRL (vgl. BTDrucks 16/1172, S. 38), soweit damit die Verwendung der genannten Energieerzeugnisse für die Schifffahrt in Meeresgewässern der Union begünstigt wird.
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Der Begriff "Meeresgewässer der Gemeinschaft" bezieht sich nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile Jan de Nul vom 01.03.2007 - C-391/05, EU:C:2007:126, ZfZ 2007, 81, und Vakarų Baltijos laivų statykla vom 13.07.2017 - C-151/16, EU:C:2017:537, ZfZ 2017, 332) auf alle Gewässer, die von sämtlichen für den gewerblichen Seeverkehr tauglichen Seeschiffen einschließlich derjenigen mit der größten Kapazität befahren werden können. Er umfasst daher auch bestimmte Binnenwasserstraßen. Für die gewerbliche Seeschifffahrt taugliche Schiffe können nämlich für diese Schifffahrt auch auf bestimmten Binnenwasserstraßen bis zu bestimmten Seehäfen eingesetzt werden, auch wenn diese Häfen nicht an der Küste liegen. Diese Schifffahrt von der obligatorischen Steuerbefreiung auszunehmen, sobald sie auf Binnenwasserstraßen in Richtung Seehäfen stattfindet, würde dem innergemeinschaftlichen Handelsverkehr schaden, da dieser Ausschluss die von einer solchen Schifffahrt betroffenen Wirtschaftsteilnehmer benachteiligen und deswegen dazu führen könnte, dass ein Teil des Seeverkehrs von diesen Häfen abgezogen würde. Hierdurch würden diese Wirtschaftsteilnehmer gegenüber denjenigen, die in den an der Küste liegenden Häfen tätig sind, benachteiligt.
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Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurde das MS in den Hafengebieten und den dazugehörigen Zufahrten der von der Klägerin betriebenen öffentlichen Seehäfen eingesetzt. Dort sollen durch die Saugbagger-, Wasserinjektions- und Transportfunktion des MS die notwendigen Wassertiefen sichergestellt werden.
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bb) Schließlich ist der in § 96 EnergieStV vorgeschriebene Antrag nach der Rechtsprechung des Senats keine materiell-rechtliche, sondern lediglich eine formelle Voraussetzung des Steuerentlastungsanspruchs (vgl. etwa Senatsurteil vom 18.02.2020 - VII R 39/18, BFHE 268, 391, ZfZ 2020, 272, Rz 32).
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Aus den vorstehenden Gründen steht eine verspätete Antragstellung dem Entlastungsanspruch nicht entgegen.
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4. Der Anspruch der Klägerin auf eine Steuerentlastung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG ist auch nicht infolge des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 47 AO erloschen.
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a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt entsprechend für die Festsetzung einer Steuervergütung (§ 155 Abs. 4 AO, ab 01.01.2017 § 155 Abs. 5 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen ein Jahr (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuervergütungsanspruch infolge der Verwirklichung des Entlastungstatbestands entstanden ist (§ 38 AO).
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b) Voraussetzung für die Entstehung eines Entlastungsanspruchs nach § 52 Abs. 1 EnergieStG ist nach dem Gesetzeswortlaut u.a. die nachweisliche Versteuerung der zu den in § 27 EnergieStG genannten Zwecken verwendeten Energieerzeugnisse. Nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV sind deshalb dem Antrag auf Entlastung Unterlagen über die Versteuerung der Energieerzeugnisse beizufügen.
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aa) Was unter einer solchen nachweislichen Versteuerung zu verstehen ist, definiert das EnergieStG nicht. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, Vergütungsansprüche für steuerfrei bezogene Energieerzeugnisse auszuschließen (Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9). Allein die Steuerentstehung ist nicht ausreichend. Das ergibt sich bereits aus § 45 EnergieStG, der für Erlass, Erstattung und Vergütung stets eine entstandene Steuer, also eine steuerliche Belastung der eingesetzten Energieerzeugnisse, voraussetzt (vgl. Möhlenkamp/Milewski, Energiesteuergesetz, Stromsteuergesetz, 2. Aufl., § 45 Rz 13; Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Energiesteuer, Stromsteuer, § 45 Rz 10 a.E.; Henseler in Friedrich/Soyk, Kommentar zu den Energiesteuern, § 45 EnergieStG Rz 18; vgl. auch Senatsurteil in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 9). Weil die Entlastungsnormen eine nachweisliche Versteuerung voraussetzen, verlangt der Senat in ständiger Rechtsprechung, dass Umstände hinzutreten, welche die Steuerentstehung verifizieren (vgl. Senatsurteil in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308, Rz 9).
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In der Vergangenheit hatte der Senat mehrfach entschieden, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der nachweislichen Versteuerung nicht von der Festsetzung der Steuer durch einen Steuerbescheid oder der Abgabe einer Steueranmeldung durch den Stromversorger oder Lieferer von Energieerzeugnissen abhängig sei (vgl. Senatsurteile in BFHE 255, 360, ZfZ 2016, 308; in BFHE 260, 280, ZfZ 2018, 22, Rz 13; in BFHE 257, 285, ZfZ 2017, 125, Rz 8, und vom 07.07.2020 - VII R 6/19, BFH/NV 2021, 198, ZfZ 2020, 372, Rz 10).
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Vielmehr entstehe der Vergütungsanspruch bereits mit der steuerbegünstigten Verwendung des Stroms bzw. der Energieerzeugnisse oder mit dem Verbringen von Energieerzeugnissen in einen anderen Mitgliedstaat bzw. mit der Ausfuhr in ein Drittland, wobei im Falle der Verwendung von Strom der Vergütungsanspruch mit der Entnahme des Stroms aus dem Versorgungsnetz entsteht, die regelmäßig mit dem Verbrauch des Stroms zusammenfalle. In diesen Fällen hat der Senat allerdings darauf abgestellt, dass in diesem Zeitpunkt die vom Lieferer zu führenden Aufzeichnungen hinreichende Gewähr für die Durchsetzung des Steueranspruchs bieten.
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Die bislang entschiedenen Fälle stimmten also darin überein, dass jeweils versteuerter Strom oder versteuerte Energieerzeugnisse bezogen worden waren, was sich aus den Rechnungen bzw. Lieferscheinen ergab.
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bb) Weil im Streitfall die Energieerzeugnisse jedoch unversteuert bezogen worden sind, kann von einer nachweislichen Versteuerung jedenfalls nicht vor der Festsetzung der Steuer ausgegangen werden.
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Das unterscheidet den Streitfall wesentlich von den bislang entschiedenen Fällen. Allein auf die Verwendung der Energieerzeugnisse kann es deshalb nicht ankommen (so im Ergebnis auch Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, a.a.O., § 45 Rz 21).
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cc) Im Streitfall kommt als denkbarer Anknüpfungspunkt die Festsetzung der Energiesteuer mit den Bescheiden vom 21.12.2017 in Betracht, denn vorher gingen die Beteiligten selbst nicht von der Steuerpflicht aus, so dass keine nachweisliche Versteuerung gegeben sein kann. Zudem kann die Klägerin erst zu diesem Zeitpunkt einen vollständigen Antrag nach § 96 Abs. 4 EnergieStV stellen, weil sie nach § 96 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EnergieStV auch Unterlagen über die Versteuerung der Energieerzeugnisse beifügen muss.
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c) Danach ist die Festsetzungsverjährung im Streitfall erst mit Ablauf des 31.12.2018 eingetreten, so dass der an diesem Tag eingegangene Antrag der Klägerin vor Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt worden ist.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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