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BFH 25.08.2020 - II R 23/18
BFH 25.08.2020 - II R 23/18 - Grunderwerbsteuerbefreiung bei Übergang von einer Gesamthand --Maßstäbe der Missbrauchsprüfung--
Normen
§ 738 BGB, § 1 Abs 1 Nr 3 S 1 GrEStG 1997, § 6 Abs 2 S 1 GrEStG 1997, § 6 Abs 2 S 2 GrEStG 1997, § 6 Abs 4 S 1 GrEStG 1997
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 8. Mai 2018, Az: 1 K 246/14, Urteil
Leitsatz
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1. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG bezweckt die Abwehr missbräuchlicher Gestaltungen durch Verbindung des grundsätzlich steuerfreien Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand mit der steuerfreien Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen. Die Vorschrift ist teleologisch zu reduzieren, soweit abstrakt keine Steuer zu vermeiden war. Auf einen konkreten Missbrauch im Einzelfall kommt es nicht an.
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2. Abstraktes Missbrauchspotential fehlt, wenn der Wechsel im Gesellschafterbestand ausnahmsweise grunderwerbsteuerbar war. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist insoweit nicht anzuwenden.
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3. Es ist nicht maßgebend, ob die Grunderwerbsteuer festgesetzt und entrichtet wurde.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 08.05.2018 - 1 K 246/14, die Bescheide über Grunderwerbsteuer vom 04.07.2013, vom 13.09.2013, die Einspruchsentscheidung vom 09.10.2014 sowie der Bescheid vom 04.05.2018 aufgehoben.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die … GmbH & Co. KG (KG) war seit 2006 Eigentümerin von in A belegenem Grundvermögen. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war die … Beteiligungs GmbH (GmbH), die nicht am Vermögen der KG beteiligt war. Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG schied ein Gesellschafter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen aus der Gesellschaft aus, worauf die verbleibenden Gesellschafter die Gesellschaft fortführen sollten. Verbliebe nur ein Gesellschafter, so dass das Ausscheiden des Gesellschafters die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hätte, konnte dieser das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortsetzen.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Februar 2010 zunächst als Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit Sitz in X gegründet und firmiert seit dem 19.11.2013 als GmbH. Einzeln vertretungsberechtigter Geschäftsführer war und ist der Insolvenzverwalter R. Durch notarielle Verträge vom 22.02.2010 erwarb die Klägerin sämtliche Kommanditanteile an der KG sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH. Sie bestellte R zum einzeln vertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH und verlegte den Sitz nach X. Beim Finanzamt X gingen am 05.05.2010 die diesbezügliche Veräußerungsanzeige der Klägerin nach dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), am 17.06.2010 die notariellen Verträge ein. Auf Eigenantrag vom ….06.2010 eröffnete das Amtsgericht X (AG X) am 02.08.2010 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG und ordnete Eigenverwaltung nach § 270 der Insolvenzordnung (InsO) an. Am 30.09.2010 eröffnete es das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Im Rahmen eines Insolvenzplans wurde die Kapitaldienstfähigkeit der KG wiederhergestellt. Mit Beschluss vom 26.04.2012 hob das AG X das Insolvenzverfahren auf.
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Nachdem für den Kaufvertrag vom 22.02.2010 gesonderte Feststellungen nach § 17 GrEStG und des Grundbesitzwerts ergangen waren, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit einem --nicht streitgegenständlichen-- Bescheid vom 24.09.2012 gegen die KG wegen des Anteilserwerbs der Klägerin an der KG zum 22.02.2010 Grunderwerbsteuer fest. Diese Steuer wurde nicht mehr entrichtet. Die KG berief sich darauf, dass die Grunderwerbsteuerforderung nicht zur Insolvenztabelle angemeldet, der Insolvenzplan nicht angefochten worden sei und die Forderung gegenüber dem Insolvenzverwalter nicht mehr geltend gemacht werden könne (§ 254 Abs. 1 InsO). Am 01.02.2013 wurde das Erlöschen der KG im Handelsregister eingetragen.
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Nach Eingang eines notariellen Grundbuchberichtigungsantrags wegen des Übergangs des Gesellschaftsvermögens der KG am 30.09.2010 auf die Klägerin nach § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) setzte das FA für diesen Vorgang mit Bescheid vom 04.07.2013 unter Berufung auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer für eine auf den 01.02.2013, nach Einspruch mit Bescheid vom 13.09.2013 für eine auf den 30.09.2010 datierte Anwachsung fest. Nach Untätigkeitsklage und darauffolgender Einspruchsentscheidung vom 09.10.2014 setzte das FA infolge einer geänderten Feststellung des Grundbesitzwerts, die die Klägerin mittels Einspruchs angefochten hat, schließlich mit Änderungsbescheid vom 04.05.2018 die Grunderwerbsteuer auf den 30.09.2010 mit … € fest.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH am 30.09.2010 sei die GmbH aus der KG ausgeschieden. Dies habe zur sofortigen Vollbeendigung der KG und zur Anwachsung ihres Vermögens auf die Klägerin als einzig verbliebener Gesellschafterin nach § 738 BGB geführt. Dieser Vorgang unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer.
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Die Befreiung des § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG finde wegen § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG keine Anwendung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG lägen vor. Für eine teleologische Reduktion sei kein Raum, da die wortlautgemäße Auslegung nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe. Die Vorschrift solle Steuerumgehungen verhindern, die durch steuerfreie Übernahme von Grundstücken aus dem Vermögen einer Gesamthand innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nach Veränderungen innerhalb der Gesamthand entstehen könnten. So verhalte es sich im Streitfall, da die Steuer für den nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbaren Anteilserwerb vom 22.02.2010 nicht mehr habe erhoben werden können.
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Von einer Aussetzung des Verfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Rücksicht auf das noch offene Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellung des Grundbesitzwerts hat das FG im Einverständnis mit den Beteiligten abgesehen, da über den Streit im Folgebescheidsverfahren unabhängig von dem Grundlagenbescheid entschieden werden könne und die Sache eilbedürftig sei. Nach Mitteilung der Klägerin hänge eine Darlehensprolongation von der Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA ab.
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Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1732 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 1 Abs. 2a GrEStG sowie des Vorbehalts des Gesetzes. § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG finde keine Anwendung, da die durch den Bundesfinanzhof (BFH) begründete teleologische Reduktion der Vorschrift nicht an die Erhebung, Festsetzung oder Zahlung von Grunderwerbsteuer, sondern an die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Grunderwerbsteuertatbestandes anknüpfe. Es liege keine konkrete Steuerumgehung vor, da das FA von Mai 2010 bis Anfang August 2010 die Möglichkeit gehabt habe, für den Erwerbsvorgang vom 22.02.2010 Grunderwerbsteuer festzusetzen und zu erheben. Es liege auch keine abstrakte Steuerumgehung vor, weil der Gesellschafterwechsel der Steuer unterlegen habe. Wenn das FG allein deshalb § 6 Abs. 2 GrEStG nicht anwende, weil der zeitlich vorangehende Erwerbsvorgang tatsächlich nicht zu einer Steuerzahlung geführt habe, verletze es den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung, die Bescheide über Grunderwerbsteuer vom 04.07.2013 und vom 13.09.2013, die Einspruchsentscheidung vom 09.10.2014 sowie den Bescheid vom 04.05.2018 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Anwachsung vom 30.09.2010 sei nicht nach § 6 Abs. 2 GrEStG von der Steuer befreit, da die Rückausnahme des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG eingreife. Die Vorschrift sei tatbestandlich anwendbar und nicht teleologisch zu reduzieren. Der BFH habe teleologische Reduktionen nur im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall vorgenommen und keinen abstrakten Rechtssatz dahin aufgestellt, dass stets dann, wenn der vorgängige Erwerb der Anteile einen steuerbaren Tatbestand erfüllt habe, § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG einzuschränken sei. Im Übrigen könne eine Steuerumgehung auch stattfinden, wenn ein Anspruch auf Grunderwerbsteuer entstanden sei. Während bei Erwerbstatbeständen, die auf einem Verpflichtungsgeschäft beruhten, das Erfordernis der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 22 GrEStG für die Umschreibung im Grundbuch regelmäßig die Steuerzahlung sicherstelle, fehle dieser Mechanismus bei einem steuerpflichtigen fiktiven Rechtsträgerwechsel wie im Falle des § 1 Abs. 2a GrEStG.
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Während des Revisionsverfahrens sind geänderte Feststellungsbescheide über den Grundbesitzwert ergangen, die das FA noch nicht umgesetzt hat.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Der BFH entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie sind aufzuheben, da der durch die Anwachsung vom 30.09.2010 bewirkte Erwerbsvorgang von der Grunderwerbsteuer befreit ist.
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1. Nach dem Wortlaut des GrEStG ist der Erwerbsvorgang am 30.09.2010 steuerbar und steuerpflichtig, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten ist.
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a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer u.a. der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Die durch die Insolvenz der GmbH bewirkte Auflösung der KG und die daraus folgende Anwachsung des Vermögens der KG auf die Klägerin als einzige Kommanditistin nach § 738 BGB stellten einen solchen Übergang des Eigentums dar.
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b) Geht ein Grundstück von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person über, so wird die Steuer nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GrEStG gilt dies entsprechend, wenn ein Grundstück bei der Auflösung der Gesamthand in das Alleineigentum eines Gesamthänders übergeht. Die Anwachsung im Streitfall begründet einen solchen Übergang. Der Anteil für die Nichterhebung der Steuer beträgt 100 %, denn allein die Klägerin als Kommanditistin, aber nicht die ausgeschiedene Komplementär-GmbH war am Vermögen der KG beteiligt.
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c) Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gelten die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 insoweit nicht, als ein Gesamthänder innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Die Klägerin hatte ihre Kommanditbeteiligung an der KG, über die sie zu 100 % vermögensmäßig an der KG beteiligt wurde, am 22.02.2010 und damit innerhalb der Fünfjahresfrist erworben.
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2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG gegen den Wortlaut teleologisch zu reduzieren ist.
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a) Es handelt sich um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, mit der Steuerumgehungen durch die Kombination eines außerhalb von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht steuerbaren Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand und der nachfolgenden nach § 6 GrEStG begünstigten Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen durch den "neuen" Gesellschafter verhindert werden sollen (BFH-Beschluss vom 19.03.2003 - II B 96/02, BFH/NV 2003, 1090, unter II.2.c; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 6 Rz 90).
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b) Nicht maßgebend ist, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung beabsichtigt war. Die Vorschrift greift ein, um objektiven Steuerumgehungen vorzubeugen, die der --im Grundsatz-- steuerfreie Übergang von Anteilen an einer Gesamthand ermöglicht. Dies wird für Änderungen der Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand innerhalb der Fünfjahresfrist typisierend unterstellt (vgl. BFH-Urteile vom 14.06.1973 - II R 37/72, BFHE 110, 142, BStBl II 1973, 802, und vom 16.07.1997 - II R 27/95, BFHE 183, 259, BStBl II 1997, 663, unter II.3.).
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c) Umgekehrt sind alle Fallbereiche auszunehmen, bei denen nicht etwa nur für den konkreten Fall keine Steuerumgehung vorliegt, sondern schon abstrakt keine Steuer zu vermeiden war (so bereits grundlegend BFH-Urteil vom 25.02.1969 - II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400). Die Finanzverwaltung nimmt ebenfalls an, dass eine teleologische Reduktion vorzunehmen ist, wenn die Steuerumgehung objektiv ausgeschlossen ist (Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.12.2015 betreffend Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG, BStBl I 2015, 1029, Tz. 7.6.).
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aa) Ein abstrakter oder objektiver Maßstab bedeutet, dass es für die Reichweite der teleologischen Reduktion auf das abstrakte Missbrauchspotential derjenigen Gestaltung ankommt, auf die § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG zielt. Das ist die Kombination eines nicht steuerbaren Erwerbs einer Beteiligung an einer Gesamthand mit einer steuerbefreiten Grundstücksübernahme aus dem Vermögen der Gesamthand. Liegt eine solche missbrauchsgeneigte Gestaltung vor, kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Missbrauch nachgewiesen oder nicht auszuschließen ist.
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bb) § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist deshalb nur anzuwenden, wenn und soweit der das Grundstück von der Gesamthand erwerbende Gesamthänder seit dem Erwerb des Grundstücks durch die Gesamthand einen Anteil erlangt (oder nach Aufgabe wiedererlangt) hat, der über seinen Anteil im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch die Gesamthand hinausreicht.
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Dem Sinn und Zweck der Grunderwerbsteuer ist dadurch Rechnung getragen, dass schon der Erwerb des Grundstücks durch die Gesellschaft der Grunderwerbsteuer unterlag und schon mit diesem Erwerb das Grundstück in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich des Gesamthänders gelangt ist (so auch für die Parallelvorschrift des § 5 Abs. 3 GrEStG BFH-Urteil vom 23.09.2009 - II R 61/08, BFH/NV 2010, 680).
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cc) Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG ist trotz § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG auch nicht schon deshalb zu versagen, weil die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs noch keine fünf Jahre bestanden hatte (BFH-Urteile in BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400, und vom 24.06.1969 - II 169/64, BFHE 96, 370). Maßgebend ist, dass die Beteiligungsverhältnisse seit dem Erwerb des Grundstücks durch die veräußernde Gesamthand unverändert geblieben sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400; in BFHE 110, 142, BStBl II 1973, 802; vom 18.05.1994 - II R 119/90, BFH/NV 1995, 267; in BFHE 183, 259, BStBl II 1997, 663, unter II.3., und vom 04.04.2001 - II R 57/98, BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587, unter II.2.c).
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dd) Aus denselben Gründen ist § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht anwendbar, wenn --ausnahmsweise-- bereits der Erwerb des Anteils an der Gesamthand nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlag. In diesem Fall ist ebenfalls eine Steuerumgehung durch die Kombination eines nicht steuerbaren Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand und der nachfolgenden, nach § 6 GrEStG begünstigten Übernahme von Grundstücken von der Gesamthand objektiv nicht möglich (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 1090, unter II.2.c, in Abgrenzung zu einer dennoch vorliegenden objektiven Steuerumgehungsmöglichkeit). Auch in dieser Konstellation war bereits die Überführung des Grundstücks in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich steuerbar, § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG daher nicht anzuwenden (ebenso Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 6 Rz 91, 96; Schley in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, § 6, Rz 110).
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ee) Der BFH hat stets darauf abgestellt, ob ein Vorgang der Grunderwerbsteuer "unterlag". Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, ob Grunderwerbsteuer tatsächlich festgesetzt und erhoben wurde, sondern nur darauf, ob der Vorgang grunderwerbsteuerbar war.
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Das ergibt sich bereits aus der Formulierung selbst. Die Tatbestände des § 1 GrEStG verwenden nahezu durchgängig die Wendung, dass bestimmte Vorgänge der Grunderwerbsteuer "unterliegen", d.h. steuerbar sind und vorbehaltlich von Befreiungstatbeständen Grunderwerbsteuer festzusetzen ist. Gemeint ist damit nicht, dass Grunderwerbsteuer tatsächlich festgesetzt und entrichtet worden ist. Dies wäre bei einer Vorschrift des Festsetzungsverfahrens ein Widerspruch in sich.
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Diese Sichtweise entspricht dem Zweck der Vorschrift. Eine objektive Steuerumgehungsmöglichkeit hängt nicht davon ab, ob es zu Schwierigkeiten bei der Erhebung der einen oder anderen Steuer gekommen ist. Das gilt erst recht, als der BFH die Begünstigung des Erwerbs von der Gesamthand sogar dann für möglich erachtet hat, wenn der vorausgegangene Grunderwerb durch die Gesamthand noch nicht steuerpflichtig war (BFH-Urteil vom 28.01.1981 - II R 146/75, BFHE 133, 83, BStBl II 1981, 484; ähnlich --für den steuerbefreiten Erwerb-- Viskorf in Boruttau, a.a.O., § 6 Rz 95).
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3. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung und insbesondere daran fest, dass allein das abstrakte Missbrauchspotential Maßstab für die Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG einschließlich der teleologischen Reduktion ist.
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a) Die seit Jahrzehnten durch den BFH vorgenommene und seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich akzeptierte teleologische Reduktion des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG hat die Grenzen zulässiger richterlicher Auslegung und Rechtsfortbildung nicht überschritten. Sie hat insbesondere kein eigenes Modell an die Stelle des gesetzgeberischen Konzepts gesetzt (vgl. dazu im Einzelnen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/10, BVerfGE 128, 193, Neue Juristische Wochenschrift 2011, 836), sondern verhilft lediglich dem Geltungsanspruch des Gesetzes als Missbrauchsverhinderungsvorschrift zur Geltung, um einen von diesem Zweck nicht gedeckten Begünstigungsausschluss zu vermeiden.
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b) Da die Vorschrift selbst typisiert, ist es folgerichtig, auch teleologische Einschränkungen im Wege einer Typisierung durch abstrakt-generelle Rechtssätze vorzunehmen. Die Nichtanwendung einer Vorschrift unter den besonderen Umständen des Einzelfalls wäre keine einschränkende Auslegung mehr, sondern eine Einzelfallentscheidung im Billigkeitswege nach § 163 der Abgabenordnung (AO) oder § 227 AO.
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c) Eine mit dem Konzept des Gesetzes konforme einschränkende Auslegung muss sich demnach nach abstrakten Maßstäben an dem von § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG erfassten Missbrauchspotential orientieren. Sie bezieht sich auf solche Fälle, in denen aus dem Aufeinanderfolgen von steuerfreiem Beteiligungserwerb und steuerbefreiter Grundstücksübernahme von der Gesamthand keine Missbrauchsmöglichkeit resultiert. Sie erfasst nicht sonstige Elemente der Steuergestaltung und Steuervermeidung, die mit dem in § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG erfassten abstrakten Missbrauchspotential nicht in Zusammenhang stehen.
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d) Es entspricht diesen Grundsätzen, dass für die Steuerbefreiung des zweiten Erwerbs allein auf die Grunderwerbsteuerbarkeit des ersten Erwerbs abzustellen ist, nicht auf die Grunderwerbsteuerpflicht, die Festsetzung oder Erhebung der Grunderwerbsteuer.
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aa) Das Ziel des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG liegt nicht darin, dass wenigstens einmal Grunderwerbsteuer gezahlt wird, sondern die objektive Steuerumgehung zu vermeiden. Sollte der erste Erwerb aus Gründen steuerfrei sein, die nicht im Zusammenhang mit dem durch die Vorschrift erfassten Missbrauchspotential stehen, wird auch keine Grunderwerbsteuer gezahlt. Eine Einzelfallprüfung widerspräche nicht nur dem typisierenden Ansatz, sondern müsste sich ggf. auch auf die Frage erstrecken, welcher Beteiligte in welchem Umfange eine Nichtfestsetzung oder Nichterhebung der Steuer für den ersten Erwerb zu verantworten hat. Schließlich können Komplikationen auftreten, wenn zum Zeitpunkt des zweiten Erwerbs die tatsächliche Erhebung der Steuer für den ersten Erwerb noch nicht feststeht.
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bb) Eine abweichende Sichtweise vermengte die Aufgaben der beiden Festsetzungsverfahren. Wenn der Verdacht besteht, dass die zeitnahe Festsetzung und Erhebung der Steuer für den ersten Erwerb mit unangemessenen Mitteln vereitelt wurde, ist die Lösung in dem Festsetzungsverfahren für den ersten Erwerb zu suchen, wofür in entsprechenden Fällen regelmäßig die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verfügung stehen dürfte. Die Besteuerung des zweiten Erwerbs ist kein Ersatztatbestand für Schwierigkeiten im Steuervollzug des ersten Erwerbs.
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cc) Soweit das FA auf die Bedeutung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Sicherung der Steuerzahlung hinweist, ist dies zwar zutreffend, jedoch kein spezifisches Problem des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG. Es stellt sich beim fiktiven Rechtsträgerwechsel stets.
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4. Nach diesen Maßstäben ist § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG infolge teleologischer Reduktion im Streitfall nicht anzuwenden. Die Klägerin hat am 22.02.2010 sämtliche Geschäftsanteile der KG erworben. Dieser Vorgang war nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbar. Das bedeutet, dass die Überführung der Grundstücke in den grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsbereich der Klägerin bereits der Grunderwerbsteuer unterlag. Schwierigkeiten bei Festsetzung und Erhebung dieser Grunderwerbsteuer sind für die Reichweite des § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG nicht von Bedeutung.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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6. Der Senat entscheidet nach § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
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