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BFH 10.12.2019 - I B 11/19
BFH 10.12.2019 - I B 11/19 - Notwendige Beiladung einer aufgelösten englischen Limited
Normen
§ 60 Abs 3 FGO, § 123 Abs 1 S 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 21. November 2018, Az: 14 K 3066/15, Urteil
Leitsatz
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NV: Der notwendigen Beiladung einer englischen Limited gemäß § 60 Abs. 3 FGO steht nicht entgegen, dass die Limited aufgelöst ist. Dies gilt auch dann, wenn sie nach englischem Gesellschaftsrecht nicht mehr existent sein sollte.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21.11.2018 - 14 K 3066/15 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr (2010) zu 899/1 000 an der am ...2010 in Großbritannien gegründeten ... Limited Partnership (LP) als beschränkt haftender Gesellschafter beteiligt. Bei der LP handelt es sich nach der offenkundigen --wenn auch nicht mit konkreten Feststellungen belegten-- Annahme des Finanzgerichts (FG) um eine mit einer deutschen Personengesellschaft vergleichbare Gesellschaftsform. Darüber hinaus waren an der LP die Beigeladene zu 100/1 000 als weitere beschränkt haftende Gesellschafterin sowie die ... Limited (Ltd.) mit Sitz in Großbritannien zu 1/1 000 als unbeschränkt haftende Gesellschafterin beteiligt.
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Die LP wurde im ... 2013 aufgelöst; zum Zeitpunkt der Entscheidung des FG war sie vollbeendet. Die Ltd. wurde am ...2015 aufgelöst. Für die LP waren sowohl die Ltd. als auch der Kläger zur Geschäftsführung befugt.
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Nach dem Vertrag vom ...2010 kaufte die LP von der AB GmbH noch zu produzierende Schiffscontainer. Hinsichtlich des Kaufpreises in Höhe von insgesamt ... € wurde eine noch im Jahr 2010 zu leistende Vorauszahlung vereinbart. Nach den Verträgen vom ...2011, ...2011 und ...2011 veräußerte die LP die Schiffscontainer an die AC GmbH.
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Mit der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wurde für das Streitjahr ein Verlust der LP aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € geltend gemacht, der gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt worden war. Dieser Verlust sollte nach der Erklärung gemäß dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien bestehenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA-Großbritannien) im Inland steuerfrei sein und beim Kläger zu einem (negativen) Progressionsvorbehalt führen.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte die Feststellung steuerfreier Verluste mit Progressionsvorbehalt gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen ab. Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA die Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016. Darin stellte das FA im Inland steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € (Nebenkosten Wareneinkauf) fest und verteilte diesen Verlust entsprechend ihrer Anteile auf sämtliche Gesellschafter der LP.
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Die weiter gehende Klage blieb erfolglos. Das FG Köln begründete dies im Urteil vom 21.11.2018 - 14 K 3066/15 mit seiner fehlenden Überzeugung, dass es sich bei den Zahlungen der LP um Aufwendungen für einen Wareneinkauf und nicht um eine Kapitalüberlassung zur Zwischenfinanzierung der A-Gruppe gehandelt habe.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG macht der Kläger u.a. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt wegen eines Verfahrensmangels zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 6 FGO).
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1. Für die Entscheidung ist der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zuständig.
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Im Geschäftsverteilungsplan 2019 des BFH sind in Nr. 3 Buchst. c und d der Aufgaben, die dem I. Senat zugewiesen werden, u.a. gesonderte Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 5 der Abgabenordnung (AO) genannt, sofern sie --zumindest auch-- die Auslegung von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Tarifvorschrift gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG betreffen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
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Zwar hat das FG seine die Klage abweisende Entscheidung darauf gestützt, dass bereits keine Aufwendungen des Klägers für einen Wareneinkauf festgestellt werden konnten. Ein etwaiges Revisionsverfahren wäre aber nur dann erfolgreich, wenn auch weitere Fragen, die vom FG ausdrücklich als zwischen den Beteiligten streitig bezeichnet worden sind, zu Gunsten des Klägers beantwortet werden. Hierzu gehört u.a. die zum Zuständigkeitskatalog des I. Senats gehörende Frage, ob die Einkünfte der LP nach Art. III DBA-Großbritannien als im Inland steuerfreie gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sind, die gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
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2. Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Ltd. nach § 60 Abs. 3 FGO (notwendig) beizuladen. Dies stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. Senatsurteile vom 11.07.2017 - I R 34/14, juris, und vom 27.09.2017 - I R 62/15, BFH/NV 2018, 620, jeweils m.w.N.).
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a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte (notwendig) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 FGO Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem Ausgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum Verfahren beigeladen werden (z.B. BFH-Urteil vom 19.01.2017 - IV R 50/13, BFH/NV 2017, 751).
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b) § 48 FGO gilt auch dann, wenn es --wie im Streitfall im Rahmen des finanzgerichtlichen Hauptantrags-- um die Feststellung der aus einer ausländischen Personengesellschaft erzielten und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO geht. Danach ist grundsätzlich die ausländische Personengesellschaft klagebefugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO); die Klagebefugnis der Gesellschafter ist an das Vorliegen einer der in § 48 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 FGO genannten Tatbestände gebunden (Senatsurteil vom 18.08.2015 - I R 42/14, BFH/NV 2016, 164; BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 751). Wenn das FA einen negativen Feststellungsbescheid erlassen hat, sind die Voraussetzungen für die Klagebefugnis der Gesellschafter nach der Rechtsprechung des BFH erfüllt (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2018, 620; Senatsbeschluss vom 24.01.2018 - I B 81/17, BFH/NV 2018, 515, jeweils m.w.N.).
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c) Ob dies auch zur Klagebefugnis ausländischer Kapitalgesellschaften führen kann, obwohl der Progressionsvorbehalt hier grundsätzlich keine Rolle spielt, braucht im Streitfall letztlich nicht entschieden zu werden. Die Klagebefugnis der Ltd. --und damit eine Pflicht zu deren Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO-- ergibt sich jedenfalls aus dem finanzgerichtlichen Hilfsantrag, über den das FG ebenfalls entschieden hat. Dieser Hilfsantrag bezog sich auf die Höhe der inländischen gewerblichen Einkünfte der LP, die erstmals mit der Einspruchsentscheidung vom 14.12.2016 unter Einbeziehung der Ltd. gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO festgestellt wurden (zum Verhältnis der Feststellungen gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO und § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO vgl. BFH-Urteil vom 21.02.2017 - VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745). Mit Eintritt der Vollbeendigung der LP waren hierfür gemäß § 48 FGO sämtliche Gesellschafter --und damit auch die Ltd.-- klagebefugt (vgl. BFH-Beschluss vom 20.11.2018 - IV B 44/18, BFH/NV 2019, 120, m.w.N.).
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d) Die vom FG festgestellte Auflösung der Ltd. führt zu keinem anderen Ergebnis, und zwar selbst dann nicht, wenn sie nach englischem Gesellschaftsrecht rechtlich nicht mehr existent gewesen sein sollte (vgl. hierzu FG Münster, Urteil vom 26.07.2011 - 9 K 3871/10 K, GmbH-Rundschau 2011, 1225, m.w.N.).
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht eine nach deutschem Recht gegründete GmbH trotz Löschung im Handelsregister steuerrechtlich weiter fort, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift (BFH-Urteil vom 13.06.2018 - XI R 20/14, BFHE 262, 174, BStBl II 2018, 800, m.w.N.). Diese Rechtsprechung hat der Senat auf ausländische Kapitalgesellschaften wie die Ltd. ausgedehnt (vgl. Beschluss vom 28.01.2004 - I B 210/03, BFH/NV 2004, 670). Darüber hinaus steht die Löschung auch einer Beiladung nicht entgegen (Senatsurteil vom 26.03.1980 - I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587; BFH-Beschluss vom 14.09.2010 - IV B 15/10, BFH/NV 2011, 5, m.w.N.).
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3. Der Senat hält es für angezeigt, das angefochtene Urteil wegen der unterlassenen Beiladung der Ltd. gemäß § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Auf die weiteren Zulassungsgründe, die der Kläger vorgebracht hat, kommt es nicht an. § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach der BFH eine notwendige Beiladung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO im Revisionsverfahren mit heilender Wirkung für das finanzgerichtliche Verfahren nachholen kann, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht anwendbar (Senatsbeschluss in BFH/NV 2018, 515, m.w.N.).
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4. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
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Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der BFH die Rechtssache an einen anderen Senat des FG zurückverweisen. Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht der Beteiligten auf ihren gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus. Hierzu können auch ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des FG-Senats gehören, der das aufgehobene Urteil gesprochen hat (vgl. Senatsurteil vom 25.11.2009 - I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, m.w.N.).
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Im Streitfall liegen jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für entsprechende Zweifel vor. Die vom Kläger vorgetragenen Besonderheiten der Protokollierung der mündlichen Verhandlung, die Dauer der Entscheidungen über die Anträge auf Protokoll- und Tatbestandsberichtigung sowie die Begründung des FG für die unterlassene Vernehmung der vom Kläger genannten Zeugen reichen hierfür nicht aus. Insbesondere bleibt es dem Kläger unbenommen, im zweiten Rechtsgang ggf. das Missverständnis über den in der mündlichen Verhandlung erwarteten Umfang seiner Äußerungen aufzuklären und die zu bezeugenden Tatsachen weiter zu substantiieren. Dass das FG in jedem Fall bei seiner Auffassung bleiben wird, von einer Vernehmung der Zeugen Abstand zu nehmen, ist nicht erkennbar.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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