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BFH 13.11.2019 - XI B 119/18
BFH 13.11.2019 - XI B 119/18 - Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Überraschungsentscheidung
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend FG Bremen, 14. November 2018, Az: 2 K 29/18 (5), Urteil
Leitsatz
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1. NV: Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärbarkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage .
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2. NV: Eine Überraschungsentscheidung liegt dann nicht vor, wenn das Gericht die Entscheidung auf einen Gesichtspunkt stützt, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 14.11.2018 - 2 K 29/18 (5) wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, erbringt reise- und tauchmedizinische Dienstleistungen aller Art, soweit diese nicht behördlichen Genehmigungen unterliegen. Bei ihr beschäftigte Ärzte führen nach den Vorgaben der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin e.V. Tauchtauglichkeitsuntersuchungen für Sporttaucher durch. Sofern die Tauchtauglichkeit der untersuchten Person festgestellt wird, wird als Zertifikat eine dreisprachige "Tauchtauglichkeitsbescheinigung für Sporttaucher" ausgestellt.
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Die aus dieser Tätigkeit in den Besteuerungszeiträumen 2013 bis 2015 (Streitjahre) vereinnahmten Entgelte erklärte die Klägerin als nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) unterwarf mit Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 14.06.2017 die in den betreffenden Entgelten enthaltenen Nettobeträge dem Regelsteuersatz. Den Einspruch der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 08.01.2018 als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) Bremen wies die Klage mit Urteil vom 14.11.2018 - 2 K 29/18 (5) ab. Ziel der von den ärztlichen Mitarbeitern der Klägerin durchgeführten Untersuchungen sei das Ausstellen des dreisprachigen Zertifikates "Ärztliches Zeugnis: Tauglichkeit für das Sporttauchen" als Ergebnis der Untersuchung. Dabei handele es sich i.S. des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services vom 20.11.2003 - C-307/01 (EU:C:2003:627, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 75, Rz 64 f.) um eine gesundheitliche Eignungsbescheinigung, die Dritten eine Entscheidung über die Zulassung der untersuchten Person zum Sporttauchen ermöglicht, weshalb die Leistung nicht steuerfrei sei.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend macht.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet.
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1. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
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a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte und für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 50; vom 13.03.2019 - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 3; jeweils m.w.N.).
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b) Die Klägerin sieht es als klärungsbedürftig an, "ob Tauchtauglichkeitsuntersuchungen, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen [vgl. EuGH-Urteil D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services, EU:C:2003:627, UR 2004, 75], nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei sind". Der BFH habe bis jetzt noch keine Gelegenheit gehabt, sich mit der umsatzsteuerrechtlichen Würdigung einer Tauchtauglichkeitsuntersuchung als Maßnahme der allgemeinen Gesundheitsvorsorge auseinanderzusetzen.
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c) Unabhängig davon, ob sich die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage nach der tatsächlichen Würdigung des FG vorliegend in dieser Allgemeinheit stellt, ist mit der Beschwerde nicht dargetan, dass diese Frage noch der Klärung bedürfe.
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aa) Vielmehr beruft sich die Klägerin auf bereits vorhandene Rechtsprechung und führt unter I.1.a der Beschwerdebegründung das BFH-Urteil vom 18.08.2011 - V R 27/10 (BFHE 235, 58, UR 2011, 902, Rz 14), einschlägige Kommentierungen, das EuGH-Urteil D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services (EU:C:2003:627, UR 2004, 75, Rz 60), sowie unter I.1.f der Beschwerdebegründung den Vorlagebeschluss des erkennenden Senats vom 18.09.2018 - XI R 19/15 (BFHE 262, 561, BStBl II 2019, 178) an und meint, unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze seien die streitgegenständlichen Tauchtauglichkeitsuntersuchungen als Heilbehandlungen zu erfassen. Ferner nimmt sie die EuGH-Urteile CopyGene vom 10.06.2010 - C-262/08 (EU:C:2010:328, UR 2010, 526) sowie Verigen Transplantation Service International vom 18.11.2010 - C-156/09 (EU:C:2010:695, UR 2011, 215) für ihre Rechtsposition in Anspruch und beruft sich darauf, in dem "grundlegenden" Urteil D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services (EU:C:2003:627, UR 2004, 75, Rz 60) habe der EuGH "eindeutig ausgeführt, dass ausschlaggebendes Kriterium für die Steuerfreiheit das Ziel der ärztlichen Leistung ist. … Insbesondere bezüglich gutachterlicher Tätigkeiten von Ärzten [sei] diese Entscheidung instruktiv, da in den [Rz] 61 ff. darauf abgestellt wird, an wen sich ein solches Gutachten richtet."
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bb) Mit ihren Ausführungen unter I.1.c und d der Beschwerdebegründung, das FG habe diese Rechtssätze fehlerhaft angewandt, da es den Hauptzweck der streitgegenständlichen Gesundheitsuntersuchungen verkannt und zu Unrecht auf eine Zertifikationserlangung verkürzt habe, belegt die Klägerin einen weiteren Klärungsbedarf gerade nicht. Vielmehr wendet sie sich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung, was nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen kann.
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2. Mit ihren Rügen, die urteilstragenden Erwägungen des FG seien rechtsfehlerhaft bzw. die Rechtsauslegung des FG verstoße gegen höherrangiges Recht, hat die Klägerin auch nicht schlüssig dargetan, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordere (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).
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a) Tragende Rechtssätze der angefochtenen Vorentscheidung und ebensolche Rechtssätze angeblicher Divergenzentscheidungen hat die Klägerin nicht so einander gegenübergestellt, dass eine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen ersichtlich wäre (vgl. z.B. allgemein BFH-Beschluss vom 27.02.2018 - XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 8 f., m.w.N.).
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b) Dass die Revision ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers zuzulassen wäre, ist weder von der Klägerin vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine solche Revisionszulassung erfolgt nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG i.S. einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung. Eine bloße etwaige Fehlerhaftigkeit der Vorentscheidung oder die --wie die Klägerin meint-- fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügen hierfür nicht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18.05.2011 - XI B 57/10, BFH/NV 2011, 1704, Rz 14; vom 28.06.2019 - X B 76/18, BFH/NV 2019, 1113, Rz 11).
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3. Soweit die betreffenden Darlegungen der Klägerin den Vorgaben des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechen, liegen Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht vor.
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a) Die Rüge, die angefochtene Entscheidung beruhe auf fehlerhafter Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung, ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend zu machen. Die Klägerin beruft sich damit vielmehr auf materielle Rechtsfehler, die nach dem abschließenden Katalog des § 115 Abs. 2 FGO nicht zu einer Zulassung der Revision führen können (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14.09.2010 - IV B 60/09, BFH/NV 2011, 439, Rz 2).
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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FG nicht gegen § 96 Abs. 2 FGO verstoßen. Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht vor.
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aa) Eine gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßende Überraschungsentscheidung ist gegeben, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 03.02.2016 - XI B 53/15, BFH/NV 2016, 954, Rz 23; in BFH/NV 2018, 953, Rz 16). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt dann nicht vor, wenn das FG das angefochtene Urteil auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der im bisherigen Verfahren zumindest am Rande angesprochen worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22.07.2014 - XI B 103/13, BFH/NV 2014, 1761, Rz 15; in BFH/NV 2016, 954, Rz 23, m.w.N.).
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bb) Letzteres ist hier der Fall. Die Rüge der Klägerin, die maßgebliche Fokussierung auf die Erlangung des Zertifikates sei in den terminvorbereitenden Schriftsätzen nicht angesprochen oder erörtert worden, ist unzutreffend. Ihre Klagebegründung vom 13.03.2018 bezieht sich unter I.3. auf das EuGH-Urteil D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services (EU:C:2003:627, UR 2004, 75) und dabei insbesondere auf die gutachterliche Tätigkeit von Ärzten. Bereits die vormaligen steuerlichen Berater der Klägerin hatten mit Einspruchsschreiben vom 29.06.2017 für den Streitfall auf das Erstellen sportmedizinischer Gutachten abgestellt. Die Klägerin ordnet den verwirklichten Sachverhalt lediglich anders ein, als es das FG getan hat, was allerdings keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO darstellt.
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4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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