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BFH 14.04.2016 - XI B 97/15
BFH 14.04.2016 - XI B 97/15 - Umsatzsteuerbarkeit und Umsatzsteuerpflicht von Factoring-Dienstleistungen
Normen
§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 3 Abs 9 S 1 UStG 2005, § 4 Nr 8 Buchst c UStG 2005, UStG VZ 2006, UStG VZ 2007
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 1. Oktober 2015, Az: 5 K 4375/12 U, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein Unternehmer erbringt eine Factoring-Dienstleistung gegen Entgelt, wenn er vereinbarungsgemäß einen Anteil am "Mehrerlös", der zusammen mit dem Kaufpreis den wirtschaftlichen Wert der Forderung darstellt, behalten darf .
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 1. Oktober 2015 5 K 4375/12 U wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, wurde im Jahr … von … Sparkassen gegründet.
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Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist …
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Die Gesellschafter-Sparkassen sowie eine Vielzahl weiterer Sparkassen (Fremdsparkassen) verkauften in den Streitjahren (2006 und 2007) ihre fällig gestellten Forderungen aus dem Massenkreditgeschäft an die Klägerin. Der Kaufpreis betrug bei einem Forderungsbetrag von bis zu 12.500 € in der Regel 10 % der noch offenen Forderung; bei größeren Forderungen wurde der Kaufpreis individuell ausgehandelt. Bei Forderungen, bei denen sich der Schuldner im Insolvenzverfahren befand, betrug der Kaufpreis unabhängig von der Höhe der Forderung 1 €. Für jede aufgekaufte Forderung erhielt die Klägerin eine einmalige pauschale Verwaltungsgebühr (Factoringgebühr) in Höhe von 15 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer.
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Die Klägerin machte die erworbenen Forderungen in eigenem Namen geltend. Mit dem Verkauf ging das Ausfallrisiko auf die Klägerin über. Die Verkäuferinnen übernahmen keine Gewährleistung für die Werthaltigkeit der Forderungen. Allerdings war in den Verträgen mit den Sparkassen eine sog. "Besserungsvereinbarung" enthalten, wonach sich die Klägerin verpflichtete, auf den vereinbarten Kaufpreis einen "Nachschlag" in Höhe von 70-85 % des "Mehrerlöses" zu entrichten, falls vom Schuldner ein ausreichend hoher Betrag gezahlt wurde. Der "Mehrerlös" ermittelte sich wie folgt:
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Summe der Zahlungseingänge auf die Forderung
./. ursprünglicher Kaufpreis
./. Beitreibungskosten
= "Mehrerlös"
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Den Forderungseinzug übernahm die von der Klägerin mitgegründete X-GmbH.
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In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre behandelte die Klägerin nur die Factoringgebühr als Entgelt für eine steuerpflichtige Factoring-Dienstleistung. Ihren Anteil am Mehrerlös sah sie als Entgelt für eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfreie Übernahme des Ausfallrisikos an. Die Vorsteuer teilte sie entsprechend dem Verhältnis der Ausgangsumsätze auf.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) qualifizierte nach Durchführung einer Außenprüfung in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Streitjahre vom 29. Dezember 2011 den anteiligen Mehrerlös ebenfalls als Entgelt für die steuerpflichtige Factoring-Dienstleistung der Klägerin und gewährte ihr den vollen Vorsteuerabzug. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012).
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Es führte aus, die Klägerin habe an die Sparkassen steuerpflichtige Einziehungs- (Inkasso-)Leistungen ausgeführt. Sie habe nicht lediglich Forderungen erworben, sondern Inkassoleistungen (Verwaltung und Einziehung der Forderungen) erbracht. Entgelt hierfür sei auch der Anteil der Klägerin am Mehrerlös. Gerade die nachträgliche Forderungsanpassung zeige, dass nicht ein bloßer Forderungsumsatz vereinbart worden sei. Die Sparkassen hätten von jedem Forderungseinzug der Klägerin bzw. der von der Klägerin beauftragten X-GmbH profitiert. Für die Sparkassen habe ein Risiko, die Forderung unter ihrem wirtschaftlichen Wert zu verkaufen, nicht bestanden. Das FG vermöge daher im Anteil am Mehrerlös nur ein Entgelt für die (erfolgreiche) Einziehung der Forderung zu erkennen.
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Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
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a) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Februar 2014 XI B 85/13, BFH/NV 2014, 828; vom 18. Juli 2014 XI B 37/14, BFH/NV 2014, 1779).
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b) Die Klägerin hat dazu Folgendes vorgetragen:
"Die zu klärende abstrakte Rechtsfrage ist wie folgt zu definieren:
Der V. Senat des BFH hat in der Entscheidung vom 26. Januar 2012 V R 18/08 (BFHE 236, 250, BStBl II 2015, 962) im Nachgang zu der GFKL-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 27. Oktober 2011 C-93/10 (EU:C:2011:700, BStBl II 2015, 978) judiziert, dass beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen, bei denen sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wiederspiegelt, so dass die Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und dem Kaufpreis nicht die Gegenleistung für eine Dienstleistung darstellt. Diese Entscheidung ist zu einer Fallgestaltung ergangen, in denen die Parteien im Vorhinein einen festen Kaufpreis anhand des von ihnen eingeschätzten voraussichtlich realisierbaren Teils der Forderung ergangen ist.
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Der vorliegende Fall ist demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragsparteien, d.h. die Sparkassen als Verkäufer und die Klägerin als Factor, einen variablen Kaufpreis vereinbart haben, in dem sie den Kaufpreis in einen Festkaufpreis und einen vom Einziehungserfolg abhängigen variablen Kaufpreis aufgesplittet haben.
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Der BFH hatte bislang keine Gelegenheit, darüber zu entscheiden, ob die rechtliche Wertung, dass ein signifikanter Abschlag vom Nennwert zur Bemessung des Kaufpreises auch dann lediglich den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderung wiederspiegelt und nicht auch ein Dienstleistungsentgelt darstellt, auch bei einem variablen Kaufpreis Anwendung findet, bei dem sich der variable Teil nach dem Betreibungserfolg richtet."
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c) Allein aus dem Vortrag, dass eine bestimmte Fallkonstellation oder Fallgestaltung vom BFH noch nicht entschieden worden sei, ergibt sich indes nicht, dass die Rechtssache eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage aufwirft (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. September 2006 II B 34/05, BFH/NV 2007, 101, unter 1., Rz 2; vom 9. April 2014 XI B 10/14, BFH/NV 2014, 1099, Rz 25).
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d) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage ist außerdem im Streitfall weder klärungsbedürftig noch klärbar; denn sie stellt sich vorliegend nicht.
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aa) Das FG hat den Streitfall auf den Seiten 13 ff. seines Urteils dahin gehend gewürdigt, dass die Klägerin (auch) mit dem Anteil am Mehrerlös ein Entgelt für die (erfolgreiche) Einziehung der Forderung erhalten habe.
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bb) Diese Würdigung ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen, auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH (Urteile MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring vom 26. Juni 2003 C-305/01, EU:C:2003:377, BStBl II 2004, 688, Rz 47 ff.; GFKL, EU:C:2011:700, BStBl II 2015, 978, Rz 19 ff.) und des BFH (Urteile vom 4. September 2003 V R 34/99, BFHE 203, 209, BStBl II 2004, 667, unter II.2., Rz 21 ff.; in BFHE 236, 250, BStBl II 2015, 962, Rz 30 f.; vom 15. Mai 2012 XI R 28/10, BFHE 237, 537, BStBl II 2015, 966, Rz 26 f.; vom 4. Juli 2013 V R 8/10, BFHE 242, 271, BStBl II 2015, 969, Rz 26 f.) möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; denn die Klägerin hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht den vollen wirtschaftlichen Wert der Forderungen als "Kaufpreis" an die Sparkassen bezahlt, sondern vereinbarungsgemäß einen Anteil am "Mehrerlös", der zusammen mit der Factoringgebühr den wirtschaftlichen Wert der Forderung darstellt, als Gegenleistung für den Forderungseinzug einbehalten.
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Der Senat wäre an diese Würdigung des FG in dem angestrebten späteren Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden (vgl. dazu BFH-Urteile vom 16. Oktober 2013 XI R 39/12, BFHE 243, 77, BStBl II 2014, 1024, Rz 44; vom 29. Januar 2014 XI R 4/12, BFHE 244, 131, BFH/NV 2014, 992, Rz 43). Dies ist bereits im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. November 2013 XI B 99/12, BFH/NV 2014, 366, Rz 13; vom 23. September 2014 V B 37/14, BFH/NV 2015, 67, Rz 8).
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2. Die von der Klägerin angenommene Divergenz der Vorentscheidung zum BFH-Urteil in BFHE 236, 250, BStBl II 2015, 962 ist nicht hinreichend dargelegt.
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a) Die Klägerin geht insbesondere --worauf das FA zutreffend hingewiesen hat-- auf Seite 3 der Beschwerdebegründung selbst davon aus, dass der angeblichen Divergenzentscheidung und dem Streitfall unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen. Von einer die einheitliche Rechtsprechung gefährdenden Abweichung i.S. der 2. Alternative des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann jedoch nur gesprochen werden, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein anderes Gericht und die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2014 XI B 12/14, BFH/NV 2015, 534, Rz 42; vom 17. November 2015 XI B 52/15, BFH/NV 2016, 431, Rz 34). Daran fehlt es im Streitfall.
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b) Außerdem hat die Klägerin keine angeblichen divergierenden Rechtssätze derart gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wäre (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 11. Juni 2015 V B 140/14, BFH/NV 2015, 1442, Rz 11; vom 15. Dezember 2015 VII B 176/14, BFH/NV 2016, 595, Rz 13).
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3. Die Revision ist auch nicht --wie die Klägerin ferner meint-- wegen angeblicher offensichtlicher Rechtsfehler des FG zuzulassen (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, Rz 34; vom 24. März 2015 X B 127/14, BFH/NV 2015, 809). Mit den Angriffen der Klägerin gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das FG wird kein zur Zulassung der Revision führender besonders schwerer und offensichtlicher Fehler der Vorentscheidung geltend gemacht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Januar 2014 III B 20/13, BFH/NV 2014, 704, Rz 10; vom 6. Februar 2014 II B 129/13, BFH/NV 2014, 708). Das Urteil des FG ist außerdem nicht objektiv willkürlich, sondern unter Heranziehung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet. Mit ihrem Vortrag, der Besserungsschein sei als Kaufpreis vereinbart und mit ihm werde keine Inkassodienstleistung bezahlt, setzt die Klägerin lediglich ihre eigene Würdigung des Streitfalls an die Stelle der --nach § 118 Abs. 2 FGO für den Senat in einem gedachten Revisionsverfahren bindenden (s.o. unter II.1.d bb)-- Würdigung des FG.
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4. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ohne weitere Begründung.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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