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BFH 05.02.2015 - III R 40/09
BFH 05.02.2015 - III R 40/09 - (Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Kumulierung von Ansprüchen auf Familienleistungen bei nicht gestelltem Antrag auf Leistungsgewährung im Wohnmitgliedstaat)
Normen
Art 76 Abs 1 EWGV 1408/71, Art 76 Abs 2 EWGV 1408/71, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG 2002, § 1 Abs 3 EStG 2002, EStG VZ 2006, EStG VZ 2007
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 18. Mai 2009, Az: 14 K 1750/08 Kg, Urteil
vorgehend BFH, 21. September 2012, Az: III R 40/09, EuGH-Vorlage
vorgehend EuGH, 6. November 2014, Az: C-4/13, Urteil
Leitsatz
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1. Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ist nach dem EuGH-Urteil vom 6. November 2014 (C-4/13) dahin auszulegen, dass diese Vorschrift dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften ein Ruhen des Anspruchs auf Familienleistungen vorzusehen, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist.
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2. § 65 EStG in unionsrechtskonformer Auslegung erfüllt die Voraussetzungen für die in Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vorgesehene Ermächtigung.
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 2009 14 K 1750/08 Kg aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter eines im Jahr 1995 geborenen Sohnes (S). Sie ist deutsche Staatsangehörige und übt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Das zuständige Finanzamt behandelte sie im Streitzeitraum gemäß § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
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Der Ehemann der Klägerin und Kindsvater ist Belgier. Er arbeitete seit November 2006 bei einer belgischen Zeitarbeitsfirma, zuvor war er arbeitslos gewesen. Die Familie lebte zunächst in Deutschland, zog dann aber im Juni 2006 nach Belgien und hat seitdem dort ihren Wohnsitz.
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Für ihren Sohn bezog die Klägerin fortlaufend in Deutschland Kindergeld. Ihr Ehemann hatte in Belgien kein Kindergeld beantragt und deswegen auch kein Kindergeld erhalten. Als die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) vom Umzug der Familie nach Belgien erfuhr, hob sie die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab Juli 2006 auf und forderte das für den Zeitraum von Juli 2006 bis März 2007 gezahlte Kindergeld zurück.
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Der Einspruch der Klägerin war teilweise erfolgreich. Die Familienkasse war der Auffassung, dass der Klägerin für den Streitzeitraum von Juli 2006 bis März 2007 ein Kindergeldanspruch nach dem EStG zustehe. Zugleich bestehe aber auch ein Kindergeldanspruch in Belgien. Dieser betrage von Juli bis September 2006 monatlich 77,05 € und von Oktober 2006 bis März 2007 monatlich 78,59 €. Die Konkurrenz zwischen den Kindergeldansprüchen verschiedener Mitgliedstaaten werde durch die Art. 76 bis 79 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (VO Nr. 118/97) (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. Januar 1997, Nr. L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, und den Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72), in ihrer durch die VO Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung, aufgelöst. Nach diesen Vorschriften werde der deutsche Kindergeldanspruch in Höhe der ausländischen Familienleistung ausgesetzt und es könne nur der Differenzbetrag ausgezahlt werden. Dass die in Belgien vorgesehenen Familienleistungen nicht beantragt worden seien, sei nach Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 unschädlich. Diese Regelung solle gerade verhindern, dass das Zuständigkeitssystem der VO Nr. 1408/71 durch den Verzicht auf die Antragstellung umgangen werde.
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Das von der Klägerin angerufene Finanzgericht (FG) erachtete den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid als rechtswidrig und gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1302 veröffentlichten Urteil vom 18. Mai 2009 14 K 1750/08 Kg statt.
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Mit ihrer gegen das Urteil des FG gerichteten Revision macht die Familienkasse weiterhin geltend, dass Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 nicht als Ermessensvorschrift im Sinne des deutschen Steuer- und Sozialrechts zu verstehen sei.
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Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 27. September 2012 III R 40/09 (BFHE 239, 102, BStBl II 2014, 470) das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
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1. Ist Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass es im Ermessen des zuständigen Trägers des Beschäftigungsmitgliedstaats steht, Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 anzuwenden, wenn im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt wird?
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2. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Aufgrund welcher Ermessenserwägungen kann der für Familienleistungen zuständige Träger des Beschäftigungsmitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 anwenden, als ob Leistungen im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen gewährt würden?
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3. Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird: Inwieweit unterliegt die Ermessensentscheidung des zuständigen Trägers der gerichtlichen Kontrolle?
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Der EuGH hat diese Fragen mit Urteil vom 6. November 2014 (C-4/13, EU:C:2014:2344, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 86) wie folgt beantwortet:
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Art. 76 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998, ist dahin auszulegen, dass er es dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen ist der zuständige Träger, falls der Beschäftigungsmitgliedstaat in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf Familienleistungen vorsieht, bei Vorliegen der in diesen Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen nach Art. 76 Abs. 2 verpflichtet, den Anspruch ruhen zu lassen, ohne dass er insoweit über ein Ermessen verfügt.
Entscheidungsgründe
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II. Im Streitfall ist zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel eingetreten. Beklagte und Revisionsklägerin ist nunmehr aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) die Familienkasse Rheinland-Pfalz-Saarland. Das Rubrum des Verfahrens ist entsprechend zu ändern (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774, Rz 14; vom 24. Juli 2013 XI R 8/12, BFH/NV 2014, 495, Rz 18).
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III.
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Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Ein über das Differenzkindergeld hinausgehender Anspruch auf Kindergeld ist durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 aufgrund des in Belgien bestehenden Kindergeldanspruchs ausgeschlossen.
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1. Sind für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgesehen, so ruht nach Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls gemäß Art. 73 bzw. 74 VO Nr. 1408/71 geschuldeten Familienleistungen bis zu dem in den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrag. Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden (Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71).
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2. Die Voraussetzungen des Art. 76 Abs. 1 und Abs. 2 VO Nr. 1408/71 liegen vor.
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a) Im Streitfall bestand für den Sohn der Klägerin sowohl ein Kindergeldanspruch nach deutschem als auch nach belgischem Recht.
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aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung ihrem sachlichen Geltungsbereich (z.B. Urteil Schwemmer, C-16/09, EU:C:2010:605, Slg. 2010, I-9717-9762, Rn. 33).
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bb) Die in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversicherte Klägerin war in der fraglichen Zeit in Deutschland als Arbeitnehmerin abhängig beschäftigt. Gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1408/71 unterlag sie damit, ungeachtet ihres Wohnsitzes in Belgien, den deutschen Rechtsvorschriften. Deutschland als Beschäftigungsmitgliedstaat war damit für die Gewährung des Kindergeldes zuständig.
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Nach deutschem Recht bestand für die Klägerin im Streitzeitraum für ihren nach §§ 32 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3, 63 Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigenden Sohn ein Kindergeldanspruch gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG.
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cc) Nach den den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) waren in Belgien als dem Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen aufgrund der Erwerbstätigkeit und der vorherigen Arbeitslosigkeit des Kindsvaters (zum Begriff der Erwerbstätigkeit i.S. des Art. 76 Abs. 1 der VO Nr. 1408/71 vgl. Beschluss Nr. 207 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 7. April 2006 zur Auslegung des Art. 76 und des Art. 79 Abs. 3 VO Nr. 1408/71 sowie des Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 574/72 bezüglich des Zusammentreffens von Familienleistungen oder -beihilfen, Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- vom 29. Juni 2006, Nr. L 175, S. 83) Familienleistungen vorgesehen. Diese wurden jedoch nicht beantragt.
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b) Eine tatsächliche Kumulierung der Leistungen lag daher nicht vor, so dass Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 allenfalls über Abs. 2 eingreifen kann. Hiernach kann, wenn in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Art. 76 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden.
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3. Ein über das Differenzkindergeld hinausgehender Anspruch der Klägerin ist gemäß Art. 76 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VO Nr. 1408/71 i.V.m. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen.
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a) Nach dem Urteil des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren (C-4/13) ist Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass er es dem Beschäftigungsmitgliedstaat erlaubt, in seinen Rechtsvorschriften vorzusehen, dass der zuständige Träger den Anspruch auf Familienleistungen ruhen lässt, wenn im Wohnmitgliedstaat kein Antrag auf Gewährung von Familienleistungen gestellt worden ist. Unter diesen Umständen sei daher der zuständige Träger, falls der Beschäftigungsmitgliedstaat in seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften ein solches Ruhenlassen des Anspruchs auf Familienleistungen vorsieht, verpflichtet, den Anspruch ruhen zu lassen, ohne dass er insoweit über ein Ermessen verfügt.
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An dieses EuGH-Urteil im Vorabentscheidungsverfahren ist das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits gebunden (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2014 III R 30/11, BFHE 246, 477, BFH/NV 2014, 2002, Rz 31, m.w.N.). Der erkennende Senat ist daher zu einer abweichenden Auslegung der Vorschrift des Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 nicht befugt.
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b) Nach den deutschen Rechtsvorschriften erfüllt § 65 EStG die Voraussetzungen für eine Ermächtigung, die in Art. 76 Abs. 2 der VO Nr. 1408/71 vorgesehen sind.
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aa) Im nationalen Recht sieht § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor, dass Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt wird, für das Leistungen zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind. Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei eröffnetem Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unionsrechtswidrig, soweit diese nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss führt (Urteil Hudzinski und Wawrzyniak, C-611/10 und C-612/10, EU:C:2012:339, ABlEU 2012, Nr. C 227, 4). Somit kann § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im Lichte der EuGH-Entscheidung in den Sachen Hudzinski/ Wawrzyniak (EU:C:2012:339, ABlEU 2012, Nr. C 227, 4) wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts normerhaltend unionsrechtskonform ausgelegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 2011 X R 24/09, BStBl II 2012, 321, BFHE 236, 21, Rz 16). Dies führt dazu, dass die unionsrechtswidrige Rechtsfolge --hier der vollständige Ausschluss-- nicht zu beachten ist, sondern nur eine Kürzung um den im EU-Ausland bestehenden Kindergeldanspruch in Betracht zu ziehen ist (BFH-Urteile vom 18. Dezember 2013 III R 44/12, BFHE 244, 344, BStBl II 2015, 143, Rz 14; vom 18. Juli 2013 III R 71/11, BFH/NV 2014, 24, Rz 18; vom 11. Juli 2013 VI R 68/11, BFHE 242, 206, BFH/NV 2013, 1967, Rz 12; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 29).
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bb) Mit der unionsrechtskonformen Auslegung hält sich § 65 EStG im Rahmen der durch Art. 76 Abs. 2 VO Nr. 1408/71 geregelten Ermächtigung. Auch der vom EuGH in seiner Entscheidung zum Vorabentscheidungsersuchen geforderten Rechtssicherheit und Transparenz (Urteil EU:C:2014:2344, Rn. 44) wird Genüge getan. Mit der in § 65 EStG getroffenen Regelung wird der Kindergeldberechtigte darüber informiert, dass eine fehlende Antragstellung auf Familienleistungen im Ausland für ihn zwingend (ohne Ermessen) nachteilig ist. Sofern die unionsrechtskonforme Auslegung die Rechtsfolge "völliger Ausschluss" abmildert und sich insoweit für den Kindergeldberechtigten günstig auswirkt, verbleibt es doch dabei, dass die Beschränkung der Rechte durch eine fehlende Antragstellung klar und eindeutig umschrieben werden.
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cc) Diese Auffassung widerspricht nicht dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht. Die Koordinierung erfolgt weiterhin in erster Linie nach der in der VO Nr. 1408/71 geregelten Antikumulierungsregelung des Art. 76. Die in Art. 76 Abs. 2 vorgesehene "Kann"-Bestimmung wird nach dem Urteil des EuGH lediglich als Ermächtigungsbestimmung ausgelegt (so Schlussantrag des Generalanwalts vom 10. April 2014 Rn. 52), die es dem Beschäftigungsmitgliedstaat --hier Deutschland-- erlaubt, eine Beschränkung des Anspruchs auf Kindergeld vorzusehen, wenn die Leistungen im Wohnmitgliedstaat der Familienangehörigen nicht beantragt worden sind.
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4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, weil § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in seiner unionsrechtskonformen Auslegung zwingend vorschreibt, dass die fehlende Antragstellung auf Familienleistungen im Ausland zu einem Anspruchsausschluss in Höhe des im Ausland bestehenden Anspruchs führt.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.
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