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BFH 07.03.2012 - II B 18/11
BFH 07.03.2012 - II B 18/11 - Darlegungsanforderungen an Rüge eines Verfahrensmangels - Abgrenzung zwischen LKW und PKW
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 81 Abs 1 S 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 8 KraftStG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 26. Januar 2011, Az: 1 K 1405/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein Gericht ist aufgrund Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen.
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2. NV: Die Rüge, das FG habe gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen, erfordert den schlüssigen Vortrag, dass die Entscheidung des FG auf den gerügten Mängeln beruhen kann.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegen, soweit sie überhaupt in hinreichender Weise dargelegt worden sind (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), nicht vor.
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a) Aus dem Vorbringen des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger), das Finanzgericht (FG) habe die Ausstattung seines Fahrzeugs mit Achtradbolzen unberücksichtigt gelassen, ergibt sich keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO).
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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. April 1980 1 BvR 1365/78, BVerfGE 54, 43). Hat das FG einen bestimmten Umstand im Tatbestand seines Urteils erwähnt, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass es diesen Umstand bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Dies gilt auch dann, wenn der betreffende Umstand in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich gewürdigt worden ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Juni 2010 X B 126/09, BFH/NV 2010, 1628, m.w.N.). Ein Gericht ist nicht aufgrund Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Entscheidungen des BVerfG vom 27. Mai 1970 2 BvR 578/69, BVerfGE 28, 378, 384; vom 10. Juni 1975 2 BvR 1086/74, BVerfGE 40, 101, 104 f.; vom 5. Oktober 1976 2 BvR 558/75, BVerfGE 42, 364, 368, und vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86).
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Nach diesen Maßstäben hat das FG nicht deshalb gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, weil es die vorhandenen Achtradbolzen lediglich im Tatbestand seines Urteils erwähnt und in den Entscheidungsgründen nicht näher gewürdigt hat. Die Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt vom Gericht nicht, der von einem Beteiligten vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfG-Beschluss vom 11. Juni 2008 2 BvR 2062/07, Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056).
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b) Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO) im Hinblick auf die vom FG getroffenen Feststellungen zum tatsächlichen Vorkommen einer mitlenkenden Hinterachse sowie einer durchgehenden Bremsanlage bei anderen Fahrzeugmodellen rügt, ist ein Verfahrensmangel nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt. Es hätte insoweit des schlüssigen Vortrags bedurft, dass die Entscheidung des FG auf den gerügten Mängeln beruhen kann (z.B. BFH-Beschluss vom 14. März 2007 IV B 76/05, BFHE 216, 507, BStBl II 2007, 466, m.w.N.). Das ist der Fall, wenn das Gericht von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus bei richtigem Verfahren zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 49, m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
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aa) Das FG ist nach seinem materiell-rechtlichen Standpunkt auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile vom 24. Februar 2010 II R 6/08, BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994; vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20) --zutreffend-- von der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs ausgegangen und hat dieses unter Zugrundelegung der Herstellerkonzeption, der tatsächlichen Ausstattung des Fahrzeuginnenraums, der relativ geringen Zuladungsmöglichkeit sowie der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h als PKW beurteilt. Das FG hat dabei das Vorhandensein einer mitlenkenden Hinterachse sowie einer durchgehenden Bremsanlage als Umstände erkannt, die für eine vorrangige Güterbeförderung des Fahrzeugs sprechen. Es ist aber im Rahmen der Gesamtwürdigung aller objektiven Beschaffenheitskriterien zum Ergebnis gelangt, dass diese Umstände hinter die für einen PKW sprechenden Merkmale zurücktreten müssen.
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bb) Hiernach hätte es eines schlüssigen Vortrags bedurft, dass die Gesamtwürdigung des FG bei Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme anders ausgefallen wäre. Dazu wäre darzulegen gewesen, aus welchen Gründen das FG den vorgenannten Ausstattungsmerkmalen --obgleich es diese schon ausdrücklich als für eine vorrangige Güterbeförderung sprechende Merkmale erkannt hat-- im Rahmen der Gesamtwürdigung ein solches Gewicht hätte zuerkennen müssen, dass die für das Vorliegen eines PKW angeführten objektiven Beschaffenheitskriterien in den Hintergrund hätten treten können. Derartiges Vorbringen fehlt, zumal auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers jedenfalls zwei PKW-Modelle anderer Hersteller mit einer mitlenkenden Hinterachse ausgestattet sind.
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c) Soweit schließlich der Kläger hinsichtlich der von ihm herausgestellten weiteren technischen Merkmale seines Fahrzeugs die Würdigung des FG als "teilweise falsch" beurteilt, ergibt sich daraus kein Verfahrensfehler. Eine fehlerhafte Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und daher der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen (z.B. BFH-Beschluss vom 20. April 2006 VIII B 33/05, BFH/NV 2006, 1338).
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2. Die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) sind ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Insoweit muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausgestellt und substantiiert dargelegt werden, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig, d.h. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32 und 38, m.w.N.). Diesen Anforderungen ist nicht mit dem Vorbringen genügt, ein Fahrzeug sei im Rahmen einer Gesamtwürdigung als LKW einzustufen, wenn dieses auch verkehrsrechtlich und bei der Verzollung als LKW behandelt werde.
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Im Übrigen besteht insoweit auch kein Klärungsbedarf. Der ständigen Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil in BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994) zur Abgrenzung zwischen LKW und PKW liegt ein eigenständiger kraftfahrzeugsteuerrechtlicher PKW-Begriff zugrunde, für den die verkehrsrechtliche Einstufung eines Fahrzeugs nicht maßgeblich ist. Für die bei der Verzollung eines Fahrzeugs geltenden Regelungen kann nichts anderes gelten.
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