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BFH 08.01.2010 - V B 99/09
BFH 08.01.2010 - V B 99/09 - Vertagung der mündlichen Verhandlung - Glaubhaftmachung erheblicher Gründe bei Verhinderung des Prozessbevollmächtigten - Anforderungen an das Ablehnungsgesuch eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit - Entscheidung über das Ablehnungsgesuch - Berichtigung des Rubrums im Beschwerdeverfahren
Normen
§ 51 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 119 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 107 Abs 1 FGO, § 42 ZPO, § 44 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 22. Juli 2009, Az: 12 K 2724/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und glaubhaft gemacht hat .
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2. NV: Das Gericht ist im Falle der Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten nicht an der Durchführung des Termins gehindert, wenn die Prozessvollmacht auf eine Sozietät ausgestellt ist und der Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann .
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3. NV: Hinderungsgründe für eine Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Sachbearbeiter müssen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden. Die bloße Behauptung, nicht nur der Sachbearbeiter, sondern auch alle anderen Sozien seien verhindert, reicht insoweit nicht aus .
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4. NV: Für die Zulässigkeit eines auf eine vorangegangene Entscheidung gestützten Ablehnungsgesuchs reicht die Rechtswidrigkeit der vorangegangenen Entscheidung nicht aus. Die Entscheidung muss vielmehr einen Begründungsüberhang erkennen lassen, der bei dem Prozessbeteiligten von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung die Befürchtung rechtfertigt, dass der Richter voreingenommen entscheiden werde .
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob durch seine Prozessbevollmächtigten "Rechtsanwälte A, B, C, D, E" Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2008.
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Mit Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2009 wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2009 beantragten die Prozessbevollmächtigten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Beschluss vom 30. Januar 2009 übertrug das FG den Rechtsstreit auf den Einzelrichter. Mit Verfügung vom 2. Juli 2007, die den Prozessbevollmächtigten ausweislich des zu den FG-Akten gelangten Empfangsbekenntnisses am selben Tag zuging, lud das FG die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 22. Juli 2009 um 10:15 Uhr. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass gemäß § 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne diesen verhandelt und entschieden werden kann.
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Mit einem am 7. Juli 2009 beim FG eingegangenen Schriftsatz beantragten die Prozessbevollmächtigten die Verlegung dieses Termins, weil Rechtsanwalt A am 22. Juli 2009 um 9:00 Uhr einen bereits länger feststehenden Termin vor dem Amtsgericht (AG) X wahrzunehmen habe. Mit Verfügung vom 7. Juli 2009 wies der Einzelrichter darauf hin, dass der für eine Verlegung des Termins erforderliche erhebliche Grund nicht glaubhaft gemacht worden sei und die Vertretung in der mündlichen Verhandlung durch ein anderes Mitglied der Sozietät zumutbar sei. Mit einem am 8. Juli 2009 beim FG eingegangenen Schriftsatz legten die Prozessbevollmächtigten die bei ihnen am 2. Juni 2009 eingegangene Ladung des AG X zum 22. Juli 2009 um 9:00 Uhr vor. Das FG teilte den Prozessbevollmächtigten am 10. Juli 2009 mit, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung bestehen bleibe, weil die Vertretung durch ein anderes Sozietätsmitglied zumutbar erscheine. Mit einem am 13. Juli 2009 beim FG eingegangenen Schriftsatz lehnten die Prozessbevollmächtigten den Einzelrichter Y wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2009 wies das FG nochmals darauf hin, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung aufrechterhalten bleibe, weil eine Verhinderung der anderen Sozietätsmitglieder nicht glaubhaft gemacht worden sei.
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Das FG wies die Klage ab. Das FG führte aus, die mündliche Verhandlung habe ohne Prozessbevollmächtigten des Klägers stattfinden können. Da die Vollmacht auf eine Sozietät ausgestellt sei, sei nicht erkennbar, weshalb der Bevollmächtigte sich weder im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG noch beim AG durch ein anderes Sozietätsmitglied habe vertreten lassen können.
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Das Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit lehnte der Einzelrichter selbst als rechtsmissbräuchlich ab, weil es allein darauf abziele, das Gericht zu der beantragten Terminsverlegung zu bewegen.
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Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das Urteil des FG beruhe auf Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet.
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Die geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor.
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a) In der Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten liegt im Streitfall keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO).
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Einem Verfahrensbeteiligten wird rechtliches Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl er einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend und glaubhaft gemacht hat (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
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Zu erheblichen Gründen in diesem Sinne gehört auch die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten aufgrund eines gleichzeitig stattfindenden anderen, früher anberaumten Gerichtstermins, den der Prozessbevollmächtigte wahrnehmen muss. Das Gericht ist aber auch in diesem Fall nicht an der Durchführung des Termins gehindert, wenn die Prozessvollmacht --wie im Streitfall-- einer Sozietät erteilt worden ist, und der Termin durch ein anderes Mitglied der Sozietät sachgerecht wahrgenommen werden kann (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 2008 III B 161/07, BFH/NV 2009, 406; vom 26. Oktober 1998 I B 3/98, BFH/NV 1999, 626; vom 22. Dezember 1997 X B 23/96, BFH/NV 1998, 726). Hinderungsgründe für eine Wahrnehmung des Termins durch eine andere Person als den zuständigen Sachbearbeiter müssen, sofern sie nicht offenkundig sind, im Einzelnen vorgetragen werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 726, und in BFH/NV 1999, 626); ohne einen solchen Vortrag darf das Gericht von dem Bestehen einer Vertretungsmöglichkeit ausgehen und demgemäß das Vorliegen "erheblicher Gründe" für eine Terminsverlegung verneinen (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2009, 406, und vom 7. April 2004 I B 111/03, BFH/NV 2004, 1282). Die bloße Behauptung, nicht nur der Sachbearbeiter, sondern auch alle anderen Sozien seien verhindert, reicht insoweit nicht aus.
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b) Es liegt auch kein Verfahrensfehler darin, dass der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Einzelrichter über das Ablehnungsgesuch im Urteil selbst entschieden hat. Bei einem missbräuchlichen Ablehnungsgesuch entscheidet der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters (BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 2009 V B 23/08, BFH/NV 2009, 801; vom 13. November 2008 XI B 20/08, BFH/NV 2009, 945); bei Zuständigkeit des Einzelrichters entscheidet dieser selbst (BFH-Beschluss vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463).
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Das Ablehnungsgesuch des Klägers war rechtsmissbräuchlich.
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aa) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2006 VII S 2/06, BFH/NV 2006, 1123). Gemäß § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 801).
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Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 20. März 2007 2 BvR 1730/06, nicht amtlich veröffentlicht, unter VI.1.e der Gründe; BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 945). Das Ablehnungsverfahren dient allein dazu, den Beteiligten vor der Mitwirkung eines Richters zu bewahren, an dessen Unparteilichkeit Zweifel begründet sind (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO; BFH-Beschluss vom 24. November 2000 II B 44/00, BFH/NV 2001, 621, m.w.N.).
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Behauptete Rechtsfehler eines Richters können nur dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 945, m.w.N.).
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Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzes beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht die Bedeutung und Tragweite der durch die Verfassung garantierten Rechte grundlegend verkennt, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 20. Juli 2007 1 BvR 3084/06, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2008, 72, unter II.1.a der Gründe).
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Deshalb ist ein ausschließlich auf eine beanstandete vorangegangene Entscheidung gestütztes Ablehnungsgesuch dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich aus den Einzelheiten der Begründung und insbesondere aus der Art und Weise der Begründung der vorangegangenen Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die beteiligten Richter voreingenommen sein könnten.
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bb) Derartige Gründe hat der Kläger nicht vorgetragen. Die im Streitfall vom Kläger angeführten Gründe für die Ablehnung liegen nicht in einzelnen Verhaltensweisen des Richters, sondern im Inhalt seiner Entscheidung über den Vertagungsantrag. Gründe für die Besorgnis der Befangenheit ergeben sich nach Auffassung des Klägers nämlich "... aus dem willkürlichen Ignorieren des Terminsverlegungsantrags, bezogen auf den Termin vom 22.07.2009, trotz Glaubhaftmachung der Verhinderungsgründe des Prozessbevollmächtigten des Klägers und aller seiner Sozien am Verhandlungstag zur angesetzten Verhandlung. Anzeichen für eine willkürliche Benachteiligung des Klägers ergaben sich daraus, dass der abgelehnte Richter keinen erheblichen Grund i.S. von § 227 I ZPO darin gesehen hat, dass sowohl der Sachbearbeiter, wie auch dessen Kollegen am 22.07.2009 verhindert waren und eine Terminswahrnehmung insoweit unmöglich war".
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Darauf, dass die Rechtsauffassung des Klägers zum Anspruch auf Terminsverlegung aus den zu II.1.a genannten Gründen zudem rechtlich unzutreffend ist, weil die Verhinderung nur des Sachbearbeiters, nicht aber die Unzumutbarkeit der Vertretung durch ein anderes Sozietätsmitglied glaubhaft gemacht wurde, kommt es insoweit nicht mehr an.
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c) Im Rubrum des Urteils bezeichnete das FG den Streitgegenstand offensichtlich, wie sich aus Tatbestand und Urteilsgründen ergibt, unzutreffend mit "Umsatzsteuer 2002 bis 2004", anstatt mit Umsatzsteuer 2005. Die offensichtlich unrichtige Bezeichnung des Streitgegenstandes ist dahin zu berichtigen, dass "Umsatzsteuer 2005" als Streitgegenstand bezeichnet wird. Der Senat ist dazu im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens zuständig (BFH-Beschluss vom 24. Mai 2007 VII B 105/06, BFH/NV 2007, 1902).
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