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"Was den Wortlaut anbelangt, stellt die BfA im Bescheid vom 5.9.1995 zunächst ohne Bezugnahme auf ein konkretes Beschäftigungsverhältnis fest, dass der Kläger 'von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit' ist. Weiter heißt es, dass die Befreiung 'für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft (...) gilt'. Sprachlich wird die Befreiungsdauer damit (nur) an eine (freiwillige bzw Pflicht-)Mitgliedschaft im Versorgungswerk geknüpft, die beim Kläger bis heute fortbesteht. Hätte die BfA zum Ausdruck bringen wollen, dass sich die Befreiung auf die im Befreiungsantrag erfragte seinerzeitige Tätigkeit des Klägers bei der Firma B. GmbH in D. beschränkt, hätte nahe gelegen, dies explizit zu regeln. Solche Regelungen sind aber offenbar erst ab etwa 2007 getroffen worden ... |
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Allein die Abfrage des Arbeitgebers im Antragsformular von 1995 stellt keine ausdrückliche Verknüpfung zwischen Befreiung und konkretem Beschäftigungsverhältnis her; der damalige Antrag ist vielmehr allgemein auf die 'Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 SGB VI zugunsten des Versorgungswerkes der Architektenkammer NRW' bezogen. Soweit im Antragsformular Angaben zum Arbeitgeber und dem Beginn des dortigen Beschäftigungsverhältnisses abgefragt werden, wird durch nichts deutlich, dass dies zur Beschränkung des Antrages und der Befreiung auf dieses Beschäftigungsverhältnis erfragt wird. Entsprechende Ausführungen finden sich im Antragsformular und im Bescheid gerade nicht. Im Gegenteil wird nach dem 'derzeitigen' Beschäftigungsverhältnis gefragt, was mindestens andeutet, dass die Befreiung auch für weitere Beschäftigungsverhältnisse Bedeutung haben kann. Deshalb liegt näher anzunehmen, dass die Abfrage im Antragsvordruck erfolgt ist, um festzustellen, ob aktuell ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, für das eine Befreiung erteilt werden kann. |
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Eine Beschränkung der Regelungswirkung des Befreiungsbescheides auf das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B. GmbH in D. folgt insbesondere nicht aus dem Passus 'Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit beschränkt.' und 'Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere Beschäftigungen [...].' Diese Formulierungen geben zunächst das im Gesetz angelegte Regel-Ausnahmeverhältnis wieder und besagen, dass die Befreiung grundsätzlich nur für die die Mitgliedschaft im Versorgungswerk vermittelnde Beschäftigung gilt, die Befreiung sich aber ausnahmsweise dann auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten erstrecken kann, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sind. Damit sind Fälle eines Systemwechsels gemeint, also Beschäftigungen, die eigentlich zur Versicherung in einem anderen System führen ... Dieser Regelungskontext zeigt, dass die Semantik der Formulierung 'jeweilige Beschäftigung' gerade nicht eindeutig iS von Beschränkung auf die bei Erteilung des Bescheides (oder bei Antragstellung?) konkret ausgeübte abhängige Beschäftigung zu verstehen ist. 'Jeweilig' bedeutet eben nicht zwingend Begrenzung auf eine individuelle Tätigkeit, sondern auch Begrenzung auf Tätigkeiten, die jeweils ein (oder mehrere) besondere Charakteristika aufweisen. Damit umfasst die Formulierung zwanglos auch den Wortsinn: 'solange jeweils eine die Tätigkeit im Versorgungswerk vermittelnde Tätigkeit als Bauingenieur ausgeübt wird'. Eine solche Tätigkeit hat der Kläger seit Bekanntgabe des Bescheids vom 5.9.1995 durchgehend (bei verschiedenen Arbeitgebern) verrichtet. |
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Dass der objektive, verständige Bescheidempfänger diese Regelung im letztgenannten Sinn verstehen musste, ergibt sich insbesondere aus dem Bescheidkontext, nämlich aus den hinter der Rechtsbehelfsbelehrung angefügten weiteren Hinweisen und aus den Angaben in der zusammen mit dem Bescheid ausgehändigten Bescheinigung. |
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Der Hinweis 'Falls Sie inzwischen Ihren Arbeitgeber gewechselt haben, bitten wir den früheren (vorherigen) Arbeitgeber von der Befreiung zu verständigen' besagt, dass der Befreiungsbescheid bei einem Wechsel des Arbeitgebers zwischen Antragstellung und Bekanntgabe des Befreiungsbescheides offenbar für beide Arbeitgeber gelten soll. Dies steht in erkennbarem Gegensatz zu einer Beschränkung auf das im Antrag angegebene Beschäftigungsverhältnis. Diesem Verständnis entspricht weiter, dass in den hinter der Rechtsbehelfsbelehrung angefügten Hinweisen konkrete Fallgruppen genannt werden, bei denen eine Mitteilungspflicht des Klägers (wegen Änderung der für die Befreiung maßgeblichen Verhältnisse) besteht. Dass ein Arbeitgeberwechsel hier nicht aufgeführt wird, lässt aus Sicht eines objektiven Empfängers nur den Schluss zu, dass der Wechsel des Arbeitgebers keine mitteilungspflichtige wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt und mithin die erteilte Befreiung nicht berührt. Außerdem besagen diese Hinweise schließlich, dass bei Wegfall der (zuvor explizit genannten) Voraussetzungen ein 'Widerruf' der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 SGB X erfolge und 'die Befreiung (...) erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA' ende. Daraus muss ein verständiger Empfänger im Umkehrschluss entnehmen, dass die (Dauer-)Regelungswirkung des Bescheides erst durch förmliche Aufhebung der Befreiung entfällt, mithin ohne eine solche weitergilt ... |
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Die aus Wortlaut und Kontext folgende Inhaltsbestimmung dahingehend, dass es an einer Beschränkung der Befreiung auf einen bestimmten Arbeitgeber fehlt, wird durch die Angaben in der dem Bescheid beigefügten (Befreiungs-)'Bescheinigung' bestätigt. Darin heißt es, diese sei 'dem jeweiligen Arbeitgeber für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses auszuhändigen'. Daraus kann aus objektiver Empfängersicht nur der Schluss gezogen werden, dass ein Arbeitgeberwechsel für die Geltungsdauer der Befreiung ohne Belang ist. Gleiches gilt für die Formulierung, die Bescheinigung solle nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses dem Arbeitgeber wieder ausgehändigt werden. Dies legt nahe, dass sich die Bedeutung der Befreiung nicht mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses erledigt (dann könnte der Arbeitgeber die Bescheinigung behalten oder vernichten), sondern dass sie auch für künftige Beschäftigungsverhältnisse Verwendung finden soll ... |
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass das Bundessozialgericht lange nach Bekanntgabe des streitbefangenen Bescheides in anderen Kontexten entschieden hat, die gesetzliche Formulierung 'jeweilige Beschäftigung' in § 6 Abs 5 S 1 SGB VI besage, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht immer nur für die konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber (iS von § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) auszusprechen sei ... Diese (spätere) authentische Gesetzesinterpretation ist für die vorliegende Entscheidung ohne Belang, weil eine solche Regelung dem Text des Bescheides der BfA vom 5.9.1995 objektiv gerade nicht zu entnehmen ist. Dass der von der BfA 1995 objektiv erklärte abweichende Regelungswille auch ihrem (mutmaßlichen) subjektiven Regelungswillen entspricht, entnimmt der Senat zum einem dem (bereits erläuterten) Gesamtkontext der gewählten Erklärungen und Aussagen im Bescheid und der diesem beigefügten Bescheinigung, aber auch daraus, dass die Beklagte offenbar erst nach den Entscheidungen des BSG … ihre Verwaltungspraxis entsprechend umgestellt hat. … |
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Die Regelungswirkung der Verfügungen im Bescheid vom 5.9.1995 ist nicht entfallen. |
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Sie hat sich insbesondere nicht durch eine Änderung der Gesetzeslage auf sonstige Weise erledigt. Zwar trifft zu, dass für den Personenkreis der angestellten (Bau-)Ingenieure, dem der Kläger damals wie heute angehört, eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1.1.1996 ausgeschlossen ist, weil angestellte Ingenieure nicht Pflichtmitglied in einer berufsständischen (Ingenieur-)Kammer sein können. Die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Änderungen des § 6 Abs 1 SGB VI durch Art 1 Nr 3 Buchst a und b des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15.12.1995 (BGBl I, S 1824) haben die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung in diesem Sinne verschärft. Vor der Novelle konnten auch freiwillige Mitglieder einer Berufskammer, die Pflichtmitglieder eines Versorgungswerkes waren, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden. Ab dem 1.1.1996 gilt dies nur noch für Pflichtmitglieder der Kammern. Diese Gesetzesänderung soll nach der gleichzeitig in Kraft getretenen Übergangsregelung zuvor erteilte Befreiungen gerade nicht erfassen, § 231 Abs 2 SGB VI." |