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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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EuGH 25.11.2021 - C-233/20
EuGH 25.11.2021 - C-233/20 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer) - 25. November 2021 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2003/88/EG – Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer – Art. 7 Abs. 1 – Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub – Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer“
Leitsatz
In der Rechtssache C-233/20
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 29. April 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Juni 2020, in dem Verfahren
WD
gegen
job-medium GmbH in Liquidation
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Sechsten Kammer I. Ziemele (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Siebten Kammer sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin,
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von WD, vertreten durch Rechtsanwälte G. Storch und R. Storch,
der job-medium GmbH in Liquidation, vertreten durch Rechtsanwalt F. Marhold,
der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und C. Leeb als Bevollmächtigte,
der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. April 2021,
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen WD und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der in Liquidation befindlichen job-medium GmbH, wegen deren Weigerung, WD eine Ersatzleistung für den vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub zu zahlen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2003/88 lauten:
Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.
Alle Arbeitnehmer sollten angemessene Ruhezeiten erhalten. Der Begriff ‚Ruhezeit‘ muss in Zeiteinheiten ausgedrückt werden, d. h. in Tagen, Stunden und/oder Teilen davon. Arbeitnehmern in der Gemeinschaft müssen Mindestruhezeiten – je Tag, Woche und Jahr – sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden. In diesem Zusammenhang muss auch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt werden.“
Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.“
Art. 7 („Jahresurlaub“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
Art. 23 („Niveau des Arbeitnehmerschutzes“) der Richtlinie 2003/88 lautet:
„Unbeschadet des Rechts der Mitgliedstaaten, je nach der Entwicklung der Lage im Bereich der Arbeitszeit unterschiedliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie Vertragsvorschriften zu entwickeln, sofern die Mindestvorschriften dieser Richtlinie eingehalten werden, stellt die Durchführung dieser Richtlinie keine wirksame Rechtfertigung für eine Zurücknahme des allgemeinen Arbeitnehmerschutzes dar.“
Österreichisches Recht
§ 10 des Urlaubsgesetzes vom 7. Juli 1976 (BGBl. I, 3/2013) bestimmt:
„(1) Dem Arbeitnehmer gebührt für das Urlaubsjahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Bereits verbrauchter Jahresurlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen. …
(2) Eine Ersatzleistung gebührt nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt.
(3) Für nicht verbrauchten Urlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren gebührt anstelle des noch ausständigen Urlaubsentgelts eine Ersatzleistung in vollem Ausmaß des noch ausständigen Urlaubsentgelts, soweit der Urlaubsanspruch noch nicht verjährt ist. …“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
WD war vom 15. Juni 2018 bis zum 9. Oktober 2018, dem Tag, an dem er das Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt beendete, bei job-medium beschäftigt. Im Beschäftigungszeitraum hatte WD einen Urlaubsanspruch von 7,33 Arbeitstagen erworben, von denen er 4 Tage während des Arbeitsverhältnisses verbraucht hatte. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte WD noch einen Urlaubsanspruch in Höhe von 3,33 Arbeitstagen. Job-medium lehnte es unter Verweis auf § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes ab, die Urlaubsersatzleistung für diese Tage in Höhe von 322,06 Euro auszubezahlen.
Da WD der Ansicht war, dass diese Bestimmung unionsrechtswidrig sei, erhob er Klage auf Zahlung dieser Urlaubsersatzleistung.
Seine Klage wurde vom Erstgericht und in der Berufungsinstanz auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes abgewiesen.
Der mit der Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts befasste Oberste Gerichtshof (Österreich) weist darauf hin, dass der Verlust des Anspruchs auf Zahlung der Urlaubsersatzleistung nach § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes auf den Fall beschränkt sei, dass der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund aus dem Arbeitsverhältnis austrete. In diesem Zusammenhang liege ein „wichtiger Grund“ vor, wenn dem Arbeitnehmer die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht zumutbar sei.
Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass diese Bestimmung einerseits einen Anreiz schaffen solle, indem sie den Arbeitnehmer davon abhalte, das Arbeitsverhältnis ohne Grund vorzeitig zu beenden, und andererseits einen wirtschaftlichen Zweck verfolge, da sie den Arbeitgeber, der mit dem unvorhersehbaren Verlust eines seiner Arbeitnehmer konfrontiert werde, finanziell entlasten wolle.
Das vorlegende Gericht hegt jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit von § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof sowie mit Art. 31 Abs. 2 der Charta.
Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist mit Art. 31 Abs. 2 der Charta und Art. 7 der Richtlinie 2003/88 eine nationale Vorschrift vereinbar, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende (letzte) Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig das Dienstverhältnis beendet („Austritt")?
Wenn diese Frage verneint wird:
Ist dann zusätzlich zu prüfen, ob der Verbrauch des Urlaubs für den Arbeitnehmer unmöglich war?
Nach welchen Kriterien hat diese Prüfung zu erfolgen?
Zu den Vorlagefragen
Zur Zulässigkeit
Job-medium macht die Unzulässigkeit der Vorlagefragen mit der Begründung geltend, dass das vorlegende Gericht nicht verpflichtet gewesen sei, den Gerichtshof anzurufen, da die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits im Licht des Unionsrechts und der bestehenden Rechtsprechung offensichtlich sei.
Vorab ist festzustellen, dass es vor dem Hintergrund der Verfahrensordnung des Gerichtshofs keinen Einfluss auf die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens hat, dass ein nationales Gericht nicht verpflichtet ist, den Gerichtshof anzurufen, oder dass die Antwort auf ein solches Ersuchen im Licht des Unionsrechts offensichtlich ist.
Im Übrigen ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C-510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25).
Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C-510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26).
Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts wurde WD die Zahlung der Urlaubsersatzleistung zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit job-medium auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 des Urlaubsgesetzes verweigert, weil er das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig beendet hatte.
Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta.
Es ist demnach offensichtlich, dass die Vorlagefragen die Auslegung von Unionsrecht betreffen und dass die Beantwortung dieser Fragen für die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits nützlich und entscheidungserheblich ist.
Die Vorlagefragen sind daher zulässig.
Zur Beantwortung der Fragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 2003/88 ausdrücklich gezogen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni 2014, Bollacke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 spiegelt das in Art. 31 Abs. 2 der Charta verankerte Grundrecht auf bezahlten Jahresurlaub wider und konkretisiert es (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C-119/19 P und C-126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 115).
Deshalb darf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht restriktiv ausgelegt werden (Urteile vom 8. November 2012, Heimann und Toltschin, C-229/11 und C-230/11, EU:C:2012:693, Rn. 23, sowie vom 25. Juni 2020, Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria und Iccrea Banca SpA, C-762/18 und C-37/19, EU:C:2020:504, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut der Richtlinie 2003/88 und aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es zwar Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen, sie dabei aber nicht bereits die Entstehung dieses sich unmittelbar aus der Richtlinie ergebenden Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen dürfen (Urteil vom 25. Juni 2020, Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria und Iccrea Banca SpA, C-762/18 und C-37/19, EU:C:2020:504, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit ist auf den Zweck des durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 jedem Arbeitnehmer eingeräumten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub hinzuweisen, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm bzw. ihr nach seinem bzw. ihrem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dieser Zweck, durch den sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von anderen Arten des Urlaubs mit anderen Zwecken unterscheidet, beruht auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat (Urteile vom 4. Oktober 2018, Dicu, C-12/17, EU:C:2018:799, Rn. 27 und 28, sowie vom 25. Juni 2020, Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria und Iccrea Banca SpA, C-762/18 und C-37/19, EU:C:2020:504, Rn. 57 und 58).
Außerdem stellt der Anspruch auf Jahresurlaub nur einen der beiden Aspekte des als unionssozialrechtliches Grundrecht verankerten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub dar. Dieses Grundrecht umfasst somit auch einen Anspruch auf Bezahlung und – als eng mit diesem Anspruch auf „bezahlten“ Jahresurlaub verbundenen Anspruch – den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub (Urteil vom 25. Juni 2020, Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria et Iccrea Banca SpA, C-762/18 und C-37/19, EU:C:2020:504, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ist es nicht mehr möglich, tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat (Urteil vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 56).
Ferner ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 für das Entstehen des Anspruchs auf eine finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung aufstellt als die, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass zum anderen der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bzw. sie bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte (Urteile vom 6. November 2018, Bauer und Willmeroth, C-569/16 und C-570/16, EU:C:2018:871, Rn. 44, und vom 25. Juni 2020, Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria und Iccrea Banca SpA, C-762/18 und C-37/19, EU:C:2020:504, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Somit ist der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 nicht maßgeblich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2016, Maschek, C-341/15, EU:C:2016:576, Rn. 28).
Im vorliegenden Fall hat der Arbeitnehmer nach den Angaben des vorlegenden Gerichts während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet. Er hat somit einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erworben, von dem ein Teil bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht verbraucht worden war. Die finanzielle Vergütung für nicht genommene Urlaubstage wurde ihm allein deshalb verweigert, weil er das Arbeitsverhältnis vorzeitig und ohne wichtigen Grund beendet hat.
Wie aber in Rn. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, hat der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, keine Auswirkung darauf, dass er gegebenenfalls eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann, den er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet.
Zur zweiten Frage
Mit der zweiten Frage, die der Gerichtshof beantworten soll, wenn die erste Frage verneint wird, so wie sie in Rn. 14 des vorliegenden Urteils formuliert ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, inwieweit und nach welchen Kriterien es zu prüfen hat, ob der Verbrauch des bezahlten Urlaubs für den Arbeitnehmer unmöglich war.
Da aus den Rn. 30 bis 32, 34 und 35 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dass der Arbeitnehmer in jedem Fall Anspruch auf finanzielle Vergütung für nicht genommene bezahlte Urlaubstage hat, und zwar unabhängig von dem Grund, aus dem er diese nicht verbrauchen konnte, braucht der nationale Richter nicht zu prüfen, ob der Verbrauch dieser bezahlten Urlaubstage für den Arbeitnehmer unmöglich war.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Vorschrift entgegensteht, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende letzte Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig beendet.
Der nationale Richter braucht nicht zu prüfen, ob der Verbrauch der Urlaubstage, auf die der Arbeitnehmer Anspruch hatte, für diesen unmöglich war.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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