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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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EuGH 13.12.2018 - C-385/17
EuGH 13.12.2018 - C-385/17 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) - 13. Dezember 2018 ( *1) - „Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub – Art. 7 Abs. 1 – Regelung eines Mitgliedstaats, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass Kurzarbeitszeiten bei der Berechnung des für den Jahresurlaub gezahlten Entgelts berücksichtigt werden – Zeitliche Wirkung der Auslegungsurteile“
Leitsatz
In der Rechtssache C-385/17
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeitsgericht Verden (Deutschland) mit Entscheidung vom 19. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2017, in dem Verfahren
Torsten Hein
gegen
Albert Holzkamm GmbH & Co. KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos (Berichterstatter), E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
von Herrn Hein, vertreten durch Rechtsanwältin S. Eidinger,
der Albert Holzkamm GmbH & Co. KG, vertreten durch die Rechtsanwältinnen C. Brehm und I. Witten,
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca, avvocato dello Stato,
der Europäischen Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2018
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9) sowie von Art. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Torsten Hein und der Albert Holzkamm GmbH & Co. KG (im Folgenden: Holzkamm) über die Berechnung der Urlaubsvergütung, d. h. des Entgelts, das Herrn Hein für seinen bezahlten Jahresurlaub zusteht.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 31 („Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen“) der Charta sieht vor:
„(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen.
(2) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.“
In Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2003/88 heißt es:
„(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
… der Mindestjahresurlaub …
…“
Nach Art. 2 Nr. 1 dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Arbeitszeit“„jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie definiert „Ruhezeit“ als „jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“.
Art. 7 („Jahresurlaub“) der Richtlinie 2003/88 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.“
Art. 15 dieser Richtlinie lautet:
„Das Recht der Mitgliedstaaten, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern zu fördern oder zu gestatten, bleibt unberührt.“
Deutsches Recht
Bundesurlaubsgesetz
§ 3 Abs. 1 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer vom 8. Januar 1963 (BGBl. I 1963 S. 2) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: BUrlG) lautet:
„Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage.“
§ 11 („Urlaubsentgelt“) Abs. 1 BUrlG bestimmt:
„Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, [den] der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. … Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. …“
§ 13 BUrlG sieht vor:
„(1) Von den vorstehenden Vorschriften mit Ausnahme der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 kann in Tarifverträgen abgewichen werden. …
(2) Für das Baugewerbe oder sonstige Wirtschaftszweige, in denen als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfange üblich sind, kann durch Tarifvertrag von den vorstehenden Vorschriften über die in Absatz 1 Satz 1 vorgesehene Grenze hinaus abgewichen werden, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist. …
…“
Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe
§ 8 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: BRTV-Bau) bestimmt:
„1. Urlaubsanspruch und Urlaubsdauer
1.1 Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr (Urlaubsjahr) Anspruch auf 30 Arbeitstage bezahlten Erholungsurlaub.
…
1.3 Samstage gelten nicht als Arbeitstage.
1.4 Die Urlaubsdauer richtet sich nach den in Betrieben des Baugewerbes zurückgelegten Beschäftigungstagen.
…
2. Ermittlung der Urlaubsdauer
…
2.2 Der Arbeitnehmer erwirbt nach jeweils 12 – als Schwerbehinderter nach jeweils 10,3 – Beschäftigungstagen Anspruch auf einen Tag Urlaub.
2.3 Beschäftigungstage sind alle Kalendertage des Bestehens von Arbeitsverhältnissen in Betrieben des Baugewerbes während des Urlaubsjahres. Ausgenommen hiervon sind Tage, an denen der Arbeitnehmer der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist und Tage unbezahlten Urlaubs, wenn dieser länger als 14 Tage gedauert hat.
…
4. Urlaubsvergütung
4.1 Der Arbeitnehmer erhält für den Urlaub gemäß Nr. 1 eine Urlaubsvergütung.
Die Urlaubsvergütung beträgt 14,25 v. H., bei Schwerbehinderten im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen 16,63 v. H. des Bruttolohnes. Die Urlaubsvergütung besteht aus dem Urlaubsentgelt in Höhe von 11,4 v. H. – bei Schwerbehinderten in Höhe von 13,3 v. H. – des Bruttolohnes und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt 25 v. H. des Urlaubsentgelts. Es kann auf betrieblich gewährtes zusätzliches Urlaubsgeld angerechnet werden.
…
4.2 Bruttolohn ist
der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende Bruttoarbeitslohn einschließlich der Sachbezüge, die nicht pauschal nach § 40 EStG versteuert werden,
…
Zum Bruttolohn gehören nicht das tarifliche 13. Monatseinkommen oder betriebliche Zahlungen mit gleichem Charakter (z. B. Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung), Urlaubsabgeltungen gemäß Nr. 6 und Abfindungen, die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden.
…
4.3 Die Urlaubsvergütung für teilweise geltend gemachten Urlaub wird berechnet, indem die gemäß Nr. 4.1 errechnete Urlaubsvergütung durch die Summe der gemäß Nr. 2 ermittelten Urlaubstage geteilt und mit der Zahl der beanspruchten Urlaubstage vervielfacht wird.
…
4.5 Am Ende des Urlaubsjahres sind Restansprüche auf Urlaubsvergütung in das folgende Kalenderjahr zu übertragen.
5. Mindesturlaubsvergütung
5.1 Für jede Ausfallstunde wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, für die kein Lohnanspruch bestand, erhöht sich die nach Nr. 4.1 errechnete Urlaubsvergütung um 14,25 % des zuletzt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VTV [(Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe)] gemeldeten Bruttolohnes.
5.2 Für jede Ausfallstunde in dem Zeitraum vom 1. Dezember bis 31. März, für die der Arbeitnehmer Saison-Kurzarbeitergeld bezieht, erhöht sich die nach Nr. 4.1 errechnete Urlaubsvergütung nach Ablauf dieses Zeitraumes um 14,25 % des zuletzt nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VTV gemeldeten Bruttolohnes. Dabei bleiben die ersten 90 Ausfallstunden mit Bezug von Saison-Kurzarbeitergeld unberücksichtigt.
…“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
Herr Hein ist bei Holzkamm als Betonbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des BRTV-Bau Anwendung. Im Kalenderjahr 2015 befand sich Herr Hein insgesamt 26 Wochen in Kurzarbeit. Im Laufe der Jahre 2015 und 2016 nahm er 30 Tage Urlaub, auf die er im Jahr 2015 Anspruch erworben hatte.
Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, sieht § 11 Abs. 1 BUrlG vor, dass sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst bemisst, den der Arbeitnehmer im Berechnungszeitraum (im Folgenden auch: Referenzzeitraum) erhalten hat, d. h. in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs. Nach dieser Vorschrift bleiben Verdienstkürzungen, die im Referenzzeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht.
Nach § 13 Abs. 1 und 2 BUrlG kann in Tarifverträgen von den Vorschriften dieses Gesetzes abgewichen werden. Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und im BRTV-Bau besondere Regelungen u. a. über den Erwerb des Urlaubsanspruchs und die sogenannte „Urlaubsvergütung“ geschaffen.
Die Urlaubsvergütung bemisst sich nach dem im Referenzzeitraum erhaltenen Bruttolohn, der auf Jahresbasis berechnet wird. Auch wenn die Urlaubsvergütung gemäß § 8 Nr. 4.1 BRTV-Bau das in § 11 Abs. 1 BUrlG vorgesehene „Urlaubsentgelt“ um 25 % übersteigt und sich damit für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer auf 14,25 % des Jahresbruttolohns beläuft, führt die Tatsache, dass sich die Urlaubsvergütung nach dem im Referenzzeitraum erhaltenen Bruttolohn bemisst, zu einer Kürzung der Urlaubsvergütung, wenn sich der Arbeitnehmer im Laufe dieses Referenzzeitraums in Kurzarbeit befunden hat, da die infolge der Kurzarbeit eingetretene Verdienstkürzung bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt wird.
In Anbetracht der Kurzarbeit, in der sich Herr Hein im Jahr 2015 befand, berechnete Holzkamm die Höhe seiner Urlaubsvergütung auf der Grundlage eines Bruttostundenlohns, der unter dem normalen Stundenlohn lag. Herr Hein ist der Ansicht, dass die in den Referenzzeitraum fallende Kurzarbeit nicht zu einer Kürzung der ihm zustehenden Urlaubsvergütung führen dürfe, und fordert insoweit einen Gesamtbetrag von 2260,27 Euro.
Das vorlegende Gericht führt aus, die Antwort des Gerichtshofs auf die Vorlagefragen sei erforderlich, denn falls das Unionsrecht der nationalen Regelung, nach der Verdienstkürzungen infolge von Kurzarbeit im Referenzzeitraum bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt würden, entgegenstehe, hätte Holzkamm bei der Berechnung der Herrn Hein zustehenden Urlaubsvergütung einen zu niedrigen Stundenlohn zugrunde gelegt. Zu beachten sei, dass die von Herrn Hein geltend gemachte Forderung zumindest teilweise die Urlaubsvergütung für den in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Mindesturlaub von vier Wochen betreffe.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müsse der Arbeitnehmer für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne der Richtlinie 2003/88 das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten. Zu beurteilen sei dieses gewöhnliche Arbeitsentgelt auf der Basis eines Durchschnittswerts über einen hinreichend repräsentativen Referenzzeitraum und im Licht des Grundsatzes, dass der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Bezahlung während dieses Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs seien.
Der Gerichtshof habe noch nicht über die Frage entschieden, die sich im vorliegenden Fall stelle, nämlich die Frage der Unionsrechtskonformität einer nationalen Regelung, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden könne, dass etwaige Verdienstausfälle infolge von Kurzarbeit im Referenzzeitraum berücksichtigt werden könnten, was zu einer Kürzung der Urlaubsvergütung führe.
Das Arbeitsgericht Verden (Deutschland) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass Verdienstkürzungen, die im Referenzzeitraum dadurch eintreten, dass an bestimmten Tagen aufgrund von Kurzarbeit keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt werden, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des ihm nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehenden Mindestjahresurlaubs eine geringere Urlaubsvergütung erhält, als er erhalten hätte, wenn diese Vergütung auf der Grundlage des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes berechnet worden wäre, den der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum ohne Berücksichtigung dieser Verdienstkürzungen erhalten hat. Bejahendenfalls möchte das vorlegende Gericht im Hinblick auf die unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts, zu der es veranlasst sein könnte, wissen, inwieweit die Urlaubsvergütung gekürzt werden kann, ohne dass das Unionsrecht verletzt wird.
Zunächst ist zum einen darauf hinzuweisen, dass schon nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 – von dem diese Richtlinie keine Abweichung zulässt – jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Dieser Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen (Urteil vom 20. Juli 2016, Maschek, C-341/15, EU:C:2016:576, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Dieser jedem Arbeitnehmer zustehende Anspruch ist in Art. 31 Abs. 2 der Charta, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird, ausdrücklich verankert (Urteile vom 8. November 2012, Heimann und Toltschin, C-229/11 und C-230/11, EU:C:2012:693, Rn. 22, vom 29. November 2017, King, C-214/16, EU:C:2017:914, Rn. 33, sowie vom 4. Oktober 2018, Dicu, C-12/17, EU:C:2018:799, Rn. 25).
Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts in der Richtlinie 2003/88 als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt werden (Urteile vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 60, sowie vom 15. September 2011, Williams u. a., C-155/10, EU:C:2011:588, Rn. 26).
Um eine sachdienliche Antwort auf den ersten Teil der ersten Frage zu geben, ist daher als Erstes die Dauer des Mindestjahresurlaubs zu prüfen, die das Unionsrecht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gewährt, und als Zweites das Entgelt, das dem Arbeitnehmer während dieses Urlaubs zusteht.
Was erstens die Dauer des Mindestjahresurlaubs angeht, ist darauf hinzuweisen, dass der Zweck des in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 jedem Arbeitnehmer gewährleisteten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (vgl. u. a. Urteile vom 20. Januar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 25, sowie vom 4. Oktober 2018, Dicu, C-12/17, EU:C:2018:799, Rn. 27).
Dieser Zweck, durch den sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von anderen Arten des Urlaubs mit anderen Zwecken unterscheidet, beruht auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Referenzzeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Das Ziel, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zu erholen, setzt nämlich voraus, dass dieser Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausgeübt hat, die es zu dem in der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit rechtfertigt, dass er über einen Zeitraum der Erholung, der Entspannung und der Freizeit verfügt. Daher sind die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen (Urteil vom 4. Oktober 2018, Dicu, C-12/17, EU:C:2018:799, Rn. 28).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, über die der Gerichtshof verfügt, sowie aus den in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen, dass in einer Situation wie der von Herrn Hein, um die es im Ausgangsverfahren geht, in Kurzarbeitszeiten das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fortbesteht, der Arbeitnehmer aber keine tatsächliche Arbeitsleistung für die Belange seines Arbeitgebers erbringt.
Aus der in Rn. 27 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung folgt aber, dass ein Arbeitnehmer, der sich in solch einer Situation befindet, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 nur für die Zeiträume erwerben kann, in denen er tatsächlich gearbeitet hat, so dass für Kurzarbeitszeiten, in denen er nicht gearbeitet hat, kein auf dieser Vorschrift beruhender Urlaubsanspruch entsteht. Im vorliegenden Fall dürften also, da Herr Hein im Jahr 201526 Wochen lang nicht tatsächlich gearbeitet hat, grundsätzlich nur zwei Urlaubswochen von Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie erfasst sein, wobei die exakte Dauer dieser Urlaubszeit aber vom vorlegenden Gericht zu bestimmen ist.
Allerdings geht aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a, Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 15 der Richtlinie 2003/88 eindeutig hervor, dass sich die Richtlinie auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung beschränkt und das Recht der Mitgliedstaaten, für den Schutz der Arbeitnehmer günstigere nationale Vorschriften anzuwenden, unberührt lässt.
Folglich steht die Richtlinie dem nicht entgegen, dass Arbeitnehmern in nationalen Rechtsvorschriften oder in einem Tarifvertrag ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von längerer als der durch die Richtlinie garantierten Dauer unabhängig davon gewährt wird, ob die Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufgrund von Kurzarbeit verkürzt war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 47 und 48).
Was zweitens das Entgelt anbelangt, das dem Arbeitnehmer für die unionsrechtlich garantierte Mindesturlaubsdauer zu zahlen ist, hat der Gerichtshof bereits klargestellt, dass der Ausdruck „bezahlter [Jahresurlaub]“ in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 bedeutet, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des „Jahresurlaub[s]“ im Sinne dieser Richtlinie weiterzugewähren ist und dass der Arbeitnehmer mit anderen Worten für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten muss (Urteile vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 50, sowie vom 15. September 2011, Williams u. a., C-155/10, EU:C:2011:588, Rn. 19).
Durch das Erfordernis der Zahlung dieses Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer nämlich während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (Urteile vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 58, sowie vom 15. September 2011, Williams u. a., C-155/10, EU:C:2011:588, Rn. 20).
Die Struktur des gewöhnlichen Entgelts eines Arbeitnehmers unterliegt zwar als solche den Vorschriften und Gepflogenheiten nach dem Recht der Mitgliedstaaten, kann jedoch keinen Einfluss auf den Anspruch des Arbeitnehmers haben, während des ihm für Erholung und Entspannung zur Verfügung stehenden Zeitraums in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen zu kommen, die mit denen vergleichbar sind, die die Ausübung seiner Arbeit betreffen (Urteil vom 15. September 2011, Williams u. a., C-155/10, EU:C:2011:588, Rn. 23).
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus § 8 Nrn. 4.1, 4.2 und 5.2 BRTV-Bau, dass nach diesem Tarifvertrag Kurzarbeitszeiten bei der Berechnung des für den Jahresurlaub gezahlten Entgelts zumindest teilweise berücksichtigt werden. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich daraus im Fall von Herrn Hein eine deutliche Verringerung dieses Entgelts im Vergleich zu demjenigen ergebe, das er ohne Berücksichtigung der Kurzarbeitszeiten erhalten hätte. Im Jahr 2015, das nach den Angaben des vorlegenden Gerichts der Referenzzeitraum ist, in dem Herr Hein die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Urlaubsansprüche erworben hat, befand sich dieser Arbeitnehmer nämlich 26 Wochen in Kurzarbeit, was der Hälfte des Referenzzeitraums entspricht.
Eine solche Regelung führt dazu, dass Kurzarbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht tatsächlich gearbeitet hat, bei der Berechnung des Entgelts u. a. für die sich aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 ergebenden Jahresurlaubstage berücksichtigt werden.
Demnach erhält ein Arbeitnehmer, der sich in einer Situation wie der von Herrn Hein befindet, für seine Jahresurlaubstage ein Entgelt, das nicht dem gewöhnlichen Entgelt entspricht, das er in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhält, was den in den Rn. 33 und 34 des vorliegenden Urteils dargelegten Erfordernissen zuwiderläuft, dass der Arbeitnehmer während der ihm für Erholung und Entspannung zur Verfügung stehenden Zeiträume, die ihm nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehen, in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen kommen muss, die mit denen vergleichbar sind, die die Ausübung seiner Arbeit betreffen.
Hierzu führen Holzkamm und die deutsche Regierung im Wesentlichen aus, dass der BRTV-Bau darauf abziele, den Unternehmen des Baugewerbes eine größere Flexibilität einzuräumen, damit sie wirtschaftlich bedingte Entlassungen ihrer Arbeitnehmer in Zeiten schwacher Nachfrage vermeiden könnten, indem sie von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch machten. Ein solcher Vorteil für die Arbeitnehmer drohe in Frage gestellt zu werden, wenn die Unternehmen die Gesamtheit der Urlaubsvergütung zahlen müssten, die den Arbeitnehmern zustünde, wenn sie an allen Tagen des Jahres gearbeitet hätten. Nach Ansicht von Holzkamm hätte eine etwaige Kündigung für die betroffenen Arbeitnehmer weit negativere Auswirkungen zur Folge, als sie durch eine Kürzung des Urlaubsentgelts eintreten könnten.
Holzkamm trägt außerdem vor, die Regelungen des BRTV-Bau seien erforderlich, um allen Arbeitnehmern auch im Fall kurzer Arbeitsverhältnisse einen zusammenhängenden Jahresurlaub zu sichern, indem sie gewährleisteten, dass noch nicht in Anspruch genommene Urlaubstage übertragen und dem Arbeitnehmer auch im neuen Arbeitsverhältnis gewährt würden. Überdies erfolge im Fall der zuvor angeordneten Kurzarbeit keine Reduzierung der Anzahl der zu beanspruchenden Urlaubstage. Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung führe also nicht dazu, dass die von den Arbeitnehmern jährlich empfangene gesamte Urlaubsvergütung unter den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 verlangten Mindestbetrag sinke, da den Arbeitnehmern mehr Urlaubstage zustünden.
Schließlich werde bei der Berechnung der Urlaubsvergütung der für Überstunden gezahlte Arbeitsverdienst in vollem Umfang berücksichtigt.
Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 nicht verlangt, dass das gewöhnliche Arbeitsentgelt, auf das sich die in den Rn. 32 bis 34 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung bezieht, für die gesamte Dauer des Jahresurlaubs gezahlt wird, die dem Arbeitnehmer nach nationalem Recht zusteht. Der Arbeitgeber muss dieses Entgelt nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 nur für die Dauer des in dieser Bestimmung vorgesehenen Mindestjahresurlaubs zahlen, wobei der Arbeitnehmer den Anspruch auf diesen Urlaub, wie in Rn. 29 des vorliegenden Urteils dargelegt, nur für Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung erwirbt.
Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2003/88 zwar, wie aus den Rn. 30 und 31 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Sozialpartner nicht daran hindert, durch einen auf nationalem Recht basierenden Tarifvertrag Regeln einzuführen, die allgemein zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer beitragen sollen, die Durchführungsmodalitäten dieser Regeln aber die sich aus der Richtlinie ergebenden Grenzen einhalten müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 57).
Insoweit handelt es sich bei einer Erhöhung der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub über das von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 verlangte Minimum hinaus oder bei der Möglichkeit, einen Anspruch auf zusammenhängenden bezahlten Jahresurlaub zu erlangen, um für die Arbeitnehmer günstige Maßnahmen, die über die Mindestanforderungen dieser Vorschrift hinausgehen und damit nicht durch sie geregelt werden. Diese Maßnahmen können nicht dazu dienen, die für den Arbeitnehmer negative Wirkung einer Kürzung des Urlaubsentgelts zu kompensieren; anderenfalls würde das nach dieser Vorschrift bestehende Recht auf bezahlten Jahresurlaub beeinträchtigt, wozu als integraler Bestandteil das Recht des Arbeitnehmers gehört, während des ihm für Erholung und Entspannung zur Verfügung stehenden Zeitraums in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen zu kommen, die mit denen vergleichbar sind, die die Ausübung seiner Arbeit betreffen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Erhalt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts während des bezahlten Jahresurlaubs es dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, den Urlaub, auf den er Anspruch hat, tatsächlich zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. März 2006, Robinson-Steele u. a., C-131/04 und C-257/04, EU:C:2006:177, Rn. 49, sowie vom 22. Mai 2014, Lock, C-539/12, EU:C:2014:351, Rn. 20). Ist das aufgrund des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 gezahlte Entgelt, wie in dem Fall, um den es im Ausgangsverfahren geht, geringer als das gewöhnliche Entgelt, das der Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhält, könnte dieser aber veranlasst sein, seinen bezahlten Jahresurlaub nicht zu nehmen, zumindest nicht in solchen Arbeitszeiträumen, da dies dann zu einer Verringerung seines Entgelts führen würde.
Insoweit ist zu ergänzen, dass § 8 Nr. 1.1 BRTV-Bau die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs zwar unabhängig von Kurzarbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer keine tatsächliche Arbeitsleistung erbringt, auf 30 Tage festsetzt, aus § 8 Nr. 4.3 BRTV-Bau aber hervorgeht, dass die Urlaubsvergütung im Fall teilweise geltend gemachten Urlaubs anteilig gekürzt wird. Somit bewirkt der BRTV-Bau, dass ein Arbeitnehmer, der nicht sämtliche ihm nach diesem Tarifvertrag zustehenden Urlaubstage nimmt, sondern nur die Urlaubstage, auf die er nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88 unter Berücksichtigung der Kurzarbeitszeiten Anspruch hat, eine geringere Urlaubsvergütung erhält als die, die ihm nach letzterer Vorschrift zusteht.
Was schließlich die Regel anbelangt, dass vom Arbeitnehmer geleistete Überstunden bei der Berechnung des aufgrund der Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub geschuldeten Entgelts berücksichtigt werden, ist festzustellen, dass die Überstundenvergütung aufgrund ihres Ausnahmecharakters und ihrer Unvorhersehbarkeit grundsätzlich nicht Teil des gewöhnlichen Arbeitsentgelts ist, das der Arbeitnehmer für den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann.
Ist der Arbeitnehmer jedoch arbeitsvertraglich verpflichtet, Überstunden zu leisten, die weitgehend vorhersehbar und gewöhnlich sind und deren Vergütung einen wesentlichen Teil des gesamten Arbeitsentgelts ausmacht, das er in Ausübung seiner Berufstätigkeit erhält, sollte die Vergütung für diese Überstunden in das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das aufgrund des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub geschuldet wird, einbezogen werden, damit der Arbeitnehmer während dieses Urlaubs in den Genuss wirtschaftlicher Bedingungen kommt, die mit denen vergleichbar sind, die ihm bei Ausübung seiner Arbeit zugutekommen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits der Fall ist.
Zur Rolle der nationalen Gerichte bei der Entscheidung über einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen, in dem sich zeigt, dass die fragliche nationale Regelung gegen das Unionsrecht verstößt, ist darauf hinzuweisen, dass es diesen Gerichten obliegt, den Rechtsschutz sicherzustellen, der sich für den Einzelnen aus den unionsrechtlichen Bestimmungen ergibt, und deren volle Wirkung zu gewährleisten (Urteile vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci, C-555/07, EU:C:2010:21, Rn. 45, und vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 29).
Insoweit obliegen die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, und ihre Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten (Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich müssen die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden, um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 AEUV nachgekommen wird (Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Auch wenn die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts das Unionsrecht heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen findet und nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf, umfasst das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie nicht vereinbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 32 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Für den vorliegenden Fall gilt, dass in einem Rechtsstreit wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem sich Privatpersonen – hier Herr Hein und Holzkamm – gegenüberstehen, das vorlegende Gericht verpflichtet ist, das nationale Recht im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 auszulegen. Eine solche Auslegung sollte dazu führen, dass die den Arbeitnehmern für den in dieser Vorschrift vorgesehenen Mindesturlaub gezahlte Urlaubsvergütung nicht geringer ausfällt als der Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts, das die Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhalten. Hingegen verpflichtet diese Vorschrift weder dazu, die nationale Regelung dahin auszulegen, dass sie einen Anspruch auf eine tarifvertragliche Zusatzleistung begründet, die zu diesem Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts hinzukommt, noch dazu, dass die Überstundenvergütung berücksichtigt wird, es sei denn, die in Rn. 47 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen sind erfüllt.
Nach alledem ist auf den ersten Teil der ersten Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass Verdienstkürzungen, die im Referenzzeitraum dadurch eintreten, dass an bestimmten Tagen aufgrund von Kurzarbeit keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt werden, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des ihm nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehenden Mindestjahresurlaubs eine Urlaubsvergütung erhält, die geringer ist als das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das er in Arbeitszeiträumen erhält. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die nationale Regelung so weit wie möglich nach Wortlaut und Zweck der Richtlinie 2003/88 auszulegen, so dass die den Arbeitnehmern für den in Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Mindesturlaub gezahlte Urlaubsvergütung nicht geringer ausfällt als der Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts, das die Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhalten.
In Anbetracht der Antwort auf den ersten Teil der ersten Frage bedarf der zweite Teil dieser Frage keiner gesonderten Antwort.
Zur zweiten Frage
Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils beschränkt werden können, falls der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen. Für den Fall, dass eine solche Beschränkung abgelehnt wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es die nationalen Gerichte daran hindert, auf der Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der Arbeitgeber auf den Fortbestand der nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu schützen, die die Rechtmäßigkeit der Regelungen des BRTV-Bau über den bezahlten Urlaub bestätigt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschriften in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschriften betreffenden Streit vorliegen (Urteile vom 6. März 2007, Meilicke u. a., C-292/04, EU:C:2007:132, Rn. 34, sowie vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C-110/15, EU:C:2016:717, Rn. 59).
Nur ganz ausnahmsweise kann der Gerichtshof aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit beschränken, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (Urteil vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C-110/15, EU:C:2016:717, Rn. 60 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich, wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission beigetragen hatte (Urteile vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, EU:C:2005:169, Rn. 69, vom 13. April 2010, Bressol u. a., C-73/08, EU:C:2010:181, Rn. 93, sowie vom 22. September 2016, Microsoft Mobile Sales International u. a., C-110/15, EU:C:2016:717, Rn. 61).
Im vorliegenden Fall enthalten die Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzung der schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen erfüllt wäre.
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu beschränken sind.
Zu der Frage, ob das Unionsrecht es den nationalen Gerichten gestattet, auf der Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der Arbeitgeber auf den Fortbestand der nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu schützen, die die Rechtmäßigkeit der Regelungen des BRTV-Bau über den bezahlten Urlaub bestätigt hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes in der vom vorlegenden Gericht in Betracht gezogenen Weise in Wirklichkeit darauf hinausliefe, die zeitlichen Wirkungen der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Unionsrechts zu begrenzen, da diese Auslegung dann im Ausgangsverfahren keine Anwendung fände (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 39).
Abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, deren Vorliegen, wie sich aus der in Rn. 59 des vorliegenden Urteils enthaltenen Beurteilung ergibt, nicht nachgewiesen worden ist, muss der Richter das Unionsrecht in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden, wenn, wie in Rn. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt, alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieses Rechts betreffenden Streit erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, EU:C:2016:278, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zu beschränken sind und dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass es die nationalen Gerichte daran hindert, auf der Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der Arbeitgeber auf den Fortbestand der nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu schützen, die die Rechtmäßigkeit der Regelungen des BRTV-Bau über den bezahlten Urlaub bestätigt hat.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der in Tarifverträgen bestimmt werden kann, dass Verdienstkürzungen, die im Referenzzeitraum dadurch eintreten, dass an bestimmten Tagen aufgrund von Kurzarbeit keine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt werden, was zur Folge hat, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des ihm nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 zustehenden Mindestjahresurlaubs eine Urlaubsvergütung erhält, die geringer ist als das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das er in Arbeitszeiträumen erhält. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, die nationale Regelung so weit wie möglich nach Wortlaut und Zweck der Richtlinie 2003/88 auszulegen, so dass die den Arbeitnehmern für den in Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Mindesturlaub gezahlte Urlaubsvergütung nicht geringer ausfällt als der Durchschnitt des gewöhnlichen Arbeitsentgelts, das die Arbeitnehmer in Zeiträumen tatsächlicher Arbeitsleistung erhalten.
Die zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils sind nicht zu beschränken, und das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es die nationalen Gerichte daran hindert, auf der Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der Arbeitgeber auf den Fortbestand der nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu schützen, die die Rechtmäßigkeit der Regelungen des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe über den bezahlten Urlaub bestätigt hat.
von Danwitz
Jürimäe
Lycourgos
Juhász
Vajda
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2018.
Der Kanzler
A. Calot Escobar
Der Präsident
K. Lenaerts
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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