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EuGH 21.07.2011 - C-397/09
EuGH 21.07.2011 - C-397/09 - URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) - 21. Juli 2011 ( *1)
Leitsatz
In der Rechtssache C-397/09
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 27. Mai 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2009, in dem Verfahren
Scheuten Solar Technology GmbH
gegen
Finanzamt Gelsenkirchen-Süd
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
der Scheuten Solar Technology GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt K. von Brocke und Steuerberaterin A. Küntscher,
des Finanzamts Gelsenkirchen-Süd, vertreten durch R. Rasche als Bevollmächtigten,
der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und C. Vang als Bevollmächtigte,
der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte,
der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und S. Johannesson als Bevollmächtigte,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten,
der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2011
folgendes
Entscheidungsgründe
Urteil
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157, S. 49).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Scheuten Solar Technology GmbH (im Folgenden: SST) und dem Finanzamt Gelsenkirchen-Süd (im Folgenden: Finanzamt) über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Art. 1 der Richtlinie 2003/49 bestimmt:
„(1) In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren werden von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern — unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden — befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist.
(2) Eine Zahlung, die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaats oder einer in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats getätigt wurde, gilt als in dem betreffenden Mitgliedstaat (im Folgenden ‚Quellenstaat‘ genannt) angefallen.
…
(4) Ein Unternehmen eines Mitgliedstaats wird nur als Nutzungsberechtigter der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt, wenn es die Zahlungen zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger, etwa als Vertreter, Treuhänder oder Bevollmächtigter für eine andere Person erhält.
…
(7) Dieser Artikel findet nur Anwendung, wenn das Unternehmen, das Zahler der Zinsen oder Lizenzgebühren ist, oder das Unternehmen, dessen Betriebsstätte als Zahler der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt wird, ein verbundenes Unternehmen des Unternehmens ist, das Nutzungsberechtigter ist oder dessen Betriebsstätte als Nutzungsberechtigte dieser Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt wird.
…
(10) Es steht den Mitgliedstaaten frei, diese Richtlinie nicht auf ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder die Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats anzuwenden, wenn die in Artikel 3 Buchstabe b) genannten Voraussetzungen während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren nicht erfüllt waren.
…“
Art. 2 der Richtlinie sieht vor:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
‚Zinsen‘ Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen; Zuschläge für verspätete Zahlung gelten nicht als Zinsen;
…“
In Art. 3 Buchst. b der Richtlinie heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
‚verbundenes Unternehmen‘ jedes Unternehmen, das wenigstens dadurch mit einem zweiten Unternehmen verbunden ist, dass
das erste Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 % am Kapital des zweiten Unternehmens beteiligt ist oder
das zweite Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 % an dem Kapital des ersten Unternehmens beteiligt ist oder
ein drittes Unternehmen unmittelbar mindestens zu 25 % an dem Kapital des ersten Unternehmens und dem Kapital des zweiten Unternehmens beteiligt ist.
Die Beteiligungen dürfen nur Unternehmen umfassen, die im Gemeinschaftsgebiet niedergelassen sind.
…“
Art. 4 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Der Quellenstaat muss die Vorteile dieser Richtlinie nicht gewähren bei
Zahlungen, die nach dem Recht des Quellenstaats als Gewinnausschüttung oder als Zurückzahlung von Kapital behandelt werden,
…
(2) Bestehen zwischen dem Zahler und dem Nutzungsberechtigten von Zinsen oder Lizenzgebühren oder zwischen einem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigt deshalb der Betrag der Zinsen oder Lizenzgebühren den Betrag, den der Zahler und der Nutzungsberechtigte ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so finden die Bestimmungen dieser Richtlinie nur auf letztgenannten Betrag Anwendung.“
Nationales Recht
Nach § 2 des Gewerbesteuergesetzes von 2002 (BGBl. 2002 I S. 4167) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: GewStG) unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb zusätzlich zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird.
§ 2 Abs. 1 und 2 GewStG bestimmt:
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte unterhalten wird.
Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) …“
Nach § 6 GewStG ist Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer der Gewerbeertrag der Steuerpflichtigen.
Der Gewerbeertrag wird in § 7 Satz 1 GewStG wie folgt definiert:
„Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb …, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge.“
In § 8 GewStG („Hinzurechnungen“) heißt es:
„Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:
Die Hälfte der Entgelte für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.“
§ 10a GewStG sieht vor, dass bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer die Verluste von den nach § 8 GewStG ermittelten Gewinnen abzuziehen sind.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
SST ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts mit Sitz in Gelsenkirchen. Ihre alleinige Anteilseignerin ist die niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Scheuten Solar Systems BV mit Sitz in Venlo (Niederlande).
Zwischen dem 27. August 2003 und dem 1. Dezember 2004 erhielt SST aufgrund einer Reihe von aufeinanderfolgenden Verträgen von ihrer Muttergesellschaft Darlehen über insgesamt 5180000 Euro. Für diese Darlehen zahlte SST 2004 an ihre Muttergesellschaft einen Betrag von 154584 Euro an Zinsen und zog ihn als Betriebsausgaben von ihren Gewinnen ab.
Das Finanzamt vertrat jedoch im Gewerbesteuermessbescheid für 2004, gestützt auf § 8 Nr. 1 GewStG, die Auffassung, dass SST nur 50 % des Zinsbetrags von den erzielten Gewinnen abziehen dürfe, so dass die Hälfte der 154584 Euro den Gewinnen aus Gewerbebetrieb von SST hinzugerechnet wurde.
SST erhob gegen diesen Bescheid des Finanzamts Klage und machte geltend, dass die Hinzurechnung der Hälfte der fraglichen Zinsen eine gegen Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 verstoßende Besteuerung darstelle.
Mit Urteil vom 22. Februar 2008 wies das Finanzgericht Münster die Klage ab.
SST legte daraufhin gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Der Bundesfinanzhof hält die Vereinbarkeit der einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts mit der Richtlinie 2003/49 nicht für zweifelsfrei und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 einer Regelung entgegen, wonach die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaats an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats gezahlten Darlehenszinsen bei dem erstgenannten Unternehmen der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?
Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie 2003/49 dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten auch dann freisteht, die Richtlinie nicht anzuwenden, wenn die in Art. 3 Buchst. b dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen für das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens zum Zeitpunkt der Zinszahlung noch nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren erfüllt waren?
Können sich die Mitgliedstaaten in diesem Fall gegenüber dem zahlenden Unternehmen unmittelbar auf Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie 2003/49 berufen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.
Zunächst ist festzustellen, dass SST im Ausgangsverfahren für ihren Gewerbeertrag zur Gewerbesteuer herangezogen wurde. Bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage für diese Steuer hat das Finanzamt gemäß den im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften die Hälfte der Zinsen, die dieses Unternehmen an seine in den Niederlanden ansässige Muttergesellschaft gezahlt hat, den Gewinnen von SST wieder hinzugerechnet.
Nach Ansicht von SST kommt diese Berechnung der Auferlegung einer Steuer gleich, so dass die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Zinszahlungen zur Folge hätten, die mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 unvereinbar sei. Alle anderen Beteiligten, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind hingegen der Auffassung, dass die genannten Rechtsvorschriften nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinienbestimmung fallen, und schlagen deshalb vor, die Vorlagefrage zu verneinen.
Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof dazu aufgerufen, den Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 zu bestimmen.
Den Erwägungsgründen 2 bis 4 der Richtlinie 2003/49 ist zu entnehmen, dass die Richtlinie Doppelbesteuerungen bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten beseitigen und gewährleisten soll, dass diese Zahlungen einmal in einem einzigen Mitgliedstaat besteuert werden. Nach diesen Erwägungsgründen besteht das geeignetste Mittel, um die steuerliche Gleichbehandlung innerstaatlicher und grenzübergreifender Finanzbeziehungen zu gewährleisten, darin, die Steuern bei diesen Zahlungen in dem Mitgliedstaat, in dem diese Einkünfte anfallen, zu beseitigen.
Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/49, wie er in Art. 1 Abs. 1 umschrieben ist, erstreckt sich daher auf die Befreiung von in einem Mitgliedstaat angefallenen Einkünften in Form von Zinsen und Lizenzgebühren, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte ist, die zu einem Unternehmen eines Mitgliedstaats gehört.
Die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung soll sicherstellen, dass der Nutzungsberechtigte von Zinsen und Lizenzgebühren, die in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Sitzstaat angefallen sind, im Quellenstaat der Zinsen und Lizenzgebühren von allen Steuern befreit ist. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 stellt nämlich durch die unterordnende Konjunktion „sofern“ eine Verbindung zwischen der Zahlung solcher Zinsen und Lizenzgebühren in einem Mitgliedstaat und dem Erhalt der Zahlungen durch den Nutzungsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat her.
In diesem Zusammenhang definiert Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/49 diese Zinsen als „Einkünfte aus Forderungen jeder Art“. Nur beim Nutzungsberechtigten können aber Zinsen als Einkünfte aus solchen Forderungen anfallen.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe 2 bis 4 dieser Richtlinie darauf gerichtet ist, eine rechtliche Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen zu verhindern, indem er eine Besteuerung der Zinsen im Quellenstaat zulasten des Nutzungsberechtigten dieser Zinsen verbietet. Die genannte Bestimmung betrifft also ausschließlich die steuerliche Situation des Zinsgläubigers.
Eine solche Auslegung des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 wird auch durch Art. 1 Abs. 10 dieser Richtlinie gestützt, der den Mitgliedstaaten gestattet, die Befreiung nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu gewähren. Die von Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie erfassten Rechtssubjekte werden dort als ein „Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder die Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats“ umschrieben. Der Zinszahler wird darin tatsächlich nicht erwähnt. Dieser Ausnahmeregelung ist somit zu entnehmen, dass sie für den Nutzungsberechtigten von Zinsen oder Lizenzgebühren in einem anderen Mitgliedstaat gilt und nicht für den Schuldner dieser Zinsen oder Lizenzgebühren.
Nationale Rechtsvorschriften wie die im Ausgangsverfahren fraglichen führen jedoch nicht zu einer Verringerung der Einkünfte des Gläubigers. Der Nutzungsberechtigte der entrichteten Zinsen muss diese nicht versteuern. Die fraglichen Rechtsvorschriften beziehen sich nur auf die Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer, der im vorliegenden Fall der Schuldner der entrichteten Zinsen unterliegt.
Dabei ist zu beachten, dass die Berechnungsweise der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Zinszahlers und die dabei zu beachtenden Faktoren wie die Berücksichtigung bestimmter Aufwendungen bei dieser Berechnung nicht Gegenstand des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 sind.
In Bezug auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Rechtsvorschriften ist darauf hinzuweisen, dass die Besonderheiten der betreffenden Gewerbesteuer darin liegen, dass der Gewerbeertrag zunächst nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ermittelt wird und dann bestimmte Beträge hinzugefügt oder als Freibeträge abgezogen werden. Die Hinzurechnung betrifft nur solche Beträge, die auf der ersten Stufe der Berechnung abgezogen wurden.
Die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts über die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Zinszahlers wie die Regelungen über die Abziehbarkeit bestimmter Aufwendungen und deren Natur folgen besonderen gesetzgeberischen Orientierungen, die zur Steuerpolitik der Mitgliedstaaten gehören.
In Ermangelung einer Bestimmung, die die Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des Zinszahlers regelt, kann sich daher der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 nicht über die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung hinaus erstrecken.
Zu eventuellen Auswirkungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6) schließlich genügt der Hinweis, dass den Urteilen vom 4. Oktober 2001, Athinaïki Zythopoiïa (C-294/99, Slg. 2001, I-6797), und vom 26. Juni 2008, Burda (C-284/06, Slg. 2008, I-4571), wie die Generalanwältin in den Nrn. 45 bis 49 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, die für die Auslegung des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 im Zusammenhang mit nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen hilfreich sein könnten. In den Rechtssachen, in denen die genannten Urteile ergangen sind, lag nämlich der Tatbestand, der die fragliche Steuer auslöste, in der Gewinnausschüttung der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft. Bei den Zinszahlungen, um die es im Ausgangsverfahren geht, handelt es sich hingegen nicht um einen Steuertatbestand. Die im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Rechtsvorschriften betreffen nur die Abzugsfähigkeit solcher Zahlungen als Aufwendungen für die Zwecke der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 dahin auszulegen ist, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.
Zur zweiten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Steuerrechts nicht entgegensteht, wonach die Darlehenszinsen, die ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat an ein in einem anderen Mitgliedstaat belegenes verbundenes Unternehmen zahlt, der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer hinzugerechnet werden, der das erstgenannte Unternehmen unterliegt.
Unterschriften
( *1)Verfahrenssprache: Deutsch.
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