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BAG 25.04.2024 - 8 AZN 833/23
BAG 25.04.2024 - 8 AZN 833/23 - Revisionsgrund - Ablehnungsgesuch nach Urteilsverkündung
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 22. Februar 2022, Az: 42 Ca 716/22, Versäumnisurteil
vorgehend ArbG Berlin, 23. Juni 2022, Az: 42 Ca 716/22, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 6. September 2023, Az: 4 Sa 900/22, Urteil
Leitsatz
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Nach der Verkündung des Urteils kann ein am Urteil beteiligter Richter nur bezogen auf noch zu treffende weitere Entscheidungen abgelehnt werden. Ein auf die Verhinderung der Absetzung des bereits verkündeten Urteils zielendes Ablehnungsgesuch ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig.
Tenor
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1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. September 2023 - 4 Sa 900/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
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2. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 5.400,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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I. Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Beklagte hatte auf dem Portal „eBay-Kleinanzeigen“ eine „Sekretärin“ gesucht. Der Kläger bewarb sich und fragte nach, ob nur eine Frau gesucht werde. Die Beklagte bestätigte dies. Daraufhin verlangte der Kläger eine Entschädigung und unterbreitete der Beklagten zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens einen Vergleichsvorschlag. Diese lehnte eine Zahlung ab. Die daraufhin erhobene Zahlungsklage wurde durch das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers nach Verwerfung mehrerer Ablehnungsgesuche zurückgewiesen. Wie schon das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Bewerbung sei nur auf die Erzielung einer Entschädigung gerichtet gewesen und deshalb rechtsmissbräuchlich. Die Revision hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Zudem hat er nach der Verkündung des Berufungsurteils erneut ein Ablehnungsgesuch gestellt (vgl. hierzu BAG 25. Januar 2024 - 8 AS 17/23 -).
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II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem anzufechtenden Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Voraussetzungen einer Grundsatzbeschwerde nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG sind nicht erfüllt (vgl. hierzu BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZN 624/19 - Rn. 23).
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a) Soweit die Beschwerdebegründung unter II 1 a und c (Seite 5 bis 10 der Beschwerdebegründung) die Frage nach dem alleinigen Erfordernis einer subjektiv ernsthaften Bewerbung aufwirft, enthält sie bezüglich der erstmaligen Klärungsbedürftigkeit der Frage keine hinreichenden Ausführungen (vgl. hierzu BAG 28. Februar 2023 - 2 AZN 22/23 - Rn. 3; 14. Dezember 2010 - 6 AZN 986/10 - Rn. 16; BGH 2. Juli 2019 - VIII ZR 74/18 - Rn. 10). Die zur Darlegung einer erneuten Klärungsbedürftigkeit aufgestellte Behauptung, die Entscheidung des Senats vom 19. Mai 2016 (- 8 AZR 470/14 - Rn. 42, BAGE 155, 149) sei durch das in der anzufechtenden Entscheidung angeführte Schrifttum in Frage gestellt, ist unzureichend. Die Beschwerde setzt sich diesbezüglich nicht mit der folgenden Rechtsprechung des Senats auseinander (vgl. BAG 19. Januar 2023 - 8 AZR 437/21 - Rn. 43 ff.; 31. März 2022 - 8 AZR 238/21 - Rn. 37 ff.; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 46 ff.). Eine erneute Klärungsbedürftigkeit ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Gleiches gilt für die erforderliche Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass das Landesarbeitsgericht sich mit der gestellten Frage befasst und sie zu Lasten des Klägers entschieden hat (vgl. BAG 21. April 2020 - 7 ABN 78/19 - Rn. 23). Soweit die Beschwerde anführt, das Landesarbeitsgericht habe die Prüfung der objektiven Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs unterlassen, rügt sie der Sache nach vielmehr eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Angenommene Rechtsanwendungsfehler stellen nach § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG jedoch keinen Grund für die Zulassung der Revision dar.
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b) Die unter II 2 a gestellte Frage kann - ungeachtet ihrer Anführung im Rahmen der Begründung der Divergenzbeschwerde - schon deshalb keine Grundsatzbeschwerde begründen, weil ihre Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Zudem ist weder die Klärungsbedürftigkeit noch die grundsätzliche Bedeutung der Frage hinreichend dargelegt (vgl. hierzu BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZN 624/19 - Rn. 23; 10. Juli 2014 - 10 AZN 307/14 - Rn. 9 ff., BAGE 148, 337).
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c) Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28. März 2024 die Beschwerdebegründung ergänzt hat, ist dies außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist erfolgt und damit unbeachtlich.
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2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen (vgl. zu den Anforderungen: BAG 24. Oktober 2019 - 8 AZN 624/19 - Rn. 10; 11. April 2019 - 3 AZN 720/18 - Rn. 8). Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind strikt fallbezogen und lassen nicht erkennen, dass das Landesarbeitsgericht einen eigenen Rechtssatz bzgl. der Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs der Bewerberstellung aufgestellt hat. Eine Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze ist daher nicht möglich.
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3. Die Beschwerdebegründung lässt unter II 3 weiterhin keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör iSd. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG erkennen.
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a) Eine entscheidungserhebliche Nichtberücksichtigung klägerischen Vorbringens ist nicht erkennbar (vgl. hierzu BVerfG 17. September 2020 - 2 BvR 1605/16 - Rn. 14 mwN; BAG 24. Februar 2021 - 4 AZN 897/20 - Rn. 3). Das Landesarbeitsgericht hat sich mit dem wesentlichen Vortrag des Klägers befasst. Dabei musste es nicht näher auf dessen schriftliche Bewerbung, seine erklärte Bereitschaft zu einem Umzug oder sein Verhalten nach der Absage eingehen. Das Landesarbeitsgericht ist ausgehend von der digitalen Bewerbung davon ausgegangen, dass der Kläger wegen der Betonung seines Geschlechts die Absage von Beginn an provoziert habe. In Verbindung mit dem Umfeld der Stellenanzeige („eBay-Kleinanzeigen“) und der Übersendung eines vorformulierten Vergleichsvorschlags schon mit der Geltendmachung der Entschädigung sprechen die Gesamtumstände nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts für eine von vornherein bestehende Absicht des Klägers, eine Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung zu erhalten. Vor diesem Hintergrund musste das Landesarbeitsgericht sich in den Urteilsgründen nicht explizit mit weiterem Vorbringen des Klägers auseinandersetzen.
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b) Das Landesarbeitsgericht war auch nicht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zur Erteilung der von der Beschwerde angeführten Hinweise verpflichtet (vgl. hierzu BAG 31. März 2021 - 5 AZN 926/20 - Rn. 4). Der Kläger musste schon wegen der erstinstanzlichen Entscheidung damit rechnen, dass das Landesarbeitsgericht den Rechtsmissbrauchseinwand prüfen und dabei die Gesamtumstände der Bewerbung würdigen wird. Dies beinhaltet das Umfeld der Bewerbung und insbesondere die Bewerbungsunterlagen. Soweit das Landesarbeitsgericht ohne vorherigen Hinweis auf vergleichbare andere Verfahren, die der Kläger beim Arbeitsgericht Berlin und beim Landesarbeitsgericht eingeleitet habe, abgestellt hat, fehlt es bei Unterstellung eines Gehörsverstoßes an dessen Entscheidungserheblichkeit. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Aspekt unter B II 4 der Entscheidungsgründe „nur ergänzend“ und damit nicht tragend angeführt.
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4. Schließlich liegt auch kein absoluter Revisionsgrund iSv. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 547 Nr. 1 bis Nr. 3 ZPO vor. Das Berufungsgericht war ordnungsgemäß besetzt.
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a) Dem stehen die vor der Verkündung des Berufungsurteils angebrachten Ablehnungsgesuche des Klägers nicht entgegen. Sie wurden vor der Entscheidung in der Sache als unzulässig verworfen und waren damit erledigt. Ob ein abgelehnter Richter bis dahin nicht nur unaufschiebbare Amtshandlungen iSd. § 47 Abs. 1 ZPO vorgenommen hat, kann entgegen der Auffassung der Beschwerde dahinstehen. Ein etwaiger Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 Abs. 1 ZPO wurde mit der Entscheidung über das letzte Ablehnungsgesuch geheilt (vgl. BGH 15. November 2018 - V ZB 71/18 - Rn. 7). Der Verstoß ist bei erfolglosem Ablehnungsgesuch letztlich unbeachtlich (vgl. Anders/Gehle/Göertz ZPO 82. Aufl. § 47 Rn. 10; Musielak/Voit/Heinrich ZPO 20. Aufl. § 47 Rn. 5), denn damit steht fest, dass die Richterbank auch in der Zwischenzeit ordnungsgemäß besetzt war.
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b) Das nach Verkündung des Berufungsurteils erhobene Ablehnungsgesuch kann grundsätzlich keinen absoluten Revisionsgrund bewirken. Zwar kann ein Ablehnungsgesuch bis zum vollständigen Abschluss der Instanz angebracht werden und damit ggf. auch noch nach Verkündung des Urteils. Es kann sich dann aber nur auf noch zu treffende Entscheidungen beziehen, zB auf eine Anhörungsrüge oder einen Prozesskostenhilfeantrag (vgl. Zöller/G. Vollkommer ZPO 35. Aufl. § 42 Rn. 3; MüKoZPO/Stackmann 6. Aufl. § 44 Rn. 6). Das bereits verkündete Urteil kann demgegenüber außerhalb eines statthaften Abhilfeverfahrens nicht mehr abgeändert werden. Ein auf den Erlass eines neuen Urteils gerichtetes Ablehnungsgesuch ist daher mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. BGH 19. Januar 2022 - XII ZB 357/21 - Rn. 13; 17. Mai 2018 - I ZR 195/15 - Rn. 4; vgl. auch BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 2411/10 - Rn. 23). Dies gilt auch, wenn das Urteil bereits verkündet, die Entscheidungsgründe jedoch - wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren üblich - noch nicht schriftlich niedergelegt sind (vgl. BSG 19. Oktober 2020 - B 14 AS 426/19 B - Rn. 5; 17. August 2020 - B 14 AS 240/19 B - Rn. 9).
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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Weitergehende Ausführungen sind weder von Verfassungs wegen noch aus konventionsrechtlichen Gründen geboten (vgl. BVerfG 30. Juni 2014 - 2 BvR 792/11 - Rn. 19, 25; 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - Rn. 12 ff.).
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IV. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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