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BAG 24.01.2024 - 4 AZR 122/23
BAG 24.01.2024 - 4 AZR 122/23 - Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge - Tarifwechselklausel - Auslegung einer tariflichen Besitzstandsklausel
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Gera, 4. November 2021, Az: 5 Ca 117/21, Urteil
vorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht, 17. Januar 2023, Az: 1 Sa 279/21, Urteil
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 17. Januar 2023 - 1 Sa 279/21 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers und das ihm hierfür zustehende monatliche Entgelt.
- 2
-
Der Kläger ist seit 1998 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin als Lagerarbeiter beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom Januar 2002 enthält ua. folgende Bestimmungen:
-
„2.
Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39,0 Stunden,
das entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Arbeitszeit von 169,0 Stunden.
3.
Die Vergütung für die unter 2. genannte Arbeitszeit setzt sich wie folgt zusammen:
Tariflohn / -gehalt nach Stufe L4
€ 1.632,04 (Euro)
…
Gesamtlohn / -gehalt pro Monat
€ 1.632,04 (Euro)
…
9.
Im Übrigen gelten die Bestimmungen des jeweils für das Unternehmen gültigen Tarifvertrages.“
- 3
-
Die im Arbeitsvertrag genannte Arbeitszeit und das dort ausgewiesene Tarifentgelt entsprachen inhaltlich den Bestimmungen der Tarifverträge, an welche die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt gebunden war.
- 4
-
Die Beklagte war Mitglied in der AHD Unternehmensvereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe e.V. (AHD). Die AHD hatte mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di einen Sicherungstarifvertrag (SiTV) geschlossen. Dieser enthielt eine Bezugnahme auf die zwischen dem Landesverband für Groß-/Außenhandel und Dienstleistungen Thüringen e. V. (LGAD) sowie dem Landesverband Ost der Gewerblichen Verbundgruppen e.V. einerseits und ver.di andererseits geschlossenen Mantel- und Entgelttarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung.
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Der Kläger, der nicht Mitglied von ver.di ist, erhielt in Anwendung des SiTV bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt iHv. 2.483,00 Euro.
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Mit Wirkung zum 30. September 2020 kündigte die AHD den SiTV. Zum 4. Dezember 2020 trat die Beklagte dem Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes (LTV) e.V. (LTV Thüringen) bei, welcher mit ver.di bereits am 12. Juli 2017 einen Manteltarifvertrag (MTV) geschlossen hatte. Nach diesem beträgt die regelmäßige monatliche Arbeitszeit für stationäres Personal 173 Stunden. Das monatliche Entgelt ergibt sich nach § 12 MTV aus dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag (ETV). § 22 MTV lautet wie folgt:
-
„§ 22 Besitzstandswahrung
1.
Für Arbeitnehmer die vor oder bei Vertragsabschluss schon höhere Leistungen erhielten als dieser Tarifvertrag es vorsieht, gilt ein Besitzstand als vereinbart.
2.
Der Arbeitgeber kann Leistungen nach Ziffer 1 auf die nach diesem Tarifvertrag zu gewährenden Leistungen anrechnen.
...“
- 7
-
Der zwischen dem LTV Thüringen und ver.di geschlossene ETV vom 22. August 2019 enthält ua. folgende Regelung:
-
„§ 7 Besitzstandsregelung
1.
Für Arbeitnehmer, die vor oder bei Vertragsabschluss schon höhere Leistungen erhielten als dieser Tarifvertrag vorsieht, gilt ein Besitzstand als vereinbart, den diese mindestens erhalten.
2.
In den Fällen, in denen Teile der übertariflichen Zulagen leistungsabhängig gezahlt werden, können diese mit der Maßgabe, dass das Entgelt gem. § 4 unangetastet bleibt, weiterhin leistungsbezogen gezahlt werden.
3.
Zuschlagszahlungen gemäß Manteltarifvertrag bleiben von diesen Regelungen unberührt.
…“
- 8
-
Seit April 2021 arbeitet der Kläger entsprechend der Regelung im MTV wöchentlich 40 Stunden. Die Beklagte vergütet ihn nach Entgeltgruppe 3 ETV. Zusätzlich leistete sie für die Dauer von zwölf Monaten eine quartalsweise abschmelzende übertarifliche Zulage zum teilweisen Ausgleich der Differenz zum vormaligen Tarifentgelt des SiTV.
- 9
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, für ihn gelte weiterhin eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Hierfür stehe ihm - wie im SiTV geregelt - eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.483,00 Euro zu. Für ihn sei nicht vorhersehbar gewesen, mit welchen Änderungen seiner Arbeitsbedingungen er zu rechnen habe. Sollten der ETV und der MTV anwendbar sein, stünden die Besitzstandsregelungen in § 22 MTV und in § 7 ETV einer Abänderung der wöchentlichen Arbeitszeit und des Entgelts entgegen. Hierdurch sollten ihm diejenigen höheren Leistungen erhalten bleiben, die er vor der Anwendung der jetzigen Tarifverträge beanspruchen konnte.
- 10
-
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt beantragt
-
festzustellen, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ab 1. Mai 2021 38,5 Stunden beträgt und die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine monatliche Bruttovergütung von 2.483,00 Euro zu zahlen.
- 11
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Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, infolge ihres Beitritts zum LTV Thüringen fänden der MTV und der ETV anstelle des SiTV auf das bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung. Diese Tarifverträge hätten die Bestimmungen des SiTV abgelöst. Die Besitzstandsklauseln in § 22 MTV und in § 7 ETV verwiesen lediglich deklaratorisch auf das ohnehin geltende Günstigkeitsprinzip.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers im Ergebnis zutreffend zurückgewiesen.
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I. Der Feststellungsantrag ist in der zuletzt gestellten Fassung - nach der gebotenen Auslegung (dazu BAG 5. Mai 2021 - 4 AZR 666/19 - Rn. 39 mwN) - zulässig.
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1. Eine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO kann sich auch auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage. Das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO ist allerdings nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag ein zwischen den Parteien bestehender Streit über Leistungsverpflichtungen insgesamt bereinigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BAG 28. April 2021 - 4 AZR 230/20 - Rn. 24).
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2. Nach diesen Maßstäben ist der Feststellungsantrag zulässig. Der Kläger begehrt - wie er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat - die einheitliche Feststellung, dass seine wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden bei einer Bruttovergütung von 2.483,00 Euro beträgt. Durch eine Entscheidung über dieses Feststellungsbegehren wird die zwischen den Parteien streitige Frage der maßgebenden Wochenarbeitszeit sowie des hierfür zu leistenden Entgelts geklärt. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger nicht zwei eigenständige Elementenfeststellungsanträge gestellt. Ginge man von zwei Anträgen aus und würde nur einem stattgegeben, würde der zwischen den Parteien bestehende Streit nicht vollständig bereinigt. Wäre nur der Antrag hinsichtlich der Arbeitszeit erfolgreich, bliebe unklar, ob das Monatsentgelt nach dem ETV an die gegenüber dem MTV geringere Arbeitszeit anzupassen wäre; würde dem Entgeltbegehren entsprochen, stünde nicht fest, welche Arbeitszeit maßgebend ist.
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II. Die Klage ist unbegründet. Die zu leistende Arbeitszeit und der Vergütungsanspruch des Klägers richten sich seit dem Beitritt der Beklagten zum LTV Thüringen nach dem MTV und dem ETV. Die Regelungen des SiTV werden von den Besitzstandsregelungen in § 22 Abs. 1 MTV und § 7 Abs. 1 ETV nicht erfasst.
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1. Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen ist (vgl. BAG 22. Februar 2023 - 4 AZR 68/22 - Rn. 16). Dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar (sh. nur BAG 13. Mai 2020 - 4 AZR 528/19 - Rn. 12).
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2. Die arbeitsvertragliche Regelung ist dahin auszulegen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - die Tarifverträge anzuwenden sind, an die die Beklagte normativ gebunden ist.
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a) Nach Nr. 9 des Arbeitsvertrags „gelten die Bestimmungen des jeweils für das Unternehmen gültigen Tarifvertrages“. Erfasst sind nicht nur die Tarifverträge einer bestimmten Branche oder bestimmter Tarifvertragsparteien in ihrer jeweiligen Fassung, sondern auch andere Tarifverträge, an die die Arbeitgeberin (zukünftig) gebunden sein wird (sog. große dynamische Bezugnahmeklausel, die auch als Tarifwechselklausel bezeichnet wird; vgl. BAG 28. April 2021 - 4 AZR 229/20 - Rn. 23 mwN, BAGE 174, 382). Die Tarifwechselklausel ist Vertragsbestandteil geworden. Sie ist weder ihrer äußeren Form nach noch aufgrund ihrer inhaltlichen Gestaltung überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Weiterhin ist sie nicht intransparent iSd. § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. dazu BAG 13. Mai 2020 - 4 AZR 528/19 - Rn. 14 mwN).
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b) Der Anwendbarkeit der jeweils für die Beklagte geltenden Tarifverträge stehen die Nrn. 2 und 3 des Arbeitsvertrags nicht entgegen.
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aa) Nr. 3 des Arbeitsvertrags sieht für die in Nr. 2 genannte Arbeitszeit eine bezifferte Tarifvergütung nach Stufe L4 vor. Die Angaben in Nr. 2 zur Arbeitszeit und in Nr. 3 zur Vergütung beziehen sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Beklagte geltenden Tarifbestimmungen. Eine solche Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt darf ein Arbeitnehmer redlicherweise dahingehend verstehen, der darin festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch sein, sondern solle sich entsprechend den Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern (BAG 12. Dezember 2018 - 4 AZR 123/18 - Rn. 20 mwN, BAGE 164, 345). Entsprechendes gilt für die unter Nr. 2 aufgeführte Arbeitszeit, auf die sich das unter Nr. 3 vereinbarte Tarifentgelt bezieht.
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bb) Diese vereinbarte Dynamik gilt allerdings nicht nur für die Tarifverträge, an die die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt kraft Mitgliedschaft gebunden war. Die vertragliche Regelung ist sowohl zeitdynamisch als auch hinsichtlich der anzuwendenden Tarifverträge inhaltsdynamisch ausgestaltet. Sie erfasst nicht nur die Tarifverträge bestimmter Tarifvertragsparteien in ihrer jeweiligen Fassung, sondern auch andere Tarifverträge, an die die Arbeitgeberin (zukünftig) gebunden sein wird. Das ergibt sich vorliegend aus dem systematischen Zusammenhang zwischen den Nrn. 2 und 3 einerseits und der Nr. 9 andererseits. Die Bezugnahmeregelungen sollen insgesamt gewährleisten, dass alle, typischerweise aufeinander bezogenen und einander ergänzenden Tarifverträge Anwendung finden, um eine stimmige Gesamtregelung der arbeitsvertraglichen Bedingungen sicherzustellen (sh. hierzu etwa BAG 28. April 2021 - 4 AZR 229/20 - Rn. 24 mwN, BAGE 174, 382). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, wonach die Regelungen unter Nrn. 2 und 3 lediglich auf die Tarifverträge bestimmter Tarifvertragsparteien verweisen sollen, mit der Folge, dass sich im Falle eines Tarifwechsels der Beklagten die Arbeitszeit und die Vergütung einerseits und die übrigen Vertragsbedingungen andererseits nach den Tarifwerken unterschiedlicher Tarifvertragsparteien richten, bestehen nicht. Allein aufgrund der einschränkenden Formulierung „im Übrigen“ in Nr. 9 des Arbeitsvertrags, die auf eine bloß teilweise Tarifanwendung hindeuten könnte (vgl. BAG 2. Juni 2021 - 4 AZR 387/20 - Rn. 19), kann im vorliegenden Fall ein solches Verständnis nicht gefolgert werden.
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cc) Dieses Auslegungsergebnis deckt sich auch mit der Durchführung des Arbeitsvertrags.
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(1) Die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die vertragschließenden Parteien kann zwar den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven Gehalt der wechselseitigen Vertragserklärungen nicht mehr beeinflussen. Er kann aber Anhaltspunkte für den bei Vertragsschluss bestehenden, tatsächlichen Vertragswillen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein (BAG 27. März 2018 - 4 AZR 151/15 - Rn. 25 mwN).
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(2) Die Parteien haben die Regelung zuvor als zeit- und inhaltsdynamisch verstanden. Auf das Arbeitsverhältnis fanden - wie vom Kläger selbst vorgetragen - zunächst die zwischen dem Landesverband für Groß-/Außenhandel und Dienstleistungen Thüringen e. V. (LGAD) sowie dem Landesverband Ost der Gewerblichen Verbundgruppen e.V. einerseits und ver.di andererseits geschlossenen Tarifverträge Anwendung. Später wurde das Arbeitsverhältnis bis zum Jahr 2020 nach den Bestimmungen des von der AHD und ver.di vereinbarten SiTV, an den die Beklagte nunmehr gebunden war, mit einer abweichenden wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden und der dort geregelten Vergütung durchgeführt.
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3. Die Beklagte war nach ihrem Eintritt in den LTV Thüringen am 4. Dezember 2020 an den MTV und den ETV unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) gebunden. Deren Regelungen waren nach Nr. 9 des Arbeitsvertrags seither für das Arbeitsverhältnis maßgebend.
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4. Die Entgelt- und Arbeitszeitregelungen des SiTV werden durch die Besitzstandsregelungen in § 22 Abs. 1 MTV und § 7 Abs. 1 ETV nicht erfasst. Die Reichweite der konstitutiven Besitzstandsklauseln beschränkt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auf Leistungen aus den Vorgängertarifverträgen der vertragschließenden Tarifvertragsparteien. Das ergibt die Auslegung der Tarifbestimmungen (zu den Maßstäben der Tarifauslegung zB BAG 12. Dezember 2018 - 4 AZR 147/17 - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326). Deshalb kann vorliegend dahinstehen, ob - wie der Kläger geltend gemacht hat - eine (geringere) Arbeitszeit tatsächlich eine „(höhere) Leistung“ iSd. § 22 Abs. 1 MTV ist.
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a) Regelt ein Tarifvertrag einen bestimmten Komplex von Arbeitsbedingungen insgesamt neu, ersetzt er nach dem Ablösungsprinzip den vorangehenden Tarifvertrag derselben Tarifvertragsparteien insoweit grundsätzlich insgesamt. Dieses Ablösungsprinzip können die Tarifvertragsparteien allerdings durch entsprechende Vereinbarungen in den Nachfolgetarifverträgen zur Wahrung eines Besitzstands durchbrechen (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 708/08 - Rn. 20, 53).
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b) Bei den beiden Besitzstandsklauseln handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht lediglich um rein deklaratorische Wiederholungen des in § 4 Abs. 3 TVG verankerten Günstigkeitsprinzips (zu einer solchen Regelung etwa BAG 23. Juni 1965 - 4 AZR 103/64 - BAGE 17, 204). Das ergibt sich schon aus der Wahl der Überschriften in § 22 MTV und § 7 ETV. Daraus wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien einen Besitzstand sichern wollten (ähnlich BAG 4. April 2001 - 10 AZR 181/00 - zu II 1 a aa der Gründe). Ferner orientiert sich der Wortlaut nicht an § 4 Abs. 3 TVG. Durch die Formulierung, wonach ein Besitzstand als „vereinbart“ gilt, kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zu einer konstitutiven Regelung zum Ausdruck. Überdies kann ein Tarifvertrag bestehende individualvertraglich vereinbarte Rechte nach § 4 Abs. 3 TVG nicht abändern oder verkürzen (sh. nur BAG 25. Januar 2023 - 4 AZR 171/22 - Rn. 32 f. mwN). Deswegen sprechen auch die in § 22 Abs. 2 MTV und in § 7 Abs. 2 ETV vorgesehenen Möglichkeiten dagegen, dass die Besitzstandsklauseln nach dem Willen der Tarifvertragsparteien lediglich der Wiederholung des Günstigkeitsprinzips aus § 4 Abs. 3 TVG dienen sollten.
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c) Die Besitzstandsregelungen erfassen keine „höhere Leistungen“, welche in anderen als von den Tarifvertragsparteien des MTV und des ETV geschlossenen Tarifverträgen enthalten sind.
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aa) Der Abschluss von Tarifverträgen und die damit bewirkte Normsetzung ist kollektiv ausgeübte Privatautonomie (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 22 mwN, BAGE 135, 80). Die Tarifvertragsparteien regeln im Interesse ihrer Mitglieder deren Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Dem wird regelmäßig durch den Abschluss eigener Tarifverträge Rechnung getragen (BAG 28. April 2021 - 4 AZR 230/20 - Rn. 34). Hierbei sind einzelne Tarifnormen nicht selten Ergebnisse tarifpolitischer Kompromisse (BAG 5. Juli 2023 - 4 AZR 289/22 - Rn. 34 mwN). Begünstigungen bei einzelnen Regelungen können um den Preis von Benachteiligungen durch andere Vorschriften erwirkt werden (BAG 27. Juni 2018 - 10 AZR 290/17 - Rn. 30, BAGE 163, 144). Außerdem schaffen Tarifvertragsparteien zusammenhängende Regelungssysteme, innerhalb derer es zu Verbindungen zwischen einzelnen Tarifnormen oder den verschiedenen Tarifverträgen kommt. In ein solches tarifliches Regelungsgefüge lassen sich einzelne Bestimmungen aus Tarifverträgen anderer Tarifvertragsparteien nicht ohne weiteres integrieren. Zwar ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Tarifvertragsparteien zugunsten ihrer Mitglieder einen Besitzstand wahren wollen, den diese unter der vormaligen Geltung eines Tarifvertrags anderer Tarifvertragsparteien erworben haben. Hierfür bedarf es aber ganz besonderer Anhaltspunkte (sh. auch zur Verweisung auf Tarifverträge, an denen eine andere Tarifvertragspartei beteiligt war BAG 28. April 2021 - 4 AZR 230/20 - Rn. 35).
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bb) Vorliegend fehlt es an den erforderlichen besonderen Anhaltspunkten dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit den Besitzstandsregelungen Ansprüche anderer Tarifverträge, an denen sie nicht beide beteiligt waren, sichern wollten. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien in § 22 Abs. 1 MTV und in § 7 Abs. 1 ETV den nicht näher spezifizierten Begriff der „Leistungen“ verwendet. Würde man mit dem Kläger davon ausgehen, dass hiervon auch Ansprüche erfasst sind, die Arbeitnehmern vor einem Tarifwechsel unter Geltung eines Tarifvertrags anderer Tarifvertragsparteien zugestanden haben, könnte aus Sicht der handelnden Tarifvertragsparteien im Zeitpunkt des Abschlusses des MTV und des ETV nicht abgeschätzt werden, welche tariflichen Ansprüche künftig bestehen. Dass gleichwohl ein solcher Wille bei den Tarifvertragsparteien des MTV und des ETV bestanden haben könnte, ist nicht ersichtlich. Ein anderes Ergebnis folgt schließlich nicht aus § 7 Abs. 2 ETV. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien mit dieser Regelung bisherige übertarifliche Leistungen der Arbeitgeberin als tariflichen Besitzstand hätten sichern wollen, wären die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche davon nicht erfasst. Bei diesen handelt es sich um solche aus einem vormals geltenden Tarifvertrag, nicht aber um übertarifliche Leistungen.
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III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
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M. Rennpferdt
Betz
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