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BAG 20.12.2022 - 9 AZR 401/19
BAG 20.12.2022 - 9 AZR 401/19 - Urlaub - 15 Monatsfrist - Mitwirkungsobliegenheiten
Vorinstanz
vorgehend ArbG Paderborn, 4. April 2019, Az: 2 Ca 1602/18, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 24. Juli 2019, Az: 5 Sa 676/19, Urteil
Leitsatz
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Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Bezugszeitraum, in dessen Verlauf der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben.
Tenor
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1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. Juli 2019 - 5 Sa 676/19 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin noch Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 zustehen.
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Die Klägerin wurde von der Beklagten auf Grundlage eines Dienstvertrags vom 9. Juli 2010 eingestellt. In den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (Stand: 4. April 2017; im Folgenden AVR Caritas) ist ua. geregelt:
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„§ 13
Erholungsurlaub
Die Ansprüche der Mitarbeiter auf Erholungsurlaub, Urlaubsgeld und Sonderurlaub regeln sich nach Anlage 14 zu den AVR.
…“
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Die Anlage 14 lautet auszugsweise:
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„Erholungsurlaub, Urlaubsgeld, Sonderurlaub
…
I.
Erholungsurlaub
§ 1
Entstehung des Anspruchs
(1)
Die Mitarbeiter und die zu ihrer Ausbildung Beschäftigten erhalten in jedem Urlaubsjahr den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen und haben einen weitergehenden Urlaubsanspruch im Gesamtumfang des § 3 Abs. 1. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
(2)
Der Erholungsurlaub dient der Erhaltung der Gesundheit. Der Mitarbeiter ist deshalb verpflichtet, den Erholungsurlaub tatsächlich zu nehmen und darf während des Erholungsurlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten.
(3)
Der Dienstgeber setzt auf Antrag des Mitarbeiters den Erholungsurlaub zeitlich fest. Dabei hat er die Urlaubswünsche des Mitarbeiters zu berücksichtigen, es sei denn, dass dringende dienstliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, diesen entgegenstehen.
…
(5)
Der Erholungsurlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Erholungsurlaub aus dringenden dienstlichen Gründen oder aus Gründen, die in der Person des Mitarbeiters liegen, bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Hat der Mitarbeiter den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, so ist ihm der Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.
…
Kann der gesetzliche Mindesturlaub und der Zusatzurlaub nach § 125 SGB IX infolge Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden, erlischt dieser Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Kann der weitergehende Urlaubsanspruch infolge von Arbeitsunfähigkeit nicht angetreten werden, gilt § 1 Abs. 5 Unterabsatz 1 Satz 2.
…
(7)
… Die wegen Arbeitsunfähigkeit nachzugewährenden Urlaubstage werden vom Dienstgeber auf Antrag des Mitarbeiters erneut festgesetzt.
…
§ 3
Dauer des Erholungsurlaubs
(1)
Der Urlaub des Mitarbeiters, dessen durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 5 Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist (Fünftagewoche), beträgt 30 Arbeitstage, soweit nicht eine für den Mitarbeiter günstigere gesetzliche Regelung (z.B. für Jugendliche und schwerbehinderte Menschen) oder für die zu ihrer Ausbildung Beschäftigten (Anlage 7 zu den AVR) eine Sonderregelung getroffen ist. Der Umfang des Urlaubs in Satz 1 gilt ab 1. Januar 2015.
…
(5)
Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf mehr als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, erhöht sich der Urlaub für jeden zusätzlichen Arbeitstag im Urlaubsjahr um 1/260 des Urlaubs nach Abs. 1 und § 4 zuzüglich eines etwaigen Zusatzurlaubs. …“
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Im Jahr 2017 erkrankte die Klägerin und konnte ihren Urlaub wegen der seither durchgehend bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig in Anspruch nehmen. Mit Schreiben vom 6. November 2018 forderte sie die Beklagte zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen auf. Die Beklagte lehnte dies in einem Schreiben vom 12. November 2018 mit der Begründung ab, im laufenden Arbeitsverhältnis könne der Urlaubsanspruch nicht abgegolten werden.
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Mit der am 19. Dezember 2018 eingereichten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, 14 Arbeitstage Urlaub aus dem Jahr 2017 seien nicht verfallen, weil die Beklagte es unterlassen habe, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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festzustellen, dass ihr aus dem Kalenderjahr 2017 noch Urlaub in Höhe von 14 Arbeitstagen zusteht.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der gesetzliche Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahr 2017 sei mit Ablauf des 31. März 2019 und der vertragliche Mehrurlaubsanspruch nach § 13 AVR Caritas iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 der Anlage 14 der AVR Caritas mit Ablauf des 30. April 2018 unabhängig davon erloschen, dass sie ihre Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs nicht erfüllt habe.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 7. Juli 2020 (- 9 AZR 401/19 (A) -) das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Vorabentscheidung ersucht, ob Art. 7 Richtlinie 88/2003/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC der Auslegung einer nationalen Regelung wie § 7 Abs. 3 BUrlG entgegen stehen, der zufolge der bisher nicht erfüllte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines im Verlauf des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers, der den Urlaub vor Beginn seiner Erkrankung im Urlaubsjahr - zumindest teilweise - noch hätte nehmen können, bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres auch in dem Fall erlischt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch entsprechende Aufforderung und Hinweise tatsächlich in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Hierzu ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 - [Fraport]) ergangen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Berufung der Klägerin gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob die Klage begründet ist. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht.
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I. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei einer Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers (vgl. grundlegend BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32, BAGE 142, 371) - angenommen, die Klage sei unbegründet, weil der gesetzliche und vertragliche Urlaubsanspruch der Klägerin infolge ihrer im Jahr 2017 eingetretenen und seither fortbestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in unionsrechtkonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens mit Ablauf des 31. März 2019 erloschen sei. Aufgrund der andauernden Arbeitsunfähigkeit sei der Verfall unabhängig davon eingetreten, dass die Beklagte die Klägerin zuvor nicht durch die Erfüllung ihrer Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs in die Lage versetzt habe, ihren Anspruch auszuüben. Bei Anwendung der AVR Caritas sei der vertragliche Mehrurlaub der Klägerin nach § 13 AVR Caritas iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 und 5 der Anlage 14 der AVR Caritas bereits mit Ablauf des 30. April 2018 verfallen.
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II. Diese Annahmen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindesturlaub, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, kann bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG grundsätzlich nur dann nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben. Diese Grundsätze gelten vorliegend auch für den vertraglichen Mehrurlaub.
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1. Im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs vom 6. November 2018 (- C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG sowie zu Art. 31 Abs. 2 der GRC hat das Bundesarbeitsgericht erkannt, dass bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG) erlischt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. im Einzelnen BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376, zu den inhaltlichen Anforderungen an die Mitwirkungsobliegenheiten vgl. Rn. 39 ff.).
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a) Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (vgl. BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 - Rn. 52, BAGE 130, 119). Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt (vgl. BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 43, BAGE 165, 376).
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b) Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 44, BAGE 165, 376).
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2. Ist der Arbeitnehmer - wie im Streitfall die Klägerin - infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung daran gehindert, seinen Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres zu nehmen, ergeben sich aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG Besonderheiten.
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können die vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums grundsätzlich nur unter der Voraussetzung verloren gehen, dass der betreffende Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch rechtzeitig auszuüben (EuGH 22. September 2022 - C-120/21 - Rn. 25, 45; 6. November 2018 - C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 61). Dementsprechend verfällt der Urlaubsanspruch nach Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums grundsätzlich nicht, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon arbeitsunfähig erkrankt und es ihm deshalb tatsächlich nicht möglich war, diesen Anspruch wahrzunehmen (EuGH 30. Juni 2016 - C-178/15 - [Sobczyszyn] Rn. 24 mwN; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 49).
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b) Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG ist jedoch nicht dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub völlig unabhängig von den Umständen erhalten bleiben müsste, derentwegen er den bezahlten Jahresurlaub nicht genommen hat (EuGH 6. November 2018 - C-684/16 - [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften] Rn. 30). So kann das Vorliegen „besonderer Umstände“ eine Ausnahme von der Regel, dass Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht erlöschen können, rechtfertigen, um die negativen Folgen einer unbegrenzten Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Abwesenheit wegen einer Langzeiterkrankung erworben wurden, zu vermeiden (EuGH 22. September 2022 - C-518/20 und C-727/20 - [Fraport] Rn. 35; 29. November 2017 - C-214/16 - [King] Rn. 53 f. mwN). Unter den besonderen Umständen, dass ein Arbeitnehmer während mehrerer aufeinanderfolgender Bezugszeiträume arbeitsunfähig ist, hat der Gerichtshof - mit Blick nicht nur auf den Schutz des Arbeitnehmers, den die Richtlinie 2003/88/EG bezweckt, sondern auch auf den des Arbeitgebers, der sich der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiten des Arbeitnehmers und den Schwierigkeiten, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können, ausgesetzt sieht - entschieden, dass ein Übertragungszeitraum von 15 Monaten zulässig ist, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt (vgl. EuGH 29. November 2017 - C-214/16 - [King] Rn. 53 ff.; 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 29 f., 38 ff.).
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c) Besondere Umstände im vorstehenden Sinne liegen jedoch idR nicht vor, wenn der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Laufe eines Bezugszeitraums erworben wurde, in dem der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder arbeitsunfähig wurde. In einem solchen Fall sind nicht allein gesundheitliche Gründe für die Kumulation von Urlaubsansprüchen und deren negativen Folgen für die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers ursächlich. Das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nach Ablauf des 15-monatigen Übertragungszeitraums setzt deshalb auch in dieser Konstellation grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, seinen Anspruch geltend zu machen (EuGH 22. September 2022 - C-518/20 und C-727/20 - [Fraport] Rn. 45).
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3. Unter Berücksichtigung der sich aus der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. November 2011 (- C-214/10 - [KHS]) ergebenden Grundsätze hat der Senat § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bisher dahingehend ausgelegt, dass gesetzliche Urlaubsansprüche zwar vor Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht erlöschen, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Sie sollten jedoch - bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit - mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergehen, ohne dass es darauf ankam, ob der Arbeitgeber die Mitwirkungsobliegenheiten bei der Gewährung und Inanspruchnahme des Urlaubs beachtet hat (vgl. BAG 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32, BAGE 142, 371). Diese Grundsätze, von denen auch das Landesarbeitsgericht bei seiner klageabweisenden Entscheidung ausgegangen ist, sind aufgrund der oben dargestellten Vorgaben des Gerichtshofs in der Entscheidung vom 22. September 2022 (- C-518/20 und C-727/20 - [Fraport] Rn. 38 ff.) weiterzuentwickeln.
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a) War der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig bzw. voll erwerbsgemindert, verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin nach Ablauf der 15 Monatsfrist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. In diesem Fall sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal. Der Urlaubsanspruch ist auf eine bezahlte Befreiung von der Arbeitspflicht gerichtet. Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung aus gesundheitlichen Gründen nicht erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 BGB von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht durch Urlaubsgewährung ist deshalb rechtlich unmöglich (BAG 7. Juli 2020 - 9 AZR 401/19 (A) - Rn. 26 mwN, BAGE 171, 231). Eine freie Entscheidung über die Verwirklichung des Anspruchs ist - ohne dass es auf die Aufforderungen und Hinweise des Arbeitgebers ankäme - von vornherein ausgeschlossen, weil die Arbeitsunfähigkeit auf psychischen oder physischen Beschwerden beruht und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig ist (st. Rspr., vgl. EuGH 25. Juni 2020 - C-762/18 und C-37/19 - [Varhoven kasatsionen sad na Republika Bulgaria] Rn. 66; 4. Oktober 2018 - C-12/17 - [Dicu] Rn. 32, 33 mwN).
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b) Demgegenüber ist § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BUrlG dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub, den er in einem Bezugszeitraum erworben hat, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder aufgrund einer seitdem fortbestehenden Krankheit arbeitsunfähig geworden ist, grundsätzlich nur dann gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten erlöschen kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben. In dieser Fallkonstellation trifft den Arbeitgeber grundsätzlich die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG. In der Regel führt erst die Erfüllung der daraus abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen, zur Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. grundlegend BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376).
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4. Diese Grundsätze gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub der Klägerin.
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a) Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen ist, die sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG), können die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln (vgl. BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 15, BAGE 150, 207). Für einen Regelungswillen der Arbeitsvertragsparteien, dem zufolge der vertragliche Mehrurlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des Übertragungszeitraums unabhängig davon verfallen soll, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten entsprochen hat, müssen deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Fehlen solche, ist von einem diesbezüglichen Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen (vgl. BAG 22. Januar 2019 - 9 AZR 328/16 - Rn. 33). Allein der Umstand, dass die Vertragsparteien gegenüber dem BUrlG eigenständige Regelungen zur Befristung und Übertragung bzw. zum Verfall des Anspruchs auf Mehrurlaub getroffen haben, lässt noch nicht darauf schließen, dass auch die gesetzlichen Mitwirkungsobliegenheiten abweichend geregelt werden sollten. Der dem Gleichlauf der Urlaubsansprüche entgegenstehende Regelungswille muss sich vielmehr auf den jeweils in Rede stehenden Regelungsgegenstand beziehen. Es genügt daher nicht, wenn in einem Arbeitsvertrag von Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes abgewichen wird, die mit den im Streit stehenden Regelungen nicht in einem inneren Zusammenhang stehen (vgl. BAG 12. Oktober 2021 - 9 AZR 577/20 (B) - Rn. 30).
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b) Vorliegend ist von einem Gleichlauf des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf vertraglichen Mehrurlaub auszugehen, weil es an deutlichen Anhaltspunkten für einen Regelungswillen der Parteien fehlt, dass der vertragliche Mehrurlaub abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG auch dann mit Ablauf des Kalenderjahres oder am Ende des jeweiligen Übertragungszeitraums verfallen soll, wenn die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen hat (vgl. BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 321/16 - Rn. 51 f. mwN). Die AVR Caritas regeln die Initiativlast und die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nicht abweichend vom Bundesurlaubsgesetz. Ein vom Gesetzesrecht abweichender Regelungswille im Hinblick auf die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers und die Folgen deren Nichtbeachtung hat darin keinen Niederschlag gefunden.
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aa) Soweit nach § 1 Abs. 3 Satz 1 der Anlage 14 der AVR Caritas der Dienstgeber den Erholungsurlaub „auf Antrag des Mitarbeiters“ zeitlich festsetzt, betrifft dies zwar das Verfahren der Urlaubsgewährung. Die Regelung bestimmt aber die Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nicht abweichend von den Vorgaben, die nach dem Bundesurlaubsgesetz für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten. Ein nicht rechtskundiger Arbeitnehmer musste § 1 Abs. 3 Satz 1 der Anlage 14 der AVR Caritas allein als Hinweis darauf verstehen, dass er nicht berechtigt ist, sich selbst zu beurlauben. Gleiches gilt, soweit § 1 Abs. 7 Satz 4 der Anlage 14 der AVR Caritas bei einer nachgewiesenen Erkrankung des Arbeitnehmers während des Urlaubs eine Neufestsetzung des Urlaubs „auf Antrag des Mitarbeiters“ vorsieht.
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bb) Auch § 1 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 14 der AVR Caritas, dem zufolge der Mitarbeiter verpflichtet ist, den Erholungsurlaub tatsächlich zu nehmen, besagt nichts darüber, wer die Initiativlast für die Inanspruchnahme des Urlaubs trägt. Soweit § 1 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 der Anlage 14 der AVR Caritas und verschiedene weitere Bestimmungen der Anlage 14 darauf abstellen, dass der Urlaub „anzutreten“ ist, betrifft dies die Festlegung der Befristungsdauer des Urlaubsanspruchs, nicht aber die Initiativlast für die Inanspruchnahme des Urlaubs.
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III. Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht entscheiden, ob der Klägerin für das Jahr 2017 noch 14 Arbeitstage Urlaub zustehen. Das Landesarbeitsgericht hat - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung konsequent - in der Sache nicht geprüft, wann die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin eingetreten ist, und welchen Umfang ihr Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 zu diesem Zeitpunkt aufwies. Es fehlt an Feststellungen zu der für die Klägerin maßgeblichen Verteilung der Arbeitszeit, sodass sich die Anzahl der ihr für das Jahr 2017 zustehenden Arbeitstage Urlaub nicht errechnen lässt. Unklar ist zudem, wie viele Urlaubstage der Klägerin für das Jahr 2017 gegebenenfalls bereits gewährt wurden. Soweit die Klägerin in der Revisionsinstanz schriftsätzlich vorgetragen hat, im Jahr 2017 in einer Dreitagewoche gearbeitet und 16 Arbeitstage Urlaub erhalten zu haben, konnte ihr Vorbringen bei der Entscheidung des Senats ebenso wenig berücksichtigt werden wie ihre Angabe, ihre Arbeitsunfähigkeit habe seit dem 17. Juli 2017 bestanden. Die Beklagte konnte die Angaben der Klägerin auf Nachfrage des Senats nicht bestätigen.
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IV. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht, nachdem es den Parteien rechtliches Gehör gewährt hat, unter Beachtung der dargelegten Grundsätze zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang die Urlaubsansprüche der Klägerin befristet waren und ob der ggf. bisher nicht gewährte gesetzliche Urlaub nach § 7 Abs. 3 BUrlG am 31. März 2019 des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres und der weitergehende Urlaub nach § 1 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der Anlage 14 am 30. April 2018 erloschen ist. Erforderlichenfalls ist der Umfang des entstandenen und verbleibenden gesetzlichen und weitergehenden Urlaubsanspruchs nach § 3 Abs. 1 BUrlG zu berechnen (vgl. hierzu im Einzelnen BAG 24. September 2019 - 9 AZR 481/18 - Rn. 14 ff., BAGE 168, 70; 19. März 2019 - 9 AZR 406/17 - Rn. 21 f., BAGE 166, 176), da § 3 Abs. 5 der Anlage 14 AVR Caritas die Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes lediglich nachvollzieht.
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