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BAG 27.02.2020 - 2 AZR 390/19
BAG 27.02.2020 - 2 AZR 390/19 - Außerordentliche Kündigung - Sonderkündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen - Kündigungserklärungsfrist
Normen
§ 626 Abs 2 S 1 BGB, § 91 Abs 5 SGB 9 vom 31.12.2017, § 174 Abs 5 SGB 9 2018, § 121 Abs 1 BGB, § 91 Abs 3 S 1 SGB 9 vom 31.12.2017, § 174 Abs 3 S 1 SGB 9 2018, § 91 Abs 3 S 2 SGB 9 vom 31.12.2017, § 174 Abs 3 S 2 SGB 9 2018, § 91 Abs 2 SGB 9 vom 31.12.2017, § 174 Abs 2 SGB 9 2018
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 16. Mai 2018, Az: 21 Ca 11385/17, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 21. Februar 2019, Az: 18 Sa 1073/18, Urteil
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Februar 2019 - 18 Sa 1073/18 - insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Mai 2018 - 21 Ca 11385/17 - insoweit zurückgewiesen hat, wie dieses festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. April 2016 nicht beendet wird.
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2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten aus April 2016.
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Die Beklagte betreibt eine Oberschule in B. Die Klägerin war bei ihr seit 1998 als Lehrerin beschäftigt. Im Dezember 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin zwei Abmahnungen. Mit Schreiben vom 27. Februar 2016 beschwerte sich die Elternvertreterin über den Unterricht der Klägerin. Am 29. Februar 2016 ließ die Klägerin eine Klassenarbeit schreiben, bei der sie nur einzelnen Schülerinnen und Schülern Hilfeleistungen gewährte.
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Mit Schreiben vom 16. März 2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos. Die Klägerin informierte die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 2016 über ihren am 3. Februar 2016 beim Landesamt für Gesundheit und Soziales gestellten Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung und auf Gleichstellung. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2017 stellte das Landesamt bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 fest.
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Die Beklagte beantragte am 8. April 2016 die Zustimmung des Integrationsamtes zu einer weiteren fristlosen Kündigung. Mit Bescheiden vom 20. April 2016 erteilte dieses die Zustimmung „zur beabsichtigten außerordentlichen (fristlosen) Kündigung“ bzw. „zur beabsichtigten hilfsweisen außerordentlichen (fristlosen) Verdachtskündigung“. Einer der Bescheide trägt einen Eingangsstempel der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 22. April 2016.
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Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 26. April 2016, der Klägerin am 28. April 2016 zugegangen, das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut außerordentlich fristlos.
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Die Klägerin hat gegen beide Kündigungen fristgerecht Klage erhoben. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Die Beklagte habe mit der Kündigung vom 26. April 2016 die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Der Vertrauensrat der Lehrer habe der Kündigung nicht zugestimmt.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - sinngemäß beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. April 2016 nicht beendet worden ist.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der nur in Bezug auf die Klage gegen die Kündigung vom 26. April 2016 zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht ihre Berufung gegen das klagestattgebende erstinstanzliche Urteil betreffend die Kündigung vom 26. April 2016 nicht zurückweisen. Über den darauf bezogenen Kündigungsschutzantrag kann der Senat aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Dies führt im angegriffenen Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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I. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung vom 26. April 2016 sei mangels Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die fristlose Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gem. § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat weder festgestellt, welche die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen waren, noch wann die Beklagte von ihnen Kenntnis erlangte.
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II. Bereits aus diesem Grund unterliegt das Berufungsurteil im mit der Revision angegriffenen Umfang der Aufhebung. Da der Senat nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht selbst über die Wirksamkeit der Kündigung vom 26. April 2016 entscheiden kann, ist die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren sind folgende Hinweise veranlasst:
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1. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Kündigung vom 26. April 2016, selbst wenn sie nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärt wurde, gem. § 91 Abs. 5 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (aF; § 174 Abs. 5 SGB IX nF) nicht aus diesem Grund unwirksam ist.
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a) Nach § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) kann eine außerordentliche Kündigung auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wird.
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aa) Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldhaft ist ein Zögern, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da „unverzüglich“ weder „sofort“ bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 16; 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 31). Nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände grundsätzlich keine Unverzüglichkeit mehr gegeben (zu § 174 BGB vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33, BAGE 140, 64).
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bb) Die Zustimmung ist „erteilt“ iSv. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF), sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF) getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF) nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gem. § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nF) als erteilt (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 15).
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cc) Nach den vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Feststellungen könnte die Beklagte die Kündigung vom 26. April 2016 in diesem Sinne unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt haben. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 28. April 2016 zu und damit noch innerhalb einer Woche gerechnet ab dem Datum des Eingangsstempels der Prozessbevollmächtigten der Beklagten auf einem der Zustimmungsbescheide. Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ersichtlich, dass das Integrationsamt die Entscheidung nicht innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nF) traf.
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b) Entgegen seinem weit gefassten Wortlaut könnte der Anwendungsbereich des § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) nach seinem Normzweck auf Fallgestaltungen beschränkt sein, in denen die Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB durch die Besonderheiten des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Arbeitnehmer bzw. ihnen Gleichgestellte bedingt war. Dies bedarf allerdings im Streitfall (noch) keiner abschließenden Entscheidung.
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aa) Nach seinem Wortlaut überwindet § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) den Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stets dann, wenn die außerordentliche Kündigung unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt wurde.
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bb) § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) soll dem Umstand Rechnung tragen, dass ein Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen außerordentlich kündigen will, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB typischerweise nicht wahren kann, weil er zunächst der Zustimmung des Integrationsamtes gem. §§ 91, 85 SGB IX aF (§§ 174, 168 SGB IX nF) bedarf (vgl. BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 15, BAGE 117, 168; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 114, 264). Ist die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits versäumt, ohne dass die Besonderheiten des Zustimmungserfordernisses dafür der Grund waren, könnte eine Anwendung von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) nicht nur zu einem Ausgleich der durch den Sonderkündigungsschutz geschaffenen Erschwernis führen, die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu wahren, sondern zu einer durch diese Erschwernisse nicht gerechtfertigten Besserstellung des Arbeitgebers.
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(1) So hat der Senat eine Kündigung, obwohl sie unverzüglich iSv. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erklärt worden war, wegen Versäumens der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB als unwirksam angesehen, weil die Frist bereits vor Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung bzw. einer entsprechenden Antragstellung des Arbeitnehmers abgelaufen war (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 22, BAGE 117, 168). Dem Arbeitgeber werde nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht noch eine weitere Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung nur deshalb eröffnet, weil er erst jetzt erfahre, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert ist (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 21, aaO). Reagiere er trotz vollständiger Kenntnis von den sonstigen kündigungsbegründenden Umständen nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB darauf, werde ihm nicht nur deshalb über § 91 SGB IX aF (§ 174 SGB IX nF) der Weg zu einer außerordentlichen Kündigung (wieder) eröffnet, weil er einige Zeit nach Erlangung dieser Kenntnisse auch von der festgestellten bzw. beantragten Schwerbehinderteneigenschaft erfahren hat und deshalb eine neue Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begönne (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 20, aaO). Mit Erteilung der Zustimmung beginne durch § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) „keine neue Ausschlussfrist zu laufen“, die Bestimmung „dehn(e) … die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB (lediglich) aus“ (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 22, aaO). Der „Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB“ werde insoweit „aufgeschoben“ (BAG 24. November 2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 33, BAGE 140, 47).
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(2) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob daran uneingeschränkt festzuhalten ist (ablehnend ErfK/Niemann 20. Aufl. BGB § 626 Rn. 228b; zustimmend wohl Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 174 Rn. 16, 28). Gegen ein Verständnis von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) als „Ausdehnung“ der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB oder „Aufschieben“ ihres Ablaufs spricht allerdings der Gesetzeswortlaut von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF). Die Regelung bestimmt, dass eine Kündigung gerade „auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB“ erfolgen kann, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung erklärt wird. Darin liegt keine „Ausdehnung“ der Frist oder ein „Aufschieben“ ihres Ablaufs. Der Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist vielmehr Anwendungsvoraussetzung von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF). In Betracht kommt daher allenfalls eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF), sofern die Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht durch die Besonderheiten des Sonderkündigungsschutzes bedingt war (in diese Richtung wohl auch Knittel SGB IX Kommentar 11. Aufl. § 91 Rn. 43).
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(a) Auch gegen eine solche teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) spricht indes die gesonderte Fristenregelung in § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF). Danach kann die gem. § 91 Abs. 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 1 SGB IX nF) iVm. § 85 SGB IX aF (§ 168 SGB IX nF) erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden (§ 91 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF; § 174 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF). Die Frist beginnt gem. § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF) mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Fristbestimmung ist damit § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB nachgebildet. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber sie zusammen mit der Anforderung gem. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) als Äquivalent und damit - entgegen der bisherigen Senatsrechtsprechung (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - BAGE 117, 168; wohl auch 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 14) - als Ersatz für die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB konzipiert hat (vgl. auch ErfK/Niemann 20. Aufl. BGB § 626 Rn. 228b: § 174 Abs. 5 SGB IX regele die Kündigungserklärungsfrist eigenständig; aA, ohne nähere Begründung, Hiebert Verfahrensprobleme im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen nach den §§ 85 bis 92 SGB IX S. 249). Dem Problem, dass der Arbeitgeber bereits zu lange zugewartet haben kann, bevor er einen Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beim Integrationsamt stellt, wäre demnach durch § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF) abschließend Rechnung getragen.
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(b) Die vorgenannte Sichtweise würde zudem die schwerlich zu rechtfertigende doppelte Prüfung einer Zweiwochenfrist zwischen Kenntnis von den Kündigungsgründen und Antragstellung beim Integrationsamt sowohl durch die Gerichte für Arbeitssachen nach § 626 Abs. 2 BGB als auch durch das Integrationsamt bzw. die Verwaltungsgerichte nach § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF) - mit möglicherweise einander widersprechenden Ergebnissen - vermeiden, zu der aber die bisherige Senatsrechtsprechung (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 14 ff., BAGE 117, 168) führen kann. Über die Wahrung der Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF) haben allein das Integrationsamt und ggf. die Verwaltungsgerichte zu befinden. Dass damit vom Integrationsamt auch die Berücksichtigung von Umständen, die für das arbeitsrechtliche Kündigungsschutzverfahren von Bedeutung sind, verlangt wird, liegt in der Natur der Sache (zu § 21 Abs. 2 SchwbG vgl. BVerwG 2. Mai 1996 - 5 B 186.95 -). Die gesetzliche Regelung setzt gerade voraus, dass der Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Prüfung demjenigen der arbeitsrechtlichen Prüfung entspricht (zu § 91 Abs. 4 SGB IX aF vgl. BVerwG 12. Juli 2012 - 5 C 16.11 - Rn. 18, BVerwGE 143, 325). Für die Beurteilung der Frage der Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund gelten dieselben Erwägungen, die bei der Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu beachten sind (BVerwG 15. September 2005 - 5 B 48.05 - zu 1.2 der Gründe; 2. Mai 1996 - 5 B 186.95 -). Zwar beginnt die Frist des § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF) im Grundsatz nicht zu laufen, bevor der Arbeitgeber von einer bereits festgestellten oder beantragten Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers Kenntnis hat (zu § 21 Abs. 2 Satz 1 SchwbG vgl. BVerwG 5. Oktober 1995 - 5 B 73.94; zu § 18 Abs. 2 Satz 1 SchwbG 1974 vgl. auch BAG 14. Mai 1982 - 7 AZR 1221/79 - zu I 3 a dd der Gründe, BAGE 39, 59; 23. Februar 1978 - 2 AZR 462/76 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 30, 141). Dies erscheint aber jedenfalls dann sachgerecht, wenn der Arbeitgeber - wie hier - erst nach einer rechtzeitig innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärten Kündigung Kenntnis von der Schwerbehinderung bzw. einer entsprechenden Antragstellung erlangt (ebenso LAG Rheinland-Pfalz 21. September 2011 - 8 Sa 175/11 -; KR/Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 360; KR/Gallner 12. Aufl. § 174 SGB IX § 174 Rn. 10; Knittel SGB IX Kommentar 11. Aufl. § 91 Rn. 44; Kossens in Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 4. Aufl. § 91 Rn. 9). Ob dies auch gelten kann, wenn der Arbeitgeber erst nach Ablauf von zwei Wochen nach Kenntnis von den Kündigungsgründen von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers bzw. einer entsprechenden Antragstellung erfährt, aber nicht schon innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB eine Kündigung ohne Zustimmung des Integrationsamtes erklärt hat, wäre ebenfalls allein im Rahmen der Fristenprüfung nach § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF) zu klären. Die Arbeitsgerichte wären an eine erteilte Zustimmung gebunden und auf eine Prüfung der Unverzüglichkeit der Kündigung gem. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) beschränkt.
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cc) Die angesprochenen Fragen zum Verhältnis von § 626 Abs. 2 BGB zu § 91 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 und Abs. 5 SGB IX nF) bedürfen jedoch im Streitfall keiner Entscheidung. Jedenfalls die vorliegende Fallkonstellation verlangt keine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF). Die Versäumung der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB war hier allein durch die Besonderheiten des Sonderkündigungsschutzes bedingt. Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB die erste außerordentliche Kündigung (vom 16. März 2016) erklärt und zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der Schwerbehinderung der Klägerin bzw. ihrer darauf bezogenen Antragstellung. Da der Arbeitnehmer seine Schwerbehinderung bzw. - sofern die Schwerbehinderung später rückwirkend anerkannt wird - eine noch rechtzeitig vor der Kündigung erfolgte Antragstellung auch nachträglich noch mit Erfolg gegenüber einer solchen in Unkenntnis erklärten Kündigung geltend machen kann (vgl. dazu zuletzt BAG 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 20, 22), war die erste Kündigung allein aufgrund des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Arbeitnehmer unwirksam und die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits abgelaufen, als die Beklagte Kenntnis von der Antragstellung der Klägerin erlangte. Die Beklagte konnte den Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes damit notwendigerweise erst nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellen. In einer solchen Konstellation entspricht die Überwindung der Versäumung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB durch die Möglichkeit gem. § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF), die Kündigung noch unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung zu erklären, uneingeschränkt dem Sinn und Zweck der Bestimmung.
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c) Die Beklagte musste entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht „analog § 91 Abs. 5 SGB IX aF“ unverzüglich, nachdem sie Kenntnis von der Antragstellung der Klägerin auf Anerkennung als Schwerbehinderte erlangte, den Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beim Integrationsamt stellen. Für eine analoge Anwendung von § 91 Abs. 5 SGB IX aF (§ 174 Abs. 5 SGB IX nF) fehlt es bereits an der dafür erforderlichen Gesetzeslücke. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung beim Integrationsamt bestimmt sich nach § 91 Abs. 2 SGB IX aF (§ 174 Abs. 2 SGB IX nF). Die Einhaltung der Frist ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung der Zustimmung (BVerwG 2. Mai 1996 - 5 B 186.95 -). Sie ist allein vom Integrationsamt bzw. im Falle der Anfechtung der Entscheidung von den Verwaltungsgerichten zu prüfen (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 17, BAGE 117, 168; Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 174 Rn. 16; Knittel SGB IX Kommentar 11. Aufl. § 91 Rn. 38; Neumann in Neumann/Pahlen/Winkler/Jabben SGB IX 13. Aufl. § 174 Rn. 17). Liegt eine Zustimmung zur Kündigung vor, haben die Arbeitsgerichte dies ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten hat zur Folge, dass die Gerichte aller Rechtszweige an ihr Bestehen und ihren Inhalt gebunden sind, selbst wenn sie rechtswidrig sind, soweit dem Gericht nicht die Kontrollkompetenz eingeräumt ist (BAG 8. Mai 2018 - 9 AZR 531/17 - Rn. 33; 14. September 2011 - 10 AZR 466/10 - Rn. 19). Das folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG und § 43 VwVfG bzw. § 39 SGB X. Ein (rechtswirksamer) Verwaltungsakt ist daher grundsätzlich von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen (st. Rspr., vgl. BAG 8. Mai 2018 - 9 AZR 531/17 - aaO; BVerwG 30. Januar 2003 - 4 CN 14.01 - zu 1 der Gründe, BVerwGE 117, 351). Die Tatbestandswirkung entfällt nur, wenn der Verwaltungsakt nichtig ist (BAG 8. Mai 2018 - 9 AZR 531/17 - aaO; 14. September 2011 - 10 AZR 466/10 - aaO). Eine nicht nichtige Zustimmung des Integrationsamtes entfaltet damit so lange Wirksamkeit, wie sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist. Nach rechtskräftiger Abweisung seiner Kündigungsschutzklage steht dem Arbeitnehmer ggf. die Restitutionsklage nach § 580 ZPO offen (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 22, 24, BAGE 145, 199).
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2. Das Landesarbeitsgericht wird demnach zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung vom 26. April 2016 vorlag. Ist dies der Fall, wird es die maßgeblichen Tatsachen festzustellen und zu würdigen haben, ob die Beklagte die Kündigung vom 26. April 2016 iSd. § 91 Abs. 5 SGB IX aF unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung durch das Integrationsamt erklärte. Ob die Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX aF gewahrt wurde, unterliegt dagegen nicht der Überprüfung durch das Landesarbeitsgericht. Die vom Integrationsamt erteilte und, soweit ersichtlich, nicht nichtige Zustimmung entfaltet Bindungswirkung, solange sie nicht rechtskräftig aufgehoben ist. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch aufzuklären haben, ob die Kündigung - wofür gegenwärtig nichts ersichtlich ist - wegen fehlender Zustimmung des Vertrauensrats der Lehrer unwirksam ist.
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