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BAG 26.09.2017 - 1 AZR 137/15
BAG 26.09.2017 - 1 AZR 137/15 - Auslegung eines Sozialplans
Normen
Vorinstanz
vorgehend ArbG Leipzig, 2. Juli 2014, Az: 4 Ca 834/14, Urteil
vorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 29. Januar 2015, Az: 8 Sa 435/14, Urteil
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 29. Januar 2015 - 8 Sa 435/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über eine höhere Sozialplanabfindung.
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Der Kläger war bei der Beklagten als Warensetzer am Standort H beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war die Geltung des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer/innen in den sächsischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vereinbart. Nach dessen § 9 waren ua. für Sonntags- und Nachtarbeit Zuschläge zu zahlen. Darüber hinaus erhielt der Kläger einen „Leistungslohn“ nach den Bestimmungen einer im Januar 2004 geschlossenen und zum 31. Dezember 2004 ohne Nachwirkung außer Kraft getretenen Betriebsvereinbarung. Für dessen Höhe war die Anzahl der monatlich über eine bestimmte Soll-Leistung hinaus gesammelten Verkaufseinheiten („Colli“) maßgebend.
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Im Oktober 2013 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan (GBV SP). Nach § 3 GBV SP werden Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den Regelungen des von der Beklagten mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) am 15. März 2010 abgeschlossenen Sozialtarifvertrags (S-TV) in Abhängigkeit vom Bruttomonatsentgelt sowie der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers gewährt. Abweichend vom Sozialtarifvertrag regelt die GBV SP den Faktor der Abfindung mit 1,1 und sieht einen Kinderzuschlag vor. Nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 S-TV bestimmt sich das abfindungsrelevante Bruttomonatsentgelt wie folgt:
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„Als Bruttomonatsentgelt gilt das im Monat des Ausscheidens bezogene Bruttomonatsentgelt ohne individuelle Zulagen, ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ohne Überstundenvergütung und vermögenswirksame Leistungen. …“
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Der Kläger schied aufgrund der beabsichtigten Schließung des Standorts auf der Grundlage eines Aufhebungsvertrags zum 31. Dezember 2013 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Die Beklagte legte für die Berechnung der Sozialplanabfindung das vom Kläger im Dezember 2013 bezogene Tarifentgelt sowie eine in der Höhe feste monatliche Besitzstandszahlung zugrunde. Unberücksichtigt ließ sie den „Leistungslohn“ sowie die angefallenen Sonntags- und Nachtzuschläge.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der bezogene „Leistungslohn“ sowie die Sonntags- und Nachtzuschläge seien Bestandteile des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts. Es handele sich nicht um „individuelle Zulagen“ iSd. Sozialtarifvertrags.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 3.553,61 Euro als Sozialplanabfindung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch auf eine höhere Abfindung nach der GBV SP. Bei den geltend gemachten Entgeltbestandteilen handelt es sich um „individuelle Zulagen“ iSd. § 3 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV. Diese sind bei der Berechnung der Abfindung nicht zu berücksichtigen.
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1. Nach § 3.1 GBV SP ist für die Berechnung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes das Bruttomonatsentgelt gemäß Ziff. II § 1 Nr. 5 S-TV zugrunde zu legen. Mittels einer solchen Regelungstechnik haben die Betriebsparteien diese Bestimmung des Sozialtarifvertrags zum Inhalt der GBV SP gemacht.
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2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 17. November 2015 - 1 AZR 881/13 - Rn. 13 mwN).
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Dieser Auslegungsgrundsatz gilt auch, wenn die Betriebsparteien tarifliche Regelungen in eine Betriebsvereinbarung einbeziehen. Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf die Auslegung des Sozialtarifvertrags unter Heranziehung des Sprachgebrauchs in davon unabhängigen Mantel- und Entgelttarifverträgen an, die auf Arbeitgeberseite von anderen Vertragsparteien geschlossen wurden. Damit hat das Landesarbeitsgericht zum einen rechtsfehlerhaft eine tarifvertragsübergreifende Auslegung vorgenommen (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 41 mwN, BAGE 129, 238) und zum anderen nicht auf den Willen der Betriebsparteien abgestellt.
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3. Nach den genannten Grundsätzen handelt es sich bei dem „Leistungslohn“ sowie den Zuschlägen für Nacht- und Sonntagsarbeit um „individuelle Zulagen“, die nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV nicht Teil des abfindungsrelevanten Bruttomonatsentgelts sind.
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a) Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die fraglichen Entgeltbestandteile „individuelle Zulagen“ in deren Sinne sind. „Individuell“ kann sich - wie der Kläger annimmt - auf eine individuelle vertragliche Abrede als Rechtsgrund für die Leistung oder auf die besonderen Verhältnisse in der Person des betreffenden Arbeitnehmers oder dessen Arbeitssituation beziehen. Der Begriff „Zulage“ hat auch ebenso wenig wie der eines „Zuschlags“ einen feststehenden Inhalt. Er deutet aber darauf hin, dass es sich um einen Entgeltbestandteil handelt, der zusätzlich neben einem monatlichen Grundentgelt geleistet wird.
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b) Die Systematik der GBV SP erlaubt ebenfalls keine unmissverständliche Feststellung, welche Bedeutung dem Begriff zukommen soll. Erkennbar ist allerdings das Anliegen der Betriebsparteien. Bei den nicht berücksichtigungsfähigen Entgeltbestandteilen unterscheiden sie zwischen solchen, die - wie die vermögenswirksamen Leistungen - zweckgebunden sind und anderen wie den „individuellen Zulagen“, aber auch Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie eine Überstundenvergütung. Weiterhin bestimmt sich der zeitliche Bezugspunkt zur Berechnung der Abfindung nicht nach einem längeren Referenzzeitraum, sondern nur nach der Entgeltzahlung im Monat des Ausscheidens. Das lässt bereits auf den Willen der Betriebsparteien schließen, mögliche Entgeltschwankungen und zweckgebundene Leistungen des Arbeitgebers nicht in die Abfindungsberechnung einfließen zu lassen.
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c) Vor allem Sinn und Zweck der Sozialplanregelungen sprechen dafür, unter „individuellen Zulagen“ solche Entgeltbestandteile zu verstehen, die monatlich nicht in gleichbleibender Höhe oder in gleichbleibendem Umfang anfallen, weil sie von der jeweiligen Lage der Arbeitszeit, der Qualität oder Quantität der individuellen Arbeitsleistung oder vom Eintreten einmaliger Ereignisse abhängig sind.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Senats haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste. Vielmehr sollen sie die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes infolge einer Betriebsänderung ausgleichen oder zumindest abmildern (BAG 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 17, BAGE 153, 333). Dieser wirtschaftliche Nachteil wird maßgeblich bestimmt durch die in dem bisherigen Arbeitsverhältnis bezogene Vergütung. Das rechtfertigt es, diese zur Bezugsgröße für die in dem Sozialplan vorgesehenen Überbrückungsleistungen zu machen (BAG 22. September 2009 - 1 AZR 316/08 - Rn. 16, BAGE 132, 132). Dabei haben die Betriebsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum, ob und inwieweit sie bei der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Schwankungen der monatlichen Vergütung berücksichtigen. Sie können beispielsweise bestimmen, dass sich die Abfindungshöhe nach einer zuletzt bezogenen Bruttomonatsvergütung richtet und hiervon bestimmte Entgeltbestandteile ausnehmen oder, dass der Durchschnitt des in einem Referenzzeitraum erzielten monatlichen Arbeitseinkommens maßgebend sein soll. Solche Berechnungsvarianten bezwecken, den Ausgleich oder die Abmilderung der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile eines Arbeitsplatzverlustes nicht an den Zufälligkeiten des jeweiligen Entgeltbezugs auszurichten.
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bb) Einem solchen Zweck dient auch die nach § 3.1 GBV SP iVm. Ziff. II § 1 Nr. 5 Satz 1 S-TV geregelte Berechnung des zugrunde zu legenden Bruttomonatsentgelts. Diese will ersichtlich Verdienstschwankungen unberücksichtigt lassen, die ihre Ursache in den Gegebenheiten der dem Abrechnungsmonat zugrunde liegenden individuellen Arbeitsleistung oder der Fälligkeit von besonderen Vergütungsbestandteilen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) haben und damit aus Sicht der Betriebsparteien zur typisierenden Bemessung der zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile nicht geeignet sind.
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cc) Danach handelt es sich bei dem „Leistungslohn“ sowie den Nacht- und Sonntagszuschlägen um „individuelle Zulagen“ iSd. GBV SP. Der dem Kläger gezahlte „Leistungslohn“ berechnete sich nach der Anzahl der über eine festgelegte Soll-Leistung pro Arbeitsstunde hinaus gesammelten „Colli“ (Verpackungseinheiten). Die Höhe der Sonntags- und Nachtarbeitszuschläge beruhte nach dem in Bezug genommenen Manteltarifvertrag auf den jeweils geleisteten Stunden zu diesen Zeiten und war damit abhängig von der monatlich unterschiedlichen Lage der persönlichen Arbeitszeit des Klägers.
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