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BAG 21.04.2016 - 8 AZR 402/14
BAG 21.04.2016 - 8 AZR 402/14 - Entschädigung nach dem AGG - Präventionsverfahren
Normen
§ 84 Abs 1 SGB 9, § 15 Abs 2 AGG, § 1 Abs 1 KSchG, Art 2 UAbs 3 UNBehRÜbk, Art 2 UAbs 4 UNBehRÜbk, § 7 Abs 1 AGG, § 3 Abs 1 S 1 AGG, § 1 AGG, Art 5 EGRL 78/2000
Vorinstanz
vorgehend ArbG Stuttgart, 23. Oktober 2013, Az: 29 Ca 3414/13, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 17. März 2014, Az: 1 Sa 23/13, Urteil
Leitsatz
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1. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX ist keine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK (juris: UNBehRÜbk).
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2. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. März 2014 - 1 Sa 23/13 - wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, an die Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, weil es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX weder durchgeführt noch eingeleitet hatte.
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Die Klägerin ist Diplom-Ökonomin. Im Jahr 2009 erlitt sie nach ihren Angaben einen „Burnout“. Seit 2009 oder 2010 ist sie als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Ob dies auch auf den „Burnout“ zurückzuführen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
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Das beklagte Land stellte die Klägerin zum 1. Oktober 2012 als Leiterin der Organisationseinheit 0 beim L ein. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 3. September 2012 sieht in § 3 eine Probezeit von sechs Monaten vor. Für die Einarbeitungsphase erstellte das L einen Einarbeitungsplan. In welchem Umfang dieser tatsächlich umgesetzt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin erhielt zudem die Gelegenheit, an zwei EFQM-Modulen der Deutschen Gesellschaft für Qualität teilzunehmen. Sie schloss diese Ausbildung am 26. Januar 2013 erfolgreich ab.
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Bereits am 18. Januar 2013 hatte der Präsident des L der Hauptschwerbehindertenvertretung der Polizei beim Innenministerium des Landes Baden-Württemberg im Rahmen eines Gesprächs mitgeteilt, dass die Klägerin seine Erwartungen bislang nicht erfüllt habe. Am 11. Februar 2013 führte er mit der Klägerin ein Personalgespräch, in dem er diese über seine Absicht informierte, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit zu beenden. Mit Schreiben vom 8. März 2013 kündigte das beklagte Land das mit der Klägerin begründete Arbeitsverhältnis fristgerecht zum Ablauf des 31. März 2013.
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Die Klägerin, die die Kündigung nicht angegriffen hat, machte mit Schreiben vom 18. April 2013 gegenüber dem beklagten Land einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend und führte zur Begründung aus, das beklagte Land habe es vor Ausspruch der Kündigung unterlassen, das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX einzuleiten. Das beklagte Land lehnte mit Schreiben vom 25. April 2013 die Zahlung einer Entschädigung ab. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Ansicht vertreten, das beklagte Land habe sie dadurch wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt, dass es ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt oder nicht zumindest eingeleitet habe. Das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX sei eine besondere Schutzmaßnahme zur Vermeidung von Nachteilen für schwerbehinderte Menschen und auch vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG durchzuführen. Zudem sei es eine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 2 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Werde - wie in ihrem Fall - eine solche Vorkehrung nicht getroffen, sei dies als Diskriminierung zu werten.
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Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 11.176,98 Euro nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2013 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, während der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG habe keine Rechtspflicht zur Durchführung des Präventionsverfahrens bestanden. Andernfalls würden schwerbehinderte Arbeitnehmer besser gestellt als nicht behinderte Arbeitnehmer. Auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern müsse der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, den Arbeitnehmer frei von Kündigungsbeschränkungen zu erproben.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Aufhebung des am 26. Juni 2013 ergangenen klagestattgebenden Versäumnisurteils abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die Fristen des § 15 Abs. 4 AGG und des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt hat; die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe nicht dadurch gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, dass es ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt hat, ist im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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1. Das AGG ist im vorliegenden Fall anwendbar.
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a) Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG und das beklagte Land ist Arbeitgeber iSv. § 6 Abs. 2 AGG.
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b) Der Anwendbarkeit von § 15 Abs. 2 AGG steht auch nicht die in § 2 Abs. 4 AGG getroffene Regelung entgegen, wonach für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Abgesehen davon, dass durch § 2 Abs. 4 AGG Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG auch im Fall einer diskriminierenden Kündigung nicht ausgeschlossen werden (vgl. BAG 12. Dezember 2013 - 8 AZR 838/12 - Rn. 18 ff., BAGE 147, 50), stützt die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch nicht darauf, sie sei durch die Kündigung des beklagten Landes vom 8. März 2013 wegen einer Behinderung benachteiligt worden, sondern macht ausschließlich geltend, das beklagte Land habe dadurch gegen das Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, dass es kein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchgeführt oder zumindest eingeleitet habe.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da das beklagte Land die Klägerin nicht entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Behinderung benachteiligt hat.
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a) Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus und ist verschuldensunabhängig.
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Nach dem in § 7 Abs. 1 AGG bestimmten Benachteiligungsverbot ist eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung untersagt. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dabei kann die Benachteiligung statt in einem aktiven Tun auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32; BAG 20. Juni 2013 - 8 AZR 482/12 - Rn. 34; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 25, BAGE 142, 158).
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b) Das beklagte Land hat die Klägerin nicht entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen einer Behinderung benachteiligt.
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aa) Eine solche Benachteiligung liegt entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nicht darin, dass das beklagte Land ihr, indem es das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt oder zumindest eingeleitet hat, eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK vorenthalten hätte.
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(1) Es spricht viel dafür, dass § 3 Abs. 1 AGG unionsrechtskonform dahin auszulegen ist, dass eine Diskriminierung wegen einer Behinderung auch dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber dem behinderten Arbeitnehmer angemessene Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK versagt.
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Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, was nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten (dazu, dass Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im AGG keine wortgleiche Umsetzung erfahren hat vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158). Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 der UN-BRK, dass von der „Diskriminierung aufgrund von Behinderung“ alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Unterabs. 4 der UN-BRK sind „angemessene Vorkehrungen“ notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - ggf. unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 62/13 - Rn. 27; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (EuGH 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 28 bis 32).
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(2) Die Frage, wie § 3 Abs. 1 AGG im Lichte von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK auszulegen ist, kann jedoch dahinstehen, da das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX keine angemessene Vorkehrung im Sinne dieser Bestimmungen ist.
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(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinen Entscheidungen vom 4. Juli 2013 (- C-312/11 - [Kommission/Italien]) und vom 11. April 2013 (- C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“]) ausgeführt, dass unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSv. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK ebenso wie unter „angemessenen Vorkehrungen“ iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG materielle oder organisatorische Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitsumgebung, die Arbeitsorganisation oder die Aus- und Fortbildung zu verstehen sind, die der einzelne Arbeitgeber im Rahmen der Zumutbarkeit zu ergreifen hat, um dem behinderten Arbeitnehmer ua. die Ausübung eines Berufs zu ermöglichen (vgl. EuGH 4. Juli 2013 - C-312/11 - [Kommission/Italien]; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 49, 55; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 52 , BAGE 147, 60 ). Damit übereinstimmend hatte der Gerichtshof der Europäischen Union bereits in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 (- C-303/06 - [Coleman] Rn. 39, 42, Slg. 2008, I-5603) unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe 16 und 20 der Richtlinie 2000/78/EG klargestellt, dass es sich bei den Vorkehrungen iSv. Art. 5 der Richtlinie um Maßnahmen handelt, mit denen den Bedürfnissen behinderter Menschen bei der Arbeit Rechnung getragen und der Arbeitsplatz dieser Menschen entsprechend ausgestaltet werden soll und dass „Angemessenheit“ bedeutet, dass die Maßnahmen geeignet und im konkreten Fall erforderlich sind.
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(b) Danach ist das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine „angemessene Vorkehrung“ iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i iVm. Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK.
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§ 84 Abs. 1 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt einzuschalten, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann. Mit § 84 Abs. 1 SGB IX hat der Gesetzgeber den bisherigen § 14c SchwbG (Schwerbehindertengesetz), der seinerseits im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29. September 2000 in das SchwbG eingeführt worden war, in das SGB IX übernommen. Ausweislich der Entstehungsgeschichte hatte § 14c SchwbG zum Ziel, Schwierigkeiten bei der Beschäftigung möglichst gar nicht entstehen zu lassen, sie ggf. möglichst frühzeitig zu beheben (BT-Drs. 14/3372 S. 19). Durch die dem Arbeitgeber in § 84 Abs. 1 SGB IX auferlegten Verhaltenspflichten soll demnach zwar möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen begegnet, die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht und die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen verhindert werden (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 26, BAGE 120, 293). Allerdings beschreibt § 84 Abs. 1 SGB IX selbst keine im konkreten Einzelfall geeignete, erforderliche und dem Arbeitgeber zumutbare materielle oder organisatorische Maßnahme, sondern lediglich ein Verfahren, dessen Ziel es ist, frühzeitig zu ermitteln, worauf die Schwierigkeiten im Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis im konkreten Einzelfall zurückzuführen sind und ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Ziel zu erreichen, das Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortzusetzen (vgl. etwa BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/16 - aaO).
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(c) Der Umstand, dass sich im Verlaufe eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX herausstellen kann, dass den Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis mit einer angemessenen, den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belastenden Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK begegnet werden kann, gebietet keine andere Beurteilung. Hierdurch wird das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX weder eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 2 Unterabs. 3 und Unterabs. 4 der UN-BRK noch Teil einer solchen.
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Unionsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Zwar verlangt Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG von den Mitgliedstaaten, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen zu treffen, um den Zugang zur Beschäftigung zu ermöglichen; auch haben die Vertragsstaaten nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i der UN-BRK sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Jedoch schreiben weder die Richtlinie 2000/78/EG noch die Bestimmungen der UN-BRK ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung angemessener Vorkehrungen vor.
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bb) Vorliegend kann dahinstehen, ob das Präventionsverfahren eine positive Maßnahme zugunsten schwerbehinderter Menschen iSv. § 5 AGG sowie von Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ist (dafür Däubler/Bertzbach/Hinrichs/Zimmer AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 45) und ob das Unterlassen einer solchen Maßnahme an sich eine Benachteiligung wegen einer Behinderung iSv. § 3 Abs. 1 AGG sein kann; selbst wenn dies der Fall sein sollte, könnte die Klägerin aus dem Umstand, dass das beklagte Land ein Präventionsverfahren gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX weder durchgeführt noch zumindest eingeleitet hat, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Entgegen ihrer Rechtsauffassung war das beklagte Land nicht verpflichtet, zu ihren Gunsten ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX einzuleiten oder durchzuführen. Die Klägerin ist vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land ausgeschieden. Während der Wartezeit iSv. § 1 Abs. 1 KSchG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX durchzuführen und muss es deshalb auch nicht einleiten. Dies ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX.
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(1) § 84 Abs. 1 SGB IX knüpft mit dem Begriff der „personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten“ Schwierigkeiten an die Terminologie des KSchG, nämlich an die in § 1 Abs. 2 KSchG verwendeten Begriffe „Gründe … in der Person“, „Gründe … in dem Verhalten“ und „dringende betriebliche Erfordernisse“ an. Soweit § 84 Abs. 1 SGB IX - anders als § 1 Abs. 2 KSchG - nicht das Vorliegen von Kündigungsgründen fordert, sondern Schwierigkeiten und damit Unzuträglichkeiten, die noch nicht den Charakter von Kündigungsgründen aufweisen, ausreichen lässt, beruht dies darauf, dass das in § 84 Abs. 1 SGB IX geregelte Verfahren ein präventives Verfahren ist, das dem Entstehen von Kündigungsgründen zuvorkommen soll (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 30, BAGE 120, 293).
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(2) In der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG kommt es jedoch auf einen Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG nicht an. Vielmehr sollen die Parteien während dieser Zeit prüfen können, ob sie sich dauerhaft vertraglich binden wollen (vgl. etwa BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 859/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 147, 251). Die Bindung des Arbeitgebers während der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist mit Rücksicht auf seinen Grundrechtsschutz nach Art. 12 GG (vgl. hierzu BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 35; 28. Juni 2007 - 6 AZR 750/06 - Rn. 40, BAGE 123, 191) gering ausgeprägt. Der Arbeitgeber kann aus Motiven kündigen, die weder auf personen-, verhaltens- noch betriebsbedingten Erwägungen beruhen, solange die Kündigung nicht aus anderen Gründen (zB §§ 138, 242 BGB) unwirksam ist. Es bedarf noch nicht einmal irgendwie gearteter „Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis“ iSv. § 84 Abs. 1 SGB IX.
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(3) Dies gilt auch dann, wenn es um die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen geht. Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX gilt auch der präventive Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen nicht für Kündigungen, die in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Das Integrationsamt ist in diesen Fällen vor Ausspruch der Kündigung nicht zu beteiligen. Der Arbeitgeber hat solche Kündigungen nach § 90 Abs. 3 SGB IX nur innerhalb von vier Tagen dem Integrationsamt anzuzeigen. Mit § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX hat der Gesetzgeber die Grundrechtspositionen des schwerbehinderten Arbeitnehmers einerseits und des Arbeitgebers andererseits in einen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Ausgleich gebracht. Danach hat der Arbeitgeber auch bei schwerbehinderten Arbeitnehmern die Gelegenheit, die Einsatzmöglichkeiten weitgehend frei von Kündigungsbeschränkungen zu erproben (vgl. etwa BAG 24. Januar 2008 - 6 AZR 96/07 - Rn. 35; 28. Juni 2007 - 6 AZR 750/06 - Rn. 40, BAGE 123, 191).
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(4) Dafür, dass § 84 Abs. 1 SGB IX den schwerbehinderten Menschen nicht vor einer Kündigung schützen soll, die - wie hier - vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Wartezeit von sechs Monaten ausgesprochen wird, sprechen auch Gründe der Praktikabilität der Regelung.
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Ein Arbeitgeber, der einen schwerbehinderten Menschen beschäftigt, ist nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht ohne Weiteres verpflichtet, zu dessen Gunsten ein Präventionsverfahren durchzuführen. Hinzukommen muss, dass bereits Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis des schwerbehinderten Menschen eingetreten sind. Dabei erschöpft sich das Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX nicht in einer bloßen Anhörung der in dieser Bestimmung genannten Teilnehmer. Vielmehr hat der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 93 SGB IX genannten Vertretungen sowie mit dem Integrationsamt alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können. § 84 Abs. 1 SGB IX erfordert damit einen umfassenden wechselseitigen Austausch von Erkenntnissen, zB über die Ursachen der Schwierigkeiten und über zur Verfügung stehende, auch mögliche finanzielle Hilfen sowie der Auffassungen dazu, ob und ggf. mit welchen konkreten Maßnahmen den im Einzelfall bestehenden Schwierigkeiten wirksam begegnet werden kann. Ein solches Verfahren ist zeitaufwändig und kann bei typisierender Betrachtung nur dann sinnvoll praktiziert werden, wenn es nicht vor Ablauf der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG abgeschlossen sein muss. Andernfalls hinge der mit § 84 Abs. 1 SGB IX bezweckte Schutz des schwerbehinderten Menschen davon ab, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sich die Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis einstellen und ob dann noch genügend Zeit verbleibt, das Präventionsverfahren durchzuführen. Dass der Gesetzgeber den mit dem Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX verfolgten Zweck, schwerbehinderte Menschen vor einem Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen, von derartigen Zufälligkeiten abhängig machen wollte, ist indes fernliegend.
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3. Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob das beklagte Land der Klägerin dadurch eine angemessene Vorkehrung iSv. Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK vorenthalten hatte, dass es ihr keine längere Einarbeitungs- bzw. Bearbeitungszeit zugebilligt hatte. Hierüber haben die Parteien in der Revisionsinstanz nicht mehr gestritten.
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II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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