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BAG 11.12.2013 - 10 AZR 736/12
BAG 11.12.2013 - 10 AZR 736/12 - Tariflicher Nachtarbeitszuschlag - Gleichheitssatz - Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit
Normen
§ 1 TVG, Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 2 Abs 4 ArbZG, § 2 Abs 5 ArbZG, § 6 Abs 5 ArbZG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Berlin, 12. Januar 2012, Az: 38 Ca 4536/11, Urteil
vorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 12. Juni 2012, Az: 16 Sa 297/12, Urteil
Leitsatz
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§ 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV, wonach für Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 %, jedoch für Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit nur ein Zuschlag von 20 % zu gewähren ist, verstößt unter den besonderen branchentypischen Bedingungen des Einzelhandels nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2012 - 16 Sa 297/12 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe des tariflichen Nachtzuschlags für die Zeiträume November 2009 bis Februar 2010 und November 2010 bis Oktober 2011.
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Der Kläger war zunächst seit dem 1. September 2001 bei der T Dienstleistungsgesellschaft mbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. Januar 2008 auf die Beklagte über. Die Beklagte erbringt logistische Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Versorgung von Einzelhandelsfilialen mit Waren. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden die Tarifverträge für den Berliner Einzelhandel Anwendung.
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§ 8 des Manteltarifvertrags für den Berliner Einzelhandel vom 6. Juli 1994 (MTV) idF der 7. Änderungsvereinbarung vom 4. September 2008, gültig ab 1. Januar 2007, und idF des Ergänzungstarifvertrags vom 20. Juli 2011, in Kraft ab 1. Juli 2011, lautet wie folgt:
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„Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Spätöffnungsarbeit
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1. Nachtarbeit ist die in der Nachtzeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit. Für das Zuendebedienen und andere Tagesabschlussarbeiten aus Anlass der Spätöffnung beginnt die Nachtarbeit montags bis samstags ab 20:10 Uhr. *)
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2. Sonntagsarbeit ...
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3. Feiertagsarbeit ...
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4. Spätöffnungsarbeit (siehe § 6 Ziff. 3b und Ziffer 5) ist die Arbeit, die von Montag bis Freitag in der Zeit von 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr und an Samstagen in der Zeit ab 15:00 Uhr an geleistet wird (Fassung gültig bis 30.06.2008).
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Fassung gültig ab 01.07.2008: Spätöffnungsarbeit (siehe § 6 Ziff. 3b und 5) ist die Arbeit, die von Montag bis Samstag in der Zeit von 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr geleistet wird.
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5. Für Arbeit nach Ziff. 1 - 4 sind zum Entgelt folgende Zuschläge zu gewähren:
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a)
Nachtarbeit
50 %
jedoch im Rahmen
von Schichtarbeit
20 %
b)
Sonntagsarbeit
120 %
c)
Feiertagsarbeit
150 %
d)
Spätöffnung
20 %
Zeitgutschrift (Ziffer 6 ist zu beachten)
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6. Beschäftigte, die während der Spätöffnung eingesetzt werden, erhalten für diese Zeit eine Zeitgutschrift in Höhe von 20 %, die grundsätzlich in Form von Freizeit zu gewähren ist. Bestehende Zeitguthaben können in Ausnahmefällen einvernehmlich in Geld abgegolten werden.
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Ausgenommen von Zeitgutschriften gem. Ziff. 5d) sind die vier Samstage vor Weihnachten.
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7. Für berufsübliche Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (z. B. Nachtwächter/innen, Pförtner/innen, Monteure/innen in Notdienstbetrieben) ist kein Zuschlag zu zahlen.
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Diese Arbeitnehmer/innen erhalten in jeder Woche (7 Tage) in der Regel zwei freie Tage. Die Verteilung der freien Tage hat so zu erfolgen, dass mindestens zwei freie Tage im Monat auf einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen.
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8. Auf Wunsch oder mit Zustimmung des/der Arbeitnehmers/in soll eine Abgeltung der geleisteten Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, einschließlich der Zuschläge, durch Freizeit innerhalb der auf die Mehrarbeitsleistung folgenden zwei Wochen gewährt werden. Im Monat Dezember erfolgte Mehrarbeitsleistungen können bis Ende Januar abgegolten werden.
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9. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird nur der jeweils höhere Zuschlag gewährt.
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10. Arbeitszeit- und Zuschlagsregelungen jeder Art im Arbeitsgesetzbuch und in den Tarifverträgen, die vor dem 30. Juni 1990 abgeschlossen wurden, werden durch die vorstehenden Regelungen der §§ 6 bis 8 ersetzt und finden keine Anwendung mehr.
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_______
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*) § 6 Ziff. 3b ist zu beachten“
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Der Kläger wurde im Logistikzentrum Pankow im wöchentlichen Wechsel in der Früh- und Spätschicht eingesetzt. Grundsätzlich begann die Frühschicht um 06:00 Uhr und endete um 14:45 Uhr. Die Spätschicht begann grundsätzlich um 14:45 Uhr und endete um 23:30 Uhr. Bisweilen gab es gegenüber dem Schichtsystem einen abweichenden früheren Beginn bzw. ein späteres Ende der Arbeitszeit. Soweit der Kläger während der Schichten Nachtarbeit iSd. MTV leistete, zahlte ihm die Beklagte einen Zuschlag in Höhe von 20 % gemäß § 8 Ziff. 5 Buchst. a Alt. 2 MTV.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit sei mit einem tariflichen Zuschlag von 50 % zu vergüten. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei es unverständlich, bei der Doppelbelastung durch Nacht- und Schichtarbeit einen geringeren Zuschlag zu gewähren. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor. Fielen zwei Erschwernisse zusammen, könne dies nicht dazu führen, dass sich der Zuschlag, der zumindest für eine Erschwernis gezahlt werde, vermindere. Dies sei mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin nicht zu vereinbaren. Vielmehr liege darin eine deutliche Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer, die neben der Erschwernis der regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Nachtarbeit zusätzlich der Erschwernis der Wechselschichtarbeit ausgesetzt seien. Ein sachlicher Grund hierfür bestehe nicht. Die von der tariflichen Regelung in unzulässiger Weise ausgeklammerten Personen hätten deshalb einen Anspruch auf die Vergünstigung, die bestehen würde, wenn der Normgeber dem Gleichheitssatz Rechnung getragen hätte.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.218,35 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Anspruch auf einen Nachtzuschlag von 50 %. Der Kläger leiste Nachtarbeit in Schichtarbeit, wofür § 8 MTV nur einen Zuschlag von 20 % vorsehe. Gegen den Gleichheitssatz werde nicht verstoßen, die Differenzierung halte sich in dem durch die Tarifautonomie eingeräumten Wertungs- und Gestaltungsspielraum. Die Tarifvertragsparteien hätten im Sinne einer typisierenden Betrachtung annehmen dürfen, dass die übergroße Mehrheit der Einzelhandelsbeschäftigten, die in Schichten arbeiten, keine reine Nachtarbeit abzuleisten haben und die im Einzelhandel vorherrschenden Früh- und Spätschichten für den einzelnen Mitarbeiter in medizinischer Hinsicht weniger belastend seien und zu erheblich weniger sozialen Einschränkungen führten als bei reiner Nachtarbeit. Im Übrigen werde die Schichtarbeit überwiegend tagsüber geleistet und reiche nur teilweise in die Nachtzeit im tariflichen Sinne hinein.
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Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in dem vollen Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Revision ist unbegründet. Dem Kläger stehen für die streitgegenständlichen Zeiträume keine weiter gehenden Nachtzuschläge zu. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
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1. Der Kläger macht keinen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG geltend (vgl. dazu zB BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 192/11 -; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 -). Der Kläger ist auch kein Nachtarbeitnehmer iSd. Arbeitszeitgesetzes (§ 2 Abs. 5 ArbZG). Nachtzeit ist nach § 2 Abs. 3 ArbZG die Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr; Nachtarbeit liegt nur vor, wenn die Arbeit mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst (§ 2 Abs. 4 ArbZG). Dies war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den vom Kläger abgeleisteten Schichten nicht der Fall. Dies gilt selbst dann, wenn er gelegentlich einen früheren Arbeitsbeginn oder ein späteres Arbeitsende hatte, da er weder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht noch an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet (§ 2 Abs. 5 ArbZG).
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2. Nach § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV steht ihm für die geleisteten Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von (nur) 20 % zu. Diesen Zuschlag hat die Beklagte geleistet.
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Der Kläger hat zwar in den Zeiten ab 20:00 Uhr bzw. vor 06:00 Uhr Nachtarbeit im tariflichen Sinn geleistet, aber dies ist im Rahmen von Schichtarbeit erfolgt (vgl. zum Begriff der Schichtarbeit: zuletzt BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 354/11 - Rn. 10). Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in Wechselschicht tätig, wobei sich Früh- und Spätschicht wochenweise abgewechselt haben. In diesem Fall steht ihm für geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV nur ein Zuschlag von 20 %, nicht aber von 50 % zu. Der Kläger hat auch nicht mehr an der in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung festgehalten, § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV sei so auszulegen, dass im Fall von Nachtarbeit während einer Schicht immer mindestens ein Zuschlag von 50 % gezahlt werden müsse. Eine solche Auslegung wäre auch weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik der Tarifregelung vereinbar.
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3. In der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Differenzierung zwischen Nachtarbeit im Allgemeinen und Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit, die zu einem geringeren Zuschlag führt, liegt unter den branchentypischen Bedingungen im Geltungsbereich der Tarifverträge des Einzelhandels kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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a) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Aufgrund der Schutzpflichten der Grundrechte haben sie aber den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu beachten (BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 14, BAGE 128, 219; zuletzt zB 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21). Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1038/08 - Rn. 21). Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, aaO; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, BAGE 124, 284). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21 mwN).
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Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dabei nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25 mwN, BAGE 138, 332).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen überschreitet die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung deren Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die branchentypischen Bedingungen nicht.
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aa) Nach § 8 Ziff. 1 MTV ist Nachtarbeit im Tarifsinn die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit; bei Zuendebedienen und ähnlichen Tagesabschlussarbeiten beginnt die Nachtzeit ab 20:10 Uhr. Nach der tariflichen Regelung beginnt damit die Nachtzeit drei Stunden früher als nach den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG. Gleichzeitig gewährt § 8 Ziff. 5 MTV bereits ab der ersten Stunde der Nachtarbeit grundsätzlich einen Ausgleich in Form eines 50%igen Zuschlags zum Entgelt, wobei nach § 8 Ziff. 8 MTV die - unter Arbeitsschutzgesichtspunkten vorzugswürdige - Möglichkeit des Freizeitausgleichs besteht. Wird die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit geleistet, beträgt der Zuschlag hingegen lediglich 20 %. Insoweit behandeln die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im tariflichen und/oder gesetzlichen Sinne leisten, differenziert danach, in welchem Kontext die Nachtarbeit geleistet wird. Während Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit lediglich mit 20 % zusätzlich vergütet wird, besteht sowohl bei gelegentlich anfallender Nachtarbeit, ohne dass dies in einem bestimmten Schichtplan vorgesehen ist, als auch im Fall dauerhafter Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen ein Zuschlagsanspruch in Höhe von 50 %. Keinen Zuschlag erhalten nach § 8 Ziff. 7 MTV Arbeitnehmer/innen, bei denen die Nachtarbeit berufsüblich ist. Nicht unterschieden wird nach dem Tarifvertrag zwischen den Stunden, die lediglich tariflich als Nachtarbeit gelten und den Nachtarbeitsstunden iSd. ArbZG. Ebenso wenig setzt der Anspruch auf die entsprechenden Nachtzuschläge voraus, dass es sich beim Arbeitnehmer um einen Nachtarbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 5 ArbZG handelt.
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bb) Die Annahme der Tarifvertragsparteien, dass für die Differenzierung zwischen Nachtarbeit innerhalb und außerhalb von Schichtarbeit im Geltungsbereich der Tarifverträge des Einzelhandels ein sachlicher Grund besteht, überschreitet deren Spielraum nicht. Insbesondere haben sie dabei keine gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit (§ 6 Abs. 1 ArbZG; vgl. zum Begriff ErfK/Wank 14. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 4) verkannt.
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(1) Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen (vgl. dazu BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 85, 191; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 4). Die Belastung und Beanspruchung der Beschäftigten steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Anzahl der Nächte pro Monat und die Anzahl der Nächte hintereinander, in denen Nachtarbeit geleistet wird, wie sich ua. aus einer Expertise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 24. Februar 2012 ergibt. Insgesamt ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in umso größerem Umfang sie geleistet wird. Entsprechende Gestaltungsempfehlungen für Arbeitszeitmodelle setzen hier an (vgl. dazu zB Schliemann ArbZG 2. Aufl. § 6 Rn. 14). Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt (P. Knauth in Triebig/Kentner/Schiele Arbeitsmedizin 3. Aufl. S. 554 ff.; vgl. insgesamt dazu Habich Sicherheits- und Gesundheitsschutz durch die Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit und die Rolle des Betriebsrates, Diss. 2004 S. 3 ff., Gestaltungsempfehlungen S. 184 ff.).
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Für Schichtarbeit gilt das nicht gleichermaßen; insbesondere bringen normale Schichtwechsel zwischen Früh- und Spätschicht nicht dieselben Gefahren mit sich wie der Wechsel zu und von Nachtarbeit (Neumann/Biebl ArbZG § 6 Rn. 5; kritisch Habich aaO S. 16 mwN auch zur gegenteiligen Auffassung). Davon geht auch das ArbZG aus, das die Nachtzeit erst ab 23:00 Uhr und damit nach dem üblichen Ende der Arbeit in 2-Schicht-Systemen beginnen lässt.
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(2) Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten leistet die übergroße Mehrheit der im Einzelhandel Beschäftigten (einschließlich des Logistikbereichs) keine reinen Nachtschichten, auch wenn sie im Schichtdienst arbeiten. Dies erklärt sich im Verkauf schon aus den typischen Ladenöffnungszeiten, die weit überwiegend nicht in der Nachtzeit liegen. Auch für die anderen Bereiche, die unter die Geltung der Tarifverträge des Einzelhandels fallen, ist weder erkennbar noch vom Kläger dargelegt, dass typischerweise Nachtarbeiten in größerem Umfang oder gar ausschließlich geleistet werden. Dies ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Unternehmen der Beklagten ebenso nicht der Fall.
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Vor diesem Hintergrund durften die Tarifvertragsparteien berücksichtigen, dass sich Arbeitnehmer, die nach einem Schichtplan tätig sind, auf diesen einstellen können. Damit werden die sozialen Folgen („soziale Desynchronisation“, vgl. die genannte Expertise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mehrheit der Arbeitnehmer und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufs verbunden sind, gemindert (kritisch hierzu Wolfhard Kothe FS Buschmann S. 76 ff.). Gleichzeitig reduziert und begrenzt der Einsatz in Wechselschichtsystemen die Anzahl ggf. anfallender Nachtschichten oder Arbeitsstunden in der tariflichen oder gesetzlichen Nachtzeit.
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Deshalb überschreitet die Annahme, dass derjenige Arbeitnehmer, der keiner solchen Regelmäßigkeit unterliegt, durch die Heranziehung zur Nachtarbeit höher belastet wird, den Spielraum der Tarifvertragsparteien nicht. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine unregelmäßige und ungeplante Heranziehung in sehr viel höherem Maße in das Familienleben und Freizeitverhalten des Betroffenen eingreift.
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(3) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2003 (- 10 AZR 3/03 - zu II 1 b der Gründe) nicht tragend eine Regelung des ab 1. Januar 2000 geltenden Manteltarifvertrags des bayerischen Einzelhandels (MTV Bayern) unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG als problematisch angesehen hatte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Besonderheit der dortigen Tarifregelung lag darin, dass sich der Zuschlag nach dem Verständnis des Senats auch beim Zusammentreffen von Wechselschichtarbeit und gelegentlicher Nachtarbeit vermindert hätte und im Übrigen dieser Zuschlag noch geringer war als ein „spätöffnungsbedingter“ Zuschlag für die Zeit ab 18:30 Uhr bzw. samstags ab 14:00 Uhr. Der Senat hat deshalb angenommen, § 8 Ziff. 6 MTV Bayern regle Fälle, „in denen die Erschwernisse der Wechselschicht mit Nachtarbeit gerade wegen der Erschwernis der Wechselschicht mit einem Zuschlag ausgeglichen werden sollen, nicht dagegen die bloße Erschwernis der Nachtarbeit“. Er hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, die Zuschläge für Nacht- und Wechselschichtarbeit stünden grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und eine automatische Verdrängung finde nicht statt. Die Ausgangssituation unterscheidet sich damit deutlich von der vorliegenden Tariflage.
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II. Der Kläger hat die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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W. Reinfelder
Mestwerdt
Frese
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