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BAG 18.04.2012 - 5 AZR 630/10
BAG 18.04.2012 - 5 AZR 630/10 - Lohnwucher - auffälliges Missverhältnis - maßgeblicher Wirtschaftszweig
Normen
§ 1 Abs 3a AEntG vom 21.12.2007, § 1 TVG, § 138 Abs 1 BGB, § 138 Abs 2 BGB, § 612 BGB, EGV 1893/2006, § 3 VerdStatG, § 5 Abs 2 PostG, § 12 Abs 1 PostG
Vorinstanz
vorgehend ArbG Hannover, 2. Juli 2009, Az: 6 Ca 190/08, Urteil
vorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 13. September 2010, Az: 12 Sa 1451/09, Urteil
Leitsatz
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Die bei der Ermittlung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung iSv. § 138 BGB erforderliche Zuordnung eines Unternehmens des Arbeitgebers zu einem bestimmten Wirtschaftszweig richtet sich nach der durch Unionsrecht vorgegebenen Klassifikation der Wirtschaftszweige.
Tenor
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1. Die Revisionen der Kläger und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. September 2010 - 12 Sa 1451/09 - werden zurückgewiesen.
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2. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben der Kläger zu 1. zu 34 %, die Klägerin zu 2. zu 27 % und der Kläger zu 3. zu 39 % zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Vergütungshöhe.
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Die Beklagte ist ein verlagsgebundenes Zustellunternehmen für Tages- und Wochenzeitungen, das sich außerdem mit der Zustellung von Briefen befasst. Bezogen auf die Stückzahlen der zugestellten Sendungen beförderte sie im Kalenderjahr 2009 zu etwa 70 % Zeitungen und Anzeigenblätter, zu 30 % Briefe. Dabei waren von ca. 130 Arbeitnehmern 21 ausschließlich in der Briefzustellung tätig. Dafür unterhält die Beklagte ein zentrales Depot, dessen Leiter die Tätigkeit der Briefzusteller koordiniert. Diese erhalten einheitliche Dienstkleidung und Dienstfahrräder sowie eine Belehrung über das Postgeheimnis.
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Die Klägerin zu 2. und die Kläger zu 1. und 3. (im Folgenden: Kläger) sind bei der Beklagten als Briefzusteller teilzeitbeschäftigt mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Sie erhalten eine monatliche Vergütung von 766,94 Euro brutto.
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Mit ihren - zunächst getrennten - Klagen haben die Kläger unter Berufung auf die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 30. November 2009 die Differenz zu der Vergütung eines bei der Deutschen Post AG beschäftigten und in die Entgeltgruppe 3 des Entgelttarifvertrags für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (ETV-DP AG) eingruppierten Arbeitnehmers geltend gemacht. Hilfsweise begehren sie die Differenz zu dem Bruttomindestlohn iHv. 9,80 Euro nach § 3 Abs. 2 Buchst. b des zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifvertrags über Mindestlöhne für die Branche Briefdienstleistungen vom 29. November 2007 (TV Mindestlohn Briefdienstleistungen). Dieser Tarifvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis Anwendung aufgrund der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28. Dezember 2007 (PostmindestlohnVO), die wirksam sei. Eine Bindung der Gerichte für Arbeitssachen an die gegenteilige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (28. Januar 2010 - 8 C 19.19 - BVerwGE 136, 54) bestehe nicht.
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Die Kläger haben zuletzt sinngemäß beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
1.
an den Kläger zu 1. 7.989,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen;
2.
an die Klägerin zu 2. 6.422,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen;
3.
an den Kläger zu 3. 9.334,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen;
hilfsweise:
an die Kläger jeweils 4.411,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 191,79 Euro nach näherer zeitlicher Staffelung zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung könne nicht am ETV-DP AG gemessen werden. Sie sei im Wirtschaftszweig Zeitungsvertrieb und nicht im Bereich der Briefdienstleistungen tätig. Für die ihr Geschäft prägende Zustellung von Zeitungen und Anzeigenblättern fordere selbst die Gewerkschaft ver.di lediglich einen Stundenlohn iHv. 8,00 Euro brutto. Hieran gemessen könne die von der Beklagten gezahlte Vergütung von 7,87 Euro brutto je Stunde nicht sittenwidrig sein. Auf die PostmindestlohnVO könnten sich die Kläger nicht berufen. Diese sei unwirksam.
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Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen der Kläger sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass die Klagen im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet sind.
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I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine übliche Vergütung in Höhe der Entgeltgruppe 3 ETV-DP AG. Die Höhe ihrer Vergütung ist durch die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung bestimmt iSv. § 612 Abs. 2 BGB. Diese ist nicht sittenwidrig.
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1. Der objektive Tatbestand sowohl des Lohnwuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) als auch des wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Das ist vorliegend nicht der Fall.
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a) Ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Lohnhöhe in einem Arbeitsverhältnis vorliegt, bestimmt sich nach dem objektiven Wert der Leistung des Arbeitnehmers. Ausgangspunkt der Wertbestimmung sind regelmäßig die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Sie drücken den objektiven Wert der Arbeitsleistung aus, wenn sie in dem betreffenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise gezahlt werden. Entspricht der Tariflohn dagegen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liegt diese unterhalb des Tariflohns, ist von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen (BAG 24. März 2004 - 5 AZR 303/03 - zu I 1 a der Gründe mwN, BAGE 110, 79). Das Missverhältnis ist auffällig, wenn es einem Kundigen, ggf. nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne Weiteres ins Auge springt. Dafür hat das Bundesarbeitsgericht - in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Ersten Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH 22. April 1997 - 1 StR 701/96 - BGHSt 43, 53) - einen Richtwert entwickelt. Erreicht die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem betreffenden Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tariflohns, liegt eine ganz erhebliche, ohne Weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedarf (vgl. dazu im Einzelnen BAG 22. April 2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 17 mwN, BAGE 130, 338; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 34 Rn. 6 ff.).
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b) Welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen des Arbeitgebers zuzuordnen ist, richtet sich nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige durch das Statistische Bundesamt. Diese Klassifikation beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. EU L 393 vom 30. Dezember 2006 S. 1) in der jeweils geltenden Fassung. Auf ihrer Grundlage erfolgt auch die Erhebung der Arbeitsverdienste nach § 3 des Gesetzes über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3291), welches das frühere Lohnstatistikgesetz abgelöst hat. Die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Klassifikation der Wirtschaftszweige ist damit im Einklang mit Unionsrecht ein geeigneter und rechtssicher handhabbarer Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des maßgeblichen Wirtschaftszweigs als Grundlage für die Ermittlung des objektiven Werts einer Arbeitsleistung.
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2. Danach kommt der ETV-DP AG als Ausgangspunkt für die Wertbestimmung der Arbeitsleistung der Kläger nicht in Betracht.
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a) Die Deutsche Post AG unterfällt dem Wirtschaftszweig „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ (Statistisches Bundesamt Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 Kode 53.1). Universaldienstleistungen sind nach § 11 Abs. 1 PostG ein Mindestangebot an Postdienstleistungen (§ 4 Nr. 1 PostG), die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden. Dazu war die Deutsche Post AG bis zum 31. Dezember 2007 verpflichtet (§ 52 PostG), seither erbringt sie den Universaldienst freiwillig (vgl. Sondergutachten 62 der Monopolkommission Post 2011: Dem Wettbewerb Chancen öffnen S. 36). Zudem wäre sie nach § 12 Abs. 1 PostG gehalten, zur Gewährleistung des Universaldienstes beizutragen.
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Demgegenüber gehört die Beklagte mit ihrer Briefzustelltätigkeit zu dem Wirtschaftszweig „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ (Statistisches Bundesamt Klassifikation der Wirtschaftszweige WZ 2008 Kode 53.2). Sie erbringt keine Universalpostdienstleistungen und unterliegt - mangels Lizenz (§ 5 PostG) - auch nicht der Verpflichtung nach § 12 Abs. 1 PostG. Unstreitig übernimmt die Beklagte Postsendungen von Dritten - insbesondere der C GmbH - zum Zwecke der Zustellung als Nachunternehmerin. Sie ist damit Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfe iSd. § 5 Abs. 2 Nr. 1 PostG.
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b) Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Kläger - was von diesen und den Vorinstanzen nicht näher thematisiert wurde - überhaupt der Entgeltgruppe 3 ETV-DP AG unterfielen, also eine Tätigkeit ausüben, die aufgabenbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten erfordert, die in der Regel durch eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung bzw. durch entsprechende anderweitige berufliche Erfahrung erworben werden können.
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3. Ob der objektive Wert der Arbeitsleistung der Kläger sich nach dem TV Mindestlohn Briefdienstleistungen bemisst (zur Bestimmung der üblichen Vergütung iSv. § 612 Abs. 2 BGB durch einen Mindestentgelttarifvertrag vgl. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 171/10 - Rn. 18, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 333 = EzA BGB 2002 § 612 Nr. 9; 27. Juli 2010 - 3 AZR 317/08 - Rn. 30, BAGE 135, 187), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Den dort im Streitzeitraum vorgesehenen Bruttomindestlohn von 9,80 Euro je Stunde unterschreitet die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung nicht um mehr als ein Drittel. Ausgehend von einer monatlichen Vergütung iHv. 766,94 Euro brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden beträgt der Stundenlohn der Kläger - unstreitig - 7,87 Euro brutto und damit 80,3 % des Stundenlohns nach § 3 Abs. 2 Buchst. b TV Mindestlohn Briefdienstleistungen.
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II. Die Kläger haben keinen Anspruch auf einen Stundenlohn iHv. 9,80 Euro brutto nach § 3 Abs. 2 Buchst. b TV Mindestlohn Briefdienstleistungen.
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1. Die Rechtsnormen dieses Tarifvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) Anwendung. Das steht zwischen den Parteien außer Streit. Eine Allgemeinverbindlicherklärung mit der Wirkung des § 5 Abs. 4 TVG ist nicht erfolgt.
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2. Geltungsgrund für die Rechtsnormen des TV Mindestlohn Briefdienstleistungen könnte daher nur § 1 PostmindestlohnVO sein. Diese ist aber wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3a AEntG aF unwirksam.
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a) Zu Recht gehen die Kläger allerdings davon aus, die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht an die diesbezügliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - BVerwGE 136, 54) gebunden.
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Rechtskräftige Urteile der Verwaltungsgerichte binden die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Beteiligt sind neben Vertretern des öffentlichen Interesses nur der Kläger, der Beklagte und die Beigeladenen (§ 121 Nr. 1, § 63 VwGO). Zu diesem Personenkreis gehören die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits nicht. Zudem hängt die Rechtswirksamkeit der PostmindestlohnVO nicht von einem entsprechenden Entscheidungsausspruch in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ab. Sie ist als Vorfrage in jedem arbeitsgerichtlichen Verfahren, in dem es entscheidungserheblich darauf ankommt, zu prüfen (vgl. BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - AP ZPO § 148 Nr. 9 = EzA ZPO 2002 § 148 Nr. 1).
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b) Das Verordnungsverfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler, der zur Unwirksamkeit der Verordnung führt (zur Rechtsfolge vgl. BVerfG 12. Oktober 2010 - 2 BvF 1/07 - Rn. 126 ff. mwN, BVerfGE 127, 293).
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aa) § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG aF sah vor, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor Erlass der Rechtsverordnung den in den Geltungsbereich der Rechtsverordnung fallenden Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie den Parteien des Tarifvertrags Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben hatte. Dieses Recht zur Stellungnahme soll ausweislich der Gesetzesbegründung gewährleisten, dass der Verordnungsgeber die Interessen aller Betroffenen in das Verordnungsverfahren einbezieht und in dem späteren Abwägungsvorgang widerstreitende Interessen gewichtet und wertet (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks. 14/151 S. 33). Dafür spricht auch die Gesetzessystematik. Mit § 1 Abs. 3a AEntG aF sollte das bis dahin für eine Ausweitung der Geltung eines Tarifvertrags allein zur Verfügung stehende Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG um die Möglichkeit der Tariferstreckung kraft Rechtsverordnung ergänzt werden. Da die Voraussetzungen einer Allgemeinverbindlicherklärung mit den Erfordernissen des Einvernehmens mit einem aus jeweils drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss, der Repräsentativität (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG) und des öffentlichen Interesses (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG) weitaus höhere Anforderungen stellen als das Verfahren nach § 1 Abs. 3a AEntG aF, kommt dem Recht zur Stellungnahme nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG aF als Ausgleich ein besonderes Gewicht zu (vgl. dazu auch BVerwG 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - Rn. 58 ff., BVerwGE 136, 54).
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Die danach erforderliche Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem - die Änderung im Geltungsbereich des TV Mindestlohn Briefdienstleistungen vom 29. November 2007 gegenüber dem vom 11. September 2007 nachverfolgenden - geänderten Entwurf der Rechtsverordnung wurde nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, gegen die die Revision Einwendungen nicht erhoben hat, nicht eröffnet. Eine Veröffentlichung im Bundesanzeiger unterblieb.
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bb) Die mit dem Tarifvertrag vom 29. November 2007 erfolgte Änderung war wesentlich. Der Geltungsbereich des ursprünglichen Tarifvertrags sollte alle Betriebe erfassen, die gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, ohne dass es auf den Anteil dieser Tätigkeit an der Gesamttätigkeit angekommen wäre. Dagegen sah der Tarifvertrag vom 29. November 2007 eine Beschränkung auf Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen vor, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern. Durch diese Änderung des Geltungsbereichs drohte eine erhebliche Verschärfung der Wettbewerbssituation der Hauptkonkurrenten der Deutschen Post AG. Dies betraf weniger den Wettbewerb zur Deutschen Post AG selbst, als den Wettbewerb der Hauptkonkurrenten untereinander. Während ursprünglich jedes Unternehmen, das Briefsendungen beförderte, einen Mindestlohn zu zahlen gehabt hätte, waren durch den Tarifvertrag vom 29. November 2007 Unternehmen, deren Betriebe bzw. selbständige Betriebsabteilungen nicht überwiegend Briefsendungen befördern, von der Pflicht zur Zahlung eines Mindestlohns befreit, was deren Wettbewerbssituation verbessern konnte. Deshalb ist die Auffassung der Kläger, der Tarifvertrag vom 29. November 2007 sei im Verhältnis zu dem vom 11. September 2007 lediglich ein „Minus“, nicht zutreffend. Arbeitgeber, die möglicherweise unter der ursprünglichen Wettbewerbssituation bereit gewesen wären, einen Mindestlohn zu akzeptieren, und die aus diesem Grunde auf eine Stellungnahme verzichtet hatten, mussten nunmehr erneut Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Zudem ist es denkbar, dass ein Arbeitgeber zunächst auf eine Stellungnahme verzichtete, weil er die Rechtsverordnung aufgrund mangelnder Repräsentativität für offensichtlich unwirksam hielt und meinte, hiergegen auch im späteren Verwaltungsverfahren ausreichend Rechtsschutz erlangen zu können.
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Dem steht nicht entgegen, dass die Einschränkung des Geltungsbereichs des ursprünglichen Tarifvertrags durch den Gesetzgeber vorgezeichnet war, weil dieser in § 1 Abs. 1 Satz 4 AEntG aF nur die Branche der Briefdienstleistungen, und zwar beschränkt auf Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerbs- oder geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern, aufgenommen hatte (Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 21. Dezember 2007, BGBl. I S. 3140). Soweit die Kläger darauf verweisen, rechtliches Gehör sei bereits im Gesetzgebungsverfahren gewährt worden, verkennen sie, dass die nach § 1 Abs. 3a Satz 2 AEntG aF äußerungsberechtigten Arbeitgeber und Arbeitnehmer an dem Gesetzgebungsverfahren nicht beteiligt waren.
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c) Ein Fehler im Verordnungsverfahren ist jedenfalls dann wesentlich, wenn ein Verfahrenserfordernis, das der Gesetzgeber im Interesse sachrichtiger Normierungen statuiert hat, in funktionserheblicher Weise verletzt wurde. Ein Verstoß gegen Anhörungs- und Beteiligungsrechte führt daher in solchen Fällen regelmäßig zur Ungültigkeit der Verordnung (BVerfG 12. Oktober 2010 - 2 BvF 1/07 - Rn. 126 ff. mwN, BVerfGE 127, 293; BVerwG 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 - Rn. 68, BVerwGE 136, 54).
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Dass eine erneute Stellungnahme dem Verordnungsgeber keinen relevanten Entscheidungsgewinn hätte bringen können (so das Vorbringen der - dortigen - Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, vgl. Tatbestand des Urteils des VG Berlin 7. März 2008 - 4 A 439.07 - NZA 2008, 482), ist reine Spekulation. Gerade wegen der durch den eingeschränkten Geltungsbereich möglichen Veränderung der wettbewerbsrechtlichen Ausgangssituation der Wettbewerber der Deutschen Post AG ist nicht auszuschließen, dass im Rahmen eines erneuten Anhörungsverfahrens gewichtige Argumente vorgebracht worden wären, die der Verordnungsgeber nicht hätte unberücksichtigt lassen dürfen.
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d) Schließlich führt entgegen der Auffassung der Kläger die Nichtaufhebung der PostmindestlohnVO durch den Verordnungsgeber nicht zu deren weiterer Anwendung. Ob eine Rechtsverordnung durch ihre Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, beurteilt grundsätzlich das zuständige Fachgericht im Rahmen einer Inzidenterkontrolle. Das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG gilt für Rechtsverordnungen nicht (BVerfG 1. März 1978 - 1 BvL 20/77 - BVerfGE 48, 40). Einer förmlichen Aufhebung der unwirksamen PostmindestlohnVO bedurfte es nicht (vgl. BAG 26. Oktober 2009 - 3 AZB 24/09 - Rn. 15, AP ZPO § 148 Nr. 9 = EzA ZPO 2002 § 148 Nr. 1; BVerwG 28. Juni 2000 - 11 C 13.99 - zu 2 b der Gründe, BVerwGE 111, 276).
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III. Die Kläger haben gemäß § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision anteilig zu tragen.
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