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BSG 26.10.2022 - B 5 R 101/22 B
BSG 26.10.2022 - B 5 R 101/22 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteilsinhalt - Fehler bei der Abfassung des Tatbestands
Normen
§ 103 SGG, § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, § 136 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Chemnitz, 7. Mai 2021, Az: S 13 R 20/18, Gerichtsbescheid
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 5. April 2022, Az: L 5 R 296/21, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 5. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Zwischen den Beteiligten ist streitig die Weitergewährung einer bis zum 31.10.2016 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung.
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Die im Jahr 1982 geborene Klägerin bezog von der Beklagten in der Zeit vom 1.11.2013 bis zum 31.10.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ihren im Juli 2016 gestellten Antrag auf Weitergewährung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 7.7.2017; Widerspruchsbescheid vom 7.12.2017).
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Im Klageverfahren hat das SG Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und medizinische Sachverständigengutachten auf psychosomatisch/psychotherapeutischem Fachgebiet (Gutachten W vom 6.7.2020 mit testpsychologischer Zusatzuntersuchung Z1 und ergänzender Stellungnahme vom 12.10.2020) sowie auf HNO-ärztlichem Fachgebiet (Gutachten Z2 vom 27.8.2019 und ergänzende Stellungnahme vom 9.2.2021) eingeholt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen auszuüben. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.5.2021). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.4.2022).
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Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht verschiedene Verfahrensmängel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
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1. Die Klägerin macht zunächst geltend, das LSG sei bei Erlass seines Urteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 SGG), weil ein wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnter Richter bei der Entscheidung mitgewirkt habe. Das LSG habe mit Beschluss vom 31.3.2022 ihr Ablehnungsgesuch unter willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen und Bedeutung sowie Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.
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Wie die Klägerin zutreffend ausführt, kann die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs grundsätzlich nicht als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden, es sei denn, sie beruhte auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen oder die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs deutet darauf hin, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (stRspr; vgl ua BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 SB 74/21 B - juris RdNr 16 mwN). Inwiefern dem Beschluss des LSG vom 31.3.2022 grob fehlerhafte Erwägungen zugrunde lagen (zu einem solchen Fall vgl zB auch BSG Beschluss vom 27.10.2009 - B 1 KR 51/09 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 6 RdNr 7 ff), geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Der Vortrag der Klägerin, das LSG sei auf die Begründung ihres Ablehnungsgesuchs "völlig unzureichend bzw. überhaupt nicht eingegangen", genügt dafür nicht. Sie wiederholt lediglich die für sie maßgeblichen Gründe für eine Befangenheit des von ihr abgelehnten Richters in Stichpunkten (zu einem ähnlichen Fall nach Ablehnung eines Sachverständigen vgl BSG Beschluss vom 9.9.2021 - B 5 R 149/21 B - juris RdNr 12 ff).
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2. Die Klägerin rügt zudem eine verkürzte Darstellung des Tatbestands im Urteil vom 5.4.2022. Der Sachverhalt sei in wesentlicher Hinsicht verzerrt und erwecke den Anschein, sie habe eine bis zum 25.1.2022 gesetzte Frist zur Stellung eines Antrags auf Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG verstreichen lassen. Damit hat die Klägerin jedoch keine Verletzung von § 136 Abs 1 Nr 5, Abs 2 SGG hinreichend bezeichnet. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass die Fehler, die dem LSG bei der Abfassung des Tatbestands unterlaufen sein sollen und die durch den eine Tatbestandsberichtigung ablehnenden Beschluss vom 20.6.2022 nicht korrigiert wurden, auch schwerwiegend sind. Die Schwere eines Verstoßes gegen § 136 Abs 1 Nr 5 SGG entscheidet darüber, ob er als Verfahrensmangel im Rahmen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG erfolgreich gerügt werden kann. Ob ein Fehler schwerwiegend ist, ist ausgehend von der Funktion des Tatbestands zu beurteilen, der ua die Grundlage für die Nachprüfung des Berufungsurteils in der Revisionsinstanz bildet (vgl BSG Beschluss vom 22.3.2022 - B 7/14 AS 393/21 B - juris RdNr 9). Die Klägerin formuliert die Sorge, dass ein unrichtig beurkundeter Prozessstoff Grundlage für eine Entscheidung des BSG sein könnte. Aus welchen Gründen ihr "das nähere Darlegen der Verfahrensmängel" ohne entsprechende Feststellungen im Urteil nicht möglich sein sollte, erschließt sich dem Senat aus ihren Ausführungen jedoch nicht.
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Soweit die Klägerin als weiteren Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, ihr Antrag auf Berichtigung des Tatbestands sei nicht verbeschieden worden, weil der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter an dem eine Tatbestandsberichtigung ablehnenden Beschluss vom 20.6.2022 mitgewirkt habe, erschließt sich dem Senat schon nicht, inwiefern das angegriffene Urteil des LSG vom 5.4.2022 darauf beruhen kann.
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3. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Verfahrensfehler aufgrund einer Verletzung von § 103 SGG hinreichend bezeichnet. Dazu hat sie schon nicht vorgetragen, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 5.4.2022 einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (zu den Anforderungen im Einzelnen vgl zB BSG Beschluss vom 20.1.2021 - B 5 R 248/20 B - juris RdNr 7). Soweit die Klägerin als weitere Beweismittel für ein unter dreistündiges Leistungsvermögen auf "beizuziehende ärztliche Befundberichte" verweist, legt die Klägerin schon nicht dar, welche Ärzte zusätzlich hätten befragt werden sollen. Auch zum Antrag auf ein beizuziehendes neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bzw eine Stellungnahme eines namentlich benannten Facharztes für Neurologie/Psychiatrie hat die Klägerin nicht vorgetragen, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben. Liegen wie im Falle der Klägerin bereits mehrere Gutachten zum Gesundheitszustand und zum verbliebenen Leistungsvermögen vor und hat sich dadurch schon ein gewisses Leistungsbild manifestiert, bedarf es besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich sein soll. Hierfür muss ein Beschwerdeführer gezielt zusätzliche Auswirkungen auf das verbliebene (quantitative und/oder qualitative) Leistungsvermögen durch weitere - oder (ggf auch in ihrem Zusammenwirken) anders zu beurteilende - dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst genau bezeichnen (vgl BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - juris RdNr 12 mwN). Allein der Umstand, dass die Klägerin ihr Gesundheitsbild und Leistungsvermögen anders einschätzt als die im Verfahren bereits gehörten medizinischen Sachverständigen, und dazu vorträgt, sie sei auch über den 31.10.2016 hinaus nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, genügt nicht. Soweit sie schließlich geltend macht, das Gutachten auf psychosomatisch-psychotherapeutischem Fachgebiet von W vom 6.7.2020 sei mangelhaft und deshalb nicht verwertbar gewesen, fehlen auch dazu nähere Ausführungen. Die pauschale Bezugnahme auf den Inhalt eines Schriftsatzes im erstinstanzlichen Verfahren vom 8.9.2020 ist nicht ausreichend (vgl zur ohnehin nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen Bezugnahme auf vorinstanzlich eingereichte Schriftsätze zB BSG Beschluss vom 15.2.2011 - B 12 KR 53/10 B - juris RdNr 5 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Gasser Hahn Körner
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