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BSG 12.12.2019 - B 14 AS 33/18 B
BSG 12.12.2019 - B 14 AS 33/18 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts - Besetzung mit einem abgeordneten Richter
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 30 Abs 1 SGG, § 33 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, Art 92 GG, Art 97 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Neubrandenburg, 20. Mai 2014, Az: S 14 AS 1720/11, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, 24. Oktober 2017, Az: L 10 AS 453/15, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerden der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Oktober 2017 - L 10 AS 453/15 - aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Umstritten sind höhere Leistungen für den Zeitraum Juli bis August 2010. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.5.2014). Die Berufung der Kläger blieb erfolglos, die Revision wurde nicht zugelassen (Urteil des LSG vom 24.10.2017). An dem Urteil hat der an das LSG abgeordnete Richter am SG (RSG) S. mitgewirkt. RSG S. befand sich von Januar bis September 2016 in der sog Rechtserprobung beim LSG. Im Anschluss bis einschließlich Juli 2017 wurde die Erprobung mit Blick auf die Eingangsbelastung und insbesondere auf die erheblichen Bestände des LSG verlängert. Ab August 2017 ist eine weitere Verlängerung bis Dezember 2019 erfolgt mit dem Ziel, ihm eine sog "kleine Verwaltungserprobung" zu ermöglichen. In diesem Zeitraum ist er mit 50 % seiner Arbeitskraft für Verwaltungsaufgaben freigestellt worden.
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Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden rügen die Kläger insbesondere als Verfahrensmangel eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des LSG, weil an dem angefochtenen Urteil RSG S. mitgewirkt habe. Ein zwingender Grund für den Einsatz des Richters S. als nicht planmäßiger Richter liege nicht vor. Vor dem Hintergrund der Dauer der Abordnung könne ausgeschlossen werden, dass sie noch der Eignungserprobung diene. Vielmehr gehe es allein darum, den Personalmangel am LSG zu beheben. Die Kläger haben weiter gerügt, dass an dem Berufungsurteil keine ehrenamtlichen Richter mitgewirkt hätten. Darüber hinaus haben sie eine Grundsatzrüge erhoben.
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II. Die Beschwerden sind zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 24.10.2017 ist aufzuheben und die Sache an das LSG gemäß § 160a Abs 5 SGG zurückzuverweisen. Denn die Entscheidung des LSG beruht auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.
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Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ua begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil die angefochtene Entscheidung des LSG unter Verletzung der Vorschriften über die Besetzung des LSG ergangen ist.
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Das LSG besteht nach § 30 Abs 1 SGG aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden Richtern, weiteren Berufsrichtern und den ehrenamtlichen Richtern, und jeder Senat des LSG wird nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGG in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern tätig. Die Verletzung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG sehen Art 92, 97 GG zur Sicherung der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Richter vor, dass die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind; die Zahl der persönlich nicht unabhängigen "Hilfsrichter" ist so klein wie möglich zu halten, zwingende Gründe für deren Beschäftigung sind zum Beispiel gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen oder wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist. Aber auch in solchen Fällen wäre die Verwendung von Hilfsrichtern nicht gerechtfertigt, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist, oder weil die Justizverwaltung es versäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen (BVerfG vom 3.7.1962 - 2 BvR 628/60 - BVerfGE 14, 156 - juris RdNr 12 ff; BVerfG vom 22.6.2006 - 2 BvR 957/05 - juris RdNr 7; BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 157/17 B - RdNr 6; BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 255/17 B - RdNr 6).
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Ausgehend von diesen Maßstäben war das LSG bei seinem Urteil vom 24.10.2017 aufgrund der Mitwirkung des RSG S. nicht ordnungsgemäß besetzt. Ein zwingender Grund im obigen Sinne für das Tätigwerden des RSG S. statt eines planmäßigen Richters am LSG lag nicht vor. Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die in den Verfahren B 13 R 107/17 B und B 14 AS 255/17 B bzw B 14 AS 157/17 B eingeholten Auskünfte der Präsidentin des LSG vom 6.7.2017, 17.10.2017 und vom 10.1.2018, auf die die Beschwerde Bezug genommen hat.
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Der Senat hat bereits entschieden, dass für die Verlängerung der sog Rechtserprobung des RSG S. über September 2016 hinaus kein zwingender Grund ersichtlich war, weshalb das LSG bei seinen Entscheidungen vom 25.1.2017 und vom 28.3.2017, an denen er mitwirkte, nicht ordnungsgemäß besetzt war (BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 157/17 B - RdNr 9 ff; BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 255/17 B - RdNr 9 ff). Dies gilt auch für das vorliegende Berufungsurteil, das während der sog "kleinen Verwaltungserprobung" ergangen ist.
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Nach der im Parallelverfahren eingeholten Stellungnahme der Präsidentin des LSG kommt als Grund für die Verlängerung der Abordnung von vornherein nur die Erprobung der Eignung des nicht planmäßigen Richters, diesmal im Hinblick auf Verwaltungsaufgaben, in Betracht. Der Senat hat in seinen beiden genannten Entscheidungen bereits Zweifel geäußert, ob eine Verwaltungserprobung bei gleichzeitiger spruchrichterlicher Tätigkeit nach Abschluss einer sog Rechtserprobung, zumal in dieser Länge, eine Ausnahme vom Gebot des Einsatzes planmäßiger Richter rechtfertigen kann (BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 157/17 B - RdNr 12; BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 255/17 B - RdNr 12). Der 11. Senat des BSG hat dies in der Zwischenzeit in einem ebenfalls das LSG Mecklenburg-Vorpommern betreffenden Verfahren für eine Verwaltungsabordnung bei fortwährender Übertragung mit Rechtsprechungsaufgaben in einem Umfang von 60 % der Arbeitskraft und über einen Zeitraum von 27 Monaten verneint (BSG vom 23.10.2018 - B 11 AL 43/18 B - RdNr 9 mit Anmerkung Burkiczak NZS 2019, 160). Dem schließt sich der Senat für den vorliegenden Fall einer "kleinen Verwaltungserprobung" über einen Zeitraum von 29 Monaten, in denen der abgeordnete Richter, wie es in dem Schreiben der Präsidentin vom 10.1.2018 heißt, "formal" mit 50 % seiner Arbeitskraft für Verwaltungsaufgaben freigestellt gewesen sei, an. Ein den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügender zwingender Grund für die Beteiligung des abgeordneten Richters anstelle eines planmäßigen Richters ist nicht erkennbar.
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Weiterer Ermittlungen bedurfte es nicht. Insbesondere ist nicht entscheidend, ob die Verwaltungserprobung, wie ursprünglich geplant, tatsächlich zurzeit noch andauert oder ob sie im Hinblick auf die inzwischen ergangenen revisionsgerichtlichen Entscheidungen vorzeitig beendet worden ist. Zur Beurteilung der ordnungsgemäßen Besetzung der Richterbank am Tag der Verkündung der hier angegriffenen Entscheidung des LSG ist allein die ursprünglich beabsichtigte Dauer der Verwaltungserprobung entscheidend.
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Angesichts des festgestellten Verfahrensmangels kann eine Entscheidung über die von den Klägern außerdem erhobenen Rügen dahingestellt bleiben. Darauf hinzuweisen ist nur, dass der Senat des LSG ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung mit den ehrenamtlichen Richtern besetzt war, es sich also bei deren Nichtnennung im Urteil um ein offensichtliches Versehen gehandelt haben dürfte.
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Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.
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