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BSG 28.11.2019 - B 8 SO 55/17 B
BSG 28.11.2019 - B 8 SO 55/17 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Prozessunfähigkeit eines Beteiligten - Sachverständigengutachten - Verwertbarkeit - Beweiserhebungsverbot hinsichtlich der Gesprächsinhalte - Verwertbarkeit des übrigen Gutachtens - vorherige Einwilligung - nachträglicher Widerruf
Normen
§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 71 Abs 1 SGG, § 103 S 1 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 402 ZPO, §§ 402ff ZPO, § 547 Nr 4 ZPO, § 104 Nr 2 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 UAbs 1 Buchst c EUV 2016/679
Vorinstanz
vorgehend SG Gotha, 3. März 2016, Az: S 14 SO 194/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 7. Juni 2017, Az: L 8 SO 386/16, Urteil
Leitsatz
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Zur Verwertung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit bei nachträglichen Einwänden des Untersuchten.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 7. Juni 2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Im Streit sind Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1967 geborene Kläger bezieht Leistungen nach dem SGB XII. Nachdem die Beklagte die Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt ab Oktober 2014 unter Berufung auf ihre örtliche Unzuständigkeit abgelehnt hatte (Bescheid vom 4.9.2014), bewilligte sie unter Aufhebung dieses Bescheides Leistungen in Höhe von 391 Euro (Bescheid vom 26.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 12.12.2014). Das Sozialgericht (SG) Gotha hat die Klage hiergegen als unzulässig angesehen, weil ein Rechtsschutzbedürfnis fehle; das Thüringer Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Gerichtsbescheid des SG vom 3.3.2016; Urteil des LSG vom 7.7.2017).
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Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe nicht beachtet, dass er geschäftsunfähig und damit prozessunfähig sei. Er hat in seine medizinische Begutachtung zur Klärung seiner Prozessfähigkeit eingewilligt (Schreiben vom 10.1.2019). Nach der ambulanten Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. B. hat er einer Wiedergabe der Angaben aus dem dabei geführten Gespräch widersprochen (Schreiben vom 7.2.2019) und sich schließlich nach Erstellung und Übermittlung des Gutachtens an das Gericht (am 13.2.2019) gegen dessen Verwertung insgesamt gewandt (Schreiben vom 6.5.2019).
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II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie genügt hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers den Bezeichnungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verfahrensverstoß, weil das LSG zu Unrecht von einer Prozessfähigkeit des Klägers ausgegangen ist und er deshalb nicht wirksam vertreten war (§ 202 SGG iVm § 547 Nr 4 Zivilprozessordnung <ZPO>); hierin liegt ein absoluter Revisionsgrund, bei dem unterstellt wird, dass das Urteil des LSG auf ihm beruht. Der Senat macht deshalb von seiner Möglichkeit Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (vgl § 160a Abs 5 SGG).
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Die Prozessunfähigkeit des Klägers stellt kein Verfahrenshindernis für die vorliegende Beschwerde dar. Ein Rechtsmittel, mit dem sich ein Beteiligter auf seine Prozessunfähigkeit beruft, ist zunächst ohne Rücksicht auf eine möglicherweise bestehende Prozessunfähigkeit zulässig; entsprechend ist auch die zur Einlegung des Rechtsmittels erteilte Prozessvollmacht wirksam. Die Prozessfähigkeit ist grundsätzlich solange zu unterstellen, bis darüber rechtskräftig entschieden ist (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 3.7.2003 - B 7 AL 216/02 B - BSGE 91, 146 = SozR 4-1500 § 72 Nr 1, RdNr 6). Der Senat musste dem Kläger für das weitere Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auch keinen besonderen Vertreter (vgl § 72 SGG) bestellen ("kann"), nachdem er zur Überzeugung gelangt ist, dass eine (partielle) Prozessunfähigkeit vorliegt (dazu sogleich). Im vorliegenden Verfahren war dem Anliegen, dass der Prozessunfähige im Verfahren durch einen Prozessfähigen handeln kann, jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass er durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten und der Rechtsstreit wegen eines von ihm gerügten Verfahrensmangels ohnehin an das Berufungsgericht zurückzuverweisen war (vgl zuletzt BSG vom 20.4.2016 - B 8 SO 57/14 B - juris RdNr 6 mwN).
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Der Kläger ist und war im gesamten Verfahren (partiell) prozessunfähig. Ihm ist eine sachgerechte Prozessführung nicht möglich. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl § 71 Abs 1 SGG), also ua eine solche, die nicht geschäftsfähig iS des § 104 Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist, weil sie sich in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (vgl § 104 Nr 2 BGB) und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (vgl dazu etwa Lange in jurisPK-BGB, 8. Aufl 2017, § 104 RdNr 12 ff mwN). Dabei können bestimmte Krankheitsbilder auch zu einer sog partiellen (Geschäfts- und) Prozessunfähigkeit führen, die sich auf einen gegenständlich begrenzten Lebensbereich beschränkt (stRspr seit Bundesgerichtshof <BGH> vom 24.9.1955 - IV ZR 162/54 - BGHZ 18, 184, 186 f; BGH vom 13.5.1959 - V ZR 151/58 - BGHZ 30, 112, 117 f). Soweit eine solche partielle Prozessunfähigkeit anzunehmen ist, erstreckt sie sich auf den gesamten Prozess (vgl nur BSG vom 15.11.2000 - B 13 RJ 53/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 32 S 65). Eine Prozessunfähigkeit zumindest bezogen auf die Führung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren liegt und lag nach dem Ergebnis der Ermittlungen zur Überzeugung des Senats vor.
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Nach den Feststellungen des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Dr. med. B. in seinem vom Senat in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten (vom 13.2.2019) besteht beim Kläger auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet ua eine anhaltende wahnhafte Störung mit Querulanz-Syndrom (ICD-10 F 22.0) sowie der Verdacht auf eine erworbene Störung der kognitiven Leistung (visuell-räumliche Einschränkungen; ICD-10 F 07.8). Im Ergebnis der ambulanten Untersuchung und unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde sowie der durchgeführten Testdiagnostik sind nach Auffassung des Sachverständigen die psychosozialen Voraussetzungen zu einer freien Willensbildung beim Kläger dauerhaft nicht mehr gegeben.
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Zur Begründung seiner Diagnosestellung und der daraus folgenden Einschränkungen der freien Willensbildung hat der Sachverständige im Einzelnen ausgeführt, dass eine psychosenahe wahnhafte Erkrankung des Klägers eine Umsetzung persönlicher Wertvorstellungen verhindere. Es liege zwar keine paranoide Psychose (gekennzeichnet durch desorientiertes Denken und Verhalten) vor, aber ein anhaltender Wahn von der Wertigkeit einer Psychose. Es handele sich dabei nicht (lediglich) um eine Störung der Realitätswahrnehmung, sondern es bestehe eine stark emotional beladene und vom Betroffenen intensiv verteidigte Überzeugung, die trotz gegenteiliger Evidenz nicht verändert werden könne. Die Motivation des Klägers - als Voraussetzung der Willensbildung - sei so verändert, dass sie den Zugang zu gesellschaftlichen Wertvorstellungen oder einem Wertgefüge verstelle, was sich auch auf die kognitiven und affektiven Entscheidungsprozesse auswirke. Letztlich liege bei ihm - bereits während des gesamten Berufungs- und Klageverfahrens - ein therapieresistenter, überdauernder und schwerer Zustand einer "krankhaften Störung der Geistestätigkeit" vor. Er sei deshalb aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen und sich von ihnen leiten zu lassen.
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Dem Schluss des Sachverständigen, dass aufgrund der vorliegenden Erkrankung beim Kläger eine Einschränkung der freien Willensbildung und somit der prozessualen Geschäftsfähigkeit vorliegt, folgt der Senat nach eigener Prüfung uneingeschränkt. Dabei hat der Senat zwar Teile des Gutachtens nicht selbst überprüft, weil er diejenigen Passagen vor seiner Entscheidung unkenntlich gemacht und folglich auch nicht verwertet hat, die den Inhalt des zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen geführten Gesprächs wiedergeben haben (dazu sogleich). Die Kernaussagen des Gutachtens waren gleichwohl vollumfänglich nachvollziehbar. Insbesondere im Verhalten des Klägers gegenüber dem Gericht wird das vom Sachverständigen beschriebene Krankheitsbild erkennbar. So hat er sich mit Schreiben vom 6.5.2019 und 26.8.2019 gegen die Verwertung des Gutachtens insgesamt gewandt, ohne dass für diesen Wunsch nach dem Hinweis des Senats, die Gesprächspassagen würden entsprechend seiner Erklärung vom 7.2.2019 nicht verwertet werden, ein nachvollziehbarer Grund erkennbar geworden ist und obwohl das Gutachten das von ihm ursprünglich erhoffte Ergebnis gezeigt hat (vgl dazu sein Einwilligungsschreiben vom 10.1.2019). Dieses Verhalten widerspricht einer vernünftigen Prozessführung und macht die vom Sachverständigen beschriebene "Dysfunktionalität des Agierens" des Klägers deutlich. Die Einschätzung des Sachverständigen wird zudem durch die Einschätzung des behandelnden Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie S. bestätigt (Attest vom 8.1.2019). Das im Verfahren beigezogene, vom LSG beauftragte Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. med. M. vom 15.12.2018 führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Sachverständige Dr. M. geht zwar von Prozessfähigkeit aus. Das Gutachten ist aber - entgegen dem Auftrag - nur nach Aktenlage erstellt worden. Die Schlussfolgerung des Gutachtens, "in der Regel" ließen sich bei Personen mit Persönlichkeitsstörungen keine zivilrechtlichen Folgen ableiten, lässt erkennen, dass für eine abschließende Würdigung die Aktenlage nicht ausreichend war, wie dies der Sachverständige Dr. B. auch ausgeführt hat.
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Das Gutachten von Dr. B. darf der Senat entgegen der Ansicht des Klägers auch verwerten, soweit es keine Inhalte aus dem zwischen ihm und dem Sachverständigen geführten Gespräch wiedergibt. In Bezug auf die Inhalte des Gesprächs lag allerdings ein Beweiserhebungsverbot vor. Erhält ein Sachverständiger Kenntnis von Tatsachen, deren Mitteilung nicht für die Beantwortung der Fragestellung im Rahmen seines Gutachtensauftrages erforderlich ist, darf er diese dem Gericht nur übermitteln, wenn der Betroffene zuvor eingewilligt bzw den Sachverständigen von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat (vgl BGH vom 28.10.1992 - 3 StR 367/92 - BGHSt 38, 369, 370 f; Bieresborn in Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 3. Aufl 2019, Teil X, Kap 1 RdNr 47; Bieresborn, SGb 2010, 501, 506; Eisele in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch <StGB>, 30. Aufl 2019, § 203 RdNr 16). Der Kläger hat der Wiedergabe von Gesprächsinhalten anlässlich der ambulanten Untersuchung am 5.2.2019 aber vor Erstellung des Gutachtens ausdrücklich widersprochen (Schreiben an den Sachverständigen vom 7.2.2019). Zwar führt nicht jeder Verstoß gegen ein Beweiserhebungs- zu einem Beweisverwertungsverbot, vielmehr sind ausgehend von der verletzten Rechtsnorm die Folgen des jeweiligen Verstoßes zu beurteilen und eine Abwägung der für und gegen die Beweisverwertung sprechenden Gesichtspunkte vorzunehmen (vgl Bundesverfassungsgericht <BVerfG> vom 2.7.2009 - 2 BvR 2225/08 - BVerfGK 16, 22, 27 ff; BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 30 mwN). Die Verwertung der ohne Einwilligung übersandten Gesprächsinhalte würde hier aber einen Eingriff in das Recht am gesprochenen Wort als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) bedeuten (vgl nur BVerfG vom 9.10 2002 - 1 BvR 1611/96 ua - BVerfGE 106, 28, 44), der insbesondere nicht durch § 103 SGG und § 118 SGG iVm §§ 402 ff ZPO gerechtfertigt ist, weil die eingehende Wiedergabe von Gesprächsinhalten für eine nachvollziehbare Beantwortung der Fragen im Rahmen des gutachterlichen Auftrages nicht erforderlich war.
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Im Übrigen ist das Gutachten jedoch verwertbar. Die Beweiserhebung gestützt auf § 118 SGG iVm §§ 402 ff ZPO war rechtmäßig. Der Kläger hat vor Einholung des Gutachtens zur Klärung der Prozessunfähigkeit in die Untersuchung und Auswertung der Ergebnisse im anhängenden Verfahren ausdrücklich eingewilligt (zu diesem Erfordernis nur BVerfG vom 2.4.1974 - 1 BvR 92/70 ua - BVerfGE 37, 67, 79). Einer (ausdrücklichen) Erklärung zur Entbindung des Sachverständigen von der ärztlichen Schweigepflicht bedurfte es daneben nicht. Soweit ein Sachverständiger ein Gutachten mit Angaben übersendet, die sich im Rahmen des erteilten Gutachtenauftrags bewegen, liegt mit § 118 SGG iVm §§ 402 ff ZPO eine ausreichende gesetzliche Befugnis iS von Art 6 Abs 1 Satz 1 Buchst c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung <DSGVO>; vom 27.4.2016, ABl EU 2016 L 119) iVm § 3 Bundesdatenschutzgesetz (<BDSG>; vom 30.6.2017 - BGBl I 2097) für eine Datenübermittlung an das Gericht vor (vgl Bieresborn in Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 3. Aufl 2019, Teil X, Kap 1 RdNr 46 f; Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 530, 534; zum Datenschutzrecht im Übrigen bereits BGH vom 28.10.1992 - 3 StR 367/92 - BGHSt 38, 369, 370 f; BGH vom 14.11.1963 - III ZR 19/63 - BGHZ 40, 288, 294 ff; Ulsenheimer in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl 2019, § 145 RdNr 47; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl 2019, § 203 RdNr 16; Mushoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 107 RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 118 RdNr 11e; Bieresborn, SGb 2010, 501, 506; Kaltenstein, MedSach 2001, 60).
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Ein rechtmäßig in den Prozess eingeführtes Gutachten bleibt grundsätzlich auch dann verwertbar, wenn der Verwertung später - hier mit Schriftsätzen vom 6.5.2019 und 26.8.2019 - widersprochen wird (vgl LSG Rheinland-Pfalz vom 11.3.2014 - L 3 SB 229/12 - juris RdNr 36; Oberlandesgericht <OLG> München vom 16.5.2013 - 1 U 4156/12 - juris RdNr 39; Mushoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 107 RdNr 19; Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 530, 534 zur Vereinbarkeit mit der DSGVO). Beweise dürfen nur deshalb erhoben werden, damit sie im weiteren Verfahren Verwendung finden; der Zulassung der Beweiserhebung ist die spätere Verwertung immanent (vgl BGH vom 18.1.2011 - 1 StR 663/10 - BGHSt 56, 138 RdNr 20 ff). Da der Kläger in die Untersuchung und damit die Übermittlung der Daten an das Gericht eingewilligt hat und mit der Erklärung vom 7.2.2019, es dürften im Gutachten keine Gesprächsinhalte wiedergegeben werden, der Erstellung des Gutachtens im Übrigen aber ausdrücklich zugestimmt hat, stellt die spätere Beweisverwertung durch den Senat insbesondere keinen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar (vgl BVerfG vom 9.10.2002 - 1 BvR 1611/96 ua - BVerfGE 106, 28, 44; Balthasar, JuS 2008, 35, 36; Di Fabio in Maunz/Dürig, GG, Stand März 2019, Art 2 Abs 1 RdNr 228; Jarass, NJW 1989, 857, 860; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl 2017, RdNr 1626 f; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl 2018, Art 2 RdNr 54). Auch mit Art 6 Abs 1 Satz 1 Buchst c DSGVO ist die Verwertung bei vorheriger Einwilligung vereinbar (vgl hierzu Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 530, 534).
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Die Verwertung des Gutachtens ist auch im Übrigen unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers verhältnismäßig. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind verpflichtet, die Prozessfähigkeit von Amts wegen zu klären und im Hinblick hierauf die materielle Wahrheit möglichst vollständig zu erforschen; dabei sind sie zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden Rechtspflege gehalten, vorliegende Beweise auch zu berücksichtigen (vgl §§ 103, 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Nichtverwertung vorliegender Beweise ist daher eine begründungsbedürftige Ausnahme (vgl zum Zivilprozess: BGH vom 15.5.2018 - VI ZR 233/17 - BGHZ 218, 348 RdNr 29; zum Strafprozess: BVerfG vom 7.12.2011 - 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10 - BVerfGE 130, 1, 26 ff). Solche Gründe ergeben sich bei Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten insbesondere bei Vorliegen eines Ablehnungsgrundes (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 406 Abs 1 bis 4 ZPO), der im Fall seiner erfolgreichen Geltendmachung ein vollständiges Verwertungsverbot nach sich zieht. Ein nicht an Gründe von entsprechendem Gewicht geknüpfter Widerruf einer wirksam erteilten Einwilligung gäbe den Beteiligten aber die uneingeschränkte Möglichkeit, die Berücksichtigung unliebsamer Gutachten zu verhindern (vgl Mushoff in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, § 107 RdNr 19; Bieresborn/Giesberts-Kaminski, SGb 2018, 530, 534).
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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