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BSG 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R
BSG 12.10.2016 - B 4 AS 60/15 R - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Hilfebedürftigkeit - Bedarfsgemeinschaft - Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - behauptete Trennung der nichtehelichen Lebenspartner - keine Heranziehung der familienrechtlichen Regelungen zum Getrenntleben von Ehegatten - Zulässigkeit der Anfechtungsklage zur Erlangung einer endgültigen Bewilligung - Anhörungspflicht
Normen
§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2, § 7 Abs 3a SGB 2, § 9 Abs 2 S 1 SGB 2, § 1567 Abs 1 BGB, § 20 SGB 10, § 21 SGB 10, § 54 Abs 1 S 1 SGG, § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB 2, § 328 Abs 1 SGB 3, § 328 Abs 2 SGB 3, § 24 Abs 1 SGB 10
Vorinstanz
vorgehend SG Leipzig, 7. Februar 2012, Az: S 2 AS 2298/10, Urteil
vorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 12. März 2015, Az: L 3 AS 609/12, Urteil
Leitsatz
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Für die richterliche Gesamtwürdigung über das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II in Form einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sind die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Getrenntleben von Eheleuten nicht heranzuziehen.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. März 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit steht die Aufhebung der vorläufigen Bewilligung und die endgültige Ablehnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.6. bis 30.9.2009. Dabei streiten die Beteiligten im Wesentlichen um die Frage, ob zwischen der Klägerin und L (L) in dem fraglichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft bestanden hat.
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Die 1955 geborene Klägerin bezog ab 1.1.2005 von der ARGE L als Rechtsvorgängerin des Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dem Erstantrag war eine schriftliche Vereinbarung der Klägerin mit L beigefügt, worin sich dieser verpflichtete, an die Klägerin monatlich 123 Euro als Anteil an den Kosten der Wohnung zu zahlen. Beide hatten die Wohnung 1985 gemeinsam angemietet und haben dort seitdem ununterbrochen gewohnt. Die gemeinsame Tochter der Klägerin und des L lebte bis 30.11.2010 ebenfalls in der Wohnung, gehörte aber seit 1.11.2007 wegen der Aufnahme einer Ausbildung nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft. Bei Ermittlungen kam es im Februar 2006 zu einem unangekündigten Hausbesuch durch eine Mitarbeiterin des Beklagten, die zu der Einschätzung kam, zwischen der Klägerin und L bestehe eine Lebensgemeinschaft.
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Für den streitigen Zeitraum bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 18.3.2009 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1.4. bis 30.9.2009 in Höhe von 471,39 Euro. Der Beklagte änderte wegen Berücksichtigung einer Gasabrechnung und verminderten Erwerbseinkommens der Klägerin die Leistungen nach dem SGB II dahingehend ab (Änderungbescheid vom 8.5.2009), dass für April 2009 522,59 Euro und vom 1.5.2009 bis 30.9.2009 vorläufig monatlich 473,73 Euro gewährt wurden. Nach Vorlage von Lohnbescheinigungen des L hob der Beklagte - zunächst gestützt auf § 48 SGB X - die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1.6.2009 auf (Bescheid vom 27.5.2009). Wegen Berücksichtigung des Einkommens des L sei die Klägerin nicht hilfebedürftig. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, zwischen ihr und L bestehe nur eine Wohngemeinschaft. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück, stützte seine Entscheidung aber nunmehr auf §§ 7, 9, 11, 19 und 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 2 SGB III und beschränkte seine Ablehnung auf die Zeit vom 1.6. bis 30.9.2009 (Widerspruchsbescheid vom 10.6.2010).
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In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Sächsische LSG der Klägerin einstweilige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch für die Zeit vom 1.6. bis 30.9.2009 in Höhe von 473,73 Euro/mtl zugesprochen, die auch ausgezahlt worden sind (Beschluss vom 10.9.2009 - L 7 AS 414/09 B ER).
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Das SG hat die Klage in der Hauptsache abgewiesen (Urteil vom 7.2.2012). Es bestehe zwischen der Klägerin und L eine Bedarfsgemeinschaft. Es liege ein qualifiziertes Zusammenleben vor, weil beide Personen die Wohnung gemeinsam mit ihrer damals noch minderjährigen Tochter bewohnten. Auch lebten beide seit 1985 zusammen in dieser Wohnung.
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Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2015). Der angefochtene Bescheid sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Auch materiell sei der Bescheid rechtmäßig, denn im Rahmen der anhand von Indizien vorzunehmenden Gesamtwürdigung sei davon auszugehen, dass die Klägerin und L eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Zwischen beiden habe schon früher eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden. Eine Trennung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht festzustellen. § 1567 BGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung sei auf die Prüfung der Trennung einer eheähnlichen Gemeinschaft zu übertragen. Danach setze die Trennung der Partnerschaft einen erkennbaren Trennungswillen voraus. Ein solcher Trennungswille sei im konkreten Fall nicht durch objektive Umstände belegt, sodass weiterhin vom Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft auszugehen sei. Auch hätten die Klägerin und L langjährig in häuslicher Gemeinschaft mit ihrer minderjährigen Tochter gelebt, hätten diese versorgt und aus einem "Topf" gewirtschaftet.
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Die Klägerin macht mit der Revision geltend, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass zwischen ihr und L im Jahr 2009 eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden habe. Insbesondere müsse und könne sie nicht nachweisen, dass sie sich von dem angeblichen Partner getrennt habe. Die Anwendung des § 1567 BGB verkehre die Beweislastregeln. Auch habe das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, indem es bei der Würdigung der Zeugenaussagen die allgemeinen Denkgesetze missachtet habe. Schließlich habe das LSG gegen Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG verstoßen, als es in Ansehung des Ergebnisses der Beweisaufnahme die Berufung überraschend zurückgewiesen habe.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 12. März 2015 und des Sozialgerichts Leipzig vom 7. Februar 2012 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juni 2010 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Auch wenn man von der Vermutung des § 1567 BGB Abstand nehme, sei die vom LSG getroffene Entscheidung im Ergebnis richtig. Die Umstände für die Vermutung eines Verantwortungs- und Einstandswillens nach § 7 Abs 3a SGB II lägen vor und seien nicht durch objektivierbare Umstände widerlegt worden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des Sächsischen LSG vom 12.3.2015, mit dem dieses das klageabweisende Urteil des SG Leipzig vom 7.2.2012 und damit den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 27.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.6.2010 bestätigt hat.
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Die Klägerin kann ihr Rechtsschutzbegehren in zulässiger Weise mit der Anfechtungsklage verfolgen. Zwar würden ihr im Falle eines Erfolgs keine höheren als die bereits erhaltenen (vorläufigen) Leistungen zustehen; die Klägerin hat bereits vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 473,73 Euro für die Monate Juni bis September 2009 erhalten (Beschluss des LSG vom 10.9.2009 - L 7 AS 414/09 B ER). Die isolierte Anfechtungsklage ist aber mit dem Ziel statthaft, die Vorläufigkeitserklärung, die ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II (Nr 1a eingefügt durch das Gesetz zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige <Freibetragsneuregelungsgesetz> vom 14.8.2005, BGBl I 2407; § 40 SGB II hier anwendbar in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008, BGBl I 2917 <im Folgenden aF>) iVm § 328 Abs 1 SGB III hatte, zu beseitigen und eine endgültige Bewilligung zu erlangen (vgl BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 20; Düe in Brand, SGB III, 7. Aufl 2015, § 328 RdNr 33 mwN). Im Erfolgsfall wird über eine endgültige Leistungsbewilligung für den streitigen Zeitraum zu entscheiden sein.
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1. Der angefochtene Verwaltungsakt des Beklagten ist formell rechtmäßig.
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Eine Anhörung der Klägerin ist vor Erlass des Verwaltungsakts, mit dem endgültig über die Bewilligung von Leistungen entschieden worden ist, nicht erforderlich gewesen.
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Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte des Betroffenen eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern. Dabei ist bezüglich der Frage, ob eine Anhörung erforderlich ist, von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, auch wenn diese falsch sein sollte. Der Umstand, dass der Beklagte die Aufhebungsverfügung (zunächst fehlerhaft) auf § 48 SGB X gestützt hat, was eine Anhörung erfordern würde, begründet hier aber keinen Anhörungsfehler. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist der Verwaltungsakt des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Mit dem Widerspruchsbescheid hat dieser aber seine Begründung korrigiert und seine Entscheidung nun (richtig) auf § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 2 SGB III gestützt.
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Vor Erlass einer endgültigen Entscheidung über den Leistungsanspruch nach zunächst vorläufiger Bewilligung bedarf es keiner Anhörung. Die Klägerin hat durch die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II keine Rechtsposition erlangt, in die der Beklagte durch die endgültige Entscheidung über die Leistungsbewilligung hätte eingreifen können (so zutreffend Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, 05/12, § 328 RdNr 218; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 14 mwN).
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2. Der Senat kann aber nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.6. bis 30.9.2009 endgültig ablehnen durfte, der angefochtene Verwaltungsakt also materiell rechtmäßig ist.
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Rechtsgrundlage für die Ersetzung der vorläufigen Bewilligung durch eine endgültige Entscheidung, die auch in der Ablehnung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.6. bis 30.9.2009 bestehen kann, ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 2 SGB III. Nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II aF sind die Vorschriften des SGB III über die vorläufige Bewilligung entsprechend anwendbar. Nach § 328 Abs 2 SGB III hat die Behörde eine vorläufige Entscheidung auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.
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Der Beklagte ist nach diesen Vorschriften ermächtigt gewesen, eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch zu treffen. Denn die Klägerin hat ausdrücklich beantragt, die Bescheide über die vorläufige Bewilligung vom 18.3. und 8.5.2009 für endgültig zu erklären. Darüber hinaus ist der Beklagte - trotz des insoweit engeren Wortlauts des § 328 Abs 2 SGB III - verpflichtet, nach Klärung der Verhältnisse einen endgültigen Bescheid über die Leistungsbewilligung nach dem SGB II zu erlassen (BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 21).
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Zwar erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II (in der ab 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706 <im Folgenden aF>). Sie ist leistungsberechtigt, denn sie ist 1955 geboren, erwerbsfähig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Einer der Ausschlusstatbestände nach § 7 Abs 1 S 2, Abs 4, 4a oder 5 SGB II liegt nicht vor. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist sie selbst hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II (idF ab 1.1.2005, im Folgenden aF).Allerdings ist nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II aF bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
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Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs 1 S 1 und 2 SGB II erbracht, soweit sie nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind (§ 19 Abs 3 S 1 SGB II). Der Bedarf der Klägerin lag von Mai bis September 2009 bei jeweils 473,73 Euro/mtl und setzte sich aus dem Regelbedarf (§ 20 Abs 2 S 1 SGB II) sowie dem Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II) zusammen.
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Aufgrund der Feststellungen des LSG ist jedoch nicht geklärt, ob die Klägerin hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II aF ist. Dies ist nicht der Fall, wenn bei der Berechnung ihres Leistungsanspruchs Einkommen und Vermögen des L zu berücksichtigen ist. Einkommen und Vermögen des L ist nur zu berücksichtigen, wenn zwischen ihr und L im streitbefangenen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF) bestanden hat.
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Nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird gemäß § 7 Abs 3a SGB II (ebenfalls idF ab 1.8.2006) vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammen leben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammen leben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
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Die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF hat der Senat dahingehend konkretisiert (vgl BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32, RdNr 14), dass drei Merkmale kumulativ gegeben sein müssen. Bei den fraglichen Personen muss es sich um Partner handeln (1.), die in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzung, 2.), und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung, 3.). Der Begriff der "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft" wird gegenüber der (bloßen) Wohngemeinschaft dadurch gekennzeichnet, dass ihre Mitglieder nicht nur vorübergehend in einer Wohnung leben, sondern einen gemeinsamen Haushalt in der Weise führen, dass sie aus einem "Topf" wirtschaften (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 13; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; BSG Urteil vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32, RdNr 17 f; dazu Reichel, jurisPR-SozR 9/2013 Anm 3; kritisch Wettlaufer, SGb 2016, 496, 501).
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Die Prüfung, ob die genannten Voraussetzungen zur Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft berechtigen, ist durch das Tatsachengericht anhand von Indizien im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen; die Würdigung bezieht sich auch auf subjektive Tatsachen (ähnlich zur Feststellung einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auch BFH, 10.3.2016 - III R 62/12 - HFR 2016, 729). Das Revisionsgericht hat insoweit nur zu prüfen, ob das Tatsachengericht bei seinen Feststellungen von dem zutreffenden Rechtsbegriff - hier der Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft - ausgegangen ist (ähnlich zur Feststellung einer Verwertungsmöglichkeit: BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23).
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Allerdings hat das LSG die Feststellung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen der Klägerin und L nicht frei von Rechtsfehlern getroffen.
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Zwar hat das LSG im Rahmen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, dass die Klägerin schon seit Jahrzehnten mit L zusammenwohnt, dass beide Personen Mieter der gemeinsamen Wohnung sind, sie ein gemeinsames Kind haben, das bis 2010 mit ihnen in der Wohnung lebte und von der Klägerin und L versorgt worden ist. Obwohl mithin mehrere Kriterien des § 7 Abs 3a SGB II aF erfüllt sind, hat das LSG nicht aus diesen Umständen auf das Vorliegen eines Einstandswillens geschlossen. Vielmehr hat es das Bestehen einer "nichtehelichen Lebensgemeinschaft" in der Zeit vor 2009 bejaht und hiervon ausgehend weiter geprüft, ob sich die Partner dieser früheren Beziehung getrennt haben. Zur Prüfung, ob eine Trennung erfolgt sei, hat es § 1567 Abs 1 BGB entsprechend angewendet. Nach dieser Vorschrift leben die "Ehegatten" getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Gemäß § 1567 Abs 1 S 2 BGB besteht die häusliche Gemeinschaft auch nicht, wenn Ehegatten innerhalb einer Wohnung getrennt leben.
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§ 1567 Abs 1 BGB ist für die Gesamtwürdigung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft besteht oder nicht besteht, nicht - auch nicht entsprechend - anzuwenden. Dies scheitert schon daran, dass es sich um eine Regelung über die Trennung von Eheleuten handelt. Solche Regelungen des Familienrechts, die die Ehe betreffen, können auf eheähnliche Gemeinschaften gerade nicht angewendet werden.
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Die Voraussetzungen für die Leistungsberechtigung nach dem SGB II sind in § 7 SGB II aF eigenständig und abschließend geregelt (so auch Wettlaufer, SGb 2016, 496, 500). Es obliegt den Jobcentern und ggf den zuständigen Gerichten zu ermitteln (§§ 20, 21 SGB X) und darüber zu entscheiden, ob eine leistungsberechtigte Person aktuell in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, weil die gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF mit einer anderen Person so zusammen lebt, dass der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Um diese mitunter schwierige Entscheidung zu erleichtern, stellt § 7 Abs 3a SGB II aF eine Regelung auf, unter welchen Voraussetzungen der Wille, füreinander Verantwortung zu tragen und einzustehen, widerleglich vermutet wird. In diesem Regelungskontext ist für die entsprechende Anwendung familienrechtlicher Regelungen (zB § 1567 BGB) kein Raum. Insbesondere sehen die Regelungen in § 7 Abs 3, 3a SGB II aF nicht vor, dass Leistungsberechtigte, zwischen denen irgendwann eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden hat, einen "nach außen erkennbaren Trennungswillen" dokumentieren müssten.
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Anderes kann auch der Entscheidung des BSG vom 16.4.2013 (B 14 AS 71/12 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 12 RdNr 17) nicht entnommen werden. Dort hat das BSG entschieden, dass für die Auslegung des Begriffs "Getrenntleben" von Ehegatten (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II aF) der familienrechtliche Begriff des § 1567 BGB gilt. Anders als jene Entscheidung betrifft der vorliegende Fall nicht die Frage, ob Ehegatten getrennt leben. Vielmehr geht es darum, zu entscheiden, ob zwei Personen in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF) leben und deshalb eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Auf diese Fallgruppe ist die Rechtsprechung des BSG zur Frage des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft unter Ehepartnern (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II aF) nicht übertragbar (so auch BVerwG Urteil vom 26.1.1995 - 5 C 8/93 - BVerwGE 97, 344 = NVwZ 1995, 1106; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.3.2008 - L 8 AS 1358/07; Schoch in Münder <Hrsg>, SGB II, 5. Aufl 2013, § 7 RdNr 60).
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Weil das LSG bei der Feststellung des Vorliegens einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen der Klägerin und L von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist, reichen die vom LSG getroffenen Feststellungen für eine Entscheidung des Senats nicht aus (§ 163 SGG). Der Senat ist auch nicht befugt, anstelle des Tatsachengerichts die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen und die gebotene Gesamtabwägung vorzunehmen. Daher ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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3. Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nach Maßgabe des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II aF zu ermitteln und zu beurteilen haben, ob im streitigen Zeitraum von Juni bis September 2009 zwischen der Klägerin und L eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft bestanden hat.
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Nachdem der Rechtsstreit aus den genannten Gründen an das LSG zurückzuverweisen ist, kommt es auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen nicht an.
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Das LSG wird in dem wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
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