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BSG 23.08.2013 - B 8 SO 7/12 R
BSG 23.08.2013 - B 8 SO 7/12 R - Sozialhilfe - Kostenersatz durch Erben - Erbengemeinschaft - Ermessensausübung hinsichtlich der Auswahl eines Gesamtschuldners und des Umfangs der Inanspruchnahme - Ersatzpflicht auch bei Erwerb des Nachlassvermögens nach dem Bezug von Sozialhilfe
Normen
§ 92c Abs 1 S 1 BSHG, § 92c Abs 1 S 2 BSHG, § 92c Abs 2 S 1 BSHG, § 92c Abs 3 Nr 3 BSHG, § 88 Abs 2 BSHG, § 88 Abs 3 BSHG, § 421 BGB, § 1967 Abs 1 BGB, § 2058 BGB, § 2060 BGB
Vorinstanz
vorgehend SG Nordhausen, 21. Juli 2008, Az: S 15 SO 777/06, Urteil
vorgehend Thüringer Landessozialgericht, 6. Juli 2011, Az: L 8 SO 1027/08, Urteil
Leitsatz
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1. Der Sozialhilfeträger muss im Rahmen der Erbenhaftung bei einer Mehrheit von Erben, die mit dem Nachlass als Gesamtschuldner für an den Erblasser geleistete Sozialhilfe haften, regelmäßig Ermessen ausüben, welchen Gesamtschuldner und in welcher Höhe er ihn in Anspruch nimmt.
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2. Der Zeitpunkt des Erwerbs des Vermögens durch den Erblasser ist für den Umfang der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung ohne Bedeutung; deshalb ist der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers seiner Höhe nach nicht auf den Wert des Vermögens beschränkt, das zum Zeitpunkt des Sozialhilfebezugs bereits vorhanden war.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 6. Juli 2011 und des Sozialgerichts Nordhausen vom 21. Juli 2008 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2006 aufgehoben.
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Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6561,62 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Im Streit ist die Inanspruchnahme der Klägerin als Gesamtschuldnerin in Höhe von 6561,62 Euro im Wege des Kostenersatzes als Erbin für die ihrem Vater E G (G) in der Zeit vom 28.5.1991 bis 30.6.1992 und für Juni 1996 erbrachten Sozialhilfeleistungen.
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Die Klägerin ist neben fünf weiteren Geschwistern Miterbin (Erbschein des Amtsgerichts Worbis vom 22.10.2001) ihres am 28.5.2001 verstorbenen Vaters G. G lebte seit März 1991 in einem Pflegeheim in L (Landkreis Eichsfeld). Die Kosten der Unterbringung wurden vom Beklagten bis Juni 1992 sowie für den Monat Juni 1996 unter Berücksichtigung des Renteneinkommens des G und des ab 1.10.1991 gezahlten Wohngeldes erbracht (in der Zeit von Juli 1992 bis Mai 1996 hat das Landessozialamt die Kosten übernommen). Die von ihm aufgebrachten Kosten beliefen sich auf über 18 000 DM. Ab 1.7.1996 (Inkrafttreten der Regelung über die vollstationäre Pflege nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - <SGB XI>) wurden keine Sozialhilfeleistungen mehr erbracht. Zum Zeitpunkt des Todes des G betrug das Guthaben auf seinem Sparbuch 18 000 DM und auf seinem Girokonto 532,92 DM. Am 28.6.2001 wurden dem Sparkonto Zinsen in Höhe von 497,44 DM gutgeschrieben. Das Girokonto wies aufgrund von Kontobewegungen am Tag seiner Löschung am 4.9.2001 ein Guthaben von 2019,08 DM aus.
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Nachdem sich die Erbengemeinschaft bereits auseinandergesetzt hatte, forderte der Beklagte von der Klägerin nach Anhörung "im Wege der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung" Kostenersatz in Höhe von 6561,62 Euro (Bescheid vom 3.11.2003; Widerspruchsbescheid vom 30.3.2006). Dabei ging er von einem zur Verfügung stehenden Nachlass in Höhe von 22 616,52 DM (Sparguthaben: 18 497,44 DM; Girokonto: 2019,08 DM; Sterbegeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung 2100 DM) aus; abzüglich "anerkannter" Nachlassverbindlich-keiten in Höhe von 6619,10 DM und eines Vermögensfreibetrags in Höhe von 3164 DM verbleibe ein Kostenersatzbetrag in Höhe von 12 833,42 DM (6561,62 Euro).
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Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Nordhausen vom 21.7.2008; Urteil des Thüringer Landessozialgerichts <LSG> vom 6.7.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin sei nach § 92c Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Gesamtschuldnerin für alle Miterben zum Kostenersatz verpflichtet. Die Ersatzpflicht erstrecke sich auf rechtmäßig innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall geleistete Hilfe. Dies gelte auch dann, wenn das Nachlassvermögen erst nach dem Bezug von Sozialhilfe durch den Hilfeempfänger erworben worden sei, weil sich die Erbenhaftung nicht allein auf zum Zeitpunkt des Sozialhilfebezugs vorhandenes Schonvermögen erstrecke. Die von dem Beklagten aufgebrachten Leistungen seien auch rechtmäßig erbracht worden und deutlich höher als der zu berücksichtigende, vom Beklagten richtig berechnete Kostenersatz. Eine Privilegierung der Klägerin oder eines der Miterben nach § 92c Abs 3 Nr 2 oder 3 BSHG sei nicht erkennbar. Da der Kostenersatz eine Nachlassverbindlichkeit sei, für den die Erben als Gesamtschuldner hafteten, habe der Beklagte die Klägerin auch für alle Miterben in Anspruch nehmen dürfen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Ermessens bei der Frage, wer von den Gesamtschuldnern in Anspruch genommen werde, seien nicht erkennbar. Eine Beteiligung der Miterben sei weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren erforderlich.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 92c BSHG. Die Ersatzpflicht scheitere schon daran, dass die Sozialhilfe vor dem Erwerb des Nachlassvermögens durch den Hilfeempfänger gewährt worden und dieser selbst nicht zur Erstattung verpflichtet gewesen sei. Im Übrigen sei das LSG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin als Gesamtschuldnerin für die gesamte gegen die Erbengemeinschaft gerichtete Forderung in Anspruch genommen werden könne. Eine Ermächtigung des Beklagten, die gesamte Forderung gegenüber einem Erben geltend zu machen, könne der Vorschrift des § 92c BSHG nicht entnommen werden. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Kostenersatzes die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bereits erfolgt gewesen sei. Der angegriffene Bescheid sei auch verfahrensfehlerhaft, weil er keinen Verfügungssatz enthalte. Erst auf S 3 des Bescheids werde innerhalb der Begründung mitgeteilt, dass "Kostenersatz gemäß § 92c BSHG … in Höhe des verwertbaren Restnachlasses in Höhe von 6561,62 Euro geltend gemacht" werde. Schließlich leide das Verfahren vor dem SG unter dem Mangel, dass die übrigen Erben nicht beigeladen worden seien.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 3.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Bescheid des Beklagten vom 3.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) wendet, ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten. Zwar war der Beklagte berechtigt, bei einer Erbengemeinschaft von jedem Miterben als Gesamtschuldner im Wege der Erbenhaftung den gesamten Forderungsbetrag geltend zu machen; jedoch hatte er Ermessen auszuüben, welchen von mehreren Gesamtschuldnern er in Anspruch nimmt und in welcher Höhe er von diesem Kostenersatz verlangt. Dies hat er unterlassen.
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Einer Beiladung der übrigen Erben nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) bedurfte es nicht. Nach dieser Vorschrift sind Dritte notwendig beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Einer einheitlichen Entscheidung bedarf es nicht deshalb, weil die Erben für den Kostenersatz nach § 92c BSHG als Gesamtschuldner haften (dazu unten). Die gesamtschuldnerische Haftung trifft jeden Erben gesondert und bewirkt gerade nicht, dass das streitige Rechtsverhältnis ihnen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden könnte (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; BSG SozR 3-1500 § 58 Nr 1; SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 16; vgl auch Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 15.7.2011 - B 12 SF 1/11 S - RdNr 8; aA für gemeinsame Unternehmer bei Beitragsbescheiden im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung BSG, Urteil vom 30.3.1988 - 2/9b RU 18/87 - mwN).
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Der Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Insbesondere bedurfte es nicht der Beteiligung sozial erfahrener Dritter nach § 114 Abs 2 BSHG; denn eine beratende Beteiligung ist nur vor dem Erlass des Bescheids über einen Widerspruch gegen die "Ablehnung der Sozialhilfe oder gegen die Festsetzung ihrer Art und Höhe" erforderlich, um die es hier nicht geht. Insbesondere stellt der Kostenersatz keine Rückforderung von Sozialhilfe nach §§ 45 ff, 50 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) dar, bei der die zunächst unterbliebene Ablehnung oder Änderung durch die Korrektur des ursprünglichen Bescheids gleichsam nachgeholt wird und deshalb die Beteiligung sozial erfahrener Dritter erforderlich macht (BVerwGE 70, 196 ff), weil Art und Höhe der ursprünglichen Festsetzung der Sozialhilfe bei der Geltendmachung des Kostenersatzes nach § 92c BSHG unangetastet bleiben.
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Der Bescheid vom 3.11.2003 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs 1 SGB X verfahrensfehlerhaft. Danach muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Die Bestimmtheit bezieht sich dabei auf den Entscheidungsausspruch, also den Verfügungssatz bzw die Verfügungssätze der Entscheidung (Waschull in Diering/Timme/Waschull, Lehr- und Praxiskommentar SGB X, 3. Aufl 2011, § 33 RdNr 2). Das Bestimmtheitserfordernis setzt voraus, dass der Adressat des Verwaltungsakts in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen. Dies ist der Fall, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (BSG SozR 3-4100 § 242q Nr 1 S 2 f; SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16; SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). Zudem muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (BVerwGE 84, 335, 338). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Ein Bescheid über den Kostenersatz durch Erben nach § 92c BSHG ist danach schon dann hinreichend bestimmt, wenn der Adressat des Verwaltungsakts die Höhe der Haftungsschuld erkennen kann (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). An welcher Stelle der Verfügungssatz in dem Bescheid ausgesprochen wird, ist hingegen ohne Bedeutung, solange der Adressat in der Lage ist, das von ihm Geforderte zu erkennen. Dies ist hier zu bejahen. Auf S 3 des Bescheids heißt es nämlich in Fettdruck: "Kostenersatz gemäß § 92c BSHG wird daher in Höhe des verwertbaren Restnachlasses in Höhe von 6561,62 Euro geltend gemacht" und auf S 4 heißt es schließlich: "Ich bitte Sie daher um Einzahlung des Betrages in Höhe von 6561,62 Euro". Die Forderung wird damit eindeutig zum Ausdruck gebracht und wurde von der Klägerin auch so verstanden, wie ihr weiteres Vorgehen im Widerspruchs- und Klageverfahren bestätigt.
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Der angegriffene Bescheid genügt auch im Übrigen den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts. Neben der Höhe des Kostenersatzes ist weder die konkrete Benennung des Haftungsgrunds noch die Bezeichnung des Zeitraums erforderlich, für den Kostenersatz begehrt wird, noch detailliert aufzulisten, wann und in welcher Höhe die jeweiligen Sozialhilfeleistungen erbracht worden sind (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11). Inwieweit aus der engen Verzahnung von § 33 SGB X und § 35 SGB X aus dem Bescheid zumindest im Ansatz erkennbar sein muss, dass ein Ersatzanspruch gegen den Erben geltend gemacht wird, kann dahinstehen, weil der Beklagte die Klägerin ausdrücklich als Erbin in Anspruch genommen hat (dazu BSG aaO). Dem Bescheid ist auch zu entnehmen, dass die Klägerin im Wege der gesamtschuldnerischen Erbenhaftung in vollem Umfang in Anspruch genommen wird, was der Beklagte auf S 4 der Begründung im Einzelnen erläutert.
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Der Beklagte war örtlich und sachlich für die Geltendmachung des Ersatzanspruchs zuständig. Dies ergibt sich - ohne besonders geregelt sein zu müssen und mangels anderweitiger Regelungen - aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass der Erstattungsanspruch als actus contrarius die Kehrseite des Leistungsanspruchs darstellt (BSG aaO RdNr 10).
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Die materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids misst sich an § 92c BSHG (in der Fassung, die die Norm durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993 - BGBl I 2374 - erhalten hat). Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts ist für das anzuwendende Recht die Entstehung des Anspruchs - hier der Erbfall im Mai 2001 - maßgebend (BSG aaO RdNr 12; BVerwGE 57, 26, 29).Nach § 92c Abs 1 BSHG (seit 1.1.2005 § 102 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - <SGB XII>) ist der Erbe des Hilfeempfängers zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe verpflichtet, die innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Zweifache des Grundbetrags nach § 81 Abs 1 BSHG übersteigen.
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Für den Kostenersatzanspruch spielt es schon nach dem Wortlaut des § 92c BSHG keine Rolle, ob das Vermögen bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs existiert hatte und nach § 88 Abs 2 und 3 BSHG geschont worden war oder erst nach dem Leistungsbezug erworben worden ist. Neben einer am Wortlaut orientierten Auslegung zeigen systematische Erwägungen und die historische Entwicklung der Vorschrift, dass der Zeitpunkt des Erwerbs des Vermögens für einen Kostenersatzanspruch irrelevant ist (Oberverwaltungsgericht <OVG> für das Land Nordrhein-Westfalen <NRW>, Urteil vom 20.2.2001 - 22 A 2695/99; OVG Berlin, Urteil vom 23.6.2005 - 6 B 23/03; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 102 SGB XII RdNr 20; Simon in juris PraxisKommentar <jurisPK> SGB XII, § 102 SGB XII RdNr 44; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 102 SGB XII RdNr 96, Stand März 2008).
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Im früheren Fürsorgerecht (Verordnung über die Fürsorgepflicht <RFV> vom 13.2.1924 - RGBl I 100) sah § 25 RFV noch vor, dass "ein Hilfebedürftiger, der zu hinreichendem Vermögen oder Einkommen gelangt, die aufgewendeten Kosten dem Fürsorgeverband zu ersetzen hat". Satz 2 der Vorschrift regelte ergänzend, dass der Ersatzanspruch "auch gegenüber dem Erben des Hilfebedürftigen geltend gemacht werden" kann und - wie der Ersatzanspruch nach § 92c BSHG bzw seit 1.1.2005 § 102 SGB XII - als Nachlassverbindlichkeit gilt. Eine solche Haftung wurde mit Einführung des BSHG insgesamt aufgehoben, weil die Meinung, dass die Verpflichtung zum Kostenersatz aus sozialethischen und fürsorgepolitischen Gründen notwendig sei, immer seltener vertreten und stattdessen darauf hingewiesen wurde, dass gerade diejenigen Hilfebedürftigen, die auf öffentliche Hilfe dringend angewiesen seien, vor allem ältere Menschen, wegen der Ersatzpflicht nicht um Hilfe nachsuchten. Ferner wurde geltend gemacht, dass die Verpflichtung zum Kostenersatz die öffentliche Fürsorge in den Augen der Allgemeinheit diskriminiere und andere steuerfinanzierte Sozialleistungen - wie die Arbeitslosenhilfe - ohne Ersatzpflicht gewährt würden (BR-Drucks 53/60, S 35). Diesen Erwägungen folgend wurde die Ersatzpflicht im BSHG auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten sowie auf Fälle beschränkt, in denen der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt später zu erheblichem Einkommen oder Vermögen gelangte (§ 92 idF des BSHG vom 30.6.1961 - BGBl I 815).
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Durch das Entfallen der Pflicht zum Kostenersatz entfiel auch die nach § 25 RFV als Nachlass-verbindlichkeit normierte Pflicht des Erben. Dies wurde später als unbillig empfunden und durch Einführung des § 92c BSHG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes vom 14.8.1969 (BGBl I 1153) wieder geändert. Zur Begründung (BR-Drucks 318/68, S 16) wurde angeführt, es erscheine nicht gerechtfertigt, dass den Erben der Hilfeempfänger, besonders denjenigen, die dem Hilfeempfänger nicht nahe gestanden hätten, nur deshalb zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen zuwachse, weil dem Hilfeempfänger und seinen nächsten Angehörigen selbst die Verwertung dieses Vermögens nicht zugemutet worden sei. Diese Folge der geltenden Bestimmungen bedeute zugleich auch eine nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber den Erben solcher Hilfeempfänger, die allein auf den Einsatz ihres Einkommens angewiesen seien. Die Einführung des § 92c BSHG zeigt mithin, dass die ursprüngliche Erbenhaftung wieder eingeführt werden sollte. Zwar nimmt die Gesetzesbegründung auf Schonvermögen Bezug, lässt aber - ebensowenig wie der Wortlaut des § 92c BSHG - erkennen, dass die Erbenhaftung auf früheres Schonvermögen beschränkt bleiben soll, zumal das in der Drucksache genannte Schonvermögen nur den typischen Anwendungsfall der Erbenhaftung darstellt (ebenso OVG NRW, Urteil vom 20.2.2001 - 22 A 2695/99). Es wäre auch nicht nachvollziehbar, weshalb ein Erbe besser gestellt oder besonders geschützt werden sollte, wenn der Nachlass des Hilfebedürftigen in der Zeit nach dem Leistungsbezug erworben wurde. Der Zweck der Kostenersatzpflicht liegt nämlich in erster Linie darin, "im öffentlichen Interesse eine möglichst umfassende 'Refinanzierung' aufgewendeter Sozialhilfekosten sicherzustellen" (BVerwGE 118, 313, 316 f). Dass der Gesetzgeber selbst von einem solchen Verständnis der Regelung ausgegangen ist, zeigt sich daran, dass er in der Folgezeit trotz mehrfacher Änderungen der Norm und insbesondere bei der Einführung des SGB XII die Vorschrift insoweit unverändert gelassen und gerade keine "Korrektur" oder "Klarstellung" vorgenommen hat. Hätte er die Anwendung der Erbenhaftung auf das Schonvermögen beschränkt wissen wollen, hätte eine solche "Klarstellung" erwartet werden können. Einen ausreichenden Schutz des Erben bieten mithin die Frist von zehn Jahren, nach der auch der Erbe nicht mehr in Anspruch genommen wird, sowie die in Abs 3 genannten Privilegierungen. Zudem beschränkt sich der Kostenersatz auf den das Zweifache des Grundbetrags nach § 81 Abs 1 BSHG übersteigenden Betrag.
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Die Klägerin ist als Erbin des Hilfeempfängers zu behandeln. Das Amtsgericht Worbis hat einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, wonach sie neben ihren fünf Geschwistern Erbin zu 1/6 ist. Mit der Aushändigung des Erbscheins ist die positive Vermutung verbunden, dass demjenigen, der in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht (§ 2365 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>). Zwar bindet der Erbschein die Instanzgerichte nicht, sie dürfen aber - wie hier das LSG - von dieser Berechtigung ausgehen, solange der Erbschein nicht eingezogen ist (BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 13 mwN).
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Ob - wie hier - bei einer Mehrheit von Erben jeder Erbe als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) in Anspruch genommen werden darf oder nur auf einen Teilbetrag, hat der Senat bislang offen gelassen (BSG aaO RdNr 14; ebenso BVerwGE 57, 26, 27). Diese Frage ist im ersteren Sinne zu bejahen (ebenso Verwaltungsgerichtshof Kassel, Urteil vom 26.11.1998 - 1 UE 1276/95 -, allerdings nur wenn kein Privilegierungstatbestand in der Person eines Erben vorliegt). Nach § 92c Abs 2 BSHG gehört die Ersatzpflicht des Erben zu den Nachlassverbindlichkeiten, für die nach § 1967 Abs 1 BGB der Erbe haftet. Bei einer Mehrheit von Erben haften die Miterben für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch (§ 2058 BGB), also jeder einzelne Miterbe persönlich (§ 421 BGB).
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Auch nach der Teilung des Nachlasses bleibt die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für die nicht vorab getilgten Nachlassverbindlichkeiten (vgl § 2046 BGB) grundsätzlich bestehen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.10.1997 - IV ZR 327/96), soweit - wie hier - kein in §§ 2060, 2061 BGB genannter Ausnahmefall (Ausschluss im Angebotsverfahren, verspätete Geltendmachung, Nachlassinsolvenzverfahren, Privataufgebot) vorliegt. An der gesamtschuldnerischen Haftung ändert sich auch nichts, wenn in der Person eines oder mehrerer Erben eine Privilegierung nach § 92c Abs 3 BSHG vorliegt, insbesondere die Inanspruchnahme eines von mehreren Erben nach der Besonderheit des Einzelfalls eine besondere Härte bedeuten würde (§ 92c Abs 3 Nr 3 BSHG). Die Privilegierung gilt bei einer Mehrheit von Erben nur in der Person des Erben, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt (BVerwGE 57, 26, 28). Die Privilegierung hat also nicht zur Folge, dass die Voraussetzungen für einen Kostenersatzanspruch nicht gegeben sind, sondern nur, dass dieser nicht geltend gemacht, also durchgesetzt werden kann, soweit der privilegierte Miterbe betroffen ist. Gleichwohl sind individuelle Privilegierungen vom Sozialhilfeträger nach Sinn und Zweck der Regelung im Rahmen erforderlicher Ermessenserwägungen ebenso zu beachten wie sonstige Umstände.
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Die Entscheidung des Beklagten, allein die Klägerin in Anspruch zu nehmen, ist vor diesem Hintergrund ermessensfehlerhaft. Der Gläubiger kann zwar gemäß § 421 BGB die Leistung "nach seinem Belieben" von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Dieses "Wahlrecht", das im Zivilrecht seine Grenze lediglich im Rechtsmissbrauch findet (Grüneberg in Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 421 RdNr 12 mwN), ist im öffentlichen Recht insoweit allgemein eingeschränkt, als an die Stelle des "freien Beliebens" ein pflichtgemäßes Ermessen bei der Auswahl des Gesamtschuldners tritt (Bundesverwaltungsgericht <BVerwG>, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 57/91; Grüneberg in Palandt, aaO, § 421 RdNr 12; zur Erforderlichkeit der Ermessensausübung allgemein auch BSGE 89, 90, 93 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5). In der Regel hat der Sozialleistungsträger dabei jedoch nur das Willkürverbot zu beachten oder eine offenbare Unbilligkeit zu berücksichtigen (BVerwG aaO, wonach ausdrückliche Ausführungen im Sinne einer expliziten Ermessensausübung bei der Auswahl des in Anspruch Genommenen nicht gefordert werden; BSGE 45, 271, 273 = SozR 1200 § 51 Nr 3 S 4), sodass nur eine Verletzung der dem Leistungsträger obliegenden Fürsorgepflicht, wie sie in § 13 f Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zum Ausdruck kommt, das "Wahlrecht" einschränken würde (BSG aaO).
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Dies gilt aber nicht für die gesamtschuldnerische Erbenhaftung nach § 92c BSHG. Sie dient der möglichst umfassenden "Refinanzierung" aufgewendeter Sozialhilfekosten (s oben), mithin der Herstellung des Nachrangs durch Zugriff auf den durch das Erbe Begünstigten; mit der nachträglichen Deckung der angefallenen Sozialhilfeaufwendungen (BVerwGE 118, 313, 316) verfolgt die Norm anders als sonstige Regelungen - selbst des Sozialhilferechts (§§ 93, 103, 104 SGB XII) - damit auch bereicherungsrechtliche Ziele. Dies darf nicht ohne die Bewertung der Umstände geschehen, die die tatsächliche finanzielle Belastung des Miterben im Rahmen der Erbengemeinschaft betreffen. Deshalb muss die Auswahl eines Gesamtschuldners für den Kostenersatz insgesamt im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung solcher Umstände erfolgen.
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Eine Rolle spielen insbesondere eine bereits erfolgte Verteilung des Erbes, wenn sie - wie hier - vor Kenntnis von dem Kostenersatzanspruch durchgeführt worden ist, ein eventueller Verbrauch des ererbten Vermögens, die Anzahl der Erben, der Wert des Nachlasses und die Höhe des Kostenersatzanspruchs sowie die Relation der beiden Werte zueinander und auch die Erbquote. Nur eine Gesamtschau der Situation aller Erben wird deren individuellen Zahlungspflicht gerecht. Dies wird durch die Struktur der Vorschrift des § 92c BSHG bestätigt. Sie enthält bereits selbst ausdrückliche individuelle Privilegierungen von Erben (§ 92c Abs 1 Satz 4, Abs 3 Nr 2 und 3 sowie Abs 4 Satz 2 BSHG), mit der Folge, dass der Anspruch auf Kostenersatz bei den privilegierten Erben nicht geltend zu machen ist. Ist einer von mehreren Erben privilegiert, besteht wegen der gesamtschuldnerischen Haftung zumindest die Gefahr, dass privilegierte Personen im Wege des Rückgriffs nach § 426 BGB (doch) in Anspruch genommen werden (vgl nur Simon in jurisPK-SGB XII, § 102 SGB XII RdNr 23 mwN), obwohl die Privilegierung das Ziel verfolgt, einen Miterben dafür zu "belohnen", dass er sich zu Lebzeiten des Hilfeempfängers der Mühe unterzogen hat, diesen bei sich aufzunehmen und zu pflegen (§ 92c Abs 3 Nr 2 BSHG; BVerwGE 57, 26, 28), bzw den Erben zu verschonen, den die Inanspruchnahme durch den Sozialhilfeträger besonders hart trifft (§ 92c Abs 3 Nr 3 BSHG). Will man diesen Privilegierungstatbeständen gerecht werden, muss auch deshalb eine Auswahlentscheidung verlangt werden, die nicht nur durch das Willkürverbot oder eine offenbare Unbilligkeit begrenzt sein kann.
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Der Sozialhilfeträger hat also eine Ermessensentscheidung zu treffen und auf die dafür relevanten Verhältnisse des Einzelfalls einzugehen, um eine ungerechtfertigte Mehrbelastung der anderen Erben bzw einen Rückgriff durch diese gegenüber dem privilegierten Erben zu verhindern. Den für seine Entscheidung benötigten Sachverhalt hat der Sozialhilfeträger unter Einbeziehung der übrigen Erben von Amts wegen zu ermitteln (vgl dazu: BSGE 59, 157, 171 = SozR 1300 § 45 Nr 19; BSG SozR 3-1300 § 50 Nr 20 S 65). Dies hat der Beklagte verkannt; bei seiner Entscheidung, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, hat er sich ausschließlich formal davon leiten lassen, dass diese sich um die Abwicklung des Nachlasses gekümmert habe. Eine Ermessensentscheidung hat er damit nicht getroffen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (vgl BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 <juris> RdNr 30). Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 3, § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
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