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BSG 06.10.2011 - B 9 SB 23/11 B
BSG 06.10.2011 - B 9 SB 23/11 B - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Terminsladung - Verlegungsantrag - erheblicher Grund
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, § 227 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Bayreuth, 21. Juli 2009, Az: S 12 SB 261/08, Gerichtsbescheid
vorgehend Bayerisches Landessozialgericht, 28. Februar 2011, Az: L 16 SB 122/09, Urteil
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Februar 2011 aufgehoben.
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Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Der Kläger beansprucht die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB).
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Den vom Kläger im Dezember 2007 gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte der beklagte Freistaat durch Bescheid vom 26.3.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.6.2008 ab. Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Bayreuth nach Einholung eines orthopädischen und eines psychiatrischen Gutachtens den Beklagten entsprechend dessen vom Kläger nicht angenommenen Vergleichsangebot durch Gerichtsbescheid vom 21.7.2009 verurteilt, den GdB ab Dezember 2007 mit 40 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen.
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Das vom Kläger angerufene Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat ein (weiteres) orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. L. vom 27.1.2010 eingeholt, der den GdB ebenfalls auf 40 einschätzte. Mit Verfügung vom 2.2.2011 hat das LSG Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf Montag, 28.2.2011, 10.00 Uhr. Der Kläger hat am 3.2.2011 unter Vorlage der ersten Seite eines vorläufigen Arztbriefes der Medizinischen Klinik 3 des Klinikums N. vom 29.6.2010 über die dortige Behandlung des Klägers vom 15.6. bis 25.6.2010 (Diagnose: Broncholith im Mittellappen, Poststenotische Pneumonie, Verdacht auf Pleuraempyem im mittleren Bereich der dorsalen Pleura rechts) die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Er sei am 28.2.2011 unabkömmlich, weil sein "Termin", den er vor ca drei Monaten bekommen habe, vom 16.2. bis 5.3.2011 sei. Der Senatsvorsitzende des LSG hat dem Kläger sodann unter dem 8.2.2011 mitgeteilt, "dass der Sitzungstermin nicht verlegt werden kann". Dieses Schreiben hat der Kläger dem LSG jeweils per Fax am 10. und 11.2.2011 mit unterschiedlichen Anmerkungen zurückgesandt. In der öffentlichen Sitzung des LSG am 28.2.2011 ist für den Kläger niemand erschienen. Das LSG hat aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 21.7.2009 zurückgewiesen.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde erhoben, die er mit dem Vorliegen eines Verfahrensmangels begründet. Das LSG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es seinen Terminverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt habe.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des LSG vom 28.2.2011 ist unter Verstoß gegen das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) ergangen, weil das LSG den im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren § 227 ZPO verletzt hat. Das LSG war verpflichtet, den Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.2.2011 wegen eines erheblichen Grundes, nämlich der krankheitsbedingten Verhinderung des Klägers, zu verlegen. Dieser vom Kläger schlüssig gerügte Verfahrensmangel liegt vor. Er führt gemäß § 160a Abs 5 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG.
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Der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) gebietet, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, müssen die Beteiligten die Möglichkeit erhalten, ihren Standpunkt in der mündlichen Verhandlung darzulegen. Liegt ein erheblicher Grund für eine Terminverlegung iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO iVm § 202 SGG vor und wird diese ordnungsgemäß beantragt, begründet dies grundsätzlich eine Pflicht des Gerichts zur Terminverlegung (vgl BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1 S 2; BSG Urteil vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - USK 99111 S 650; BSG Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 7). Bei einem unvertretenen Beteiligten reicht es aus, wenn dieser entsprechend verhindert ist und seinen Willen zum Ausdruck bringt, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen (vgl BSG Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 5/02 R - juris RdNr 11). Ausnahmsweise kann allerdings ein Verlegungsantrag dann anders zu beurteilen sein, wenn offenkundig Verschleppungsabsicht besteht (vgl BSG Urteil vom 28.4.1999 - B 6 KA 40/98 R - USK 99111 S 651; BFH/NV 2000, 1353, 1354; BSG Beschluss vom 1.7.2010 - B 13 R 561/09 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B - juris RdNr 9).
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Der Kläger hatte mit seinem unverzüglich nach Erhalt der Terminsladung gestellten Verlegungsantrag einen erheblichen Grund iS des § 227 Abs 1 Satz 1 ZPO, nämlich seine auch am Terminstag stattfindende Krankenhausbehandlung, geltend gemacht. Zwar hatte er lediglich einen ärztlichen Bericht über seine Behandlung im Juni 2010 nicht jedoch eine entsprechende Bestätigung zu der bevorstehenden stationären Behandlung vom 16.2. bis 5.3.2011 ("Termin") vorgelegt. Sofern das LSG hierzu Zweifel an den Angaben des Klägers gehabt haben sollte, hätte es indes gezielt nachfragen und den Kläger zur Vorlage von auf die bevorstehende Behandlung bezogenen Unterlagen auffordern müssen. Die an den Kläger ergangene Mitteilung des Senatsvorsitzenden vom 8.2.2011, dass der Termin nicht verlegt werden könne, lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen diese Entscheidung getroffen worden ist; insbesondere nicht, ob das LSG den angegebenen Grund als glaubhaft angesehen hat oder nicht. Da eine Verschleppungsabsicht des Klägers nicht erkennbar ist, muss insgesamt davon ausgegangen werden, dass das LSG im Hinblick auf die beantragte Terminverlegung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat.
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Soweit sich der Kläger nach Erhalt der gerichtlichen Mitteilung vom 8.2.2011 am 10. und am 11.2.2011 per Fax erneut an das LSG gewandt hat, lassen diese Mitteilungen nicht erkennen, dass er sich mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung am 28.2.2011 abgefunden und seinen Terminverlegungsantrag nicht weiter verfolgt haben könnte. Der Kläger hatte als vor dem LSG nicht rechtskundig vertretener Beteiligter mit seinem Terminverlegungsantrag hinreichend deutlich gemacht, dass er an einer mündlichen Verhandlung in seiner Sache teilnehmen wolle. Den danach gegebenen Hinweisen auf eine Rücksprache mit dem VdK und einer "Info zum Nachdenken" ist demgegenüber nicht zu entnehmen, dass er diesen Wunsch zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aufgegeben habe.
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Im wieder eröffneten Berufungsverfahren dürfte das LSG im Übrigen zu prüfen haben, ob angesichts des vom Kläger vorgelegten vorläufigen Arztbriefes des Klinikums N. vom 29.6.2010 eine Aufklärung des Sachverhalts in internistisch-lungenärztlicher Hinsicht geboten ist.
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Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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