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BVerfG 19.04.2021 - 1 BvR 679/21
BVerfG 19.04.2021 - 1 BvR 679/21 - Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verhängung von Erzwingungshaft im Verfahren der Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeiträgen - Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde mit Blick auf zivilprozessualen Vollstreckungsschutz - Ablehnung der Zulassung eines Beistandes bei erheblichen Zweifeln an dessen juristischer Qualifikation
Normen
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 765a Abs 1 S 1 ZPO, § 802c ZPO, § 802g ZPO, § 802i ZPO, § 802j Abs 1 S 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend LG Münster, 12. März 2021, Az: 05 T 123/21, Beschluss
vorgehend AG Borken (Westfalen), 3. März 2021, Az: 7 M 85/21, Beschluss
vorgehend AG Borken (Westfalen), 24. Februar 2021, Az: 7 M 85/21, Beschluss
Tenor
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Der Antrag auf Zulassung von Herrn M… als Beistand wird abgelehnt.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
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Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde und der mit ihr verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen die Verhältnismäßigkeit von Erzwingungshaft zur Abgabe einer Vermögensauskunft gemäß § 802g ZPO im Verfahren zur Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen.
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I.
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Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) setzte gegenüber dem Beschwerdeführer rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 465,50 Euro fest, welche die Stadt Borken (Vollstreckungsbehörde) im Auftrag des WDR im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Im Vollstreckungsverfahren beauftragte die Vollstreckungsbehörde die Gerichtsvollzieherin mit der Abnahme einer Vermögensauskunft (§ 5a Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit § 802c ZPO), deren Abgabe der Beschwerdeführer damals wie heute verweigert. Auf Antrag des WDR erließ das Vollstreckungsgericht zur Erzwingung der Vermögensauskunft in der Folge einen Haftbefehl (§ 802g ZPO), der nach vorausgehender Ankündigung derzeit vollstreckt wird. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 25. Februar 2021 in der Justizvollzugsanstalt in Erzwingungshaft.
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Einen noch vor der Verhaftung gestellten Antrag, die Vollziehung des Haftbefehls einstweilen einzustellen, wies das Vollstreckungsgericht am 24. Februar 2021 zurück. Es half auch einem als sofortige Beschwerde ausgelegten Rechtsbehelf des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 3. März 2021 nicht ab (Nichtabhilfebeschluss). Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde schließlich mit Beschluss vom 12. März 2021 zurück.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer diese Gerichtsentscheidungen an, durch die er sich unter anderem in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt sieht. Die Erzwingungshaft sei unverhältnismäßig, weil sie allein der Feststellung seiner Vermögensverhältnisse diene und dabei nicht das mildeste Mittel zu ihrer Kenntniserlangung sei.
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Der Beschwerdeführer beantragt, dass das Bundesverfassungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG die Aussetzung der Vollziehung des Haftbefehls und seine Freilassung veranlasst. Darüber hinaus beantragt er die Zulassung von Herrn M… als Beistand gemäß § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG.
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II.
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Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung von Herrn M… als Beistand nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG ist unbegründet.
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Eine im pflichtgemäßen Ermessen des Bundesverfassungsgerichts stehende Zulassung als vertretungsberechtigter Beistand nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG kommt nur in Betracht, wenn die Zulassung subjektiv notwendig und objektiv sachdienlich ist (vgl. BVerfGE 8, 92 94>; 68, 360 361>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 512/17 -, Rn. 2). Es ist bereits nicht erkennbar, dass die Zulassung objektiv sachdienlich wäre. Es bestehen erhebliche Zweifel an einer hinreichenden juristischen Qualifikation der als Beistand gewünschten Person. Sie verfügt über keine juristische Ausbildung. Die von ihr verfasste Beschwerdeschrift, die sich der Beschwerdeführer durch Unterzeichnung zu eigen gemacht hat, erfüllt jedenfalls grundlegende Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 512/17 -, Rn. 2).
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil keine zwingenden Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG vorliegen und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels einer §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG entsprechenden Begründung und mangels Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig und hat damit keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>).
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Der Beschwerdeführer missachtet mit seiner Verfassungsbeschwerde insbesondere den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verlangt über die Rechtswegerschöpfung hinaus, dass ein Beschwerdeführer zunächst alle ihm zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um etwaige Grundrechtsverstöße im sachnächsten Verfahren abzustellen (vgl. nur BVerfGE 134, 242 285 Rn. 150>).
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Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten während der Erzwingungshaft gehört, dass das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners in Härtefällen Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO gewähren kann (vgl. BVerfGE 48, 396 401>; 61, 126 137 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2017 - 2 BvR 2135/09 -, Rn. 15). Die Vorschrift des § 765a ZPO bietet die Möglichkeit, Grundrechte im Wege der Abwägung in die Entscheidung über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzubeziehen (vgl. Heßler, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 765a Rn. 2 f.). Das gilt erst recht, wenn, wie hier, öffentlich-rechtliche Forderungen im Wege der Verwaltungsvollstreckung vollstreckt werden und das maßgebliche Landesverwaltungsvollstreckungsrecht auf die Zivilprozessordnung verweist.
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Die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen in Gestalt rückständiger Rundfunkbeiträge liegt sowohl im unmittelbaren Interesse der Rundfunkanstalten als auch im Interesse der Gemeinschaft aller Beitragszahler, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren. Ein Beitragspflichtiger, der sich dem entzieht und im Vollstreckungsverfahren trotz Verpflichtung die Abgabe einer Vermögensauskunft (§ 802c ZPO) verweigert, muss mit Erzwingungshaft nach § 802g ZPO rechnen. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet auch nicht, bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung die Dauer der Erzwingungshaft im Einzelfall und von vornherein, das heißt im Moment des Haftbefehlerlasses, unter Berücksichtigung der Höhe der Forderung kürzer zu bemessen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. November 2017 - 2 BvR 2135/09 -, Rn. 12), zumal der Beschwerdeführer die Freiheitsentziehung durch Abgabe der Vermögensauskunft jederzeit abwenden kann (§ 802i ZPO).
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Unabhängig davon kann jedoch unter Berücksichtigung der Höhe der öffentlich-rechtlichen Geldforderung eine Erzwingungshaft auch schon vor Erreichen der gesetzlichen Höchstfrist des § 802j Abs. 1 Satz 1 ZPO von sechs Monaten durch Zeitablauf unverhältnismäßig werden. Darüber zu befinden, ist auf Antrag des Beschwerdeführers im sachnächsten Verfahren gemäß § 765a ZPO zunächst Aufgabe des Vollstreckungsgerichts.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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