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BVerfG 16.09.2020 - 1 BvR 2194/18
BVerfG 16.09.2020 - 1 BvR 2194/18 - Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) durch Übergehen von wesentlichem Parteivortrag (hier: bzgl eines verwaltungsprozessualen Kostenansatzes) - iÜ unzureichende Substantiierung der Verfassungsbeschwerde, soweit die gerichtliche Festsetzung der Vergütung eines Sachverständigen gerügt wird
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 35 GKG, § 37 GKG
Vorinstanz
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 27. August 2018, Az: 1 C 10917/15.OVG, Beschluss
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 27. Juli 2018, Az: 1 C 10917/15.OVG, Beschluss
Tenor
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1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juli 2018 - 1 C 10917/15.OVG - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben, soweit die Festsetzung der Gerichtskosten den Betrag von 12.500 Euro übersteigt. Die Sache wird insoweit an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückverwiesen. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. August 2018 - 1 C 10917/15.OVG - wird damit gegenstandslos.
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2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
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3. Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu 10 Prozent zu erstatten.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Kostenansatz in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer wandte sich im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan. Das Oberverwaltungsgericht lehnte seinen Antrag ab. Von der Gerichtskasse erhielt der Beschwerdeführer daraufhin eine Kostenrechnung, mit der er aufgefordert wurde, nach §§ 3, 34, 52 Gerichtskostengesetz (im Folgenden: GKG) in Verbindung mit Nr. 5112 Anlage 1 GKG eine Verfahrensgebühr in Höhe von 964 Euro zu entrichten. Auf die daraufhin vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hob das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss auf und verwies die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurück. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens lehnte das Oberverwaltungsgericht den Normenkontrollantrag erneut ab. Die Gerichtskasse forderte den Beschwerdeführer zur Zahlung der Gerichtskosten in Höhe von 20.069,06 Euro auf, die sich aus einer Verfahrensgebühr in Höhe von 964 Euro und Sachverständigenauslagen in Höhe von 19.105,06 Euro zusammensetzten. Dagegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein und beanstandete, dass die Vergütung des Sachverständigen unangemessen sei und außer Verhältnis zum Streitwert stehe, ohne dass der Sachverständige das Gericht hierauf hingewiesen habe. Zudem sei die erneute Festsetzung der Verfahrensgebühr nach der Zurückverweisung zum Oberverwaltungsgericht nach §§ 35, 37 GKG unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht gab der Erinnerung teilweise statt und führte aus, dass die geltend gemachte Vergütung des Sachverständigen nach § 8a Abs. 3 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (im Folgenden: JVEG) nicht in vollem Umfang zu berücksichtigen sei. Für angemessen werde eine Vergütung in Höhe von 12.500 Euro erachtet. Hinzukomme die Verfahrensgebühr in Höhe von 964 Euro, sodass der Beschwerdeführer nunmehr insgesamt Gerichtskosten in Höhe von 13.464 Euro zu zahlen habe. Den dagegen erhobenen Antrag des Beschwerdeführers auf Fortführung des Verfahrens nach § 152a VwGO, mit dem er unter anderem geltend machte, dass sein hinsichtlich der festgesetzten Verfahrensgebühr erhobener Verweis auf §§ 35, 37 GKG in keiner Weise Berücksichtigung gefunden habe, lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. August 2018 ab.
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2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Er macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe sich an keiner Stelle mit seinem Einwand befasst, dass die erneute Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach der Zurückverweisung des Verfahrens nicht mit §§ 35, 37 GKG vereinbar sei. Die Festsetzung der Sachverständigenauslagen in einer Höhe von 12.500 Euro sei willkürlich; auch insoweit sei sein Vorbringen nicht beachtet worden.
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3. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
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II.
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1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt, soweit die Festsetzung der vom Beschwerdeführer zu zahlenden Gerichtskosten durch Beschluss vom 27. Juli 2018 den Betrag von 12.500 Euro übersteigt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insoweit zur Durchsetzung des grundrechtsgleichen Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Insoweit ist die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 220>; 96, 205 216>; stRspr). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfGE 22, 267 274>; 96, 205 216 f.>; stRspr). Geht ein Gericht jedoch auf den wesentlichen Kern des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182 189>; 86, 133 146>).
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2018 den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, soweit die Festsetzung der vom Beschwerdeführer zu zahlenden Gerichtskosten eine Verfahrensgebühr in Höhe von 964 Euro umfasst.
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Der Beschwerdeführer hat im Erinnerungsverfahren gegen den Kostenansatz unter anderem vorgebracht, es verstoße gegen §§ 35, 37 GKG, dass das Oberverwaltungsgericht nach Zurückverweisung der Sache eine Verfahrensgebühr in Höhe von 964 Euro festgesetzt habe, obwohl eine solche Verfahrensgebühr zuvor bereits erhoben worden war. Dieser Einwand stellt den wesentlichen Kern des Vortrags zu der für den Erfolg der Erinnerung des Beschwerdeführers maßgeblichen Frage dar, ob die erneute Festsetzung einer Verfahrensgebühr rechtmäßig ist. Denn nach § 37 GKG bilden, sofern eine Sache an das Gericht des unteren Rechtszugs zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren mit dem früheren Verfahren vor diesem Gericht einen Rechtszug, in dem die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen hinsichtlich eines jeden Teils des Streitgegenstands nur einmal erhoben wird. Die fehlende Erörterung dieses Aspekts in der angegriffenen Entscheidung lässt den Schluss zu, dass das Oberverwaltungsgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen hat. Im Anhörungsrügeverfahren ist das Oberverwaltungsgericht abermals nicht auf den Einwand eingegangen, dass die erneute Festsetzung der Verfahrensgebühr gegen §§ 35, 37 GKG verstößt.
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2. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus die gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung auf 12.500 Euro angreift, liegt ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit bereits unzulässig, weil die Möglichkeit der Verletzung eines beschwerdefähigen Rechts nicht in einer den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise dargelegt ist (vgl. BVerfGE 123, 267 329>; 130, 1 21>).
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Die Rüge, die gerichtliche Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot, genügt nicht dem Darlegungsgebot. Es wird schon einfachrechtlich nicht nachvollziehbar aufgezeigt, weshalb für die Anforderungen an die gemäß § 8a Abs. 3 JVEG nach billigem Ermessen durch das Gericht zu bestimmende Vergütung des Sachverständigen die Voraussetzungen für die Hinweispflicht des Sachverständigen nach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO maßgeblich sein sollten.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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III.
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Es ist festzustellen, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2018 den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (§ 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2018 ist aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, soweit die Festsetzung der Gerichtskosten den Betrag von 12.500 Euro übersteigt (§ 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 27. August 2018 wird damit gegenstandslos (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. März 2018 - 1 BvR 1011/17 -, Rn. 24 f.).
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IV.
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Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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