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BVerfG 15.02.2017 - 2 BvR 395/16
BVerfG 15.02.2017 - 2 BvR 395/16 - Nichtannahmebeschluss: Zu den Anforderungen des Art 103 Abs 1 GG an die Gewährung rechtlichen Gehörs im Zivilprozess - Anhörungsrüge zur Rechtswegerschöpfung gem § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG nicht geboten, wenn Gehörsverletzung bereits im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren gerügt und mit der Verfassungsbeschwerde kein neuer Gehörsverstoß geltend gemacht wird
Normen
Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, ZPO
Vorinstanz
vorgehend BGH, 11. Februar 2016, Az: V ZA 28/15, Beschluss
vorgehend OLG München, 15. Juli 2015, Az: 27 U 4775/11, Urteil
vorgehend LG Augsburg, 28. Oktober 2011, Az: 023 O 1144/10, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.) ist.
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1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht deswegen unzulässig, weil die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs keine Gehörsrüge erhoben hat. Auch ohne Erhebung einer Gehörsrüge ist der Rechtsweg vorliegend erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 133, 143 156 Rn. 33>).
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2. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG liegt jedoch nicht vor.
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a) Art. 103 Abs. 1 GG verlangt, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war (vgl. BVerfGE 6, 12 14>; 7, 239 240>, 275 278>, 340 341>; 8, 184 185>; 9, 261 267>, 303 304 f.>; 10, 177 182>, 274 281>; 13, 132 144 f.>; 15, 214 218>; 16, 283 285>; 17, 86 95>, 139 143>, 194 196>; 18, 147 150>, 399 404>; 19, 142 144>, 198 200 f.>; 20, 280 282>; 24, 56 61>; 25, 40 43>; 26, 37 40>; 29, 340 344>, 345 347>; 32, 195 197>; 57, 250 274>; 64, 135 143 f.>; 89, 381 392>, stRspr). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bedeutet ferner, dass das entscheidende Gericht durch die mit dem Verfahren befassten Richter die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss (vgl. BVerfGE 18, 380 383>; 21, 102 103 f.>; 22, 267 273>; 24, 203 213>; 25, 137 140>; 27, 248 251>; 28, 378 384>; 29, 166 173>; 34, 344 347>; 36, 92 97>, 298 301>; 42, 364 367 f.>; 46, 315 319>; 47, 182 187>; 49, 212 215>; 50, 32 35>; 51, 188 191>; 53, 205 206>, 219 222>; 54, 43 45>, 86 91>, 94 97>, 117 123>; 59, 330 333>; 60, 1 5>, 247 249>; 62, 249 254>, 347 352>; 65, 293 295 f.>, 305 307>; 66, 260 263>; 67, 39 41>; 69, 145 148>, 233 246>, 248 253>; 70, 288 293>; 75, 369 381>; 79, 51 61>; 83, 24 35>; 86, 133 145>, stRspr).
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Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung in Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist (vgl. BVerfGE 22, 267 273 f.>; 28, 378 384>). Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfGE 11, 343 349>; 18, 85 92>; 22, 267 273>, 25, 137 140>; 28, 378 384>).
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Art. 103 Abs. 1 GG gewährt außerdem keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfGE 21, 191 194>; 22, 267 273>; 27, 248 251>; 28, 378 384>; 30, 173 187>; 36, 92 97>; 40, 101 105>; 46, 315 319>; 50, 32 35>; 51, 188 191>; 54, 117 123>; 60, 1 5>; 62, 249 253 f.>; 63, 80 85>; 66, 260 263>; 69, 145 148>, 248 253>; 70, 288 294>; 79, 51 62>; 82, 209 235>; 83, 182 200>; 84, 34 58>; 85, 386 404>, stRspr). Zwar kann es in besonderen Fällen geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will; allerdings ist dabei zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich nicht zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 66, 116 147>; 74, 1 5>; 86, 133 145>). Erst recht ergibt sich aus Art. 103 Abs. 1 GG keine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. BVerfGE 64, 1 12>; 80, 269 286>; 87, 1 33>). Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann anzunehmen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE 84, 188 190>; 86, 133 144 f.>; 96, 189 204>; 108, 341 345 f.>). Dies kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen (vgl. BVerfGE 98, 218 263>).
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b) In Ansehung dieser Maßstäbe ist eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht erkennbar.
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aa) Allein der Umstand, dass der Sohn der Beschwerdeführerin in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht zur Begründung der von ihm erhobenen Abänderungsklage nach § 323 ZPO eine Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse behauptet hat, macht die behaupteten Umstände nicht zu einer Tatsache, die das Oberlandesgericht zugunsten der Beschwerdeführerin hätte berücksichtigen müssen. Es war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht daran gehindert, aufgrund des Vortrags der Verfahrensbeteiligten davon auszugehen, dass sich die Vermögensverhältnisse des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht wesentlich verschlechtert hätten. Dies gilt umso mehr, als das vom Sohn der Beschwerdeführerin initiierte Verfahren vor dem Landgericht ausgesetzt ist und der Vortrag der Verfahrensbeteiligten in diesem Verfahren noch keine abschließende rechtliche Würdigung in einem Urteil erfahren hat. Selbst wenn sich in diesem Verfahren abzeichnen sollte, dass sich - etwa aufgrund von durch Zeitablauf geänderten Umständen - die Vermögensverhältnisse des Sohnes der Beschwerdeführerin wesentlich verschlechtert hätten und demzufolge ein Abänderungsgrund vorläge, bliebe der Beschwerdeführerin grundsätzlich die Möglichkeit einer Eventualwiderklage (§ 33 ZPO) mit dem Ziel der Rückübertragung des Hofes. Ein Verbleib des Hofes beim Sohn der Beschwerdeführerin bei gleichzeitiger Reduzierung ihrer monatlichen Unterhaltszahlung auf Null war insoweit nicht zu besorgen.
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bb) Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, das Oberlandesgericht habe hinsichtlich der Vermögensverhältnisse ihres Sohnes unrichtige Schlüsse gezogen, sind damit ebenfalls keine Tatsachen angesprochen, deren fehlende Berücksichtigung oder Würdigung eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG zu begründen geeignet wäre.
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cc) Darüber hinaus trifft das Vorbringen der Beschwerdeführerin, das Oberlandesgericht habe im Laufe des Verfahrens seine Rechtsauffassung hinsichtlich des Vorliegens einer gemischten Schenkung in einem wesentlichen Punkt geändert, ohne sie hierauf hinzuweisen, so nicht zu. Aus Nr. 7 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2012 geht vielmehr hervor, dass das Oberlandesgericht darauf hingewiesen hat, dass für die Annahme einer Schenkung neben der objektiven Unentgeltlichkeit einer Zuwendung auch ein entsprechender Parteiwille erforderlich sei; sodann führt es aus: "Im konkreten Vertrag findet sich als Anhaltspunkt für einen Schenkungswillen bezüglich eines Teils der Zuwendung lediglich Ziffer 12." Die Verwendung des Wortes "lediglich" deutet klar darauf hin, dass aus Sicht des Oberlandesgerichts die Argumente gegen die Annahme einer gemischten Schenkung deutlich überwogen. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2015 gegebenen Hinweis, dass die Rechtsauffassung des Senats auch infolge veränderter Besetzung fortbestehe, konnte die Beschwerdeführerin daher vernünftigerweise nicht den Schluss ziehen, dass das Oberlandesgericht ihrer Argumentation folge. Auch wenn das Oberlandesgericht in seinem Urteil seine Auffassung zur Auslegung von § 2 Nr. 12 des Vertrages geändert und die Bestimmung als Beleg für das Nichtvorhandensein eines Schenkungswillens interpretiert hat, betraf dies doch lediglich die Auslegung einer einzelnen Vertragsbestimmung, was nicht zu einer insgesamt veränderten rechtlichen Bewertung geführt, sondern die Verneinung eines Schenkungswillens bestätigt hat. Hiermit musste die Beschwerdeführerin rechnen.
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c) Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass das Urteil des Oberlandesgerichts rechtsstaatswidrig, willkürlich oder in sonstiger Weise grundrechtsverletzend wäre.
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II.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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