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BVerfG 10.05.2016 - 1 BvR 2871/13
BVerfG 10.05.2016 - 1 BvR 2871/13 - Nichtannahmebeschluss: vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Unternehmen sind nicht grundrechtsfähig (Art 19 Abs 3 GG) und damit nicht beschwerdefähig iSd § 90 Abs 1 BVerfGG - hier: mangelnde Beschwerdefähigkeit zweier vollständig in kommunaler Hand befindlicher Energieunternehmen - zudem teilweise Verfristung der Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs 1 S 1 BVerfGG)
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 19 Abs 3 GG, § 90 Abs 1 BVerfGG, § 93 Abs 1 S 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend BVerwG, 10. Oktober 2012, Az: 7 C 8/10, Urteil
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, ohne dass es auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ankommt.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob den Beschwerdeführerinnen gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Weiter kann dahinstehen, ob sie jeweils selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angegriffene Entscheidung betroffen sind. Denn die Verfassungsbeschwerde ist bereits aus anderen Gründen unzulässig.
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I.
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Soweit die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG rügen, fehlt es ihnen an der erforderlichen Grundrechtsfähigkeit im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG und damit an der Beschwerde-fähigkeit gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG.
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Nach § 90 Abs. 1 BVerfGG kann "jedermann" mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein, Verfassungsbeschwerde erheben. Beschwerdefähig ist demnach, wer Träger eines als verletzt gerügten Grundrechts oder grundrechtsgleichen Rechts sein kann (vgl. BVerfGE 28, 314 323>; 129, 78 91>). Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
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Die Beschwerdeführerinnen sind inländische juristische Personen des Privatrechts. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist eine GmbH, die Beschwerdeführerin zu 2) eine GmbH und Co. KG. Ihren Sitz haben sie in S..
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Die hier als verletzt gerügten Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG sind ihrem Wesen nach zwar grundsätzlich auf juristische Personen des Privatrechts anwendbar (vgl. BVerfGE 99, 367 389>; 126, 112 136>; 129, 78 95>). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht für staatlich beherrschte inländische juristische Personen des Privatrechts. Dabei kann dahinstehen, ob die Stromproduktion - wie die Beschwerdeführerinnen meinen - nicht als öffentliche Aufgabe anzusehen ist. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in früheren Entscheidungen darauf abgestellt, dass die fehlende Berufungsmöglichkeit auf die Grundrechte auch von der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch die juristische Person abhängt (vgl. BVerfGE 45, 63 78 ff.>; 68, 193 212 f.>). Das Kriterium der Erfüllung öffentlicher Aufgaben hat der Erste Senat indes im Urteil vom 22. Februar 2011 (BVerfGE 128, 226 ff. "Fraport") nicht (mehr) aufgegriffen, sondern ausschließlich das formale Kriterium der staatlichen Beherrschung herangezogen. Aus dem Umstand, dass ein vollständig im Eigentum der öffentlichen Hand stehendes Unternehmen unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist, folgt danach, dass es sich nicht seinerseits auf Grundrechte berufen kann. Sobald der Staat eine Aufgabe an sich zieht, ist er bei deren Wahrnehmung auch an die Grundrechte gebunden, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handelt. Dies gilt auch, wenn er für seine Aufgabenwahrnehmung auf das Zivilrecht zurückgreift. Eine Flucht aus der Grundrechtsbindung in das Privatrecht mit der Folge, dass der Staat unter Freistellung von Art. 1 Abs. 3 GG als Privatrechtssubjekt zu begreifen wäre, ist ihm verstellt (vgl. BVerfGE 128, 226 244 f.>).
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Demnach sind die völlig in kommunaler Hand befindlichen Beschwerdeführerinnen unmittelbar an die Grundrechte gebunden und können sich daher nicht ihrerseits auf Grundrechte berufen. Aus dem von den Beschwerdeführerinnen "hilfsweise" herangezogenen "Rechtsgedanken" des Art. 28 Abs. 2 GG folgt nichts anderes.
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II.
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Soweit die Beschwerdeführerinnen nachträglich eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG rügen, haben sie die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG nicht eingehalten. Der Wiedereinsetzungsantrag bezieht sich hierauf nicht, Gründe zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind auch weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nicht nur zu erheben, sondern auch zu begründen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Geltendmachung von Rechtsverletzungen nach Ablauf der Frist grundsätzlich nicht zugelassen; die Ausschlussfrist soll den zu einer prozessualen Handlung Berechtigten veranlassen, diese Handlung nicht beliebig lange hinauszuschieben, sondern innerhalb einer bestimmten Frist vorzunehmen, nach deren Ablauf er mit der Handlung ausgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 11, 255 260>; 18, 1 9>; 23, 153 164>; 127, 87 110>; BVerfGK 1, 306 307>). Zwar kann die Begründung der Verfassungsbeschwerde nachträglich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ergänzt werden; innerhalb der Monatsfrist Vorgebrachtes kann demnach erläutert, verdeutlicht oder präzisiert werden. Unzulässig ist es hingegen, nach Fristablauf einen neuen Sachverhalt zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde zu machen oder den Verfahrensgegenstand substantiell zu erweitern (vgl. BVerfGE 18, 85 89>; 81, 208 214 f.>; 84, 212 223>; 109, 279 304 f.>; 127, 87 110>; BVerfGK 5, 10 13>). Ob eine bloß ergänzende Konkretisierung vorliegt oder der Verfahrensgegenstand unzulässig geändert wird, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 27, 297 304 f.>; 127, 87 110>).
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Die mit Schriftsatz vom 17. Juli 2015 erhobene Rüge, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Vorlagepflicht verletzt, stellt keine ergänzende Erläuterung des Vortrags der ursprünglich erhobenen Verfassungsbeschwerde dar. Vielmehr machen die Beschwerdeführerinnen in einem neuen und selbständigen Vortrag eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend, welche sie vorher nicht beanstandet haben.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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