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BVerfG 25.03.2011 - 2 BvR 1413/10
BVerfG 25.03.2011 - 2 BvR 1413/10 - Nichtannahmebeschluss: Erforderlichkeit von Deutschkenntnissen für Erteilung von Visa zwecks Familiennachzugs <§ 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG 2004> mit Art 6 Abs 1, Abs 2 GG vereinbar
Normen
Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, § 27 AufenthG 2004, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG 2004
Vorinstanz
vorgehend BVerwG, 30. März 2010, Az: 1 C 8/09, Urteil
vorgehend VG Berlin, 17. Februar 2009, Az: 35 V 47.08, Urteil
Gründe
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1. Die Beschwerdeführer sind türkische Staatsangehörige. Ihre Anträge auf Erteilung von Visa zum Zwecke des Familiennachzugs sind abgelehnt worden, weil die Beschwerdeführerin zu 1., die Mutter der Beschwerdeführer zu 2. bis 6., nicht in der Lage sei, den nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderlichen Nachweis zu erbringen, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können. Das Verwaltungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 136, 231) haben die behördliche Entscheidung bestätigt. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung in erster Linie ihres Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG, ferner ihrer Rechte aus Art. 3 GG sowie Art. 8 EMRK. Sie machen im Wesentlichen geltend, der geforderte Nachweis von Kenntnissen der deutschen Sprache sei verfassungswidrig. Insbesondere sei er unverhältnismäßig, weil er weder für die Integration der betroffenen Ausländer noch für die Bekämpfung von Zwangsheiraten geeignet sei. Die erforderlichen Sprachkenntnisse könnten wesentlich besser in Deutschland erworben werden. Der Spracherwerb in der Türkei verhindere dagegen eine schnelle Integration in Deutschland.
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2. Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine grundsätzliche Bedeutung hat und ihre Annahme auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (vgl. BVerfGE 90, 22 24 f.>).
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a) Die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche Verpflichtung des Ehegatten eines in Deutschland lebenden Ausländers, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können, verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 1; 80, 81; BVerfGK 13, 26). Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen konkretisieren in nicht zu beanstandender Weise die dort entwickelten Grundsätze für den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG.
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aa) Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere betont, dass die zuständigen staatlichen Organe bei dem Erlass allgemeiner Regelungen über die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen dem sich aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden Gebot gerecht werden müssen, die ehelichen und familiären Bindungen der einen Aufenthaltstitel begehrenden Ausländer an ihre im Bundesgebiet lebenden Angehörigen angemessen zu berücksichtigen, und dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind (vgl. BVerfGE 76, 1 49 f.>). Allerdings hat es auch hervorgehoben, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Ausländerrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerfGE 76, 1 51 f.>).
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bb) Das Bundesverwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Gesetzgeber mit der Obliegenheit, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache vor Zuzug in das Bundesgebiet zu erwerben, ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich die Integration von Ausländern zu fördern und Zwangsverheiratungen zu verhindern. Dem Bundesverwaltungsgericht ist auch in der Auffassung zu folgen, es sei nicht ersichtlich, dass die Einschätzung des Gesetzgebers, das zur Erreichung dieses Ziels gewählte Instrumentarium sei Erfolg versprechend, evident ungeeignet sein könnte. Den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers überschreitet auch nicht die weitere Annahme, der Erwerb von Deutschkenntnissen vor der Einreise sei erforderlich, weil er häufiger und schneller zur Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse führe als ein Spracherwerb erst im Bundesgebiet. Gleiches gilt für die Einschätzung, bereits bei Einreise vorhandene Sprachkenntnisse erschwerten die Ausnutzung von Nötigungslagen, insbesondere könne sich ein Ehegatte im Falle einer Zwangslage an die zuständigen Behörden wenden und der Abhängigkeit von der "Schwiegerfamilie" leichter entgehen.
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Die Beschwerdeführer setzen dem im Wesentlichen entgegen, die tatsächlich geforderten Sprachkenntnisse seien zu dürftig, um die zuziehenden Ausländer auch nur ansatzweise zu den Kommunikationsleistungen zu befähigen, die zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele nötig seien. Die Beschwerdeführer berufen sich mithin auf die Ungeeignetheit der gesetzlichen Regelung. Ein vom Gesetzgeber gewähltes Mittel ist im verfassungsrechtlichen Sinn jedoch bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr; vgl. BVerfGE 125, 260 317 f.> m.w.N.). Danach kann hier von einer verfassungsrechtlich erheblichen Ungeeignetheit des eingesetzten Instrumentariums nicht die Rede sein, weil selbst rudimentäre Sprachkenntnisse einen ersten Beitrag zur erwünschten Integration in Deutschland darstellen.
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Auch soweit das Bundesverwaltungsgericht zu der Beurteilung gelangt, beim Ehegattennachzug zu einem Ausländer führe der geforderte Nachweis von Deutschkenntnissen in seiner konkreten gesetzlichen Ausgestaltung in der Regel zu einem angemessenen Interessenausgleich, ist dagegen von Verfassungs wegen nichts zu erinnern. Die mit dem Erwerb von Sprachkenntnissen typischerweise verbundene Belastung verzögerten häuslichen Zusammenlebens im Bundesgebiet wird sich zumeist in einem überschaubaren Zeitraum überwinden lassen, wofür insbesondere spricht, dass an die nachzuweisenden Sprachkenntnisse nur geringe Anforderungen gestellt werden. Hinzukommt, dass dem im Bundesgebiet lebenden ausländischen Ehepartner grundsätzlich Anstrengungen zumutbar sind, die familiäre Einheit durch Besuche oder - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführt - nötigenfalls zur Gänze im Ausland herzustellen.
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b) Die auf die fehlenden Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin zu 1. gestützte Ablehnung der Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug ist auch nicht im Hinblick auf die geltend gemachten Umstände des Einzelfalls unverhältnismäßig. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die von den Beschwerdeführern nicht mit Rügen der Verletzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angegriffen worden sind, spricht nichts für eine unverhältnismäßig lange, die übliche Dauer eines Alphabetisierungs- und anschließenden Sprachkurses übersteigende Trennung der Eheleute.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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