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BVerfG 24.03.2010 - 1 BvR 2130/09
BVerfG 24.03.2010 - 1 BvR 2130/09 - Nichtannahmebeschluss: Zur Gewerbesteuerpflicht einer Wirtschaftsprüfungs-GmbH sowie zur Vereinbarkeit von § 2 Abs 2 S 1 GewStG mit Art 3 Abs 1 FGG
Normen
Art 3 Abs 1 GG, § 2 Abs 2 S 1 GewStG, § 9 Abs 1 S 2 GewStG
Vorinstanz
vorgehend BFH, 27. April 2009, Az: I R 76/03, Beschluss
vorgehend FG München, 22. Juli 2003, Az: 7 K 4529/00, Gerichtsbescheid
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gewerbesteuerpflicht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH.
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I.
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Die Beschwerdeführerin ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Das Finanzamt zog die Gesellschaft für die Jahre 1996 bis 1998 zur Gewerbesteuer heran. Die Gesellschaft wandte sich gegen die ihrer Auffassung nach unzutreffende Berücksichtigung von freiberuflichen Leistungen im Rahmen der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags. Die Leistungen eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers seien kein Gewerbe. Zudem werde sie gegenüber Grundstücksunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft benachteiligt, die von der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG profitierten. Einspruch, Klage und das nachfolgende Revisionsverfahren hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verwies zur Begründung auf den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2008 (BVerfGE 120, 1).
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II.
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Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG. Sie trägt im Wesentlichen vor:
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1. Die angegriffene Entscheidung übergehe ihr Vorbringen und setze sich mit ihrer Begründung nicht auseinander. In der vom Bundesfinanzhof angeführten Entscheidung BVerfGE 120, 1 habe sich das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Frage beschäftigt, ob freiberuflich tätige Kapitalgesellschaften der Gewerbesteuer unterlägen. Erst in einem aktuellen Urteil vom 23. April 2009 (BFHE 225, 343) präzisiere der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung. Eine GmbH könne danach keine freiberuflichen Einkünfte erzielen. Gerade dies stelle sie aber in Streit. Es spiele nach ihrer Auffassung keine Rolle, in welcher Rechtsform eine unternehmerische Tätigkeit organisiert sei.
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2. Das Berufsrecht, die Fortentwicklung des Gesellschaftsrechts, das Interesse an einem fairen Wettbewerb und das auch im Steuerrecht geltende Gebot der Rechtsformneutralität forderten, die freiberuflich tätige Kapitalgesellschaft im Interesse eines fairen Wettbewerbs mit einer freiberuflich tätigen Personengesellschaft gleichzustellen. Gerade im Steuerrecht komme es nicht auf die äußere Rechtsform, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Dass das Handelsrecht eine juristische Person, bei der nur die jeweiligen freiberuflichen Berufsträger Gesellschafter sein könnten, als Formkaufmann einstufe, führe zu Wettbewerbsverzerrungen. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Doppelbesteuerung mit Einkommensteuer- und mit Gewerbesteuer bei Personengesellschaften durch die Möglichkeit der pauschalierten Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer ausgeglichen werde. Dies fehle bei Körperschaften. Auch das Stammkapital, über das eine Kapitalgesellschaft verfüge, sei kein tauglicher Unterscheidungsgesichtspunkt. Eine Berufsgruppe, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft wirtschaftlich gleichartige und gleichwertige Leistungen anbiete, werde daher steuerlich benachteiligt. Ein Unternehmer solle aber in der Lage sein, die rechtliche Organisationsform zu wählen, die ihm wirtschaftlich am besten zusage, ohne dadurch Gefahr zu laufen, von steuerlichen Begünstigungen ausgeschlossen zu werden. Dies gelte auch für die Gewerbesteuer als Objektsteuer.
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3. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Januar 2008 ausgeführt habe, lebe der freie Beruf nicht von der Vermögensverwertung, sondern von seiner Kreativität und Flexibilität. Der Faktor Arbeit mache die Hauptquelle des Erfolgs aus. Eine folgerichtige Ausgestaltung der Gewerbesteuer erfordere daher auch bei einer Kapitalgesellschaft einen "erweiterten Kürzungstatbestand", so wie er der vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft in § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG zustehe. Während die reine Vermögensverwaltung einer Kapitalgesellschaft durch die erweiterte Kürzung begünstigt werde, werde der freiberuflich tätigen Kapitalgesellschaft diese Vergünstigung vorenthalten. Ein sachlicher Grund für diesen Ausschluss sei nicht ersichtlich. Freiberuflich tätige Kapitalgesellschaften seien unter der Voraussetzung, dass die Gesellschafter die notwendige Berufsqualifikation besäßen und persönlich im Unternehmen mitarbeiteten, über einen besonderen Kürzungstatbestand ganz von der Gewerbesteuer zu verschonen.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Denn die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Fragen sind vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden worden (1). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt (2).
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1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG).
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a) Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, dass auch die Einkünfte einer aus freiberuflich tätigen Gesellschaftern bestehenden GmbH nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG generell als gewerblich eingeordnet werden, hat das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 23. Dezember 1977 (1 BvR 715/77 - HFR 1978, S. 68) entschieden, dass die Tätigkeit einer solchen Kapitalgesellschaft im Bereich der Gewerbesteuer verfassungsrechtlich unbedenklich als Ausübung eines Gewerbebetriebs angesehen werden kann. Wenn der Gesetzgeber bestimmte Kapitalgesellschaften auf den Gebieten der Wirtschafts- und Steuerberatung zulässt, ergibt sich daraus nicht zwingend, dass auch die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft wie die Ausübung eines freien Berufs besteuert werden muss. Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft stets und in vollem Umfang einen Gewerbebetrieb darstellt. Die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft ist nach § 18 EStG keine freiberufliche Tätigkeit. Eine Kapitalgesellschaft kann nicht im Sinne dieser Vorschrift aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Sie ist darauf angewiesen, ihre Tätigkeiten durch Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder andere Arbeitnehmer wahrnehmen zu lassen. Gegenüber diesen Personen kommt der Kapitalgesellschaft eigene Rechtssubjektqualität zu. Ihre Tätigkeit erschöpft sich darin, dass sie Kapital aufbringt, Betriebsmittel einsetzt und Personal beschäftigt. Damit unterscheidet sich die Kapitalgesellschaft wesentlich von Sozietäten und sonstigen freiberuflichen Zusammenschlüssen. Bei diesen erscheint die Tätigkeit der Gesellschaft als Tätigkeit der Gesellschafter. Diese bürgerlich-rechtlichen Gegebenheiten kann das Steuerrecht übernehmen.
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b) Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ein verfassungsrechtliches Gebot rechtsformneutraler Besteuerung beruft, ist die gesetzgeberische Entscheidung, Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften im Rahmen der Besteuerung gewerblicher Einkünfte durch die Gewerbesteuer aufgrund ihrer jeweiligen Besonderheiten ungleich zu behandeln, vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit bislang nicht beanstandet worden (vgl. BVerfGE 40, 109 116 ff.> zum sogenannten gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg). Art. 3 Abs. 1 GG enthält kein allgemeines Verfassungsgebot einer rechtsformneutralen Besteuerung (vgl. BVerfGE 116, 164 197> in Bezug auf die Begünstigung gewerblicher Einkünfte nach § 32c EStG). Vielmehr ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Beurteilung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG entscheidend, ob es einen hinreichenden sachlichen Grund gibt, unternehmerische Tätigkeiten steuerlich unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob sie in Gestalt von Personen- oder Kapitalgesellschaften ausgeübt werden. Einen solchen Grund liefert die Abschirmung der Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Anteilseignern (vgl. BVerfGE 116, 164 199>; allgemein zum Gebot rechtsformneutraler Besteuerung Drüen, GmbHR 2008, S. 393 398 ff.> m. w. N.).
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c) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, sie werde als freiberufliche Kapitalgesellschaft gleichheitswidrig nicht in den Kreis der Begünstigten der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG einbezogen und es werde ihr vom Gesetzgeber auch nicht eine gleichartige Vergünstigung im Gewerbesteuergesetz eingeräumt, ist ebenfalls verfassungsrechtlich geklärt, dass der Gesetzgeber bei der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen er mit einer steuerlichen Verschonung fördern will, weitgehend frei ist. Allerdings müssen Subventionen aus Gleichheitsgründen auch gemeinwohlbezogen sein. Der Staat darf seine Leistungen nicht nach unsachlichen Kriterien gewähren. Sachbezogene Differenzierungsgesichtspunkte stehen dem Gesetzgeber jedoch in weitem Umfang zu Gebote (vgl. BVerfGE 110, 274 299>). Führt ein Steuergesetz zu einer Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls lenken will (vgl. BVerfGE 121, 108 120>). Der Gesetzgeber darf Lenkungszwecke in Gestalt zielgenauer und normenklarer steuerlicher Verschonungsregelungen verfolgen (vgl. BVerfGE 117, 1 36 f.>).
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Zu der hier streitigen Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG hat das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden, dass die Steuerbegünstigung der erweiterten Kürzung vom Gesetzgeber zu Recht auf einen engen Kreis von Unternehmen begrenzt werden konnte. Denn Regelungsanliegen der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist nach einhelliger Auffassung die Gewerbesteuerbelastung der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften derjenigen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften, die sich nur mit der Verwaltung von Grundvermögen befassen und damit nicht der Gewerbesteuer unterliegen, anzunähern. Damit sollten aus sozialen Gründen ausschließlich Wohnungs- und Grundstücksunternehmen begünstigt werden, die mit (steuerbefreiten) Wohnungsbaugenossenschaften in Konkurrenz stehen und von der für Wohnungsbaugenossenschaften geltenden Steuerbefreiung des § 3 Nr. 15 GewStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG nicht profitieren. Eine Ausdehnung der Steuervergünstigung auf andere Sachverhalte ist ausdrücklich abgelehnt worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 1969 - 1 BvR 568/67 -, HFR 1969, S. 348; siehe auch Beschluss vom 19. September 1972 - 1 BvR 183/72 -, HFR 1972, S. 659 f.; Beschluss vom 29. August 1974 - 1 BvR 157/73 -, HFR 1974, S. 459 460>; vgl. Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1, Rn. 92 <Mai 2009>).
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin gerügten Grundrechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
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a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unter-schiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 120, 1 29>; stRspr). Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 65, 325 354>; 93, 121 135>; 105, 73 126>; 107, 27 47>; 117, 1 30>; stRspr). Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber allerdings unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen (vgl. BVerfGE 105, 73 126>; 116, 164 180 f.>; 117, 1 30 f.>; stRspr). Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dies gilt auch für die Gewerbesteuer, die nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung die objektivierte Ertragskraft der Gewerbebetriebe erfasst (vgl. BVerfGE 120, 1 44 f.>).
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Für die Beschwerdeführerin folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG eine ihre steuerliche Leistungsfähigkeit berührende Ungleichbehandlung dadurch, dass bei "Freiberufler-Kapitalgesellschaften" in Anknüpfung an ihre Rechtsform Gewerbesteuer festzusetzen ist, während freiberuflich tätige Einzelunternehmer und Personengesellschaften grundsätzlich keiner Gewerbesteuer unterliegen. Diese berührt die den Gesetzgeber in seiner steuerrechtlichen Gestaltungsfreiheit aus Art. 3 Abs. 1 GG begrenzenden Leitlinien, wonach die Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit auszurichten ist (vgl. BVerfGE 120, 1 44> m. w. N.).
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b) Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG genügt den verfassungs-rechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 GG. Auch wenn große, sich aus freiberuflich tätigen Gesellschaftern zusammensetzende Personengesellschaften sich in ihrer Tätigkeit wirtschaftlich nicht von "Freiberufler-Kapitalgesellschaften" unterscheiden, liegen doch hinreichend gewichtige, sachliche Unterscheidungsgründe vor, die die gesetzliche Differenzierung tragen.
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So macht die Rechtsform der Kapitalgesellschaft das Unternehmen unabhängig vom Wechsel seiner Mitglieder. Das Ausscheiden eines Gesellschafters berührt - anders als bei einer Freiberufler-Personengesellschaft - den Fortgang des Unternehmens und den Firmennamen nicht. Anders als bei der Personengesellschaft müssen bei der Kapitalgesellschaft die Gesellschafter nicht (zumindest teilweise) nach außen in Erscheinung treten. Während bei einer Kapitalgesellschaft zudem die Haftung nach außen auf das Vermögen der Gesellschaft einschließlich des Nennkapitals begrenzt bleibt, haften die Gesellschafter einer BGB- oder einer Partnerschaftsgesellschaft grundsätzlich persönlich und unbegrenzt. Die persönliche, teilweise unbeschränkte Haftung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft bewirkt, dass Verluste der Gesellschaft unmittelbar die Gesellschafter betreffen und steuerlich auch den Gesellschaftern zugerechnet werden. Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hingegen müssen weder zivilrechtlich noch steuerlich für die Verluste der Gesellschaft einstehen.
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Für diese Einordnung sprechen zudem auch Vereinfachungsgründe. Eine Kapitalgesellschaft gilt handelsrechtlich als Formkaufmann. Sie ist nach dem HGB insgesamt buchführungs- und bilanzierungspflichtig. Ihre Geschäftsvorfälle werden in vollem Umfang als gewinn- oder verlustwirksam behandelt und wirken sich damit auch steuerlich aus. Würde man die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft hingegen nur teilweise als gewerblich einstufen, müsste innerhalb ihrer Buchführung und Gewinnermittlung unterschieden werden, ob ein bestimmter Geschäftsvorfall ihrem gewerblichen (und damit gewerbesteuerpflichtigen) Teil oder ihrem nicht gewerblichen (freiberuflichen oder vermögensverwaltenden und damit gewerbesteuerbefreiten) Teil unterfiele. Zudem ergäbe sich die widersprüchliche Folge, dass bestimmte Geschäftsvorfälle, wie zum Beispiel Veräußerungen von vermieteten Grundstücken, handelsrechtlich als Gewinn aus einem Handelsgeschäft, hingegen steuerlich als nicht steuerbarer Vorgang auf der privaten Vermögensebene einzuordnen wären.
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Aus diesen Gründen ist es nach wie vor eine verfassungsrechtlich vertretbare gesetzgeberische Entscheidung, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - ohne Rücksicht auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit - als Gewerbebetrieb einzuordnen und mit Gewerbesteuer zu belasten.
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c) Auch die daraus resultierende Ungleichbehandlung, dass eine freiberufliche Kapitalgesellschaft anders als eine grundstücksverwaltende Kapitalgesellschaft nicht in die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG einbezogen wird, entbehrt nicht eines hinreichenden sachlichen Grundes. Es ist, wie bereits oben ausgeführt, Sinn und Zweck der erweiterten Kürzung, insbesondere Kapitalgesellschaften, die kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG), hinsichtlich ihrer gewerbesteuerlichen Belastung solchen Einzelpersonen oder Personengesellschaften gleichzustellen, die nicht gewerbesteuerpflichtige Grundstücksverwaltung betreiben (vgl. Roser, a.a.O.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl. 2009, § 9 Nr. 1 Rn. 17, der die Vorschrift als Steuerbefreiungsvorschrift allerdings für "verfassungsrechtlich fragwürdig" hält). Dass der Gesetzgeber damit den ihm zustehenden Differenzierungsspielraum verlassen hätte, ist nicht erkennbar.
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Von der Beschwerdeführerin werden keine überzeugenden Gründe dafür vorgebracht, warum der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet sein sollte, für die freiberuflich betriebene Kapitalgesellschaft eine der Begünstigung des § 9 Nr. 1 Satz 2 ff. GewStG vergleichbare Vorschrift zu schaffen oder sie in die Kürzung einzubeziehen. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, sowohl die vermögensverwaltende als auch die freiberufliche Tätigkeit unterlägen bei Einzelunternehmern und bei Personengesellschaften nicht der Gewerbesteuer und dies müsse daher auch bei Kapitalgesellschaften so sein, lassen noch nicht auf eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung ohne tragfähigen sachlichen Grund schließen. Mit den in Rechtsprechung und Literatur angeführten Unterscheidungsgründen, die die erweiterte Kürzung bei Wohnungsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft rechtfertigen (unter anderem Förderung des sozialen Wohnungsbaus und Begünstigung der häufig eher ertragsschwachen vermögensverwaltenden Tätigkeit im Verhältnis zur Ausübung einer werbenden Tätigkeit, vgl. dazu u.a. BVerfG, Beschluss vom 20. März 1969 - 1 BvR 568/67 -, HFR 1969, S. 348; Roser, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rn. 84 <Mai 2009>), setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Ausführungen, ob und in welchen Umfang diese Gründe auch im Fall der freiberuflichen Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft einschlägig sein sollen, fehlen in der Beschwerdeschrift gänzlich.
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3. Von einer weiteren Begründung, insbesondere im Hinblick auf die weiteren von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Verletzungen grundrechtsgleicher Rechte, wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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