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BFH 02.03.2022 - II B 39/21
BFH 02.03.2022 - II B 39/21 - Einheitsbewertung in Flughafennähe
Normen
§ 88 BewG 1991
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 15. April 2021, Az: 11 K 983/17 Gr,BG, Urteil
Leitsatz
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NV: Bei Ermittlung des Einheitswerts eines flughafennahen Grundstücks sind neben der Beeinträchtigung durch Lärm auch Belastungen durch Abgase und Kerosinreste zu berücksichtigen.
Tenor
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Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15.04.2021 - 11 K 983/17 Gr,BG, soweit es die Klage gegen den Einheitswertbescheid auf den 01.01.2013 abgewiesen hat, sowie im Kostenpunkt aufgehoben.
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Die Sache wird im vorbezeichneten Umfang an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.
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Dem Finanzgericht Düsseldorf wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Miteigentümer eines Grundstücks, auf dem sie im Jahre 2012 ein Einfamilienhaus errichteten. Es befindet sich innerhalb der für die Umgebung des Düsseldorfer Flughafens nach den §§ 2 und 4 i.V.m. Anlage 2 der Fluglärmschutzverordnung Düsseldorf vom 25.10.2011 festgesetzten Tag-Schutzzone 2. Der durch Fluglärm hervorgerufene Dauerschallpegel i.S. des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) übersteigt den Wert von 60 dB(A), nicht aber den Wert von 65 dB(A).
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Am 29.10.2014 erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) auf den 01.01.2013 einen Einheitswertbescheid (Art- und Wertfortschreibung) im Sachwertverfahren sowie einen Grundsteuermessbetragsbescheid. Die Werte wurden im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom 08.03.2017 herabgesetzt. Unverändert blieb der bei Ermittlung des Einheitswerts angesetzte Abschlag von 5 % vom Gebäudewert wegen der flughafennahen Lage.
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Mit der Klage gegen beide Bescheide machten die Kläger geltend, ein Abschlag von nur 5 % entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen am Bewertungsstichtag 01.01.2013. Er sei in den 70er Jahren mit deutlich geringeren flughafenbedingten Belastungen entwickelt worden. Tatsächlich sei für Immobilien in Flughafennähe mit einer Kaufpreisminderung von mindestens 30 % zu rechnen. Durch erhöhtes Flugaufkommen sei der Fluglärm in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen. Abgase und Kerosinausdünstungen, erkennbar etwa an einem schwarzen Film auf den Fensterbänken, machten die Benutzung des Gartens praktisch unmöglich. Sie bewirkten eine erhebliche Feinstaubbelastung und damit erheblich größere gesundheitliche Beeinträchtigungen als man dies früher angenommen habe.
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage gegen den Grundsteuermessbescheid unter Hinweis auf dessen Charakter als Folgebescheid des Einheitswertbescheids, die Klage gegen den Einheitswertbescheid aus materiell-rechtlichen Gründen abgewiesen. Für die Flughafennähe sei es ausreichend, den Wert nach § 88 Abs. 1, 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) um 5 % zu ermäßigen. Wenn auch der ggf. für die tatsächlichen Verhältnisse am Stichtag 01.01.2013 zu bemessende Abschlag sich nach den Umständen des Einzelfalls richte, sei doch eine Typisierung der Beeinträchtigung durch Lärm mit Hilfe der nach § 4 FluLärmG festgesetzten Lärmschutzbereiche zulässig, die insbesondere die persönliche Empfindlichkeit der jeweiligen Bewohner außer Acht lasse. Insbesondere aus Gründen der Gleichbehandlung erweise sich der Abschlag von 5 % als sachgerecht. Die Finanzverwaltungen anderer Bundesländer gewährten für die in einer Tag-Schutzzone 2 belegenen Grundstücke aufgrund von Verfügungen aus den Jahren 2011 bis 2013 ebenfalls Abschläge von bis zu 5 %. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 1089, veröffentlicht.
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Mit ihrer gegen das FG-Urteil insgesamt erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger zum einen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Rechtsfortbildung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Hinblick auf die Frage geltend, inwieweit der Abschlag angesichts der vervielfachten Belastung durch den Flughafenbetrieb unverändert bei 5 % verharren könne. Zum anderen rügen sie einen Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt einer Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO, da das FG sich nur mit dem Fluglärm, nicht jedoch mit den Beeinträchtigungen durch Feinstaub sowie Ablagerungen befasst habe, die durch Abgase und Treibstoffreste entstünden.
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Das FA hat im Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass nach der am 04.05.2021 aktualisierten Verfügung der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen die Lärmbeeinträchtigung in der Tag-Schutzzone 2 der Flughäfen weiterhin mit einem Abschlag von 5 % zu berücksichtigen sei.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Grundsteuermessbetrag betrifft. Die Kläger haben keine Zulassungsgründe gegen die zu Recht auf § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 42 FGO gestützte Abweisung der Klage vorgebracht.
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III.
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Im Übrigen ist die Beschwerde begründet mit der Maßgabe, dass der Rechtsstreit nach § 116 Abs. 6 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird.
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1. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
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a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 und § 119 Nr. 3 FGO verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Der tatsächlichen Würdigung oder der Rechtsansicht eines Beteiligten muss es nicht folgen. Rechtliches Gehör ist erst verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 03.09.2021 - IX B 14/21, BFH/NV 2021, 1488, Rz 10).
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b) Das FG hat nicht erörtert, inwieweit die geltend gemachten Belastungen durch Abgase und Kerosinreste Einfluss auf den Abschlag haben könnten. Ausdrücklich erörtert hat es die Wertminderung durch Lärm. Auch die Verwaltungsverfügungen, auf die es Bezug nimmt, befassen sich jedenfalls ausdrücklich nur mit Beeinträchtigungen durch Lärm. Nach dem Vortrag der Kläger erschöpft sich die Beeinträchtigung durch eine flughafennahe Lage jedoch nicht im Lärm. Diesen weiteren Aspekten ist nachzugehen.
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c) Der Senat vermag nicht entsprechend § 126 Abs. 4 FGO bereits im Beschwerdeverfahren über die Rechtsfrage abschließend zu entscheiden.
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aa) Es ist vorstellbar, dass die durch die Finanzverwaltungen gewährten Abschläge von 5 % darauf zielen, neben der Lärmproblematik alle sonstigen Belastungen durch den Flughafenbetrieb zu erfassen. Dann wäre zu prüfen und zu erörtern, ob es sich dem Grunde nach um eine sachgerechte Typisierung handelt, wenn die ausgewiesenen Schutzzonen über das FluLärmG formell allein an die Lärmbelastung anknüpfen, und ob die Höhe der Abschläge unter Einbeziehung stofflicher Immissionen angemessen ist. Das ist nicht ausgeschlossen, steht aber auch nicht fest.
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bb) Es ist aber auch möglich, dass die nicht in Lärm bestehenden Beeinträchtigungen eines Grundstücks durch flughafennahe Lage bisher von Seiten der Finanzverwaltung nicht bedacht wurden und deshalb auch nicht Eingang in die typisierenden Verwaltungsvorschriften gefunden haben. Die nicht ohne Weiteres und nicht unmittelbar sichtbare Feinstaubbelastung und deren Bedeutung war in früheren Jahrzehnten, in denen die ersten Verfügungen zu Wertabschlägen wegen Flughafennähe erlassen wurden, der Öffentlichkeit kaum bewusst. In diesem Falle wäre zu prüfen und zu erörtern, ob und ggf. in welchem Umfange dieser Umstand im Rahmen von § 88 BewG berücksichtigt werden muss.
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2. Zur Straffung des Verfahrens verweist der Senat den Rechtsstreit bereits im Beschwerdeverfahren nach § 116 Abs. 6 FGO zurück. Die weiteren Zulassungsrügen, auf die diese Vorschrift keine Anwendung findet, stehen dem nicht entgegen, denn sie rechtfertigen für sich genommen die Zulassung der Revision nicht. Das auf den Streitfall noch anwendbare Recht der Einheitsbewertung ist auslaufendes Recht und nach Art. 1, 2, 18 Abs. 1, 2 des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) zum 01.01.2022 bzw. 01.01.2025 grundlegend geändert worden. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, deren Spezialfall die Rechtsfortbildungsrevision ist, findet für auslaufendes Recht im Allgemeinen nicht statt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Beschluss vom 14.12.2020 - IV B 27/20, BFH/NV 2021, 538, Rz 7 ff.). Die aufgeworfenen Rechtsfragen knüpfen an eine auslaufende Vorschrift des BewG an. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Darlegung zur grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen auch unter dem durch das künftige Recht gesetzten Rahmen bedurft (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Kläger sind indes mit ihren materiell-rechtlichen Einwendungen für den zweiten Rechtsgang nicht präkludiert.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO und umfasst wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. zu einer solchen Konstellation BFH-Beschluss vom 27.10.2020 - XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459) auch den Streitgegenstand Grundsteuermessbetrag.
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