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BFH 02.12.2021 - VI R 23/19
BFH 02.12.2021 - VI R 23/19 - (§ 34 EStG bei Überstundenvergütungen)
Normen
§ 34 Abs 2 Nr 2 Halbs 2 EStG 2009, EStG VZ 2016
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 23. Mai 2019, Az: 3 K 1007/18 E, Urteil
Leitsatz
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Werden Überstundenvergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet, ist die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren.<rdlink></rdlink>
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23.05.2019 - 3 K 1007/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Gewährung der Tarifermäßigung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Vergütung von Überstunden.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden für das Streitjahr 2016 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger war bei der ... GmbH (GmbH) als Arbeitnehmer nichtselbständig tätig. In den Jahren 2013 bis 2015 hatte er rund 330 Überstunden geleistet. Davon entfielen 115,75 Stunden auf das Jahr 2013, 114,5 Stunden auf das Jahr 2014 und 99,5 Stunden auf das Jahr 2015.
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Mit Vertrag von August 2016 vereinbarte der Kläger mit der GmbH die Aufhebung des Arbeitsvertrags zum 30.11.2016. Der Aufhebungsvertrag sah u.a. vor, dass die GmbH mit der Lohnabrechnung für August 2016 rückwirkend für die Vorjahre die 330 geleisteten und bislang nicht ausgezahlten Überstunden mit einem Betrag von insgesamt ... € brutto vergütet.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gaben die Kläger die für die Überstunden erhaltene Zahlung in der Anlage N unter "Entschädigungen / Arbeitslohn für mehrere Jahre" an.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gewährte die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG auch im Einspruchsverfahren nicht.
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Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1199 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 23.05.2019 - 3 K 1007/18 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die im Streitjahr ausgezahlten Überstundenvergütungen nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern sind.
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1. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz EStG).
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a) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. Senatsurteile vom 03.07.1987 - VI R 43/86, BFHE 150, 431, BStBl II 1987, 820; vom 07.08.2014 - VI R 57/12, und vom 07.05.2015 - VI R 44/13, BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890). Die mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu (Senatsurteile vom 16.12.1996 - VI R 51/96, BFHE 182, 161, BStBl II 1997, 222; in BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890, und vom 31.08.2016 - VI R 53/14, BFHE 255, 120, BStBl II 2017, 322).
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b) Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen (Senatsurteile in BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890, und in BFHE 255, 120, BStBl II 2017, 322).
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c) Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit kann insbesondere auch eine Lohnnachzahlung für vorangegangene Veranlagungszeiträume sein (Senatsurteile vom 10.06.1983 - VI R 106/79, BFHE 138, 454, BStBl II 1983, 575; vom 28.09.1984 - VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117; vom 10.06.1983 - VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642; vom 22.07.1993 - VI R 104/92, BFHE 171, 555, BStBl II 1993, 795, und vom 14.10.2004 - VI R 46/99, BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289). Dabei steht der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen (Senatsurteile vom 11.06.1970 - VI R 338/67, BFHE 99, 306, BStBl II 1970, 639, und in BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289). Voraussetzung ist nur, dass der Zufluss insgesamt mehrere Jahre betrifft (Senatsurteile vom 17.07.1970 - VI R 66/67, BFHE 99, 381, BStBl II 1970, 683, und in BFHE 206, 573, BStBl II 2005, 289).
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2. Die genannten Grundsätze gelten auch für den Fall der nachträglichen Auszahlung von Überstundenvergütungen, soweit die Vergütungen für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (so auch Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 34 Rz 33; Schiffers in Korn, § 34 EStG Rz 59). Umfasst der Zeitraum, für den Überstunden veranlagungszeitraumübergreifend vergütet werden, mehr als zwölf Monate, ist danach die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG zu gewähren.
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3. Im Streitjahr hat die GmbH dem Kläger Überstundenvergütungen für die Jahre 2013 bis 2015 ausbezahlt. Mithin handelt es sich nach den angeführten Rechtsgrundsätzen um ein zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit. Für die veranlagungszeitraumübergreifende Vergütung der Überstunden war daher die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren.
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4. Schließlich liegen im Streitfall auch wirtschaftlich vernünftige Gründe für eine Zusammenballung vor. Denn die Abgeltung der Überstunden erfolgte aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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