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BFH 18.09.2018 - XI R 36/16
BFH 18.09.2018 - XI R 36/16 - Zum Erlass von Säumniszuschlägen im Billigkeitsverfahren
Normen
§ 227 AO, § 240 Abs 1 S 1 AO, § 240 Abs 1 S 4 AO, § 357 Abs 3 S 3 AO, § 361 AO
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 24. November 2016, Az: 10 K 3370/14, Urteil
Leitsatz
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1. Säumniszuschläge sind nicht wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige seinen vom Finanzamt zurückgewiesenen Einspruch gegen die teilweise Ablehnung von AdV trotz entsprechender Ankündigung nicht begründet .
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2. Ob zum Zeitpunkt der AdV-Versagung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids vorgelegen haben, ist im Billigkeitsverfahren nicht zu überprüfen .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 24. November 2016 10 K 3370/14 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Revision des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der u.a. Einnahmen aus einem Bestattungskostenunterstützungsfonds, der Organisation von Pilgerreisen und des Kurban (islamische Opfergabe --"Kurbanspenden"--) erhielt.
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Für 2000 bis 2006 gab der Kläger Körperschaftsteuererklärungen ab, in denen er nur geringe bzw. keine Einnahmen aus den vorgenannten Tätigkeiten erklärte.
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Nach Durchführung einer Außenprüfung für den Zeitraum 1995 bis 2005 und hierauf basierender Schätzungen für die Jahre 2006 bis 2008 wurden mit Bescheiden vom 25. März 2010 erhebliche Steuernachforderungen festgesetzt. Dabei wurden u.a. die Einnahmen aus Kurbanspenden sowie Zinsen aus der Türkei der Besteuerung unterworfen.
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Der Kläger legte gegen die Bescheide jeweils Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Eine Begründung der Einsprüche, die u.a. auch Ausführungen zu den Kurbanspenden enthielt, erfolgte mit Schreiben vom 25. Mai 2010.
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Mit Bescheid vom 23. Juli 2010 bewilligte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bezüglich der Berechnung der Einkünfte aus dem Bestattungskostenunterstützungsfonds teilweise AdV. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Außerdem wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom gleichen Tag die Einsprüche bezüglich der Steuerfestsetzungen 2000 bis 2008 zurück.
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Gegen die teilweise Ablehnung der AdV legte der Kläger Einspruch ein. In dem Schreiben heißt es weiter:
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"Zur Begründung unseres Standpunkts beantragen wir Begründungsfrist bis zum 25.9.2010.
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Die Darlegung der ernstlichen Zweifel und des Umfangs der ernstlichen Zweifel soll im Zusammenhang mit der anstehenden Klagebegründung vorgelegt werden."
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Der Einspruch wurde vom FA mit Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2013 als unbegründet zurückgewiesen, nachdem die angekündigte Begründung nicht vorgelegt worden war. Beim Finanzgericht (FG) stellte der Kläger keinen Antrag auf AdV der Körperschaftsteuerbescheide 2000 bis 2008.
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In dem Klageverfahren wegen Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 (10 K 2696/10) vertrat das FG in der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2013 die vorläufige Auffassung, dass die Einnahmen aus Kurbanspenden eindeutig nicht steuerpflichtig seien und bei den Zinsen aus der Türkei zumindest fraglich sei, wem diese zuzurechnen seien. Daraufhin verständigten sich die Beteiligten u.a. dahingehend, dass Einnahmen aus Kurbanspenden und Einkünfte aus Kapitalvermögen entfielen. Die Änderungsbescheide wurden bestandskräftig.
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Der Kläger beantragte am 28. Januar 2014, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 zu erlassen.
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Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2014 als unbegründet zurück.
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Die anschließende Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG verpflichtete das FA, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 zu erlassen, soweit sie auf die Einbeziehung der Kurbanspenden in die festgesetzte Körperschaftsteuer entfallen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
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Der Erlass der mit den Kurbanspenden in Zusammenhang stehenden Säumniszuschläge sei zu gewähren, da insoweit die AdV durch das FA möglich und geboten gewesen sei, denn deren Nichtsteuerbarkeit habe im AdV- und Einspruchsverfahren erkannt werden müssen. Dass der Kläger seinen steuerlichen Erklärungspflichten nicht bzw. nur rudimentär nachgekommen sei, habe diesbezüglich keine Bedeutung. Anders verhalte es sich mit dem Komplex "Türkeizinsen". Dort habe das FA gewichtige Anhaltspunkte für eine Zurechnung der Zinsen beim Kläger und für deren Steuerpflicht gehabt. Damit sei die Nichtgewährung von AdV zumindest nicht erkennbar fehlerhaft gewesen.
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Der Kläger habe in Bezug auf die Kurbanspenden auch alles getan, um eine AdV durch das FA zu erlangen. Ein erfolgloser Antrag auf AdV beim FG sei insofern nicht erforderlich, da auch das FA eine an Recht und Gesetz gebundene Behörde sei und einem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könne, wenn er sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit der (Einspruchs-)Entscheidung der Behörde zufrieden gebe.
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Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 363 veröffentlicht.
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Gegen das Urteil haben beide Beteiligte Revision eingelegt.
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Das FA macht mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend. Ein Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen Billigkeitsgründen sei nur möglich, wenn der Steuerpflichtige auch alles getan habe, um einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Dazu gehöre die Ausschöpfung der Rechtsmittel, die hier nicht erfolgt sei, bzw. die Möglichkeit, bei Gericht AdV zu beantragen. Insofern verweist es auf Nr. 5 Buchst. f des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 240. Auch insgesamt sei aus dem Verhalten des Klägers --fehlende Mitwirkung im Festsetzungsverfahren, weder Einspruchsbegründung noch Erhebung einer Untätigkeitsklage-- kein ernsthafter Wille zu erkennen gewesen, AdV zu erlangen. Vielmehr habe er selbst zum Anwachsen der Säumniszuschläge beigetragen.
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Im Übrigen käme allenfalls ein Erlass der Säumniszuschläge ab dem 12. September 2013 in Betracht, da der Kläger erst an diesem Tag in der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache 10 K 2696/10 entscheidend zur Sachaufklärung beigetragen habe und frühestens ab diesem Zeitpunkt begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Körperschaftsteuerbescheide bestanden hätten.
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Das FA beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Vorentscheidung im Umfang der Klageabweisung aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16. Oktober 2014 und der Einspruchsentscheidung vom 29. Oktober 2014 zu verpflichten, die Säumniszuschläge zur Körperschaftsteuer 2000 bis 2008 auch insoweit zu erlassen, als sie auf die Einbeziehung der Zinsen aus der Türkei in die festgesetzte Körperschaftsteuer entfallen, sowie die Revision des FA zurückzuweisen.
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Er tritt der Revision des FA entgegen und trägt vor, dass ernstliche Zweifel an der Einbeziehung sowohl der Kurbanspenden als auch der Türkeizinsen bereits bei Entscheidung des FA über die AdV vorgelegen hätten, denn in der mündlichen Verhandlung seien keine neuen Tatsachen vorgetragen worden.
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Mit seiner im Umfang der Klageabweisung eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen Rechts.
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Er macht geltend, dass die Würdigung des Sachverhalts bezüglich der Türkeizinsen durch das FG widersprüchlich sei. Zum einen habe es festgestellt, dass die Nichtgewährung von AdV durch das FA nicht erkennbar fehlerhaft gewesen sei. Dies sei nur möglich, wenn keine Zweifel vorgelegen hätten. Zum anderen habe das FG aber in der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache 10 K 2696/10 die Zurechnung der Zinsen beim Kläger aber als zumindest fraglich angesehen. Ein Verstoß des FG gegen § 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liege ebenso darin, dass es --wie der Kläger ferner vorbringt-- seine Einwendungen gegen die Zurechnung der Türkeizinsen in seinem Schriftsatz vom 21. September 2016 nicht zur Kenntnis genommen habe. Außerdem macht der Kläger geltend, vom FG sei nicht ermittelt und festgestellt worden, welche "gewichtigen Anhaltspunkte" für die Zinszurechnung dem FA vorgelegen hätten (§ 76 Abs. 1 FGO). Insofern fehle es auch an einer Begründung des Urteils (§ 119 Nr. 6 FGO).
Entscheidungsgründe
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II.
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A. Die Revision des FA ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO); denn die Ermessensentscheidung des FA über die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen ist nicht zu beanstanden.
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1. Nach § 227 der Abgabenordnung (AO) können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach der Lage des einzelnen Falls --aus persönlichen oder sachlichen Gründen-- unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen einschließlich der nach § 240 Abs. 1 AO entstehenden Säumniszuschläge (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. März 2016 III R 2/15, BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 27; BFH-Beschluss vom 2. März 2017 II B 33/16, BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 14).
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Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Nach § 102 FGO ist die gerichtliche Prüfung des den Erlass ablehnenden Bescheides und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
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2. Sachlich unbillig ist die Festsetzung bzw. Einziehung einer Steuer oder Nebenleistung, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint.
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a) So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- i.S. der begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteile vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505; vom 24. April 2014 V R 52/13, BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106, Rz 10; in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 28; jeweils m.w.N.).
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b) Bei der Billigkeitsprüfung müssen solche Umstände außer Betracht bleiben, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt in der Regel keine Billigkeitsmaßnahme; insbesondere kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen (BFH-Urteil in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 28, m.w.N.).
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3. Gemäß § 240 Abs. 1 Satz 1 AO sind Säumniszuschläge zu entrichten, falls eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird, ohne dass es auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen ankommt (BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 32, m.w.N.). Säumniszuschläge sind allerdings nicht verwirkt, soweit die Vollziehung des Steuerbescheids ausgesetzt ist (BFH-Urteil in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 30; BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 15).
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Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben die verwirkten Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer aufgehoben oder geändert wird. Diese Regelung gilt uneingeschränkt auch für die Beseitigung rechtswidriger Steuerfestsetzungen, da die Vollstreckbarkeit eines Steuerbescheids nicht von seiner Bestandskraft abhängt.
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a) Der Grundsatz der Akzessorietät, nach dem Säumniszuschläge als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO) grundsätzlich vom Bestehen der ihnen zugrunde liegenden Steuerschuld abhängig sind, wird durch diese Vorschrift nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 7/4292, S. 39) durchbrochen (BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 V R 42/08, BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 20 f., m.w.N.). Die darin liegende Härte war dem Gesetzgeber bewusst und rechtfertigt daher regelmäßig nicht den Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Gründen (BFH-Urteile vom 30. März 2006 V R 2/04, BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612; in BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 21).
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b) Diese Regelung ist verfassungsgemäß, weil dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen durch die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Steuerfestsetzung selbst hinreichend Genüge getan ist (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1986 2 BvR 1336/85, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1986, 101; BFH-Beschluss vom 16. September 2004 V B 221/03, juris, Rz 15; BFH-Urteile in BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612, unter II.2.a, Rz 18; in BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 21).
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c) Deshalb kommt ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht allein deshalb in Betracht, weil die Steuerfestsetzung zu Gunsten des Steuerpflichtigen herabgesetzt worden ist oder möglicherweise geändert werden wird (BFH-Urteile in BFHE 212, 23, BStBl II 2006, 612, unter II.2.a, Rz 18; in BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 22).
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4. Allerdings sind Säumniszuschläge wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn die Steuerfestsetzung später aufgehoben wird und der Steuerpflichtige alles getan hat, um die AdV des Steuerbescheids zu erreichen, das FA oder das FG aber die Aussetzung "obwohl möglich und geboten" abgelehnt hat (vgl. BFH-Urteile vom 29. August 1991 V R 78/86, BFHE 165, 178, BStBl II 1991, 906; in BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 22; in BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106, Rz 12; in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 31; BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2001 X B 161/00, BFH/NV 2002, 7, unter 1.a, Rz 4; in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 16).
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a) In derartigen Fällen ist das Ermessen so reduziert, dass nur der Erlass der Säumniszuschläge ermessensfehlerfrei ist (BFH-Urteil in BFHE 229, 83, BStBl II 2010, 955, Rz 30; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 240 AO Rz 57).
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b) Ein Erlass kommt hingegen nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige sich nicht um die AdV bemüht hat oder wenn die Vollziehung zu Recht nicht ausgesetzt worden ist, weil --z.B. in Schätzungsfällen-- keine ernstlichen Zweifel bestanden und der Steuerbescheid erst aufgrund nachgereichter Steuererklärungen aufgehoben worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 245, 105, BStBl II 2015, 106, Rz 12, m.w.N.; in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 31; BFH-Beschluss in BFHE 257, 27, BStBl II 2017, 646, Rz 16).
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c) Der Steuerpflichtige muss zumindest gegenüber dem FA alles tun, um AdV zu erlangen. Dazu muss er sich soweit substantiiert um einstweiligen Rechtsschutz bemüht haben, dass eine summarische Prüfung Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung hätte ergeben können. Dies schließt eine Begründung des Einspruchs im Rahmen des geforderten Bemühens um einstweiligen Rechtsschutz mit ein, da nach § 357 Abs. 3 Satz 3 AO mit Einspruchseinlegung auch die Tatsachen, die zur Begründung dienen, und die Beweismittel angeführt werden sollen.
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d) Zu keiner anderen Beurteilung führt, dass die Finanzbehörde im AdV-Verfahren zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen verpflichtet bleibt (§ 88 AO); denn es darf diese auf die dargelegte zweifelhafte Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts begrenzen (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 361 AO Rz 719). Die summarische Prüfung kann sich --ebenso wie die finanzgerichtliche Prüfung-- insofern auf den Sachverhalt beschränken, der sich aus dem Vortrag des Antragstellers und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 31. März 2016 XI B 13/16, BFH/NV 2016, 1187, Rz 14; Birkenfeld in HHSp, § 361 AO Rz 727; jeweils m.w.N.). Da auch in diesem Verfahren die Regeln über die objektive Beweislast (Feststellungslast) gelten, ist es Sache des Antragstellers, die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570, Rz 35; Gosch in Gosch, FGO § 69 Rz 174; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Rz 123).
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e) Entsprechend kommt ein Erlass nicht in Betracht, wenn Anträge auf AdV nicht "ernsthaft" bzw. nachvollziehbar begründet wurden (BFH-Urteil in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 32; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. September 2013 4 L 205/12, juris, Rz 33; Pflaum, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2016, 592; Bleschick, EFG 2017, 365).
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5. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die im Streitfall vom FA getroffene Entscheidung, Säumniszuschläge nicht zu erlassen, ermessensfehlerfrei, denn der Kläger hat gegenüber dem FA nicht alles (Erdenkliche) getan, um AdV zu erlangen, so dass sein Verhalten den Anforderungen nicht genügt, die für einen Erlass an das Bemühen des Steuerpflichtigen zu stellen sind.
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a) Ein im vorgenannten Sinne substantiierter Vortrag und entsprechende Begründung des Einspruchs gegen die Ablehnung der AdV erfolgte durch den Kläger im Streitfall weder zu den Kurbanspenden noch den Türkeizinsen.
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aa) Hinsichtlich der Zinsen aus der Türkei war weder im AdV-Antrag vom 21. April 2010 noch in der Begründung vom 25. Mai 2010 erkennbar, aus welchen Gründen sich der Kläger gegen deren Ansatz wehrte.
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bb) Zu den Kurbanspenden wurde vom Kläger in der Begründung vom 25. Mai 2010 des gleichzeitig mit dem Antrag auf AdV eingelegten Einspruchs gegen die Steuerbescheide zwar Stellung genommen. Aber im Einspruchsschreiben gegen die AdV-Ablehnung vom 23. August 2010 wurde lediglich eine Begründungsfrist bis zum 25. September 2010 beantragt. Außerdem hieß es dort: "Die Darlegung der ernstlichen Zweifel und des Umfangs der ernstlichen Zweifel soll im Zusammenhang mit der anstehenden Klagebegründung vorgelegt werden". Bis zur Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2013 erfolgte im Einspruchsverfahren gegenüber dem FA jedoch keine weitere Stellungnahme.
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b) Damit hat der Kläger nicht alles getan, um einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen. Weder genügt insofern eine etwaige spätere Begründung im Hauptsacheverfahren, ohne hierauf im AdV-Verfahren zu verweisen, noch die Bezugnahme auf eine zukünftige Begründung in einem anderen Verfahren.
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c) Sofern sich der Kläger nunmehr im Revisionsverfahren darauf beruft, dass in der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache (10 K 2696/10) am 12. September 2013 keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien und insofern davon auszugehen sei, dass sein vorhergehender Vortrag ausreichend gewesen sei, da das FG damals bereits Zweifel an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich beider Komplexe geäußert habe, ist dieser Vortrag unbeachtlich.
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Abgesehen davon, dass es sich hierbei um neuen --und somit im Revisionsverfahren grundsätzlich unbeachtlichen-- Sachvortrag handelt, ist bei der Beurteilung, ob der Kläger sich ausreichend um einstweiligen Rechtsschutz bemüht hat, auf den Zeitpunkt der (ablehnenden) AdV-Entscheidung abzustellen (Gosch in Gosch, FGO, § 69 Rz 176). Dies ist im Streitfall der 15. Januar 2013, an dem das FA mit Einspruchsentscheidung entschieden hat.
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d) Im Ergebnis kommt es somit im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Kläger außerdem finanzgerichtlichen Rechtsschutz hätte in Anspruch nehmen müssen.
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B. Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Die von ihm gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
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1. Soweit der Kläger geltend macht, dass vom FG nicht ermittelt und festgestellt worden sei, welche "gewichtigen Anhaltspunkte" für die Zinszurechnung dem FA vorgelegen hätten (§ 76 Abs. 1 FGO), und es insofern auch an einer Begründung des Urteils fehle (§ 119 Nr. 6 FGO) bzw. die Würdigung des FG hinsichtlich des Vorliegens von Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Erfassung der Türkeizinsen widersprüchlich sei, greifen seine Rügen die vom FG vorgenommene Überprüfung der AdV-Entscheidung an.
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2. Unabhängig davon, ob diese Rügen entsprechend den Vorgaben aus § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO hinreichend dargelegt wurden und rechtzeitig erfolgten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. Oktober 2003 III R 4/03, juris, Rz 10; vom 5. Oktober 2017 VIII R 13/14, BFH/NV 2018, 27, Rz 40; jeweils m.w.N.), kann im Ergebnis dahinstehen, ob das FA "gewichtige Anhaltspunkte" oder gewichtige Zweifel i.S. des § 361 Abs. 2 Satz 2 AO hätte haben müssen. Denn einer dahingehenden inzidenten Überprüfung der AdV-Entscheidung im Billigkeitsverfahren bedurfte es nicht.
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a) Ob zum Zeitpunkt der AdV-Versagung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide i.S. von § 361 Abs. 2 Satz 2 AO bzw. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO vorgelegen haben, d.h. die Entscheidung bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag des Klägers und der Aktenlage ergab, rechtmäßig war, ist nicht zu überprüfen (BFH-Urteile vom 26. Januar 1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695, unter 2.a, Rz 17; in BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 26; Verwaltungsgericht --VG-- Magdeburg, Urteil vom 30. Oktober 2012 9 A 126/12, juris, Rz 23; VG Potsdam, Urteil vom 26. Februar 2014 8 K 1031/12, Landes- und Kommunalverwaltung --LKV-- 2014, 236, Rz 28; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. August 1995 1 K 2134/93, EFG 1995, 1093; Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl., § 240 Rz 65; a.A. im Sinne einer vollen Überprüfung der AdV-Entscheidung: VG München, Urteil vom 12. November 2015 M 10 K 14.4662, juris, Rz 39; FG München, Urteil vom 21. Mai 2013 10 K 1310/10, juris, Rz 47).
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b) Zwar erfordert die Prüfung, ob sachliche Unbilligkeit vorliegt, zugleich eine Entscheidung darüber, ob AdV "obwohl möglich und geboten" abgelehnt wurde, jedoch ist damit keine inzidente Rechtmäßigkeitskontrolle der AdV-Entscheidung verbunden.
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aa) Zum einen würde einem --eventuell abweichenden-- Prüfungsergebnis bereits die materielle Bindungswirkung der im Eilverfahren ergangenen Entscheidung entgegenstehen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil in EFG 1995, 1093; VG Potsdam, Urteil in LKV 2014, 236, Rz 28). Auch würde es --bei gerichtlich versagter AdV-- möglicherweise zu divergierenden gerichtlichen Entscheidungen kommen.
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bb) Zum anderen soll und kann das Erlassverfahren nicht dazu dienen, die Säumnis des Steuerpflichtigen in Bezug auf das Ergreifen von Rechtsbehelfen durch die Anwendung des § 227 AO auszugleichen (VG Magdeburg, Urteil vom 30. Oktober 2012 9 A 126/12, juris, Rz 23; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. September 2009 4 BV 07.498, Bayerische Verwaltungsblätter 2010, 667, Rz 31; BFH-Beschlüsse vom 30. September 2015 I B 62/14, BFH/NV 2016, 369, Rz 5; vom 31. Mai 2017 I R 77/15, BFH/NV 2017, 1409, Rz 15 f.; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 21 Rz 338). Eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitskontrolle, obwohl Rechtsmittel versäumt wurden, stellt das Erlassverfahren, das insbesondere unter Beachtung des einzelfallspezifischen Verhaltens des Steuerpflichtigen einen gesetzgeberischen Überhang korrigieren soll, nicht zur Verfügung. Im Streitfall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber dem FA nicht alles getan hat, um AdV zu erlangen.
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3. Den weiteren gerügten Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO hat der erkennende Senat geprüft. Er erachtet diese Rüge indes nicht für durchgreifend und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.
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