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BFH 08.11.2017 - IX R 36/16
BFH 08.11.2017 - IX R 36/16 - Vermietung und Verpachtung - Erwerb von Miteigentumsanteilen - Werbungskosten - tatsächliche Würdigung
Normen
§ 96 Abs 1 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 133 BGB, § 157 BGB
Vorinstanz
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 21. März 2016, Az: 6 K 189/12, Urteil
nachgehend Sächsisches Finanzgericht, 3. April 2018, Az: 6 K 32/18, Urteil
nachgehend BFH, 4. Dezember 2018, Az: IX B 54/18, Beschluss
nachgehend Sächsisches Finanzgericht, 2. Januar 2019, Az: 6 K 69/19, Beschluss
Leitsatz
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NV: Berücksichtigt das FG bei der tatsächlichen Würdigung den unwidersprochenen Sachvortrag des Klägers in einem wesentlichen Punkt nicht, ist der BFH an die tatsächliche Feststellung nicht gebunden.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 21. März 2016 6 K 189/12 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war gemeinsam mit seiner Großmutter und seinem Vater Miteigentümer zu 1/3 eines von den Eigentümern selbst genutzten Hauses. Im Gebäude befinden sich drei Wohnungen, für die sich die Eigentümer jeweils schuldrechtlich das alleinige Nutzungsrecht unter Ausschluss der anderen Miteigentümer eingeräumt hatten. Auf eigene Kosten baute der Kläger das Dachgeschoss des Hauses aus und erweiterte so die von ihm allein genutzte Wohnfläche auf 115 qm von insgesamt 215 qm.
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Mit notariellem Vertrag vom 13. November 2006 erwarb der Kläger die anderen Miteigentumsanteile zum Preis von 130.000 € hinzu. Als weitere Gegenleistung räumte er seiner Großmutter und seinen Eltern jeweils schuldrechtlich ein persönliches, lebenslanges und entgeltliches Wohnungsrecht an den von ihnen jeweils bewohnten Wohnungen ein und schloss mit ihnen entsprechende Mietverträge. Den Kaufpreis und die Erwerbsnebenkosten finanzierte der Kläger mit einem Bankdarlehen über 155.000 €.
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In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2008 und 2009) ermittelte der Kläger jeweils Verluste aus Vermietung. Nach seiner Auffassung sind die 2006 angefallenen Anschaffungskosten in voller Höhe den Vermietungsobjekten zuzurechnen. Infolgedessen sind nach seiner Ansicht auch die Schuldzinsen in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ist demgegenüber der Meinung, der Kläger habe den Kaufpreis anteilig auch dafür aufgewandt, um das Alleineigentum an dem selbst geschaffenen Dachausbau zu erwerben. Seine Vermietungsaufwendungen seien deshalb entsprechend zu kürzen. Die Anschaffungskosten entfielen nur zu 69,9 % auf die Vermietungsobjekte (100 qm : 143 qm); Gleiches gelte für die Schuldzinsen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die laufenden Aufwendungen für das gesamte Gebäude nur zu 46,5 % auf die Vermietung entfallen (100 qm : 215 qm). Die Einsprüche des Klägers gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2008 (vom 27. Juli 2010) und den Einkommensteuerbescheid für 2009 (vom 12. Januar 2011) wies das FA als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2012).
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Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision erhebt der Kläger die Sachrüge.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Abänderung der angefochtenen Bescheide jeweils auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärten Zinsen und Absetzungen ungekürzt berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten einer Immobilie zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs. Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Welchem Wirtschaftsgut (Vermögensgegenstand) die Anschaffungskosten zuzurechnen sind, bestimmt sich nach dem Inhalt des Kaufvertrags. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehört die Auslegung von Verträgen dabei zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und bindet das Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist. Umgekehrt entfällt die Bindungswirkung mit der Folge, dass der BFH die Auslegung ggf. selbst vornehmen darf, wenn die Auslegung des FG anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt.
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Das FG hat angenommen, die Anschaffungskosten seien den vom Kläger erworbenen Miteigentumsanteilen und nicht den vermieteten Wohnungen (Objekten i.S. der Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 1. April 2009 IX R 39/08, BFHE 224, 538, BStBl II 2009, 776; vom 9. Oktober 2013 IX R 2/13, BFHE 244, 247, BStBl II 2014, 527) zuzurechnen. Es hat sich dabei auf den Wortlaut des notariellen Vertrags gestützt, jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger nach seinem unwidersprochenen Vortrag den Ausbau des Dachgeschosses selbst bezahlt hatte. Das FG hat damit einen für die Auslegung des Vertrags wesentlichen Gesichtspunkt übergangen, weshalb der BFH an seine Auslegung nicht gebunden ist. Unter Berücksichtigung des gesamten festgestellten Sachverhalts hat der Kläger zivilrechtlich zwar die seinen Eltern und seiner Großmutter gehörenden Miteigentumsanteile erworben. Der Kaufpreis entfiel dabei jedoch in voller Höhe auf die von den Veräußerern selbst bewohnten Wohnungen. Andernfalls hätte der Kläger für den von ihm selbst bereits vollständig bezahlten Dachgeschossausbau anteilig noch einmal bezahlt. Das ist nicht anzunehmen. Hätten die Vertragsparteien dies bedacht, hätten sie eine entsprechende Klarstellung in den Vertrag aufgenommen (Vereinbarung eines höheren Kaufpreises und Minderung um den vom Kläger bereits bezahlten Dachgeschossausbau).
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2. Aus demselben Grund sind auch die Schuldzinsen aus dem 2006 aufgenommenen Finanzierungsdarlehen in voller Höhe durch die Erzielung der Vermietungseinkünfte veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes).
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, in welcher Höhe vom Kläger Absetzungen für Abnutzung abgesetzt werden können, wenn die Anschaffungskosten in voller Höhe den vermieteten Objekten zugeordnet werden. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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