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BFH 07.02.2017 - X S 31-36/16 (PKH), X S 31/16 (PKH), X S 32/16 (PKH), X S 33/16 (PKH), X S 34/16 (PKH), X S 35/16 (PKH), X S 36/16 (PKH)
BFH 07.02.2017 - X S 31-36/16 (PKH), X S 31/16 (PKH), X S 32/16 (PKH), X S 33/16 (PKH), X S 34/16 (PKH), X S 35/16 (PKH), X S 36/16 (PKH) - Angemessenheit der Dauer von Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde und sonstigen Beschwerdeverfahren vor dem BFH
Normen
§ 198 Abs 1 GVG, § 198 Abs 3 S 3 GVG, § 198 Abs 5 S 1 GVG, § 114 ZPO, § 128 FGO
Leitsatz
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1. NV: Die Dauer eines vor dem BFH geführten Verfahrens über eine Nichtzulassungsbeschwerde ist im Regelfall noch angemessen, wenn sie einen Zeitraum von zwölf Monaten nicht überschreitet (Anschluss an die entsprechende Rechtsprechung des BSG und BVerwG) .
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2. NV: Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren --etwa wegen der eindeutig erkennbaren Unzulässigkeit der Beschwerde-- keine besonderen Schwierigkeiten aufweist, weil es in diesem Fall auch umgekehrt für den Beschwerdeführer nur von sehr geringer Bedeutung ist .
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3. NV: Für sonstige Beschwerden i.S. des § 128 FGO gilt die für Nichtzulassungsbeschwerden entwickelte Regelvermutung der Angemessenheit bei einer Gesamtverfahrensdauer von nicht mehr als zwölf Monaten jedenfalls dann, wenn sie mit einer Nichtzulassungsbeschwerde in Sachzusammenhang stehen und eine einheitliche Entscheidung daher im Sinne der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist .
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4. NV: Die sechsmonatige Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG zwischen der Erhebung der Verzögerungsrüge und der Entschädigungsklage ist zwar nicht anzuwenden, wenn das Ausgangsverfahren bereits in allen Instanzen rechtskräftig abgeschlossen ist. Sie ist jedoch zu beachten, wenn im Ausgangsverfahren eine Anhörungsrüge erhoben wurde .
Tenor
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Die Verfahren X S 31-36/16 (PKH) werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
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Die Anträge werden abgelehnt.
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Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
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I. Die --bisher nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene-- Antragstellerin erhob am 25. Januar 2016 beim Niedersächsischen Finanzgericht (FG) Klage im Zusammenhang mit einem Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2014. Das FG führte am 2. März 2016 die mündliche Verhandlung durch und wies mit Urteil vom selben Tage die Klage ab.
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Im Zusammenhang mit diesem Klageverfahren erhob die Antragstellerin die folgenden Rechtsmittel beim Bundesfinanzhof (BFH):
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Nichtzulassungsbeschwerde gegen das FG-Urteil vom 2. März 2016 (VII B 37/16; Eingang beim BFH am 4. April 2016);
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Beschwerde gegen zwei Beschlüsse des FG vom 2. und 15. März 2016, mit denen jeweils Anträge, den dortigen Senatsvorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, abgelehnt wurden (VII B 38/16; Eingang beim BFH am 23. März 2016);
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Beschwerde gegen einen Beschluss des FG vom 2. März 2016, mit dem ein Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter des FG-Senats abgelehnt wurde (VII B 39/16; Eingang beim BFH am 4. April 2016);
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Beschwerde gegen einen Beschluss des FG vom 18. April 2016, mit dem ein Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter des FG-Senats abgelehnt wurde (VII B 63/16; Eingang beim BFH am 13. Mai 2016);
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Beschwerde gegen einen Beschluss des FG vom 19. April 2016, mit dem die von der Antragstellerin gegen den Ansatz des Gerichtskostenvorschusses für das Klageverfahren eingelegte Erinnerung zurückgewiesen wurde (VII B 64/16; Eingang beim BFH am 13. Mai 2016);
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Beschwerde gegen einen Beschluss des FG vom 26. April 2016, mit der von der Antragstellerin gestellte Anträge auf Aussetzung der Vollziehung bzw. Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wurden (VII B 65/16; Eingang beim BFH am 13. Mai 2016).
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Am 23. August 2016 erhob die Antragstellerin in allen genannten Verfahren Verzögerungsrügen.
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Der BFH verwarf sämtliche Beschwerden mit Beschlüssen vom 9. November 2016, die am 16. Dezember 2016 an die Antragstellerin abgesandt worden sind, als unzulässig, weil der vor dem BFH geltende Vertretungszwang nicht beachtet worden sei. Hiergegen hat die Antragstellerin Anhörungsrügen erhoben (VII S 60-65/16), über die noch nicht entschieden ist.
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Am 28. Dezember 2016 erhob die Antragstellerin Entschädigungsklagen (X K 8-13/16) wegen der aus ihrer Sicht gegebenen unangemessenen Dauer der vor dem BFH geführten Verfahren VII B 37-39/16 und VII B 63-65/16. Zugleich beantragte sie die Beiordnung eines Rechtsanwalts, was der Senat zusätzlich als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) ausgelegt hat.
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Eine Begründung ihrer Entschädigungsklagen hat die Antragstellerin --trotz entsprechenden Hinweises-- nicht vorgelegt. Sie ist der Auffassung, die Angemessenheit der Verfahrensdauer sei von Amts wegen zu prüfen.
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Nach einem entsprechenden Hinweis der Senatsvorsitzenden hat die Antragstellerin den Vordruck der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Darin hat sie jedoch --mit Ausnahme der Angabe, sie verfüge über eine Rechtsschutzversicherung-- keine Eintragungen vorgenommen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Anträge haben keinen Erfolg.
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1. Die Anträge sind zulässig. Insbesondere konnten sie durch die Antragstellerin selbst auch ohne Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten wirksam gestellt werden. Denn für PKH-Anträge gilt der in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnete Vertretungszwang nicht (BFH-Beschluss vom 16. September 2010 XI S 18/10 (PKH), BFH/NV 2010, 2295).
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2. Die Anträge sind jedoch nicht begründet.
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PKH erhält auf entsprechenden Antrag ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--).
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Vorliegend ist weder erkennbar, dass die Antragstellerin die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (dazu unten a) noch bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg (dazu unten b).
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a) Gemäß § 115 ZPO hat die Antragstellerin ihr Einkommen und Vermögen einzusetzen. Der Senat konnte nicht feststellen, ob das Einkommen und Vermögen der Antragstellerin nicht ausreicht, um die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen zu können, da die Antragstellerin den Vordruck der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse --trotz eines entsprechenden Hinweises der Senatsvorsitzenden-- nicht ausgefüllt hat. Unklar ist zudem, ob eine Übernahme der Kosten durch die von der Antragstellerin unterhaltene Rechtsschutzversicherung möglich ist.
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b) Darüber hinaus sind die PKH-Anträge auch --und vor allem-- deshalb unbegründet, weil die erhobenen Entschädigungsklagen keine Aussicht auf Erfolg haben.
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aa) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grundsätzlich keine unangemessene Verfahrensdauer i.S. des § 198 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) anzunehmen, wenn ein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwölf Monaten nach seinem Eingang abgeschlossen wird (Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 21. Februar 2013 B 10 ÜG 1/12 KL, BSGE 113, 75, Rz 32; im Ergebnis ebenso für ein Verfahren auf Zulassung der Berufung Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 29. Februar 2016 5 C 31/15 D, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2016, 3464).
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Der beschließende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung auch für Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde an, die vor dem BFH geführt werden. Entscheidungserhebliche Unterschiede zu derartigen Verfahren, die vor dem BSG geführt werden, oder zu Verfahren über die Zulassung der Berufung vor einem Oberverwaltungsgericht bestehen insoweit nicht.
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Vorliegend war das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren VII B 37/16 vom Zeitpunkt seines Eingangs bis zur Absendung des verfahrensabschließenden Beschlusses ca. 8 1/2 Monate beim BFH anhängig. Damit ist die Zwölf-Monats-Frist bei Weitem nicht erreicht.
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Im Interesse der erforderlichen Typisierung und Vereinfachung gilt die Regelvermutung einer angemessenen Verfahrensdauer bei Einhaltung einer Gesamtbearbeitungszeit von zwölf Monaten auch dann, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde --wie hier-- eindeutig unzulässig ist und ihre Bearbeitung daher keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Denn dem geringen Schwierigkeitsgrad des Verfahrens steht gegenläufig eine entsprechend geringe Bedeutung eines solchen Rechtsmittelverfahrens für den Beteiligten gegenüber, der hier von Anfang an unschwer erkennen konnte, dass die von ihm erhobene Beschwerde unzulässig ist (vgl. zu beiden Aspekten § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG).
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Ein Grund für eine besondere Beschleunigung des Verfahrens und die Nichtanwendung der Regelvermutung besteht allerdings insbesondere dann, wenn der Beteiligte hierfür bereits im Ausgangsverfahren besondere Umstände geltend macht (vgl. § 198 Abs. 3 Satz 3 GVG). Dies ist in den von der Antragstellerin geführten Beschwerdeverfahren aber nicht geschehen. Sie hat insbesondere in den Verzögerungsrügen nicht auf ein besonderes Eilbedürfnis hingewiesen. Ein solches ist vielmehr bis heute nicht erkennbar.
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bb) Der Senat kann im vorliegenden Verfahren offen lassen, ob für sonstige Beschwerden i.S. des § 128 FGO ebenfalls eine typisierende Regelbearbeitungsfrist entwickelt werden kann. Die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens über derartige Beschwerden richtet sich jedenfalls dann nach den Grundsätzen, die für Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entwickelt worden sind, wenn die sonstigen Beschwerden mit einer Nichtzulassungsbeschwerde in Sachzusammenhang stehen und eine einheitliche Entscheidung daher im Sinne der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist. Dies war hier der Fall, da sowohl die Beschwerden als auch die Nichtzulassungsbeschwerde sich auf dasselbe finanzgerichtliche Verfahren bezogen und dieses bereits abgeschlossen war, es also nicht um --ggf. eilbedürftige-- Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen während eines noch laufenden Klageverfahrens ging.
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Die Bearbeitungsdauer im Beschwerdeverfahren VII B 38/16 betrug knapp neun Monate, im Verfahren VII B 39/16 ca. 8 1/2 Monate und in den Verfahren VII B 63-65/16 gut sieben Monate. Dies lässt unter den Umständen des Streitfalls keine unangemessene Verfahrensdauer erkennen.
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cc) Zusätzlich steht den Erfolgsaussichten der Entschädigungsklagen entgegen, dass die Antragstellerin die in § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG geforderte sechsmonatige Wartefrist zwischen der Erhebung der Verzögerungsrügen (hier 23. August 2016) und der Erhebung der Entschädigungsklagen nicht eingehalten hat.
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Zwar ist diese Sechs-Monats-Frist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Fällen, in denen das Ausgangsverfahren bereits in sämtlichen Instanzen rechtskräftig beendet ist, nicht anzuwenden (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 21. Mai 2014 III ZR 355/13, NJW 2014, 2443, Rz 17, und vom 17. Juli 2014 III ZR 228/13, NJW 2014, 2588, Rz 18). Vorliegend sind aber gegen sämtliche Beschlüsse des VII. Senats des BFH in den Ausgangsverfahren Anhörungsrügen erhoben worden (VII S 60-65/16). Das Verfahren der Anhörungsrüge und das vorangegangene Hauptsacheverfahren bilden für Zwecke der Entschädigungsklage ein einheitliches Verfahren (BGH-Urteil in NJW 2014, 2443, Rz 10). Daher ist in den vorliegenden Fällen die Einhaltung der sechsmonatigen Wartefrist zu fordern.
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3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. In Ermangelung eines Gebührentatbestands nach dem Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz (GKG) werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 3 Abs. 2 GKG). Kosten, die dem Gegner entstanden sind, werden nicht erstattet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
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