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BFH 14.04.2016 - VI R 14/14
BFH 14.04.2016 - VI R 14/14 - Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Anfechtung der Annahme der Erbschaft keine außergewöhnliche Belastung
Normen
§ 33 Abs 1 EStG 2009, § 33 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2010, § 1943 BGB
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 22. Januar 2014, Az: 4 K 1961/12, Urteil
Leitsatz
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NV: Hatte der berufene Erbe die Erbschaft zunächst angenommen, sind Rechtsanwaltskosten, die aufgrund der Anfechtung der Annahme der Erbschaft entstanden sind, nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2014 4 K 1961/12 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2010) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.242 € als außergewöhnliche Belastungen geltend, die aufgrund der angestrebten Rückgängigmachung einer Erbenstellung der Klägerin entstanden waren. Der Erbfall war mit dem Tod des Vaters der Klägerin im Jahre 1999 eingetreten.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Kosten im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 24. Januar 2012 nicht. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) im Hinblick auf das Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) stattgab.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2014 4 K 1961/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).
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a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).
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b) Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
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c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.
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2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
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a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.
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b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen allerdings in der Sache selbst entscheiden. Die von der Klägerin getragenen Rechtsanwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.
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aa) Der berufene Erbe hat das Recht, die Erbschaft auszuschlagen (§ 1942 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Wird die Erbschaft ausgeschlagen, gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Der berufene Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen hat (vgl. § 1943 BGB) oder die Frist für eine Ausschlagung verstrichen ist (§ 1944 BGB).
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bb) Nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte die Klägerin die Erbschaft zunächst angenommen. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten entstanden aufgrund der Anfechtung der Annahme der Erbschaft. Im Streitfall kann offenbleiben, ob die Klägerin damit die wesentliche Ursache für das Entstehen der als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt hat und ihr diese bereits deshalb nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 EStG entstanden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391; Senatsurteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902).
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Denn die Klägerin lief nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
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Zum einen fehlt es an Feststellungen dazu, welche zum Nachlass gehörenden Vermögenspositionen vorhanden waren, mit denen die Schulden ggf. hätten getilgt werden können. Zum anderen liegt eine Existenzbedrohung auch aus Rechtsgründen nicht vor. Es gilt der Grundsatz der unbeschränkten, aber beschränkbaren Erbenhaftung (Staudinger/Dutta, BGB, Vorbem. zu §§ 1967 bis 2017, Rz 8, 9). Der Erbe kann die Haftung auf den Nachlass beschränken, indem er z.B. die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB erhebt oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt (§§ 315 ff. der Insolvenzordnung). Bis zur Teilung des Nachlasses haften Miterben zudem nur beschränkt (§ 2059 BGB). Einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens haben die Erben nach eigenen Angaben der Klägerin auch tatsächlich gestellt.
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Da danach die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nicht vorlagen, war die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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