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BFH 09.03.2016 - IV S 2/16
BFH 09.03.2016 - IV S 2/16 - Aufhebung der Beiordnung eines Notanwalts bei tiefgreifender Störung des Vertrauensverhältnisses
Normen
§ 155 FGO, § 78b ZPO, § 78c ZPO, § 48 Abs 2 BRAO
Leitsatz
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1. NV: Die Beiordnung eines Notanwalts ist aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend gestört ist. Das Vertrauensverhältnis kann in dieser Weise gestört sein, wenn der Mandant mutwillig auf bestimmtem Sachvortrag des Rechtsanwalts besteht oder den Entzug des Vertrauens gegenüber dem Gericht äußert .
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2. NV: Die Beiordnung eines Notanwalts für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erstreckt sich im Erfolgsfall auch auf das anschließende Revisionsverfahren .
Tenor
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Der Antrag des Rechtsanwalts X vom 4. März 2016 auf Aufhebung der Beiordnung zu dem Verfahren IV R 6/16 wird abgelehnt.
Tatbestand
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I. Mit Beschluss vom 23. April 2015 IV S 4/15 hat der Senat Rechtsanwalt X in M (Antragsteller) den heutigen Klägern und Revisionsklägern (Kläger) für das Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2015 4 K 1102/14 als Notanwalt gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) beigeordnet. Die nach Bevollmächtigung durch die Kläger vom Antragsteller eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die Revision wurde durch Beschluss des Senats vom 2. Februar 2016 IV B 26/15 zugelassen.
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Mit Schreiben vom 4. März 2016, beim Bundesfinanzhof eingegangen am 4. März 2016, beantragt der Antragsteller, seine Beiordnung gemäß § 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) aus wichtigem Grund aufzuheben. Der Antragsteller sieht sich an einer Vertretung der Kläger gehindert, weil aufgrund eines sachlich nicht gerechtfertigten und mutwilligen Verhaltens der Kläger weder deren Beratung noch Vertretung sachgerecht möglich sei.
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Bereits im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde hätten die Kläger an den Schriftsätzen "herumgenörgelt" und aus anwaltlicher Sicht nicht angezeigte Ergänzungen verlangt. Vor der jetzt anstehenden Revisionsbegründung hätten sie erneut angekündigt, dass die Schriftsätze nach ihren Vorstellungen zu fertigen seien und hätten sofortige Vorlage des Entwurfs zum Zweck der Überarbeitung gefordert. Außerdem habe es Diskussionen über Vorschussrechnungen gegeben. Insgesamt sei das Vertrauensverhältnis zwischen den Klägern und ihm, dem Antragsteller, so nachhaltig gestört, dass ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung vorliege.
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Zur Glaubhaftmachung seiner Darstellung legt der Antragsteller Kopien des E-Mail-Verkehrs mit den Klägern vor.
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Dieselben und weitere E-Mails hatten zuvor schon die Kläger selbst mit Schreiben vom 25. Februar 2016 an das Gericht übersandt, um den Senat "über folgenden Schriftwechsel in Kenntnis zu setzen".
Entscheidungsgründe
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II. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Der stattgefundene Schriftwechsel ist noch kein wichtiger Grund, der die Aufhebung der Beiordnung rechtfertigt.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Insbesondere hat der Antragsteller ein Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der Beiordnung, denn die Beiordnung hat sich mit der Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht erledigt. Sie gilt nach § 78b Abs. 1 ZPO für den jeweiligen Rechtszug. Darunter ist in einem Verfahren gegen ein Urteil eines Finanzgerichts, gegen das keine Revision zugelassen worden ist, sowohl das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde als auch das sich im Erfolgsfall anschließende Revisionsverfahren zu verstehen. Dass beide Verfahren Teile eines einheitlichen Verfahrens im Rechtszug vor dem Revisionsgericht sind, folgt schon daraus, dass das Beschwerdeverfahren nach Zulassung der Revision gemäß § 116 Abs. 7 Satz 1 FGO als Revisionsverfahren fortgesetzt wird. Die Beiordnung wirkt danach im Streitfall auch für das Revisionsverfahren und die jetzt vorzulegende Revisionsbegründung.
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2. Der Antrag ist derzeit nicht begründet.
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a) Nach § 48 Abs. 2 BRAO kann der gemäß §§ 78b, 78c ZPO beigeordnete Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend gestört ist (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 48 Rz 19; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 121 Rz 33 f.; MünchKommZPO/Toussaint, 4. Aufl., § 78c Rz 13). Das Vertrauensverhältnis kann etwa gestört sein, wenn der Mandant mutwillig auf bestimmtem Sachvortrag des Rechtsanwalts besteht oder seinerseits den Entzug des Vertrauens gegenüber dem Gericht äußert. Insbesondere kann das Verlangen des Mandanten, die Revisionsbegründung nach eigenen Vorgaben zu verfassen, eine Störung des Vertrauensverhältnisses bewirken (vgl. etwa Beschlüsse des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10. August 1998 VI ZR 174/97, Entscheidungssammlung zum Familienrecht, ZPO § 78b Nr. 1, und vom 13. September 2013 V ZR 136/13, Anwaltsblatt 2013, 826). Eine Entpflichtung des Anwalts kann jedenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Aufnahme evident unerheblicher Ausführungen in den Schriftsatz zur Begründung eines Rechtsmittels verlangt wird (BGH-Beschluss vom 16. September 2015 V ZR 81/15, Neue Juristische Wochenschrift 2016, 81). Auch die Weigerung zur Zahlung des angemessenen Gebührenvorschusses kann ein wichtiger Grund zur Aufhebung der Beiordnung sein.
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b) Angesichts des strengen Maßstabs, der an die Annahme eines wichtigen Grundes i.S. des § 48 Abs. 2 BRAO anzulegen ist (BGH-Beschluss vom 15. September 2010 IV ZR 240/08, RVGreport 2011, 37), ist im Streitfall nach dem bisherigen Vorbringen des Antragstellers und der Kläger noch nicht von einer so tiefgreifenden Störung des Vertrauensverhältnisses auszugehen, dass dem Antragsteller ein Tätigwerden für die Kläger nicht mehr zugemutet werden kann. Allerdings ist das Vertrauensverhältnis durch das Verhalten der Kläger bereits so erkennbar erschüttert, dass bei weiteren Störungen das Stadium eines wichtigen Grundes für die Aufhebung der Beiordnung erreicht werden kann.
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Zwar haben die Kläger dem Antragsteller noch keine Weisungen zur inhaltlichen Abfassung der Revisionsbegründung erteilt. Ihre Aufforderung, die Begründung umgehend zur Billigung vorgelegt zu bekommen, weist allerdings schon in diese Richtung. Eine derartige Weisung könnte den Antragsteller zu einem neuerlichen Antrag auf Aufhebung der Beiordnung veranlassen, dem dann ggf. zu entsprechen wäre. Denn es steht dem Zweck des Vertretungszwangs in einem Verfahren vor einem obersten Bundesgericht entgegen, den Rechtsanwalt Weisungen seines Mandanten zur Abfassung von Schriftsätzen zu unterwerfen, weil der Vertretungszwang der Stärkung der Rechtspflege durch Vermeidung unzulässiger und unsachgerecht geführter Verfahren dienen soll (vgl. BGH-Beschluss vom 18. Dezember 2013 III ZR 122/13, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2014, 378).
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Auch haben sich die Kläger gegenüber dem Gericht noch nicht in der Weise geäußert, dass darin ein Entzug des Vertrauens gegenüber dem Antragsteller zu sehen ist. Denn wie sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergibt, wünschen die Kläger ausdrücklich eine weitere Vertretung durch den Antragsteller, so dass die Äußerung gegenüber dem Gericht nicht als negative Wertung der Arbeit des Antragstellers angesehen werden muss. Die Information des Gerichts über den internen Schriftverkehr ist aber schon als gravierende Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt zu würdigen, woraus sich nur deshalb noch kein Entpflichtungsgrund ergibt, weil die Angaben gegenüber dem Gericht nicht mit Negativäußerungen gegenüber dem Antragsteller verbunden waren (vgl. zu Negativäußerungen gegenüber dem Gericht etwa BGH-Beschlüsse vom 31. Oktober 1991 XII ZR 212/90, NJW-RR 1992, 189, und in RVGreport 2011, 37).
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Der Senat kann schließlich nach Aktenlage auch nicht feststellen, dass die Kläger den geforderten Honorarvorschuss in angemessener Höhe nicht gezahlt haben. "Diskussionen" über Honorarforderungen sind für sich genommen noch kein wichtiger Grund für die Aufhebung einer Beiordnung.
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c) Sollten im Lauf des weiteren Verfahrens weitere von den Klägern zu vertretende Umstände auftreten, die die Aufhebung der Beiordnung nach sich ziehen würden, wäre den Klägern kein anderer Notanwalt beizuordnen. Denn wenn das Vertrauensverhältnis zu dem beigeordneten Anwalt durch sachlich nicht gerechtfertigtes und mutwilliges Verhalten der Partei zerstört worden ist und dies die Entpflichtung des Anwalts nach § 48 Abs. 2 BRAO verursacht hat, besteht kein Anspruch auf die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts; ein solches Verlangen ist dann vielmehr rechtsmissbräuchlich (BGH-Beschluss in NJW-RR 1992, 189).
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3. Das Verfahren über einen Antrag auf Aufhebung der Beiordnung nach § 48 Abs. 2 BRAO ist ebenso wie das Beiordnungsverfahren ein unselbständiges Zwischenverfahren, für das Gebühren nicht entstehen.
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