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BFH 28.08.2014 - V B 28/14
BFH 28.08.2014 - V B 28/14 - Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung auf Umsätze von Gewerbebetrieben kraft Rechtsform; Entstehung der Steuerschuld bei der Nachberechnung von Umsatzsteuer
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 13 Abs 1 Nr 3 UStG 2005, § 14c Abs 1 UStG 2005, § 24 Abs 2 UStG 2005, § 24 Abs 4 UStG 2005, Art 25 EWGRL 388/77, UStG VZ 2008, Art 295 EGRL 112/2006
Vorinstanz
vorgehend Thüringer Finanzgericht, 28. November 2013, Az: 1 K 439/10, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein land- oder forstwirtschaftlicher Gewerbebetrieb kraft Rechtsform kann sich entweder auf die unionsrechtlich zulässige Besteuerung seiner Umsätze nach Durchschnittssätzen berufen oder aber die bestehende gesetzliche Regelbesteuerung wählen.
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2. NV: Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG entsteht eine nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG geschuldete Steuer auch im Falle der überhöhten Nachberechnung von Umsatzsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist (Anschluss an BFH-Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 44/12, DStR 2014, 1673).
Gründe
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Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
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1. Die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) liegt nicht vor.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Oktober 2011 V B 15/11, BFH/NV 2012, 247, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn --wie im Streitfall-- die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 29. April 2010 VI B 153/09, BFH/NV 2010, 1442, m.w.N.).
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a) Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, "ob einem Gewerbebetrieb kraft Rechtsform nach § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG ein Wahlrecht zusteht, die Regelbesteuerung anzuwenden oder ob dies nur gemäß § 24 Abs. 4 UStG möglich ist", ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt und daher nicht mehr klärungsbedürftig.
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aa) § 24 Abs. 2 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) schließt die Besteuerung nach Durchschnittssätzen zwar für land- und forstwirtschaftliche Gewerbebetriebe kraft Rechtsform auch dann aus, wenn im Übrigen die Merkmale eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vorliegen. Art. 25 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG, auf dem die nationale Regelung beruht, enthält diese Einschränkung jedoch nicht. Nach dem BFH-Urteil vom 16. April 2008 XI R 73/07 (BFHE 221, 484, BStBl II 2009, 1024) verstößt der Ausschluss von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben kraft Rechtsform gegen das Neutralitätsprinzip des Gemeinschaftsrechts, sodass diese Vorschrift nicht anzuwenden sei (BFH-Urteil in BFHE 221, 484, BStBl II 2009, 1024, Leitsatz). Daraus ergibt sich jedoch --entgegen der Ansicht der Klägerin-- kein generelles Anwendungsverbot für § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG. Denn das supranationale Recht der Europäischen Union entfaltet keine rechtsvernichtende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht, sondern drängt nur dessen Anwendung insoweit zurück, wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben. Mitgliedstaatliches Recht wird somit lediglich im Umfang der Unionsrechtswidrigkeit unanwendbar (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juli 2011 1 BvR 1916/09, Le Corbusier, BVerfGE 129, 78, Leitsatz 1e sowie Rz 81 sowie Senatsurteil vom 8. August 2013 V R 3/11, BFHE 242, 535, BStBl II 2014, 46, Rz 28).
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Dies entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Danach sind die nationalen Gerichte bei einem Widerspruch zwischen den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts und den Bestimmungen des Unionsrechts gehalten, für die volle Wirksamkeit des Unionsrechts Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne dass die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragt oder abgewartet werden müsste (EuGH-Urteil vom 26. Februar 2013 C-617/10, Fransson, Neue Juristische Wochenschrift 2013, 1415, Rdnr. 45). In Übereinstimmung hiermit kann sich der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des Senats auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber richtlinienwidrigen Regelungen des nationalen Rechts berufen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Oktober 2013 V R 17/13, BFHE 243, 456, BFH/NV 2014, 284, unter II.2.a, sowie vom 11. Oktober 2012 V R 9/10, BFHE 238, 570, BFH/NV 2013, 170).
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Unter Berufung auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber der richtlinienwidrigen Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG hat ein land- und forstwirtschaftlicher Unternehmer in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft somit Anspruch auf Besteuerung seiner Umsätze nach Durchschnittssätzen (vgl. Lange in Offerhaus/Söhn/Lange, § 24 UStG Rz 45; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 11 Rz 122, sowie Birkenfeld § 22 Rz 82; Tehler, UR 2005, 367). Da der Unternehmer aber auch eine richtlinienwidrige Regelbesteuerung akzeptieren kann, hat er die Wahl zwischen beiden Besteuerungsformen. Dem entspricht die Auffassung der Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Dezember 2009 (BStBl I 2009, 1611), wonach ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht, sich entweder auf die bestehende gesetzliche Regelung in § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG oder auf die ergangene Rechtsprechung zu berufen.
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bb) Eine Rechtsfrage, die --wie im vorliegenden Fall-- vom BFH bereits geklärt ist, bedarf im Regelfall keiner erneuten Klärung im Revisionsverfahren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. November 2012 III B 138/11, BFH/NV 2013, 372, und vom 7. Juni 2006 II B 129/05, BFH/NV 2006, 1616). Angesichts der vorliegenden Rechtsprechung hätte die Klägerin begründen müssen, weshalb sie gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. Hierzu hätte die Klägerin substantiiert vortragen müssen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich bereits beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere, welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 895). Das ist vorliegend nicht geschehen. Neue, bislang vom BFH nicht berücksichtigte Gesichtspunkte, die eine weitere Entscheidung durch den BFH erforderlich machen, hat die Klägerin nicht dargelegt.
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b) Auch die weitere Rechtsfrage, "ob die Steuer i.S.v. § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung entsteht oder gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer für die Lieferung entsteht", ist durch das UStG und die dazu ergangene Rechtsprechung des BFH bereits geklärt.
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aa) Nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) entsteht die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen "im Fall des § 14c Abs. 1 in dem Zeitpunkt, in dem die Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung nach Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b Satz 1 entsteht, spätestens jedoch im Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung".
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Da der Steuertatbestand bei einer zu hoch ausgewiesenen Steuer die Ausgabe der Rechnung ist, hat der V. Senat mit Urteil vom 8. September 2011 V R 5/10 (BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620) entschieden, dass für die Entstehung der Steuerschuld auf die Ausstellung der Rechnung abzustellen ist (BFH-Urteil in BFHE 235, 481, BStBl II 2012, 620, unter II.3.). In Übereinstimmung damit hat der XI. Senat des BFH im Falle einer Nachberechnung von Umsatzsteuer mit Urteil vom 5. Juni 2014 XI R 44/12 (Deutsches Steuerrecht --DStR- 2014, 1673) entschieden, dass bei richtlinienkonformer Auslegung des § 14c Abs. 1 UStG die geschuldete Mehrsteuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die berichtigte Rechnung erteilt worden ist (BFH-Urteil in DStR 2014, 1673, Leitsatz 2).
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bb) Eine Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf Abschn. 13.7 Satz 2 Beispiel 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, wonach beim Ausweis eines höheren Steuerbetrages die Steuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 erster Halbsatz UStG bereits in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Steuer für die Lieferung oder sonstige Leistung entsteht. Denn der BFH hat im o.g. Urteil in BB 2014, 2005, unter II.3.c entschieden, dass --entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung-- auch im Falle einer überhöhten Nachberechnung von Umsatzsteuer die nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldete Steuer nicht vor Ablauf des Voranmeldungszeitraums entstehen, in dem die Rechnung erteilt worden ist.
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c) Soweit die Klägerin die Fragen aufwirft, "ob der Steuerpflichtige sich auf § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG berufen kann" und "ob § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG gegen Unionsrecht verstößt", verweist der Senat auf seine Ausführungen unter 1.a aa.
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2. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Denn auch dieser Zulassungsgrund erfordert eine bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfrage, die in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsbedürftig, entscheidungserheblich und auch klärbar ist (BFH-Beschluss vom 24. August 2010 VI B 14/10, BFH/NV 2011, 24). Daran fehlt es, da die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits geklärt sind.
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3. Soweit die Klägerin sinngemäß rügt, das Finanzgericht (FG) sei nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung einer zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteuer eingegangen, macht sie im Ergebnis die Nichtanwendung bzw. eine fehlerhafte Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 3 UStG und damit einen materiellen Rechtsfehler des FG-Urteils geltend. Damit lässt sich die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510, unter 1.).
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4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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